Full text: Zeitungsausschnitte über Holbein

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44 
Zweites Blatt 
m 
NbonnernentSpreis 
LaS Vierteljahr: in Frankfurt fl. 3. LS; in Preußen 
fl. L. L oder Thlr. 2.1 ©; in Bayern, Baden, Würt 
temberg, Hessen, Oesterreich, Luxemburg, sowie im nord 
deutsch euBund excl.Preußen fl. 3.20—Thlr. L. 2 7 V*- 
Herausgegeben «nd rsdiM 
von 
«<t*I BoLShÄNserr» 
Dienstag, 5. September. 
Mnzeigeu? 
Die sechsspaltiqe Petitzeile oder deren Raum wird mit 
x kr. — 2 Sgr. berechnet: im Text die vierfpalttge 
Petitzeile mit SL kr. " K Sgr. Anzeigen-AnnahM 
bei der Expedition und den bekannten AgenmrrL 
Bureaux: 
Große Efchercheunergasse »L. 
Post-Ausgabe. 
. Deutsches Reich. 
o Köln, 3. Sept. Von dem .Sozial-demokratischen 
Arbeiterverein" war auf heute Morgen eine allgemeine 
Volksversammlung ausgeschrieben, in der u. A. auch 
Hr. Bebel und Hr. W. Hasenclever aus Berlin spre 
chen sollten. Kurz nach dem Bekanntwerden der Anzeige 
von dieser Versammlung durchlief das Gerücht die Stadt, 
die Hauptparteiführer jenes Vereins, sollten bei dieser Gele 
genheit verhaftet werden. Damit aber nicht Einzelne ge 
packt werden könnten, hieß ei, fei die Anzeige von der Ver 
sammlung an die Polizei von allen Komitee-Mitgliedern 
unterzeichnet worden. Ein großes Lokal konnte sich der Verein 
trotz aller Mühe nicht verschaffen, überall gab es abschlägige 
Antworten. Die Versammlung sollte daher im Lokale des 
Vereins abgehalten werden. Nun faßt aber dieser Saal 
kaum 100 Personen, während sich neben ihm eine Art Gar 
ten befindet, in welchem sich vielleicht 600—800 Mann aus 
halten können. Beide Räume, Saal und Garten, waren vor 
der bestimmten Zeit längst überfüllt. Ein Polizei-Inspektor, 
ein Polizei-Commiffär sowie reichlich Gendarmen und Schutz 
leute waren anwesend, die benachbarten Straßen mit Polizei 
besetzt. Vor Eröffnung der Versammlung theilte nun ein 
Mitglied des Komitee's, Hr, Berg, mit, daß ihm von der 
Polizei soeben bemerkt worden, wenn die Versammlung statt 
finden solle, müffe der Garten von den dort Anwesenden ge 
räumt werden, weil daS Zusammenstehen dort eine Versamm 
lung unter freiem Himmel involvire. Die Aufregung, die 
dieser Mittheilung folgte, legte sich jedoch bald wieder und 
ermahnte nun Herr Berg die Anwesenden, für den Fall die 
Polizei bei ihrer Meinung verharre, das Lokal ruhig zu ver- 
lasien. Er eröffnete hieraus die Versammlung, woraus dann 
sofort der anwesende Polizei-Inspektor das Publikum im 
Garten aufforderte, letztern zu verlassen. Man leistete die 
ser Aaffordernng ruhig Folge, beschloß aber zugleich, die ganze 
Versammlung zu vertagen und demnächst für Beschaffung 
eines größern Lokales Sorge zutragen. Unter den Anwesen 
den befanden sich viele Weber und Landarbeiter aus Mühl 
heim a. Rh., die dort vor einigen Tagen die Arbeit einge 
stellt haben. 
* Darmstadt, 2. Sept. Bekanntlich schwebt zwischen Re 
gierung und Ständen ein Streit darüber, ob der gegenwärtige 
Landtag, der bereits zwei Budgets votirt, dessen Mandat aber 
erst im Jahre 1872 erlischt, noch berufen fei, ein weiteres Budget 
für die Finanzperiode 1872 — 74 zu vereinbaren. Die 
überwiegende Mehrheit der zweiten Kammer verneint dies und 
zwar der Ansicht der „Hess. Vbl." nach, der auch wir uns an 
schließen, mit Recht, obwohl sich nicht verkennen läßt, daß die Ver 
fassung in dieser Beziehung sich nicht ganz klar ausfpricht, mit an- 
deren Worten, eine „Lücke" vorhanden ist. Rach dem genannten 
Blatt gewordenen Mittheilungen dürfte sich indeß die Sache dahin 
erledigen, daß die Kammer unter Wahrung der von ihr vertretenen 
Anschauung sich bereit erklärt, auf die Berathung eines einjäh 
rigen Budgets (1872) einzugehen, falls die Regierung, wie ja 
wiederholt zugesagt, ein neues Wahlgesetz vorlegt. Kommt eine 
Vereinbarung auf dieser Basis nicht zu Stande, dann dürfte, eine 
Auflösung der Kammer unvermeidlich sein. 
