Full text: Zeitungsausschnitte über Holbein

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44 
Mittwoch, 25. October. 
Abenu emeütspyeise: 
Im NordcL Eunde: t In Preussen tritt jährlich 
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Dresdner Journals; 
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J.ujilte, Bullicr <& Co.; Wien: Al. Oppelilc; Stuttgarts 
Daube & Co. 
Herausgeber: 
Königl. Expedition des Dresdner Journals, 
Dresden, Margarethengasse No. 1. 
Amtlicher Theil. 
Dresden, 23. October. Seine Hoheit der Herzog 
von Braun schweig ist heute Abend 6 Uhr von Si 
byllenort hier eingetroffen und im „Hotel de Saxe" ab 
getreten. 
Nichtamtlicher Theil. 
Telegraphische NachrickLerr. 
Berlin, Dienstag, §4.October, Nachmittags. 
(W. T. B.) In der heutigen Sitzung LeS Reichs' 
tags erfolgte zunächst die Beantwortung der In 
terpellation deS Abg. Richter, betreffend die Zu 
rückhaltung der Reservisten. 
Der Kriegsminister v. Noon erwidert, die meisten 
der vom Interpellanten hervorgehobenen Mißstände seien 
bereits erledigt. Von den 31,000 noch unter der Fahne 
zurückgehaltenen Reservisten würden 8130 mit der Rück- 
kehr der 11. nnd der 24. Division entlassen. Durch die 
Reduction der in Frankreich zurückbleibenden Bataillone 
kamen 4824 zur Entlassung. Nach Ablauf der Uebnngs- 
zeit in Elsaß-Lothringen kämen 2700, durch Recrutennach- 
schub5506, mithin im Ganzen zwei Drittheile der obigen 
Summe inWegfall. Bezüglich der Eavalerie sei aus techni 
schen Gründen allerdings nöthig, sogenannteNcmontereiter 
einznbehalten, wovon Einzelne bis Milte nächsten Som 
mers bei den Regimentern bleiben müssen. Den ein 
jährig Freiwilligen ist durch kaiserliche Entschließung 
jede mögliche Erleichterung gewährt worden. 
Hierauf wird die Wahl des Freiherrn v. Lo« 
(Düsseldorf) für ungiltig erklärt. Dagegen erklärt 
das HauS das Rcichötagsmandat deS Abg. Dr. 
Biedermann (Sachsen) als nicht erloschen. DaS 
Post- und Posttaxgefetz werden in erster und zwei- 
ter Lesung genehmigt. Das Gesetz, betreffend die 
Zurückzahlung der 5% Anleihe des vormaligen 
Norddeutschen Bundes vom 21. Juli 1870 (vgl. 
den gestrigen Sitzungsbericht in der Beilage), wird 
in zweiter Berathung angenommen. Nächste Sitz- 
ung morgen. 
Hamburg, Montag, 23. October, Abends. 
(W. T. B.) Bei den heutigen BürgerschastSwahlm 
wurden in 7 von 0 Bezirken die Candioaten der 
Freihandelspartei mit großer Majorität gewählt. 
Das Resultat von 2 Wahlbezirken ist noch nicht 
bekannt. 
Wien, Dienstag, 24. October. (W. D. B.) 
Graf Elam-Martinih und Dr. Ricger sind heute 
hier -nngetroffen, un» mit dem Ministerpräsidenten 
Grafen Hohenwart über das kaiserliche Antwort- 
rescript aus die Adresse deS böhmischen Landtags 
zu unterhandeln. 
Paris, Montag, 23. October. (W.T.B.) Die 
Bank giebt die früher verpönten päpstlichen Silber- 
münzen aus. (Vgl. unter „Tagesgeschichte".) 
Versailles, Montag, 23. October. (W.T.B.) 
Der Ministerrath beschloß, der Nationalversamm- 
lung daö Verbannungidecret der ganzen Familie 
Napoleon zu unterbreiten. 
Brüssel, Montag, 23. October, Abends. (W. 
T. B.) Die „Jndöpendance belge" meldet auSVer 
sailles, cs seien Unterhandlungen im Gange wegen 
gänzlicher Räumung Frankreichs seiten der deut- 
fchen Truppen. 
Bern, Montag, 23. October, Abends. (W.T. 
