Full text: Zeitungsausschnitte über Holbein

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N 
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Nus den KriegSgerichtSverhaudlungen von Versailles. 
* Sitzung vom 10 August. Die Vernehmung der Zeugen gegen Assi 
wird fortgesetzt. Hr. Pelka ud, Generalrath im Nievre-Departement, als 
Belastungszeuge vorgeladen, kann gleichwohl nur aussagen daß Assi sich in den 
Arbeiterbewegungen des Creuzot mit anerkennungswerther Mäßigung aufge 
führt habe. Präsident wiederholt die bei ihm schon stereotyp gewordene 
Phrase: die politischen Ansichten der Angeklagten gehen uns nichts an; wir 
haben hier nur über die ihnen zur Last gelegten Verbrechen zu erkennen. Ad- 
vocat Bigot: Es scheint mir gleichwohl Beachtung zu verdienen daß ein als 
Belastungszeuge vorgeladener angesehener Mann hier aus freien Stücken be 
kundet wie Assi, der vielgenannte Agitator des Creuzot, sich in diesen Arbeiter 
fragen vollkommen loyal benommen habe. Es befindet sich ferner bei den 
Acten ein Bericht vom 5 Juni, wonach ein deutscher Officier von Assi gesagt 
hatte: „Hr. v. Bismarck kennt ihn recht gut; er hat ihm jährlich 25,000 Frcs. 
gegeben damit er Strikes in den großen Arbeitercentren anstifte." Es ist Zeit 
diesem albernen Klatsch ein Ziel zu setzen, und ich verlange daher daß der Ver- 
faffer jenes Berichts als Zeuge vorgeladen werde, und den deutschen Officier 
namhaft mache der ihm diese Dinge gesagt haben soll. Ich werde gleichzeitig auch 
Hrn. v. Bismarck auf telegraphischem Wege von diesem Antrage Mittheilung 
machen. Der thörichte Ruf „Sie sind ein Prussien!" muß endlich einmal auf 
hören. Hat man nicht vor einem Jahr denselben Ruf vor dem Hause des Hrn. 
Thiers erschallen lassen? Präsident: Alles das gehört nicht hierher. Re- 
gierungscommissär: Sie sollten doch wenigstens beim Justizminister an 
fragen, Hr. Bigot, ehe Sie ihn ins Spiel ziehen. Hr. Bigot: Ich möchte wohl 
wissen wer hier vom Justizminister spricht; der Hr. Regieruugscommissär sollte 
sich nicht jeden Augenblick in meine Functionen eindrängen. R e g i e r u n g s- 
Commissär: Ich habe keine Lectionen zu empfangen, am wenigsten von 
Ihnen. Der Streit verbittert sich wieder, bis Advocat Lachaud im allseitigen 
Interesse zur Mäßigung und Selbstbeherrschung mahnt. F o s f 6, Handlungs- 
cvmmis und zur Zeit selbst in Haft, war Adjutant Assi's unter der Commune; 
er bestreitet ebenfalls die Anfertigung von Petroleumbomben geleitet zu haben, 
im Auftrage Assi's hat er nach der Affaire der Caserne Lobau die Verhaftung 
Adamcourts besorgt und auch, als 2lssi selbst ergriffen wurde, hat er sich, ob 
gleich er zu Pferd und die Flucht ihm leicht war, sich von seinem Freunde nicht 
trennen wollen. Ein Wärter von La Roquette bezeugt dagegen daß 
Adamcourt, als er in der Caserne Lobau den Capitän Combes süsilliren ließ, 
nur auf Befehl Assi's gehandelt habe; wenigstens hat Adarncourt dieß dem 
Zeugen versichert. Frau C h a rv et, Marketenderin, will wiederum wiffen daß 