* Stuttgart, 3. Sept. Der „Beobachter" bestätigt, indem 
er unsere □ Korrespondenz abdruckt, nach eigener Erhebung, daß 
es mit der Beschlagnahme des „Pfaff enfpie gelS" 
feine Richtigkeit hat, fügt jedoch folgendes hinzu: „Dagegen waltet 
hinsichtlich des SinnS, welchen wir dem staatsanwaltlichen De- 
mentt unterlegen, bei dem Verfasser der Corresponden, ein Miß- 
Verständniß ob: nicht eine fremde d. h. auswärtige Hand, die in 
die Sphäre unserer Behörden herübergegriffen hab-, hatten wir im 
Auge. obwohl wir getrost glauben, daß noch ganz andere Eingriffe 
in die Thätigkeit württembergischer Behörden von Seiten einer 
Mächtigen Staates gemacht worden find und gemacht werdcn, denen 
zu widerstehen man mehr guten Willen und mehr Muth brauchen würde, 
als wir den leitenden Staatsmännern unseres Landes zutrauen. 
Wen wir im Verdacht hatten und, wie der Erfolg bewies, ganz 
mit Recht, ist nur eine andere Behörde unseres Lande», nem- 
lich die P o l i z e i, deren Scharfblick und Gewandtheit vielleicht 
Mancher auS der Reutlinger'schen Affaire noch in bewundernder 
Erinnerung hat; fie hat denn auch wirklich die Beschlagnahme vor 
genommen, welche übrigens der richterlichen Bestätigung noch harrt. 
DaS ist die Sachlage und wir können jetzt mit Beruhigung die 
Gelegenheit benützen, um einer kgl. Staatsanwaltschaft und ihrem 
Vertreter, Herrn Lenz, unsern gerührtesten Dank über die deut 
liche und klare Form seiner Berichtigung auSzusprechen, die so über 
aus geeignet war, die Zweifel und ' Sorgen der Staatsbürger zu 
zerstreuen und zu beschwichtigen. Solch ein geschickter Staatsan 
walt und Abgeordneter kann noch etwas werden! Der hohen Poli 
zei möchten wir in Dehmuth und Ehrfurcht einige Vorsicht anra- 
then, damit fie es nicht erleben muß, daß der spitzigen Feder deS 
Verfassers „des PfaffknspiegelS" entflossen in irgend einer hiesigen 
Druckerei ein Büchlein erscheint, das unter dem Titel „schwäbischer 
Polizeispiegel" eine pikante Zusammenstellung polizeilicher Schwa 
benstreiche oder richtiger schwäbischer Polizeistreiche enthält. DaS 
wäre ein Genuß für die bösen Mäuler im Lande. 
□ Aus Bayern, 3. Sep. Die bayerische Re 
gierung hat, das unterliegt kaum einem Zweifel mehr, 
mit ihrem Erlaß betreffs deS Dogmenstreites es Nie 
mandem recht gemacht. Sind die „Liberalen" — wenigstens 
vorläufig noch — mit dem Entscheid wegen seiner Halbheit 
unzufrieden, so sind es die Ultramontaen nicht weniger 
und zwar — „und das ist der Humor davon" — aus dem 
selben Grunde. Denn weder sehen sie sich durch den Erlaß 
in ihren Zielen gefördert, noch dürfen sie es wagen, aus 
Grund deffelben mit der Regierung gänzlich zu brechen. 
