© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Hauptsache war ihm die Anfertigung ganzer heiliger Leiber. Zu diesem
Zwecke verfertigte er sich aus seinem in einem Malerkasten befindlichen
,,unqualificirbaren" Reliquien-Schatz kleine Zusammenstellungen von Theil-
chen der verschiedenen Körpertheile eines Heiligen, setzte darauf falsche,
d. h. von ihm geschriebene, Namen und nachgemachte Siegel, und ließ
dieselben in ein Kästchen von sehr alterthümlichem Aussehen legen, so daß es
schien als ob von einem beinahe ganz in Staub zerfallenen heil. Leib hier
alle Körpertheile vertreten seien. Diese Kästchen ließ er sich dann au-
thentisiren und legte sie in Wachsmodelle, welche er von einem Modelleur
sich machen ließ, und welche die Figur des begehrten Heiligen hatten.
Solche heilige Leiber verkaufte er mit Hülfe seiner Freunde, eines Mit
glieds aus dem Jesuitenorden, P. Benoit, und eines Abtes aus dem
Minoritenorden, P. Rembert, nach Frankreich und anderswohin, bis nach
Canada, um den Preis von 140 Scudi.
Aehnlich, nur in weniger großartigem Maßstab, trieb es auch sein
Bruder, Giuseppe Campodonico.
Das Ergebniß der Untersuchung und der ganzen Verhandlung war
für Colangeli ein Jahr Gefängniß; von den drei andern aber geschah keine
weitere Erwähnung. Weil aber, wie es scheint absichtlich, im Urtheils
spruch der Grund worauf, die Strafe sich gründete nicht angegeben war,
ergriff der Advocat des Colangeli die Berufung, und davon war die un
glaubliche Folge daß Pius IX den Verurtheilten begnqdigte, und somit
jede weitere Untersuchung, die nothwendig zur Verurteilung nicht nur
des Vincenz Campodonico, sondern namentlich des Jesuiten Benoit hätte
führen müssen, unmöglich machte. Die Acten wurden versiegelt im ge
heimen Archiv niedergelegt.
Als nach der Eröffnung dieser Archive die Zeitungen diesen Proceß
besprachen, richtete Colangeli einen Brief an den Redacteur der in Rom
erscheinenden Zeitschrift „La Capitale," in der er sich einerseits gegen die
ihm gemachten Vorwürfe vertheidigte und andrerseits das Verfahren der
Reliquienverabfolgung von Seiten der Beamten des römischen Reliquien-
Schatzes charakterisirte. Mag auch hier vieles der Leidenschaftlichkeit des
Angeklagten aufgerechnet werden, so scheint doch vom Ersten bis zum Letz
ten, trotz der entgegenstehenden Gesetze, das Ganze als ein sehr einträgliches
Geschäft betrieben zu werden, und gerade dem Custos A. Scognamiglio
werden hier Thatsachen vorgehalten die, wenn sie auch bloß halb wahr
sind, doch beweisen daß von ihm dieses „Geschäft" nicht bloß sehr schwung
haft, sondern mitunter auch sehr offen betrieben wird.
teuere Posten.
3 München, 30 Juni. Diesen Morgen wurde unter Theilnahme
sämmtlicher Staatsminister eine Sitzung des Ministerraths abgehalten in
welcher, wie wir vernehmen, die kirchlichen Verhältniße zur Berathung ge
langten. Graf v. Bray soll sich in Folge neuerer Vorgänge und nament
lich in Folge des Vorgehens des Herrn Bischofs von Passau, den Ansichten
des Herrn v. Lutz wesentlich genährt haben, so wird wenigstens seit einigen
Tagen behauptet. —Die von den Künstlern beabsichtigte großartige Fest-
decoration zum Truppeneinzug wird wahrscheinlich nicht zur Ausführung
gelangen, da die Zeit bis zum Einzug hiezu nicht mehr ausreichen soll.