der Befehl zur Hinrichtung des Hauptmanns von Lullier unterzeichnet gewesen sei, 
so glaube sie zum mindesten gehört zu haben. Angeklagter Lullier constatirt 
daß er unter dem Datum dieses Befehls sich in Haft befunden habe. Weiter wird 
auf Veranlassung 2lssi's Hr. Ernst Picard, ehemaliger Minister des Innern, 
als Zeuge vernommen. Präs.: Sie sollen zu 2lssi gesagt haben: Sie hätten 
. Einsicht von einem Briefe genommen aus welchem hervorgehe daß Assi ein 
preußischer Agent gewesen sei. Hr. Picard: Aus die Kunde von der Verhaf 
tung Assi's begab ich mich zum Profoßen, um ihn zu vernehmen; namentlich 
wollte ich von ihm hören: ob es wahr sei daß die Insurgenten in verschiedenen 
Theilen von Paris Torpillen gelegt haben. Ich konnte hierüber von ihm keine 
befriedigende 2luskunft erhalten. Mit dem Briefe verhält es sich folgender 
maßen : in Paris war ich in den Besitz eines an 2lssi gerichteten Briefes ge 
langt, welcher auf Beziehungen zwischen dem 2lngeklagten und den Preußen 
schließen ließ. Dieser Brief ist seitdem in Verlust gerathen. Advocat Bigot: 
Sollte es nicht zufällig derselbe Brief sein der sich bei den Acten befindet und 
gestern zur Sprache kam? Dieses Schriftstück wird Hrn. Picard vorgelegt, und 
von ihm in der That als dasjenige auf welches er sich beziehe anerkannt. 
Der Brief, fügt Hr. Picard hinzu, steht in keinem Zusammenhang mit dem 
18 März, sondern vielleicht mit einer früheren Verschwörung, welche den 
Preußen während der Belagerung die Thore von Paris öffnen sollte. Advocat 
Bigot: Hat Hr. Picard nicht schon früher eine Unterredung mit Assi gehabt? 
Hr. Picard: Allerdings. Es war kurz vor dem 18 März, als man mir zwei 
Delegirte eines Bataillons der Nationalgarde anmeldete. Ter eine von ihnen 
war Assi. In dem Gespräch war nur von dem für den Monat 2lpril fälligen 
Solde die Rede. Noch früher habe ich einmal als Rechtsanwalt Assi bei mir 
empfangen, nachdem er sich schon brieflich umEluskunst über einen Rechtspunkt 
in Sachen des Creuzot an mich gewendet hatte. Assi: In der erstgedachten 
Unterredung war auch von den Kanonen von Montmartre die Rede, und 
ich machte geltend daß dieselben auf Kosten der Bürgerschaft hergestellt 
worden waren und also auch ihr gehörten. 2ldvocat Bigot: Hat 
Hr. Picard nicht auch dem Adjuncten der Mairie von Montmartre, Hrn. 
Lafont, versprochen: die Regierung wolle keinen Schritt thun um die Kanonen 
von Montmartre abzuholen, ehe sie sich nicht mit dem Centralcomite verständigt 
habe? Hr. Picard: Ich habe als Minister dem Hrn. Lafont keine solche Er 
klärung abgegeben. Die Regierung wollte nur einige Tage warten ob nicht 
die Bevölkerung selbst das 2lnormale jenes Falls einsehen werde; die War 
nungen die ich in einer Versammlung der Maires gab, blieben leider ungehört. 
Adv. Bigot: Bei den Acten befindet sich eine Aussage des Hrn. Lafont welche 
anders lautet; ich bedaure daß Hr. Lafont wegen Unwohlseins nicht erscheinen 
kann. Hr. Picard: Hr. Lafont hat keinerlei 2luftrag von mir erhalten. 