B.) Die ständige Commission für den Gotthard- 
bahnbau hat heute den Vertrag, betreffend die Geld- 
beschaffung, sowie die Statuttn einstimmig ratifi- 
cirt. Letzter« zufolge ist die Stelle eines Direktors 
der Gotlhardbahn unvereinbar mit der Führung 
eines andern Directoriums. Zum Sitze der Ver 
waltung wurde Luzern mit 1401 von 1945 Stirn- 
men gewählt. 
Rom, Montag, 23. October. (W. T. B.) Die 
„Opinione" meldet, daß durch königliches Decret 
die gegenwärtige Session der Kammern geschloffen 
und die neue Session am 27. November eröffnet 
werden soll. 
London, Montag, 23. October, Morgens. 
(W. T. B.) Die „Times" veröffentlicht Mitthei 
lungen über die Unterredung eines ihrer Mitar 
beiter mit dem Kaiser Napoleon, denen zufolge der 
Kaiser erklärt habe, er glaube nicht an eine Bo 
napartistische Verschwörung, weil Frankreich sich 
von seinem Unglück ruhig erholen müsse und das 
gegenwärtige Provisorium keine Negierungsform 
ausschließe; auch könne kein Kammerbeschluß, son- 
dern nur ein regelrechtes Plebiscit ihm das von 
der Nation übertragene Mandat nehmen. Den 
Offizieren, welche sich, als durch ihr Wort gebun 
den, an ihn gewandt hätten, habe er das Verbleiben 
im Dienste ihres Landes gestattet. 
Die „Timeö" widerspricht der von dem „Reu- 
ter'schen Bureau" gebrachten Nachricht, daß die 
Landung deS Prinzen Napoleon ohne Störung ab 
gelaufen fei; vielmehr seien zwischen den hinge 
schickten Chaffeurofsizieren und den Verabschiedeten 
Zwistigkeiten vorgefallen, welche die Behörden zu 
strengem Einschreiten veranlaßten. 
Dresden, 24. October. 
Die officiöse „Wiener Ab end post" polemisirt 
gegen einen Artikel der „N. fr. Pr.", in welchem diese 
den Widerstand oberösterreichischer Gemein 
den gegen den als illegal betrachteten Landesausschuß 
als einen „gesetzlichen" bezeichnet hatte, in folgender 
Weise: „Die „Neue freie Presse" bespricht heute in 
einem „Der gesetzliche Widerstand" überschriebenen Ar 
tikel die gegen die oberöstcrreichischen Gemeindevertre 
tungen, welche es unternommen haben die Legalität des 
neugewählten Landesausschnsscs in Frage zu ziehen, ge 
richtete Auflösungsordre der Regierung und und eröff 
net eine Perspective über die Dimensionen, welche der 
„gesetzliche Widerstand" annehmen werde, nnd über den 
aufreibenden Kampf, welcher der Regierung gegen den 
selben bevorstehe. Die Annahme, daß es sich in dem 
speciell besprochenen sowie in den in Aussicht genom 
menen Fällen um einen „gesetzlichen" Widerstand 
handle, ist grundfalsch. Die Gemeindevertretung, welche 
die Legalität des Landesausschusses in Frage zieht, be 
findet sich nicht mehr auf gesetzlichem Boden, sie über 
schreitet den durch Art. V des Gesetzes vom 5. März 
1862 ihr gesteckten Wirkungskreis und bietet eben da 
durch der Regierung die int Art. XVI des genannten 
Gesetzes gegebene Handhabe, die Auflösung der Gemeinde 
vertretung zu verfügen. Und eben so ungesetzlich wird 
jeder Vorgang seilt, wo sich außerhalb des Reichstes 
stehende Körperschaften ein Urtheil über die Legalität 
Denn nach den bestehenden Ge- 
Ministerimn Hohenwart unbequem sein, das glauben 
wir; aber ungesetzlich haben sie nicht gehandelt. Uns 
fällt nicht ein, die Auflösungsordre eine ungesetzliche 
zu nennen, denn die Staatsverwaltung ist souverän in 
ihrem Auflösungsrechte, und wir sehen diesen Maß 
regelungen mit allem Bewußtsein der Unverwüstbarkeit 
unseres guten Rechtes entgegen; aber daß es „„der 
gesetzliche' Widerstand"" sei, den die Verfassungspartei 
übt, das zu bestreiten wird Keinem gelingen." 