Um einen solchen Bruch ängstlich zu vermeiden, den der 
Clerus an und für sich alle Ursache hat, angezeigt erscheinen zu 
lassen, müßte die Regierung entschiedener feindliche Stellung 
der Kirche gegenüber genommen haben, als dies mit oben 
erwähntem Bescheid geschieht. „Zum Leben zu wenig, zum 
Sterben zu viel" — damit ist die Situation der Ultramon- 
tanen bei uns so ziemlich gekennzeichnet. Die Empfindung 
der Unhaltbarkeit ihrer Lage treibt die Clericalen denn auch 
zu heftigen Ausbrüchen. Man fängt an, der Regierung 
durch die Blätter dieser Partei Trotz bieten zu lassen; offen 
bar soll dieselbe, von dieser unverhofften Widersetzlichkeit 
ihrer getreuen schwarzen Schildknappen eingeschüchtert, ganz 
ergebenst znrückhufen. So nur lassen sich meiner Ansicht 
nach die neuesten Aeußerungen der clericalen Blätter erklä 
ren, unter denen z. B. das „Vaterland" die Regierung auf 
fordert, es nicht bei den Worten bewenden zu lassen, son 
dern zu handeln, conftquent, entschieden, rücksichtslos zu 
handeln; das Recht sei ja für Alle gleich, also solle sie nicht 
nur Redacteure oder Kapläne einsperren lassen, sondern 
gleich auch einen Bischof vorS Schwurgericht stellen. „Aus 
dem Kerker wird ein gemaßregelter Bischof der katholischen 
Kirche die Freiheit bringen," — während die in ruhigerem 
Tone gehaltene „Augtzb. Postztg." nur der Vermuthung 
Ausdruck gibt, die Regierung werde den in dem jüngsten 
Erlaß de8 Cultusministers eingenommenen Standpunkt nicht 
lange festhalten können, „da einige der Erwägungen, aus 
welche sie sich stützt, sie consequent weiter treiben müssen, als 
zu dem rein negativen Verhalten, welches sie sich zur Richt 
schnur genommen hat." 
* München, 2. Sept. Die Nachricht von der Versetzung des 
Herrn v. Lux bürg von feinem Posten a!S Regierungspräsident 
von Unterfranken nach Speyer ist, der Versicherung eines 
Nürnberger Blattes zufolge, lediglich auf den Amtstausch zwischen 
ven Herrenv. Pfeufer und v. Brau nzurückzuführen. (Braun 
wird Regierungspräsident in Speyer und sein Vorgänger Pfeufer 
ist an Braun'S Stelle Ober-Censor der bayerischen Presse ge 
worden. 
Oesterreich. 
y Wien, 2. Sept. Die „Wiener Abendpost" stellt in 
Abrede, daß das Ministerium des Innern die Statt 
halter und LandeSpräsidenten durch ein Rundschreiben ange 
wiesen habe, bei der Agitation der katholisch-politi 
schen Vereine gegen die Verfassung ein Auge zuzudrücken. 
Es ist jedoch Thatsache, daß die k. k. Behörden sich jenen 
Vereinen, sowie der verfaffungssemdlichen Presse gegenüber 
äußerst nachsichtig verhalten. Die bezügliche Weisung braucht 
ja gerade nicht durch ein Rundschreiben ertheilt worden zu 
sein. Der Ministerpräsident Graf Hohenwart hat sich 
gestern zur Erholung aufs Land begeben. In den letzten 
Tagen confenrte er nochmals mit Dr. Rieger und Dr. Pra- 
zak, den Führern der tschechischen Drclaranten in Böhmen 
und Mähren. Die Ausgleichselaborate sollen nun vollstän 
dig abgeschlossen sein. Ein officiöses Organ sagt, Graf 
Hohenwart habe sich so „überarbeitet", daß er einer Auf 
frischung seiner Kräfte dringend bedürfe. Auch der Handels- 
mmister Schüffle will sich durch einen Ausflug von den 
Sjrapozm des Ausgleichs erholen. Während der Abwesenheit 
des Grafen Hohenwart versieht der Finanzminister Baron 
Holzgethan die Functionen des Ministerpräsidenten. In 
tK-ärnten wurden gestern in den Landbezirken die Land- 
tagswablen vorgenommen. Die Ausgleichspartei brachte nur 
einen Slovenen und zwei Klerikale durch. Die Landgemein 
den von Salzburg, Nieder- und Oberösterreich wählen heute. 
In Niederösterreich sind die Aussichten für die Verfassungs- 
Partei gut, nicht aber in Oberösterreich und Salzburg. Die 
Entscheidung liegt übrigens in Mähren und zwar im Groß 
grundbesitze dieses Landes. Die tschechischen Declaranten sen 
den Bauerndeputationen zu den bisher verfassungstreuen 
Großgrundbesitzern, um dieselben zum Anschlüsse an die 
Ausgleichs-Partei oder wenigstens zur Enthaltung zu 
bewegen. Ein Theil soll dieser Pression nachgegeben haben. 
Das Comitö der deutschböhmischen Abgeordneten 
hat an die Wahlbezirke, welche Ergänzungswahlen zum Land 
tage vorzunehmen haben, einen Aufruf gerichtet, welcher die 
deutschen Wähler zu einmüthiger Action auffordert, da es 
sich um die nationale Existenz, um Fortschritt und Freiheit 
handle. Die Organe der deutsch-böhmischen Verfassungs 
partei weisen auf die Vorfälle in Königsfrld und Pilsen hin, 
um die Werthlosißkeit des „weißen BlatteS", welches Rieger 
den Deutschen in Böhmen und Mähren geboten, darzuthrm. 