X München, 30 Juni. Die theologische Facultät der Universität
München beabsichtigt beim Cultusministerium den Antrag zu stellet:, daß
Döllingers und Friedrichs Lehrfächer durch andere Persönlichkeiten besetzt
werden. — Der Professor der hiesigen Universität Dr. Zenger soll hoff
nungslos an der Herzwassersucht darnieder liegen. Von Seite der kathol.
Geistlichkeit wurde dem Kranken die Spendung der heiligen Sterbsacra-
mente verweigert, weil er einer der Unterzeichner der Professoren-Adreße
an Döllinger ist. — Zu Berlin findet im nächsten Monat eine Zollcon
ferenz statt welche von fast allen europäischen Staaten beschickt werden wird,
Es soll eine Vereinbarung erzielt werden über eine möglichst einheitliche
Classification aller zollpflichtigen Waare::, sowie über ein gleichmäßiges
Vorgehen bei der Uebernahme oder Uebergabe der einlangenden und tran-
sitirenden Waaren. Von Seite Bayerns wird hiezu der kgl. Generalzoll
administrator v. Meixner abgeordnet.
Stuttgart, 27 Juni. Se. Mas. der König hat eine Ördensaus-
zeichnung für besondere Verdienste auf dem Gebiet der fteiwillig helfenden
im Kriea nbertrieben imb ihr. mrf
denn auch der hohen Frau verliehen worden.
(—) Bor litt, 28 Juni. Die Rede welche Hr. Thiers vor einigen
Tagen in der französischen' Nationalversammlung zu Gunsten der Credit
forderung gehalten hat, ist hier an maßgebender Stelle in vielen Be
ziehungen sehr übel vermerkt worden. Eine officwse Mittheilung in der
heutigen „N. A. Z." gibt dieser Mißstimmung einen kräftigen, vielleicht
zu kräftigen Ausdruck. Allerdings hat die „N. A. Z." darin vollkommen
Recht daß sie jene Rede als Beweis für die Mäßigung unserer Geld«
forderungen verwehrtet. Wenn Frankreich trotz seiner Erschöpfung und-
trotz der furchtbaren Verwüstungen von denen seine Hauptstadt heimge
sucht worden ist, sich in der Lage befindet nicht bloß eine Armee in der
von Hrn. Thiers namhaft gemachten Stärke auf den Beinen zu erhalten,
sondern auch noch die erhebliche Summe von jährlich 200 Millionen auf
die Tilgung der Staatsschuld zu verwenden, während wir die Amortisa-
tionspflicht von uns abgewälzt haben, so kann freilich nicht geläugnet
werden daß die Kriegsentschädigung von 5 Milliarden eine für französische
Verhältnisse durchaus mäßige ist. Es war also von Seiten der deutschen.
Politik gewiß ein Act der Großmuth, wenn sie die ursprünglich höher ge
griffene Entschädigungssumme auf Verwendung der brittischen Regierung,
herabsetzte, und gewiß wird man der Reichsregierung nur zustimmen können
wenn sie sich angesichts des von Hrn. Thiers entwia'elten Programms
jeder moralischen Verpflichtung, in Sachen der Contribution Nachsicht zn
üben, für enthoben erachtet. Aber die „N. A. Z." gefällt sich doch in
einiger Uebertreibung wenn sie von formidablen Rüstungen der Franzosen
in diesem Augenblick spricht und die Aeußerungen des Hrn. Thiers einer
Drohung für die Nachbarn gleich erachtet. Wir wenigstens haben nach dem
einstimmigen Urtheil competenter Personen diese französischen Rüstungen
für eine Reihe von Jahren nicht zu fürchten, und es scheint daher als ob
die beunruhigende Sprache der „N. A. Z." nur den Zweck habe im vor
aus allen Versuchen einer Abkürzung des Militäretats im Reichstage zu
begegnen.
* Berlin, 26 Juni. Die heute von der „Nordd. Allg. Ztg." ausge
sprochene Mahnung, in Sachen der Contribution gegen Frankreich keine
Nachsicht zu üben, fällt doppelt ins Gewicht, wenn man bedenkt daß Deutsch
land in der That schon Nachsicht geübt hat. Nach dem Frankfurter Ver
trage vom 10 Mai sollten die ersten 500 Millionen innerhalb 30 Tagen
nach Wiederherstellung der Regierungs-Autorität in Paris erfolgen.