Tagrsgrschichte. 
B. Berlin, 23. October. Die erste Lesung des 
Entwurfs, betreffend die Bildung eines Reichskricgs- 
schatzes, gab heute zu lebhaften Erörterungen im Reichs 
tage Anlaß, ließ aber erkennen, daß derselbe, trotz sei 
ner Verweisung an die Budgetcommission, mit großer 
Mehrheit angenommen werden wird. Sodann wurde 
die erste Lesung des Entwurfs, Kündigung der Kriegs 
anleihen betreffend, vorgenommen und die zweite Le 
sung auf die Tagesordnung von morgen gesetzt. Hier 
bei gab der Reichskanzleramtspräsident eine Uebersicht 
der bisherigen Verwendungen aus der französischen 
Kriegskostenentschädigung. Bei der, den Schluß der 
Sitzung bildenden, zweiten Lesung des Entwurfs, be 
treffend die Controle des Reichsetats für 1871, griff 
der Abg. Richter das Verfahren der preußischen Ober 
rechnungskammer in einer Weise wiederholt an, die zu 
lebhaften Protesten des preußischen Finanzministers 
führte. In der Sache selbst wurde ein Antrag der 
Fortschrittspartei,', gewisse Normative für den deutschen 
Rechnungshof schon jetzt aufzustellen, abgelehnt und 
nur eine v. Benda'sche vermittelnde Resolution ange 
nommen. (Vgl. den Sitzungsbericht in der Beilage.) 
* Berlin, 23. October. Die vereinigten Ausschüsse 
des Bundesrathes für Zoll- nnd Steuerwesen und 
für auswärtige Angelegenheiten traten gestern zu einer 
Sitzung zusammen. Der Vuudcsrath und der Aus 
schuß desselben für Rechnungswesen hielten heute Sitzun 
gen ab. — Gestern früh starb, nach kurzem Unwohlsein, 
am Schlagflusse der Unterstaatssecretär im Ministerium 
der geistlichen re. Angelegenheiten, Lehnert, im 64. 
Lebensjahre. Derselbe gehörte seit Ende 1848 dem 
Cultusministerium an. — Der „D. R.-A." enthält 
eine Bekanntmachung des Krtegsministeriums vom 16. d., 
wonach die Bestimmung im Artikel 3 der zwischen dem 
Norddeutschen Bunde und dem Königreiche Württemberg 
unter dem 21.—25. November 1870 abgeschlossenen 
Militärconvention, welcher zufolge die königlich würt- 
iembergi scheu Truppen das XIV. deutsche Bun- 
desarmeeeorps zu bilden haben, im Einverständniß beider 
.contrahirenden Theile dahin abgeändert worden ist, 
i 
desselben anmaßen. 
setzen ist eben nur der Landtag beziehungsweise der daß das königlich Württembergische Ärmeecorps als XIII 
$Y}<d 1 ^2v,-,+ü WnfiM, sic ßüiriVsuMhiniA iiiw sh* ünTnfimm Bundesarmeecvrps dem deutschen Reichsheere eingereiht 
VwtvS CT'iov flOiMti* - CTVmrAViit 11 
Reichsrath berufen, die Entscheidung über die Zulassung 
der Gewählten zu treffen. Diese Körperschaften con- 
stituiren sich selbst, insoweit nicht die Krone die Ernen 
nung der Functionäre vorbehalten. Die Nichtachtung die 
ser gesetzlichen Bestimmungen kann man als Widerstand, 
gewiß aber nicht als „gesetzlichen" Widerstand bezeichnen. 