Die tschechischen Bauern des erstgenannten mährischen Dorfes 
machten einen heimtückischen Uebersall auf durchpassirende 
deutsche Sänger, und in der böhmischen Stadt Pilsen atta- 
kirte der tschechische Pöbel die deutsche Feuerwehr, welche den 
Brand in dem Hause eines deutschen Fabrikanten löschen 
wollte. Im vorigen Jahre wollte die tschechische Majorität 
des^Gememderaths von Pilsen die deutsche Volksschule unter 
drücken, und eS bedurfte der Intervention der Regierung, 
um dieses Project zu vereiteln. Aus solchen Vorgängen läßt 
sich schließen, wie die Tschechen, wenn sie durch den Hohen- 
wart-Rieger'schen Ausgleich zur vollen Macht gelangten, gegen 
die Deutschen verfahren würden. “h Der ungarische 
Reichstag wird am 14. d. wieder eröffnet. Die Oppo 
sition hofft in den 29 Abgeordneten, welche der croa- 
tische Landtag in das gemeinsame Parlament zu entsenden 
hat, eine Verstärkung zu erhalten. Die Organe der Linken 
erklären, daß dieselbe bereit ist, für eine Revision des unga- 
risch-croatischen Ausgleichsvertrags von 1668 zu stimmen, 
während die Osficiösen deS Ministeriums Andrassy bis jetzt 
diesen Vertrag als unantastbar bezeichnen. Die kroatische 
Opposition, welche durch die Neuwahlen zum Landtage die 
Majorität erlangt hat, ist neuerdings durch die Abgeord 
neten, welche die jüngst dem Königreich Croatien einverleib 
ten Bezirke der Militärgrenze gewählt haben, verstärkt 
worden. 
Italic». 
* Florenz, 2. Sept. Die „Ovinione" versichert, Devin- 
cenzio sei zum Minister der öffentlichen Arbeiten, R ib otto zum 
Marine Minister und G a d d a zum Präfekten von Rom und zum 
Commissär für die Verlegung der Hauptstadt ernannt. 
*\\* Partö, 2. Sept. Ueber den Verlauf der Dinge 
in Algier wird aus Batna vom 25. August telegraphisch 
gemeldet, daß MigauS dicht eingeschlossen wäre und Si- 
Mohamed-Bey sich anschicke, zu den Ulrd-Sellem zu entflie 
hen. In dem Kreise Biskra herrscht noch immer die größte 
Zuchtlosigkeit. Der General Bonnet zog am 23. in daS 
enge Thal von Borj-el-Kdir hinab, um daselbst die Dörfer 
der Ayad niederzubrennen. Er bestand Kämpfe mit den 
Uled-Kelluf, den Uled-Madid, den Agad und den Riga, wel 
chen er ohne Zweifel empfindliche Verluste beibrachte. Die 
Dörfer wurden in Brand gesteckt. Bu-Mezrag und die 
Ulcd-Mokran erboten sich zur Untergiebigkeit; der General 
antwortete, daß er nur eine bedingungslose Ergebung an 
nehme. Die Kolonne Lacroix befindet sich in dem Annex 
El-Miliah, wo alle Stämme bereits unterworfen sind. Der 
Befehlshaber der Unterdivision von Bone gestattete den der 
französischen Regierung treu gebliebenen Eingeborenen einen 
Handstreich gegen Khelif-Ben-Ali, der am 26. August in der 
Gegend erschienen sein sollte, zu versuchen. Man weiß »och 
nicht, ob dieses Unternehmen geglückt ist. Der Generalgou 
verneur von Algerien hat folgende Kundmachung erlassen: 
„Algier, 27. August 1871. Obgleich die Vertheilung der 
KriegScontribution von 10 Millionen Francs, welche den 
empörten Stämmen der Unterdivision Dellys und des 
Annexes von Algier auferlegt wurde, von der Oberbehörde 
noch nicht genehmigt ist und daher noch modificirt werden 
kann, so will der Generalgouverneur doch aus die Stämme, 
welche dem Gebot der Kolonnenführer bereitwillig Folge 
leisteten, Rücksicht nehmen und die nachfolgenden Stämme 
und Dörfer, welche das von ihnen Verlangte vollständig ge 
zahlt haben, von jeder weiteren Forderung entbinden; ihre 
Geißeln sollen in Freiheit gesetzt, die rrquirirten Maulesel 
sollen zurückgeschickt und Passirscheine an diejenigen, welche 
ihre Handelsbeziehungen wieder aufnehmen wollen, ausge 
liefert werden. Nur die Frage des Sequesters soll noch vor 
behalten bleiben. (Folgt eine Liste der Stämme mit den 
Summen, welche dieselben gezahlt haben.) Was etwa noch 
zu den 10 Millionen fehlen sollte, soll aus die Stämme ver 
theilt werden , die noch nicht vollständig ihren Betrag ge 
zahlt haben, und besonders sollen dabei diejenigen Stämme 
bedacht werden, die sich noch unentschlossen zeigen, zur Ord 
nung zurückzukehren und sich unseren rechtmäßigen Forderun 
gen zu unterwerfen. 