Vertheidiger Laviolette: Ist es Hrn. Picard bekannt daß die Kanonen am 
18 März nicht bewacht waren? Hr. Picard: Sie waren schlecht bewacht. 
Die Vertheidigung hatte ferner als Entlastungszeugen Rochefort und 
Rossel vorgeladen; beide weigerten sich, der erstere seine Krankheit vor 
schützend zu erscheinen. Sie sollten, wie Hr. Bigot sagt, nähere Aufschlüsse über 
die Verhaftung Assi's unter der Commune und über die Frage geben ob derselbe 
wirklich die Anfertigung von Petroleum-Bomben angeordnet habe. Georges 
C a v a l i e r, bekannter unter dem Namen Pipe en Bois, wird vorgeführt. Assi 
(zum Zeugen): Haben Sie Befehl erhalten das Pulver in Sicherheit zu bringen ? 
Es ist dieß von Wichtigkeit, weil man behauptet: ich habe Paris in die Luft 
sprengen wollen. Cavalier: Ich habe in der That am 20 Mai in der Frühe 
Assi 25 Omnibuswagen zur Verfügung gestellt, um das Pulver wegzuschaffen 
welches von dem Bombardement bedroht war. Frln. Helene, eine „Vertrauens 
person" des Capitäns Moussu von der republicanischen Garde, war vorüber 
Caserne Lobau zu Assi gekommen, beschwerte sich über die Gewaltthaten Adam 
courts und erwirkte von 2lssi einen Passirschein. Präs. (lym Vertheidiger): 
Sie haben auch Hrn. de Pöne vom „Paris-Journal" vorladen lassen. Advocat 
Bigot: Ec sollte bezeugen daß die Protokolle welche dieses Blatt aus den ge 
heimen Sitzungen der Commune veröffentlichte, ihm nicht von Assi mitgetheilt 
worden waren. Präs.: Das ist für die Verhandlung gleichgültig. Mehrere 
andere unerhebliche Zeugen werden vernommen. Präs. (zu Assi): Erkennen 
Sie diesen fünfläufigen Revolver, den man bei Ihnen gefunden hat und von 
welchem ein Lauf entladen war? Assi: Mein Revolver war von demselben 
Kaliber wie der des Prinzen Peter Bonaparte... Präs.: Lassen Sie fremde 
Persönlichkeiten aus dem Spiel. Adv. Bigot: Der eine Schuß ist wahrschein 
lich von dem Gendarmen abgedrückt worden welcher Assi entwaffnete; 2lssi hat 
auf niemanden geschossen. Vicomte Arthur Beugn ot, Hauptmann vom 132. 
Linienregiment, welcher zufällig der Verhandlung beiwohnt, bittet vernommen 
zu werden. Er ist am 18 März mit zwei seiner Leute verhaftet nach dem 
Chateaurouge und dann nach der Rue des Rosiers gebracht worden. Er sah 
wie nach derHinrichtung der beiden Generale der MaireCl^menceau herbeikam 
und verzweifelt ausrief: „Wie, das Verbrechen ist also schon vollbracht?" 
Später sei er auf Befehl Jaclards in Freiheit gesetzt worden. Ferr6: Nicht 
Jaclard, sondern ich gab diesen Befehl. Hr. v. Beugnot: Er war auf alle 
Fälle von Jaclard unterzeichnet. Präs. (zu Ferre): Was liegt Ihnen an die 
sem Punkte? Sie würden damit nur beweisen wie früh Sie öffentliche Gewal 
ten an sich gerissen haben. Ferro: Ich will beweisen daß wir niemals den 
Soldaten Gewalt anthun wollten die sich weigerten sich mit ihren Brüdern zu 
schlagen. 2ldv. Boy er (zum Zeugen): War cs das Centralcomite oder irgend 
eine Art von Kriegsgericht welches die Generale Lecomte und Clement Thomas 
vcrurthcilte? Zeuge: Es hieß nur immer daß wir vor das Centralcomits 
gebracht werden sollten, und General Lecomte verlangte dieß sogar ausdrücklich. 
Angeklagter Billioray: Es muß festgestellt werden daß es auf dem Mont 
martre auch eine ganze Menge von Oomitäs de vigilnnee gab. Wir vom 
Centralcomitd tagten nicht in der Rue des Rosiers, sondern in der Rue Basfroi. 