Da am 28 Mai die letzten Kämpfe in Paris stattfanden, so läuft
wohl diese 30tägige Frist vom 29 Mai an und endigt am 27 Juni.
Durch das ebenfalls in Frankfurt getroffene Uebereinkommen vom
21 Mai wurde bezüglich dieser ersten halben Milliarde näher be
stimmt , daß 40 Millionen bis 1 Juni, weitere 40 Millionen bis 8 Juni
und 45 Millionen bis 15 Juni zu zahlen seien (und zwar in Noten der
französischen Bank). Bezüglich der Zahlung der ersten 80 Mill. haben
die Blätter Nachrichten gebracht; ob auch die am 15 Juni fälligen 45 Mill.
erlegt wurden, weiß man nicht; vielleicht hängt die um diese Ze:t zum Zweck
der Erholung neuer Instructionen erfolgte Abreise der Friedenscommtssäre
Arnim, Goulard rc. auch mit jener Stipulation zusammen. Jedenfalls
aber hätten, mögen jene 45 Mill. bereits gezahlt sein oder nicht, am 27 Juni
die ersten 500 Mill. erlegt sein sollen. Es ist indessen, wie die „B. B.-Z."
hört, inzwischen ein anderweitiges Abkommen getroffen worden, welches
den Zahlungs-Termin bis zum 4 Juli prolongirt hat. -Und trotz
dieser Prolongation, und trotz des blendenden Erfolgs der Subscription ist
vielleicht doch Hr. Thiers, so schwer es seiner Eitelkeit fallen mag, noch ein
mal gezwungen um Nachsicht bitten zu müßen. Denn bekanntlich waren
ja bei der Zeichnung bloß 12 Frs. auf 5 Frs. Rente einzuzahlen. Wenn
nun nicht starke Volleinzahlungen erfolgt sind, was kaum zu erwarten ist,
so wird auch die Doppelzeichnung des Anlehens der ftanzösischen Regie
rung zunächst nicht mehr als etwa 260 Mill. zur Verfügung stellen. Mit
der Banknotenpreße aber wird sich Hr. Thiers nicht aus der Klemme
ziehen können, da ja nur die ersten 125 Mill. in Noten der französischen
Bank erlegt werden durften.
Natzebnrg, 28 Juni. Die heut ausgegebene Nr. 37 des „Offic.
Wochenbl. f. d. Herzogth. Lauenburg" veröffentlicht das folgende Rejcript:
„Ich habe Mich veranlaßt gefunden den zu den: Domaniun: des Herzog-
tluuns Lanenburg gehörigen Grundbesitz im Amte Schwarzenbeck, welcher Mir
zum freien und unbeschränkten Eigenthum durch den mit der Ritter- und Land
schaft des Herzogthums unterm 19 d. abgeschlosienen, von Mir am 21 d. ge
nehmigten Receß überlassen worden ist, mit allen daraus resultirenden Privat
rechten und Verbindlichkeiten dem Kanzler des Deutschen Reichs, Fürsten
v. Bisnlarck, in Anerkennung seiner Verdienste als eine Dotation zun: Eigen
thum zu übereignen. Indem Ich Sie hievon in Kenntniß setze, haben Sie das
Erforderliche zur Ausführung Meiner Gnadenbewitligung zu veranlassen.
Berlin, 24 Juni 1871. Wilhelm. An den Minister für Lauenburg."
St Wien, 29 Juni. Es ist selbst für den Kenner der hiesigen Ver
hältniße sehr schwer sich in der Menge von Lesarten über den augen
blicklichen Stand der tschechischen Ausgleichsangelegenheit zurechtzufinden.