Der „Siöcle" theilt aus den Tuilerienpapieren 
folgendes noch ungedruckte Schriftstück mit, welches bei den 
gegenwärtigen Vorgängen in Algerien ein gewisses actuellcs 
Interesse bietet: „Kriegsministerium. Paris, 3. November 
1865. Werther Herr! Ich habe aus Ihrem Cabinet den 
Brief des Kaisers über Algerien empfangen und studire den 
selben noch einmal. Sr. Majestät trifft, sowohl in Bezug 
aus das Uebel als auf das Heilmittel, vollkommen die Wahr 
heit. Der Kaiser betont insbesondere, daß der Oberbefehl 
der Provinzen und Unter-Dioisionen sowie die arabi 
schen Bureau's geschickten und unbestechlichen Of 
fizieren anvertraut werden müssen. Geschickt sind sie 
wohl umstentheils, unbestechlich aber leider nicht alle und 
selbst sehr hochgestellte... Der Kaiser hat Recht, wenn er sagt, 
daß das Verfahren der Domänenvrrwaltung und die wucherischen 
Requisionen die Araber zu Grunde richten und in Wuth 
bringen. Dazu sollte aber noch hinzugefügt werden, dass in 
den letzten Jahren 1859 bis 1864, wo mauerst gute Maß 
regeln nahm, dann aber das Obercommando einschlummerte 
und nichts und Niemand mehr bewachte, große Vermögen 
von untergeordneten Offizieren durch geheimes Einvernehmen 
mit den eingeborenen Führern dem arabischen Lande abge 
preßt wurden, wobei die Friedenspolitik selber oft in Gefahr 
kam. In der Provinz Constantine z. B. ist der gegenwär 
tige Divisionsgeneral ein rechtschaffener Mann, aber durch 
aus ungenügend für eine um so schwierigere und verwickeltere 
Aufgabe als auch dort frühere grobe Erpressungen abgestellt 
werden müssen, die man im Verein mit arabischen 
Häuptlingen ausgeführt hatte, welche zwar längst 
unterworfen sind, aber doch, wie es heißt, nrt Si-Lolla oder 
den Marabuts des Westens im geheimen Einvernehmen stehen. 
In dieser schweren algerischen Frage kommt es noch mehr 
als anderwärts darauf an, in die Coulissen einzudringen, 
um die Ereignisse mit sicherer Kenntniß der Hauptacteurs 
beurtheilen zu können. Es herrschen dort bek.'agenswerthe 
Ueberlieferungen, die man vor der Welt natürlich verschwei 
gen, ja sogar laut ableugnen, von denen man sich aber 
Rechenschaft geben muß, wenn man die Sache bessern will. 
Bei unserer nächsten Begegnung will ich Ihnen gewisse De 
tails mittheilen, die Sie, wenn es Ihnen angemessen scheint, 
dem Kaiser unterbreiten können. Ganz der Ihrige General 
de la Rue." 
* London, 1. Sept. Unter den scharfen Aussprüchen 
des Tadels, welche im Laufe der letzten Session gegen die 
Regierung geschleudert wurden, war auch das seitdem oft 
wiederholte Wort: „England habe eine Flotte, die nicht 
schwimmen und ein Heer, welches nicht marschiren könne." 
So übertrieben dieser Ausspruch lautet, so haben sich doch 
in den letzten Monaten die großen und kleinen unangeneh 
men Unfälle aus dem Gebiete des Heer- und Flottenwesens 
in einer Weise gehäuft, daß die Armee und Flotte fast zum 
Spott werden und der Berichterstatter eine ständige Rubrik 
für erheiternde Land- und See-Anekdoten eröffnen könnte. 