Zeuge kann nicht aussagen wer die beiden Generale füsillirt hat; er bekundet 
aber daß die Generale schon des Morgens gegen 9 Uhr ergriffen worden waren 
und erst Nachmittags um 5 Uhr erschossen wurden. Reg.-Comm.: Es ist 
unmöglich daß man in der Zwischenzeit nicht die Zustimmung des Central- 
comito's eingeholt haben sollte. 
Es wird zu dem dritten Angeklagten, dem frühern Schulvorsteher Raoul 
Urbain, übergegangen, Delegirten für die Mairie des 7. Arrondissements 
und Mitglied der Commune. In der erstern Eigenschaft will er sich im Anfang 
geweigert haben die Autorität des Centralcomitd's anzuerkennen. Präs.: Sie 
haben durch den Polizeicommissär Endrös zahlreiche Verhaftungen vornehmen 
lassen, und ihm den bei den Acten befindlichen schriftlichen Befehl gegeben jeden 
der sich widersetzen sollte niederzuschießen. Urbain: Ich that dieß, weil ich 
erfuhr daß die Mairie angegriffen werden sollte. Der Vicomte von Montaut rieth 
mir die Franc-Tircurs von der Caserne Bellechasse gegen das reactionäre Vier 
tel loszulassen; aber ich wollte keine Plünderung gestatten. Nur um einzu 
schüchtern gab ich den erwähnten Befehl an Endros, mit dem ausdrücklichen 
Beifügen jedoch daß derselbe nur 48 Stunden gelten solle. Präsident: 
Sie haben 8000 Franken entwendet. Urbain: Diese 8000 Franken waren 
mir zur Bezahlung der Beamten als Prämie zur Verfügung gestellt worden; 
dazu hatte ich meinen Gehalt. Präs.: Wie hoch belief sich dieser? Aus 
105 Franken wöchentlich. Präsident: Und dieß gestattete Ihnen 4000 
Franken in einem Testament Ihrem Sohn zu vermachen? Urbain: Als die 
Truppen einrückten, nahm ich aus der Caffe der Mairie was ich in derselben 
fand, und gieng nach dem Stadthaus um das Geld dort abzuführen. Dort 
fand ich aber alles in der größten Verwirrung. Nun kehrte ich nach 
meinem 2lrrondiffemcnt zurück, wo ich den Befehl vorfand mich nach dem Platze 
St. Sulpice zurückzuziehen. Ich war über das Verbleiben der Frau Leroy und 
meines Kindes sehr beunruhigt, und vergaß darüber das Geld welches ich bei 
mir hatte. Es waren dieß 2500 Fr.; auf dem Stadthaus cmpfieng ich, hüt 
jedes andere Mitglied, 1000 Fr., und von meinem Gehalt waren mir 500 Fr. 
verblieben. Dieß ist der Ursprung der 4000 Fr. über welche ich, sowie 
über die in der Mairie zurückgelassenen Möbel, in dem bei den Acten be 
findlichen Testamellt zu Gunsten der Frau Leroy, die^ich für meine rechte 
Frau ansah, und meines Sohnes versügte. Dieses Testament wird ver 
lesen; es heißt darin: das; Urbain gedachte Vermögensobjecte der*Wittwe 
Leroy vermache, welche er als seine rechte Frau und als die zweite Mutter 
seines Sohnes Victor Lldolf ansehe, mit dem Auftrage diesen Sohn zu einem ehr 
lichen und rechtschaffenen Republicaner zu erziehen, wie er selbst sein Lebenlang 
gewesen sei u. s. w. Präs.: Die Frau Leroy hatte als sie verhaftet wurde, 
1000 Frcs. bei sich. Urbain: Das ist mir nicht bekannt. Ich selbst besaß 
bei meiner Verhaftung 1900 Fr., und hatte ihr für meinen Sohn die 1000 Frcs. 