Am richtigsten wird für solches Vorgehen die Bezeichnung 
„Auflehnung" sein nnd zwar nicht nur Auflehnung 
gegen das bestehende Gesetz, sondern auch gegen das 
Grundprincip des Constitntionalismns, welches Achtung 
der Majoritätsbeschlüsse fordert. Eben auf dem streng 
gesetzlichen Standpunkte, ans welchem sich die Regie 
rung solchen Vorgängen gegenüber befindet, wird sie 
nnd jede Regierung die unversiegbare Kraft finden, 
denselben Widerstand zu leisten, nnd in den Gesetzen 
findet sie auch reichlich die Mittel, um die Herrschaft 
des Gesetzes zu sichern." — Die „Neue freie Presse" 
ihrerseits beharrt dabei, daß die Gemeindevertretungen 
von Oberösterreich vollkommen gesetzlich gehandelt hätten, 
nnd meint, das halbamtliche Blatt sollte sich hüten, 
von „Auflehnung" gegen das Gesetz zu sprechen, denn 
so lange nicht tschechische Geschworne die Justiz in ganz 
Oesterreich üben, werde das genannte Negierungsorgan 
wohl lange warten, bis cs einen Richter finden wird, 
der diese Auffassung theile. Zum Schluß sagt sie: „Die 
Gemeindevertretungen von Steyr nnd Wels mögen dem 
wird. — Der „Neue Social-Demokrat" veröffentlicht 
den Statutenentwurf, welchen der von den Dele- 
girten der Arbeitervereinigungen Berlins ge 
wählte, aus dreißig Mitgliedern aller Gcwerbszweige 
bestehende, provisorische Ausschuß einem Congresse der 
Arbeiterbcvölkerung Berlins vorzulegen gedenkt. Der 
Bund der Berliner Arbeiter hat den Zweck, „durch ge- 
nieinsames Handeln der Berliner Arbeiter die Lage der 
selben zu verbessern, und zwar durch allmähliche Ver 
kürzung der Arbeitszeit bis auf 9 Stunden täglich, 
Abschaffung der Nacht- und Sonntagsarbeit, Erhöhung 
der Löhne und Wahrung der persönlichen Ehre und 
Freiheit der Arbeiter". Die Erreichung dieses Zieles 
erstrebt der Bund „durch planmäßiges Vorgehen der 
Arbeitercorporationen bei Stellung ihrer berechtigten 
Forderungen, und falls die letzteren nicht auf gütlichem 
Wege durchgesetzt werden, durch organisirte Strikes". 
Zur Erreichung seiner Zwecke gründet der Bund eine 
Bundesstrikekasse für Berlin. Strikes müssen 14 Tage 
vor ihrem Ausbruch dem Bundesausschnsfe angezeigt 
werden; geschieht dies nicht, so geht das Recht ans 
Unterstützung verloren. Der Bundcsausschuß befindet 
binnen 48 Stunden darüber, „ ob Strikes gerechtfertigt 
und zeitgemäß sind nnd demnächst unterstützt werden 
können". — Die Tischlergesellen hielten gestern im 
Saale des Handwerkervereins eine Generalversammlung 
ab, die von etwa 250 Personen besucht war. Der 
Vorsitzende der Strikecommission, Schmitz, bedauerte, 
daß nur eine sehr geringe Zahl von Gesellen anwesend 
sei, es sei dies ein Zeichen, daß wieder Lauheit ein 
reiße. Eine Frage, warum man den Strike erst jetzt 
für beendet erkläre, während man am 11. d. M. be 
reits keine Unterstützung gezahlt hätte, beantwortet der 
Vorsitzende Schmitz dahin, daß die Cvmmissson so ent 
schieden habe, und da habe der Einzelne nicht das Recht, 
es zu bemängeln. — Die günstigen Erfolge, welche in 
dem zunächst Magdeburg gelegenen Theil der Elbe mit 
der Kettendampf schiff fahrt erzielt worden sind, 
bilden den Anlaß, daß nunmehr auf der ganzen schiff 
baren Elbe, so wie auf dem Rhein nnd der Oder mit 
solchen Einrichtungen zur Fortbewegung von Fahr 
zeugen vorgegangen werden soll. Zur Beschaffung der 
nöthigen Capitalien sind bereits Actiengesellschaften zu 
sammengetreten. 