Nachdem wir uns noch kaum van unserem Erstaunen darüber 
erholt haben, daß ein Kriegsschiff am hellen lichten Tage 
am Eingänge deS Hafens von. Cheerneß von fernen Osfi- 
zieren auf eine Sandbank gesteuert wurde, wo es bei Nacht 
und Nebel oder schlechtem Wetter unfehlbar zu Grunde ge 
gangen wäre, wird heute aus Aldershott eine Geschichte ge 
meldet, die ein würdiges Gegenstück zu diesem Vorfall bildet: 
Es war am 29. als das erste Leibgarde- (Kürassier) Regi 
ment in einer Stärke von 300 Pferden von Windsor im 
Lager eintraf und außerhalb desselben unter Zelten ein- 
quartirt wurde. Die Pferde wurden nach der neuen Me 
thode, dem preußischen System außerhalb der Zeltlager an 
gekoppelt und die Mannschaften gingen an ihre gewöhnlichen 
Beschäftigungen. Gegen 8 Uhr Abends geriethen zwei Hunde, 
die sich in der Nähe des Regimentes herumtrieben, einander in die 
Haare, und der kleinere, der ziemlich übel Mitgespielt wurde, 
rannte mit einem gräulichen Jammergehest! auf die Pferde 
zu. Aus dieses Geschrei scheuten zuerst zwei Osfizierspserde 
und rissen sich los, wobei sich sechs Schwadronspferde als 
bald anfchlosien. Der Tumult, welchen diese Thiere hervor 
riefen, verursachte eine Panik, die sich der sämmtlichen übrigen 
Pferde bemächtigte, und schnaubend und wiehernd rissen sich 
unter einem unsäglichen Getümmel die 306 Thiere alle 
loS und gingen in jähem Schrecken und tollstem Jagen 
nach allen Richtungen durch, wobei manche noch Stangen, 
Pflöcke und Leinen nachschleppten. Alle trugen ihre Sattel- 
Ei» wiederailsgefundenes Meisterwerk 
4, W .vS" H"lbei»'s. 
IV. 
Zur Geschichte des Bildes. 
In der Mitte der Tafel sind in einem goldenen Kreise 
aus rothem Grunde zwei gegen einander gelehnte Wappen, 
die nach aller Analogie nur den Besitzer des Tisches und 
seine Frau bezeichnen können. Das rechtsseitige (dem Be 
schauer links) einen aufsteigenden schwarzen Bären in goldnem 
Felde, aus dem Helm über einem schwarzgoldenen Wulst den 
halben Bären, die Helmdccke innen gold, außen schwarz — 
erkannte ich bald als da? Wappen der Familie Bär 
von Basel. DaS linksseitige Wappen dagegen gelang 
mir in keinem unserer Wappenbücher aufzufinden. Es war 
ebenfallr rin goldener Schild, durchzogen von zwei vertikalen 
und zwei horizontalen schwarzen Balken, die wie einen schwar 
zen Rost übejc dem goldnen Grund bilden. Aas dem Helme 
ein schwarzer halber Windhund über goldner Krone und mit 
goldnem Halsband. Die Helmdecke gleichfalls innen gold, 
außen schwarz. Ich wandte mich an Hrn. HiS-HeuSler 
und bald ward mir durch feine gefällige Bemühung der 
Aufschluß zu Theil, Herr Meyer-Kraus in Basel 
habe in Conrad SchmittS Wappenbuch von 1530 das Wap 
pen alS dasjenige der Familie Brunner von Basel 
erkannt, sonderbarer Weise finde sich in diesem Wappenbuch 
das Bärische gerade daneben. Also ein Ehepaar 
Bär-Brunner von Basel. 
Herr His hatte nun aber die weitere Gefälligkeit, mir 
dieses Ehepaar als ein zu Holbeins Zeiten wirklich existiren- 
des nachzuweisen und ich kann nichts Besseres thun, alS die 
Genealogie der Familie, wie er mir sie mitgetheilt, folgen zu 
lassen, so weit fie zur Sache gehört. 
HavS Bär der ältere f vor 1511. 
Anna Srünenzweigin. 
1. 2. ' 3. 4. 5. 
Franz. Magdalena Ludwig Ambrosius HauS f 1515. 
f 1511, Domherr, f 1542. VarbaraBrunneri» 
Jarob Meyer 1° 1530 oder 31, 
zum Häfen. 
Kleophea, 
Junker Chri- 
sioffel von 
Offeuburg. 
Valeria, Ursula, 
Junker JunkerGlady 
Jacob Meyg (Mai) 
Hittprant. von Bern. 
Es wird den Vater angehen, wenn Leu (Helvetisches 
Lexikon II. 41) berichtet, Hans Bär sei Anno 1491 des 
kleinen Raths alS Meister worden. 