übergeben die ich auf dem Stadthause empfangen hatte. Hausdurchsuchungen 
und Verhaftungen habe ich sonst nie angeordnet; ein 2ldjunct hatte ans An 
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laß der Explosion der Avenue Rapp mehrere Personen, darunter die Ehegatten 
Landau, verhaften lassen;, ich verhörte dieselben, und da ihre Aussagen sich 
widersprachen, so behielt ich sie zwei Tage und drei Nächte in Haft. 
Präsident: Haben Sie nicht bei Landau die Thüren einbrechen und 
5000 Frcs. und Schmucksachen abführen lasten? Urbain: Man könnte 
ebenso gut sagen daß ich die Thürme von Notre - Dame fortgetragen habe. 
Reg.-Comm.: Für solche Späße ist hier nicht der Ort. Urbain: Wenn 
ich mich unangemesten ausgedrückt habe, so geschah das wider meinen Willen. 
PrA s.: Ist Ihre Schwester nicht zur Directorin einer Anstalt der Schwestern 
von St. Vincent-de-Paul ernannt worden? Urbain: Sie hatte ihre Stelle 
während der Belagerung verloren, und ich suchte sie nun dort unterzubringen. 
Präs.: Haben Sie nicht in einer Sitzung der Commune den Antrag gestellt 
daß man 10 Geiseln als Repressalien erschießen solle? Urbain: Ja, leider 
habe ich diesen Antrag gestellt, jedoch nur auf einen Bericht Montauls über die 
scheußliche Behandlung, welche einem unserer Ambulanzdiener vom Feinde 
widerfahren war. Ich stellte meinen Antrag nur in der Absicht die 2lrmee von 
ähnlichen Gräuelthaten abzuschrecken. Das Decret über die Geiseln ist aber in 
meiner Abwesenheit votirt worden. Präs.: So wollten Sie also eine Uebel 
that, die Sie nicht einmal verificirt hatten, durch eine viel schlimmere Uebelthat 
wettmachen? Die Zeugen Landau, Sellier und Salvet werden ver 
nommen. Landau, ein ehemaliger Polizei-Jnspcctor und seine Frau erzählen die 
schlechte Behandlung die sie bei ihrer Verhaftung von Urbain und seinen Or 
ganen erfuhren; auch wollen sie ihre Ringe dann an den Fingern der Frau 
Leroy wiedergesehen haben. Der Vertheidiger Rouselle macht geltend daß 
Urbain in allen diesen Ausschreitungen nur das Werkzeug Montauts gewesen 
sei. — Die Sitzung wird um halb sechs Uhr aufgehoben. 
9t t u e fl t Doste rr. 
3 München, 12 Aug. Bezüglich der Ihnen vorgestern als noch 
unverbürgt mitgetheilten Ministerliste können wir nun versichern daß die 
selbe, mit Ausnahme der darin bezeichneten neuen Stellung des Hrn. 
Staatsministers v. Braun, eine vollständig richtige ist. Die betreffenden 
Anträge sind Sr. Maj. dem König auch bereits unterbreitet; es ist jedoch 
die allerhöchste Entschließung hierauf noch nicht erfolgt, wenigstens war es 
bis heute Mittags noch nicht der Fall. — Wie der „Bayerische Kurier" 
mittheilt, wurden Hr. Hofvergolder Radspieler und noch 12 andere hiesige 
Bürger, in Anerkennung ihrer Verdienste während des Krieges, durch 
Verleihung des Eisernen Kreuzes ausgezeichnet, und ihnen die Auszeich 
nung mittelst Schreibens des Fürsten Pleß übersendet. 