Schwerin, 20. October. Die „R.-Z." bringt heute 
einen ausführlichen Bericht über die gestrigen Verhand 
lungen des landschaftlichen Convents in Rostock. Alle 
drei Kreise, d. h. die Bürgermeister der beiden Meck 
lenburg, waren versammelt, um über einen Antrag des 
Magistrats zu Schwaan, betreffend die Reform der 
Landesverfassung, zu berathen. Nachdem das jüngste 
Nescript des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin 
auf die Petition von 16 Magistraten zunächst verlesen 
war, wurde eine motivirte Tagesordnung mit Bezug auf 
dieses Nescript vorgeschlagen, dagegen von anderer Seite 
aber geltend gemacht, daß dem Großherzoge von Meck- 
lcnbnrg-StreUtz von landschaftlicher Seite'überall noch 
keine Wünsche wegen Verfassungsreformcn ausgespro 
chen seien, daß derselbe sich also auch noch nicht habe 
äußern können, mithin die motivirte Tagesordnung für 
Strelitz nicht zutreffend sei, und ferner, daß das Re- 
script, welches 16 Magistraten zugegangen, die gesammte 
Landschaft nicht verhindern könne, Stellung zu der Frage 
zu nehmen. Eine dritte Meinung wollte Uebergang 
zur Tagesordnung^ Endlich wurde die Landschaft sich 
mit 25 gegen 12 Stimmen schlüssig, durch die Vorder- 
städte folgenden Antrag an die beiden Landesherren ge 
langen zu lassen: 
„Allerdurchlauchtigster Großherzog, attergnädigster Groß- 
hcrzog und Herr! E. k. H. sind wir, die aUeruiiterlhänigst un 
terzeichneten Magistrate der Borderstädte beauftragt, namens 
der Landschaft aller dreier Kreise, deren Uebelzeugnug zur huld 
vollsten Kcnntnißnahme und Erwägung ausznspreche'n. daß eine 
Reform der bestehenden Landesverfassung als dringend noth 
wendig anzuerkennen sei. Ew. königlichen Hoheit getreue Land 
schaft glaubt, eine Mißdeutung nicht besorgen zu dürfen, lvenn 
sie unter den gegenwärtigen Berhältnissen von näherer Begrün 
dung dieser ihrer Ueberzeugung absteht, und zugleich die Hoff 
nung ausdrückt, daß E. k. H. baldmöglichst die erforderlichen 
Verhandlungen in dieser Angelegenheit einzuleiten Sich be 
wogen finden möchten. In größter Ehrfurcht verharren wir 
E. k. H. allerunterthänigste B. und R. der Vorderstädte." 
Die für den diesjährigen, zum 22. November ein 
berufenen Landtag publicirten Capita propenda Icui= 
ten wörtlich: 1) Die ordentliche Contribntion. 2) Be 
willigung der außerordentlichen Eontribution zur Deckung 
der Bedürfnisse der allgemeinen Landesreccpturkasse. 
3) Verordnung, betreffend Entschädigung für die vom 
1. Januar 1873 ab durch § 7 der deutschen Gewerbe 
ordnung aufgehobenen Berechtigungen und Ablösung 
der nach 8 8 der Gewerbeordnung von demselben Zeit- 
punkteab für unlösbar erklärten Rechte. 
München, 22. October. Wie der „N. C." erfährt, 
hätten die Ministerien des Aeußern und Innern eine 
Vereinbarung dahin getroffen, daß die Regierung S- 
presse wieder von dem Ministerium des Innern über 
nommen werde, und das letztere habe den Aufwand 
hierfür mit 20,000 Fl. in das Bitdget der nächsten 
Finanzperiode eingestellt. — Das Ministerium des 
Aeußern hat, derselben Quelle zufolge, das frühere 
Postulat von 294,000 Fl. für Gesandtschaften auf 
264,000 Fl. reducirt. — Aus ©intbad) schreibt man 
der „Allg. Ztg.": Die heutige AltkatholikettVer 
sammlung Hierselbst war aus Bayern und Oesterreich 
sehr zahlreiä) besucht. Prof. Huber sprack) über die 
Feuilleton. 
(Nedigirt von Htto Wanck.) 
Concert des Neustädter Chorgesangvereitts 
am 23. October zum Besten der Abgebrannten in Chicago. 