Dagegen vom Sohne berichtet Leu, ebendort, er sei 
1513 beim Feldzuge der Eidgenossen zur Beschützung des 
Herzogthums Moyland Furier gewesen, und habe die Schlacht 
von Novarra mitgemacht. Bei dem Zuge von 1515 war 
er Fähndnch oder Pannerherr des Basler Auszuges und 
machte sich als solcher durch den Heldenmuth berühmt, mit 
dem er in der Schlacht von Märignano das Stadtpanner 
.beschützte. Nach JoviuS Hist I. 314 soll er, da er sich von 
den Franzosen umringt sah, und bereits aus vielen Wunden 
blutete, seine Fahne zerrissen und bis in den Tod tapfer ge 
kämpft haben. Nach dem Bericht der Basler (Würstchen 
Chrom p. 521, 522) verlor er durch eine Stückkugel beide 
Schenkel, worauf er das Panner doch noch einem seiner 
Landsleute übergab und dann verblutete. 
Seine Gattin , Barbara Brunner ist jene 
den Holbeinsreunden schon aus einer frühern Mittheilung des 
Hrn. His bekannte Frau Brunner, deren Vogtstelle Bürger 
meister Jakob Meyer zum Hasen — also wie wir hier sehen 
ihr Schwager erhielt. Zum Dank für seine Bemühungum sie und 
ihre Kinder ließ sich Meyrr von seiner Schwägerin eine 
Matte „als Ergötzlichkeit" verschreiben, worüber es aber 1532, 
nach Becher Tode zu einem Prozesse kam, der Jahre lang 
durch die Gerichte geschleppt, schließlich aber zu Ungunsten 
der Meyer'schen Ansprüche entschieden wurde. (His: Die 
BaSler Archive über Hans Holbein den Jüngern, in den 
Jahrbüchern für Kunstwissenschaft von Dr. A. von Zahn. 
III. p. 158.) 
Von Interesse sind die vornehmen Heirathen, welche alle 
drei Töchter des verstorbenen Hans Bär machten. In welche 
verwandtschaftlichen Verhältnisse die Aelteste durch ihren Mann 
mit der als Lais Corinthiaca berühmt gewordenen Doro 
thea Ossenburgerin kam, ist uns nicht bekannt. Ein 
„HanS Bär, der Jung", der noch 1533 als minderjährig 
erscheint, gehört wohl einem andern Sohne des alten 
Hans Bär an, jedenfalls nicht dem Besitzer unsers Tisch- 
blattes. 
Von Magdalena Bar erfahren wir aus den ange 
führten Mittheilungen des Hrn. His in Zahns Zeitschrift (p. 
152), daß sie erst mit einem Manne Namens Murerverher- 
rathet war, yon dem sic zwei Kinder, Heinrich und Katha 
rina, hatte. In zweiter Ehe war sie, und zwar schon 1504, 
vermählt mit I a ko b Meyer zum Hasen, demnach 
maligen Bürgermeister, H o l b e i n 8 großem 
Gönner. Sie starb schon 1511. JhrBild- 
niß aber ist uns in der berühmten Hol- 
beinischen Madonna in der hintern der 
beiden knieenden Frauengestalten aufbe- 
h alten. 
Von den Übrigen Söhnen ist Ambrosius, 1542 
gestorben, un8 nicht weiter bekannt. Franz dagegen er 
scheint laut Leu bereits 1516 als Meister und 1522 als 
Rathsherr zu Basel. 1529 war er unter den als altgläubig 
entsetzten Rathsherrn und siedelte in Folge dessen mit seinem 
Bruder Ludwig pnd so vieftn andern Baslern nach Frei- 
burg im Breisgau über. Mittheilung (von Hrn. His). 
Endlich Ludw ig, der sich BeruS oder Ursus nannte, 
studirte zu Paris, wo er Doctor der Theologie wurde. Nach 
seiner Rückkehr inS Vaterland ward er 1513 Professor und 
1514 Rector der Universität Basel, deren Vicekanzellerat 
der Bischof ihm auch übergab. Er qalt als einer der ge 
lehrtesten scholastischen Theologen. Erasmus soll ihn jabso- 
lutissimum theologam genannt und ihm seine Schrift äs 
Iftisrs arbitrio, ehe er sie herausgab, zur Durchsicht und Cor- 
rectur gegeben haben. Er wurde bald eine Hauptstütze der 
altgläubigen Partei in der Eidgenossenschaft, und war als 
solche einer der 4 Präsidenten aus der Disputation zu Baden, 
und zwar derjenige, der wenigstens den äußeren Anstand in 
den Verhandlungen zu wahren sich bemühte, trotzdem er 
Dr. Eck's Meinungen unterschrieb. Als aber die Reform 
auch in Basel durchbrach, verließ er, einer der ersten unter 
den Baslcrischen Gelehrten, im Januar 1528 die Stadt und 
zog nach Freiburg im Breisgau, wo er mit offenen Armen 
empfangen, und unter die Domherren des nach Freiburg 
übergesiedelten Domstiftes Basel ausgenommen wurde. Ihm 
folgten bald Erasmus und Glaceanus. Der erstere schenkte 
ihm seine Freundschaft bis an seinen Tod, und bedachte ihn, 
als ersten seiner Erben, mit seiner goldenen Uhr als dem 
vornehmsten Stücke seines Hausrathes. Bär starb zu Frei- 
burg in großem Ansehen 1554. (Hattinger, Fortsetzung Jo 
hann von Müller VII—Leu.) 