* Berlin, 11 Aug. Die „Kreuz-Ztg." theilt heut an auffallender 
Stelle folgendes ihr am 8 Aug. aus Paris zugesendete Schreiben mit: 
„So eben lese ich in einem Abendblatte, welchem ein mehr oder weniger 
osficiöser Charakter beigelegt wird, daß in Folge einer langen Unterredung zwi 
schen dem General v. Manteuffel und Hrn. Pouyer-Quertier eine neue Conven 
tion unterzeichnet worden sei, der gemäß die Pariser Forts in den nächsten Ta 
gen geräumt werden, und die Räumung der Departements Oise, Seine, Seine- 
et-Oise und Seine-et-Marne in der künftigen Woche beginnen werde. Diese 
hochwichtige Nachricht sei der Nationalversammlung gestern noch nicht mitge 
theilt worden, weil man in Compiögne noch die Ratification des Kaisers Wil 
Helm erwarte. Diese Angaben sind schon deßhalb mit großer Vorsicht entge 
genzunehmen, als es nicht in der Competenz des Oberbefehlshabers der Occupa 
tionstruppen liegt derartige Conventionen abzuschließen und zu unterzeichnen. 
Der Finanzminister war allerdings vorgestern bei dem General v. Manteuffel 
nebst der Frau v. Laroche-Lambert, deren Sohn eine Tochter des Hrn. Pouyer- 
Quertier zur Gemahlin hat, zu Tisch gebeten, und er mag die Gelegenheit be 
nutzt haben um sich mit dem General über die Räumungsangelegenheit zu be 
sprechen. Möglich auch daß zwischen Berlin und Versailles unterhandelt wird; 
aber wir haben Motive daran zu zweifeln daß es bereits zu einer Abmachung 
gekommen ist. Es würde übrigens dem Hrn. Thiers von minder großer Wich 
tigkeit erscheinen ob eine Räumung einige Wochen früher oder später stattfinde, 
wenn er einen „Erfolg" in dieser Sache nicht als ein Mittel seine Stellung zu be 
festigen erblicken dürfte; denn es läßt sich nicht verkennen daß er in den innern 
Angelegenheiten seinen Frieden mit der Nationalversammlung nur durch Com- 
promiffe aufrecht erhält welche sehr weise, aber doch geeignet dazu sind schließ 
lich seinen Glanz zu vermindern. Da man andrerseits nicht wissen kann was 
sich in Frankreich ereignen würde wenn Hr. Thiers aufhörte Chef des Staats 
zu sein, so ist es auch im Interesse Deutschlands so viel wie möglich ihm unter 
die Arme zu greifen. Nehmen wir daher einen Augenblick an daß der Gegen 
stand etwaiger Unterhandlungen dieser sei: Frankreich zahle die am 31 Dec. 
fälligen 500 Millionen nicht sofort in baarem Gelde, sondern in Wechseln auf 
zwei oder drei Monate Sicht, dagegen räumen die.Occupationsarmeen sogleich 
die oben genannten Departements. In Berlin würde man alsdann in Ueber- 
legung zu ziehen haben ob es zweckmäßiger sei dem Chef der Executivgewalt 
diesen „Erfolg" zu verschaffen oder sich nicht der Gefahr auszusetzen besagte 
Wechsel protestirt zu sehen. Denn, wie die Dinge nun einmal in Frankreich 
stehen, kann doch niemand dafür bürgen daß trotz alledem Hr. Thiers nicht über 
Nacht das Opfer eines parlamentarischen Zwischenacts werde. Es wäre dieß 
sehr zu beklagen, aber die Möglichkeit ist ins 2luge zu fassen." 
Während die „Krz.-Ztg." selbst diesem Brief offenbar eine große 
Wichtigkeit beilegt, ist es doch auffallend daß derselbe eine thatsächliche 
Ungenauigkeit enthält; denn die 500 Millionen welche der Briefschreiber 
als bis zum 31 Dec. zu zahlend annimmt, sind, wie neulich die „Prov.-Korr." 