Der Verein gab damit einen Beweis der eifrigen rüsti 
gen Thätigkeit, der er sick) neu hingegeben, und der 
musikalisd) tüchtigen und belebenden Leitung seines Di 
rigenten Herrn Friedrich Reick)el. Die beiden vorge 
führten Werke „Kalanus" von Niels W. Gade und 
„Die Flucht der heiligen Familie" von M. Bruch waren 
vortrefflich einstudirt und erwiesen frische, jugendliche 
Stimmkräfte des Vereins, namentlich auch im Tenor 
nnd Baß, wo sie durch die Anziehungskraft der Männer 
gesangschöre jetzt gewöhnlich fehlen. Der Verein wird, 
wenn er in seinem Streben wacker ausharrt und das 
Bentühen seines Dirigenten mit gleichmäßiger Theil 
nahme aller seiner Mitglieder unterstützt, ein wesent- 
licher Factor für hiesige größere Musikausfüh'. ungen 
werden. 
Das schon in diesem Frühjahre am Clavier produ- 
cirtc dramatische Gedicht „Kalanus" wurde diesmal mit 
Orchester ausgeführt; die Soli hatten die Herren 
Degele, Jäger nnd Fräulein Lehn mit künstlerisch 
theilnchmender und sehr anerkennnngswerther Bereit 
willigkeit übernommen. Die Orchesterpartie des Werks 
ist schwer, denn im farbenreichen Jnstrumentalcolorit 
besteht bekanntlich eine Hauptstärke Gade's. Eine ge 
nügend klare und richtig wirkende Ausführung derselben 
ist mit wettigen Proben nicht befriedigend zu erreichen, 
nnd es erscheint daher auch diesmal ein sicher motivir- 
tes Urtheil über die Composition nicht wohl möglich. 
Jedenfalls aber wiederholte sich dabei wieder die 
Wahrnehmung, daß ein Vermeiden geschlossener Formen, 
ein unablässiges polyphones Verbinden und Aneinander 
reihen in „unendlicher Melodie" oder vielmehr „in nu- 
endlicher musikalischer Phrase" ganz vorwaltend zur 
Farbe drängt, und nicht zur Zeichnung, zum bestimm- 
ten Gedanken und seiner organischen und charakteristi 
schen Entwickelung. Es gelingt aber nicht Jedem, durch 
das Colvrit die Verschwommenheit oder den Mangel 
der Linien und des eigentlichen gedanklichen Gehalts zu 
verdecken oder gar mit poetischer Totalwirkung zu er- 
setzett. Und ferner, daß solche Richtung weit bedenk 
licher für den Concertsaal als für die Oper durchzu 
führen ist. Denn in letzterer markirt der Wechsel der 
Scene und der Handlung wettigstens fürs Auge und 
die allgemeine Wahrnehmung immer gewisse Abschnitte 
der Musik, während im Concertsaal für oratorische nnd 
dramatisirte Werke auch diese äußere Formhilfe fehlt, 
die ein Stück Musik für unsre Attffassung nnd Phan 
tasie wie mit einem Rahmen umgrenzt. 
Den Text von Karl Andersen betreffend, so ist uns 
der indische Gymnosophist Kalanus an sich natürlich 
unsäglich gleichgiltig und interesselos. Der Stoff aber 
in seiner Grundidee hätte uns allgemein menschlich 
durch die Art der poetischen Gestaltung allerdings näher 
gebracht werden können, was dem Dichter indeß gar 
nicht gelungen ist. 
Das Chor von M. Bruch „Die Flucht der heiligen 
Familie" ist als Musikstück von reizender Wirkung 
durch Wohlklang, melodische Erfindung, einheitliche 
Stimmung. Faßt man aber das erzählende Gedicht 
von Eichendorff ins Auge, welches au sich gar wenig 
für die Composition geeignet ist, so erscheint der Chor- 
satz für die musikalische Wiedergabe der Idee zu dick 
und schwülstig, zu verschwommen und monoton ohne 
formelle Klarheit, ohne Einfachheit und naiven Aus 
druck für diese idyllisch religiöse Schilderung. 
Dem Neustädter Chorgesangverein sei das Studmnt^^x, 
von Chören a enpolla empfohlen, oder doch von Chören, 
deren sehr unwesentliche Instrumentalbegleitung durch 
das Clavier leicht ersetzt wird. Denn am schnellstett 
fördert es die gesangliche Fortbildung und bett Sinn 
für die Details derselben, wenn der Chor sich selber 
-xenau hören kann, wenn er sich ganz allein auf seine 
eigene Tonwirkung gestellt sieht, ohne Stütze, ohtte er 
gänzende, verdeckende und auch die Schwächen zudeckende 
Klanghilfe des Orchesters. E. Banck. 