Die Universität hätte ihn gerne gewonnen, Bär schlug 
es aber aus. „Er möchte es weder seinem Namen noch der 
Universität Paris zu leid thun, daß er um 100 Gulden oder 
auch 200 Kronen läse." Mirati sunt Domini Kajus Theo- 
logi immode&tiam et singulärem superbiam. In seinem 
Testamente aber bedachte Bär die Universität mit einem 
Stipendium für Theologie-Studirende und mit hundert Bü 
chern aus seiner Bibliothek. (Schreiber, Geschichte der Uni 
versität Freiburg II. 155, 156.) 
Das also war die Familie, für die Holbein das Tisch 
blatt malte. Und da der MayländischeFeldzug, 
in welchem Hans Bär seinen Tod fand, im 
Juli 1515 eröffnet wurde, so muß die Be 
stellung nothwendigerweise vorher, also 
in der ersten Hälfte dieses Jahres, erfolgt 
sein. Zu dieser Zeit also mußHolbein schon 
in Basel gewesen sein. Die Bäc'sche Familie aber 
war, so weit wir jetzt sehen können, die dem jungen Manne 
ihre Aufträge schenkte, und es drängt sich die Frage auf, 
ob Holbein nicht durch sie einerseits mit Bürgermeister Meyer, 
d-ssen Familien-Porträte von 1516 datiren, anderseits viel 
leicht gar mit Erasmus, dessen Exemplar des Lobes der 
Narrheit Holbein im December 1515 illustrirte, bekannt ge 
worden sei. 
Der Beweis, daß Holbein schon in der ersten Hälfte 1515 
in Basel war, ist also mathematisch erbracht. Nur in 
dem Einen Falle ließe sich daran zweifeln, 
als Jemand darthäte, die Familienwappen 
seien dem Tischblatt erst später ausgemalt 
worden: und insofern er dann den Nachweis 
beibrächte, d aß auch später noch ein Ehc- 
paarBär-Brunner gelebt, dessen neuenBe 
sitz dann die Wappen eben documentiren soll 
ten. So lange dies nicht geschehen, ist obiges Resultat 
als nothwendige Consequenz unserer Tafel festzuhalten. 
Was wurde nun also aus dem Tischblatt 
nach HansBür's Tode? Kam es au einen der 
Brüder und in dessen Besitz nach Freiburq? Ließ es sich 
Schwager Meyer vielleicht auch von der Wittwe als „Er- 
götziichkeit" abtreten? Kam cs durch eine der Töchter in 
eine andere Familie? Wir wissen es nicht. Einen Fami- 
lien-Zusammcnhang zwischen den Bär'schen und dem nächst 
folgenden bekannten Besitzer aufzufinden, ist uns nicht ge 
lungen. 
Im Jahre 1631 bezog die neugeflistete Bürgerb bliothek 
zu Zürich die Wasserkirche und neben der Kirchmsammlung 
bildete sich bald auch eine sogenannte Kunstkammer, wo Ra 
ritäten aus allen Naturreichen und Kunstwerke aller Art 
Ausnahme fanden. Im Donatorenbuch der Biblioihek nun 
findet sich (l 45) auch unser Tisch erwähnt. „Herr Jacob 
Düntz, Buruer zu Bern und Brugg Im Aergöer V.rehrt 
Anno 1633: Ein von mancherley suchen Zierlich übermahltes 
Tischblalt von der hannd Hanns Holbeinen des verrüwbteu 
Malers." Dieser Jakob Düntz war, wie es scheint, der 
Vater des Malers Johannes Düntz. Ueber die Beweggründe 
dieser großmüthigen Schenkung wissen wir Nichts. Auch 
finde ich nicht, daß Düntz nachher mit Zürich in Verbin 
dung blieb. 
16 3 5 muß Sandrart auf der Rückreise von Rom Zürich 
besucht haben. Ausdrücklich redet er als Augenzeuge von den 
Züricherischen Sammlungen, und bemerkt c8, wo er, wie von
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.