bestätigte, bereits berichtigt (wenn auch nicht wirklich der ganzen Summe 
nach bezahlt, da ja von diesen 500 Millionen die Kaufsumme der elsaß 
lothringischen Bahnen in Abzug gebracht wurde). Die Bedeutung des 
Briefes dürfte indeß hierdurch kaum abgeschwächt werden; es geht aus 
demselben Wohl hervor daß die Reichsregierung sich reiflich überlegt ob sie 
die Zahlung der dritten Halb-Milliarde und der weiteren Summen, welche 
seitens der französischen Regierung mittelst langsichtiger Wechsel bewirkt 
werden will, in dieser Art annehmen solle. — Wie die „Deutsche Neichs- 
Korresp." in Erfahrung gebracht haben will, soll die Auszahlung der Do 
tationen in diesen Tagen begonnen haben, und sollen insgesammt 16 Per 
sonen mit derartigen Belohnungen bedacht sein. Die Namen derselben, 
welche in hiesigen Kreisen genannt werden, weichen jedoch von einander ab, 
so daß wir uns vorläufig noch enthalten müffen sie wiederzugeben. Außer 
dem Staatsminister Delbrück werden noch zwei süddeutsche Diplomaten 
genannt, die übrigen gehören dem Militärstande an.— Der Ausbruch der 
Cholera in einigen Hafenstädten gibt hier Veranlassung zur Berathung 
umfassender Vorsichtsmaßregeln: neulich fand eine Versammlung von 
Privatleuten statt, welche sich über eine Reihe von Maßregeln verständigte; 
die Thätigkeit der Sanitäts-Commission ist schon längst der nahenden 
Seuche zugewendet, und gestern hat auch die Stadtverordnetenversamm 
lung sich mit derselben beschäftigt; es wurde beschlossen Bezirkscommissionen, 
welche die Einhaltung der samtätspolizeilichen Vorschriften zu überwachen 
haben, zu bilden. 
Industrie, Handel and Verkehr. 
Berlin, 11 Aug. Die Börse verkehrte heute ruhiger als in den letzten 
Tagen, aber im allgemeinen in fester Haltung. Von den fremden Speculations- 
Effccten waren Nordwestbahn und Galizier belebt, in Amerikanern, österr. Papier- 
nnd Silber-Renten fanden größere Umsätze statt. Franzosen und Italiener waren 
matt. Eisenbahn-Actien bei fester Stimmung summarisch belebt, Bergisch-Märki- 
sche giengen in Posten um. Dasselbe gilt von den Jndustrie-Actieu, von denen 
besonders die Eisenbahnbedarfö-Actien verschiedener Gesellschaften in größerem 
Verkehr waren. Deutsche und preußische Fonds bei ziemlich lebhaftem Geschäft 
fest, Bundeö-Anleihe ofserirt und matter. Inländische Prioritäten fest, aber wenig 
lebhaft, garantirte Devisen gefragt, namentlich lP/zproc. Bergisch-Märkische; von 
den fremden Prioritäten waren österreichische matter, russische ziemlich fest. Von 
russischen Fonds giengen beide Köln. Schatzanweisungen in großen Posten um, 
auch 70er und 71er englische Anleihen belebt, Bodencredit-Pfandbriefe mußten 
etwas nachgeben. Breslauer 4^,proc. Stadtoblig. 95^. 
TODESANZEIGE. 
Nach Gottes Willen erlag heute Mittags 12 Uhr in ssinem 32. Lebensjahre umer innigst geliebter Sohn und Bruder 
Emil von Hefner-Alteneck, 
Oberlieutenant im kgl. bayer. 2. Artillerie-Regiment „Brodesser,“ 
Ritter des eisernen Kreuzes II. Classe, 
versehen mit denTröstungen unserer heil. Religion, wenige Wochen nach seiner Rückkehr aus dem besndeten Feldzug einem dort entstan 
denen Brustleiden. Um stille Theilnahme bitten 
München, den 11 August 1871. 
Dr. J. H. v. Hefner-Alteneck, Direetor des bayer. Nationalmuseums, General-Conservator, 
Elise v. Hefner-Alteneck, geb. Pauli. 
Franz v. Hefner-Alteneck, Accessist, 
Friedrich v. Hefner-Alteneck, Ingenieur. (4525) (8250)
	        
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