Ein letztes Wort'") zur Holbeinfrage. 
Von Julius Hübner. 
In den Nr. 235 bis 237 dieses Blattes findet sich 
eine Abhandlung über den bekannten Madonnenstreit 
von Dr. A. v. Zahn, welche sich durch eine ruhige und 
gewissenhafte Behandlung dieses vielbesprochenen Thenn 
vor vielen andern vortheilhaft auszeichnet. Ich azasive 
samt volle und aufrichtige Werthschätzung deLMrfas- 
sers sowohl, wie der in Rede stehenden Abhandlung 
nicht besser beweisen zu können, als indem-M) derselben 
eine ebenso ruhige und gewissenhafte,-Prüfung widnte. 
Ich bemerke dabei, daß schwerlich Mt Aeußerung von 
anderer Seite im Stande gewesenMtn würde, mich noch 
jetzt zum 9teden zu veranlaMt, nachdem bereits im 
Laufe der Discussion die allerentgegengesetztesten Mei 
nungen in einer Weise zu Tage getreten sind, welche 
die ganze Angelegenheit zu verwirren drohen. 
*) Wir wissen nicht, ob dieser Aufsatz wirklich ein letztes 
Wort ist, da dem Herrn Verfasser unsers ersten Holbeinanikels 
selbstverständlich eine Erwiderung vergönnt sein muß. Jeden 
falls mögen sich aber die verschiedenen Parteien dieser Streit 
frage nicht der Täuschung hingeben, als sei durch die Ausnahme 
der obigen Betrachtung eine Arena für eine weitere Polemik 
eröffnet, ein Wunsch, den unsre Tendenz und der knapp ge- 
ffene Raum unsers Blattes verbietet. 
Die Redaction. 
r 
Ich gehe bei dieser Gelegenheit durchaus nicht etwa 
daraus aus, die Meinung des geehrten Herrn Verfassers, 
welche mir überdies schon bekannt war, irgendwie ztt 
bekämpfen oder zu bestreiten, da ich dieselbe, wie jede 
andere, meinen eigenen Ueberzeugungen noch so entgegen^ 
gesetzte, gerade ebenso respectire, wie ich die meiutge 
respectirt' wissen will. Für mich handelt cs sich tttehr 
um eine Prüfung der Gvtmdsätze und der Art der Be 
weisführung, welche dötrV'erfasser seinen eigenen Ueber 
zeugungen zum Gründe legt. Eine Prüfung, zu welcher 
überdies ant ^Schlüsse seiner Abhandlung von ihm selber 
aufgefordert tvird. 
LiMn er zttcrst die Befürchfttng aussprtcht, das 
grMre Publicum der Kunstfreunde werde durch den 
Miderstreit der Ansichten über die beiden Madonnen- 
bilder nur in betn oft ausgesprochenen Vorurtheile bc^, 
stärkt worden, „es lasse sich in Derartigen Fragen Wßr^ 
Haupt keilte wissenschaftlich begründete Entscheidttng 
treffen, und das Urtheil über ftnnstwerke sei nichts als 
der Ausdruck subjectiver Meinungen", so tnnß ich dieser 
Befürchtung nicht fnttr zustimmen, sondern Meile auch 
insbesondere, wan den speciell vorliegenden Streit be 
trifft, ganz entschieden die Meinung 'des größern Pn- 
blicutns, aus Gründen, die sich im Verlaufe meiner Be- 
trachtungett ergeben werden. Der Herr Vers, kommt 
nun auf die Fnndamentalsätze seiner Anschauungen, 
indent er für die Erforschung der Urheberschaft eines 
bestimmten Gemäldes zweierlei Wege angiebt. Zu 
erst den historischen (durch die geschichtlichen Zeug 
nisse re.), sodann den Weg der Vergleichung mit 
unzweifelhaft beglaubigten Werken desselben Meisters. 
Dieser Behaupttutg aber ist nur in so weit betzustim- 
men, als man dabei entschieden festhält, daß nur ans 
dem ersten, dem historischen Wege ein wirklicher Be 
weis geliefert werden kann, während der zweite nur 
A
	        

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