Die einen stellen den Ausgleich als beinahe zu Stande gebracht dar, die
andern versichern wieder, die hier anwesenden Tschechenführer hätten keine
bindenden Zusagen machen können, und es seien neuerliche Berathungen
in Prag erforderlich. Nach allem was wir hören steht in den „allein maß
gebenden" Kreisen der Entschluß fest keinem Uebereinkommen die Zustim
mung zu geben durch welches die den Deutschen in Böhmen gebührende
Stellung beeinträchtigt werden könnte, das Ministerium seinerseits glaubt
fest daran daß bei Wiedereinberufung des Reichsraths die Tschechen m
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demselben erscheinen werden, und es scheint mithin die Absicht eine Ver
änderung in der gegenwärtigen Zusammensetzung der Vertretungskörper
eintreten zu laßen, d. h. den böhmischen Landtag oder den Reichsrath auf
zulösen, aufgegeben zu sein.
Verschiedenes.
Breslau, 29 Juni. (Strike der Belegschaft auf Köiiigs-
grube.) Nachdem schon in: Laufe der vorigen Woche das Gerücht verbreitet
war daß eine allgenreine Arbeitseinstellung seitens der Belegschaft der fiscali-
schen Königsgrube beabsichtigt werde, ist jetzt der Ausbruch des Strike seit
dem 26 d. M. eine vollendete Thatsache. Bezüglich der Beweggründe welche
die Grubenarbeiter zur Arbeitseinstellung veranlaßt haben, wird übereinstim
mend gemeldet: daß vor allem zwei'Verfügungen der Bergbehörde und der
Grnbenvcrwaltung als die Veranlassung des Strike zu betrachten sind. Nach
der einen Verfügung dürfen die Bergleute seit Beginn dieser Woche die Grube,
auf der sie angelegt sind, nicht, wie früher, nach vollbrachter Gedingezahl ver
laßen; sic sollen vielmehr die volle Schichtzeit von 6 resp. 8 Stunden in der
Grube verbleiben. Die zweite Verfügung bestimmt daß die Arbeitszeit durch
Ausgabe von Marken genauer controlirt werden soll. Hierdurch wird der alte
Usus des Aufschreibens in den Zechenhäusern beseitigt, und der Bergmann
darf nicht mehr auf dem seinen Grubenweg vielleicht wesentlich, abkürzenden
und der zu befahrenden Strecke am nächsten liegenden Schacht anfahren. Wie
die Verhältniße gerade bei der Königsgrube liegen, so darf man gespannt
sein ob die aus etwa 3000 Mann bestehende Belegschaft oder die Verwaltung
der fiscalischen Grube aus dem Strike siegreich hervorgehen, wird. Für den
Betrieb der Königshütte würde selbstverständliche ein Andauern des Strike von
größten: Nachtheil sein, da diese Hütte, sobald das tägliche Förderguantum der
Grube wegfällt, in kürzester Frist ihr tägliches Verbrauchsquantnii: nicht mehr
zu decken vermöchte. Aehnliche Mißstände würden sich für. den Eisenbahnbe
trieb und für größere industrielle Kreise ergeben, die ihren Kohlenbedarf von
Königsgrube entnehmen. Leider haben sich die strikenden Bergarbeiter, wie
die „Breslauer Morgenzeituug" erfährt, zu Excessen hinreißen lassen. Sie
haben, nachdem bereitsvorhcr die zur Austheilung von Marken bestimmten Bu
den zerstört worden sind, das Gefängnis; und die Wohnung eines höheren
Bergbeamten gestürmt und.demolirt, und.den gegen die Exeedeuten einschrei
ten Bürgermeister. mißhandelt. .Eine Schwadron Ulanen ans Gleiwitz, zwei
Compagnien Infanterie aus Cosel und Ratibor sind bereits eingetroffen, und
weitere Trnppenverstärlüngen in Aussicht genommen..— Nachdem es auf eine
kurze Zeit den Anschein gewonnen hatte, als ob es gelingen würde eine Eini
gung zwischen der Grubenverwaltung und den Bergarbeitern berbcizusühren,
ist der Strike, der anfangs, nur auf die oben erwähnten-Beschwerden gegrün
det war, in eine ganz andere Phase getreten, da die Bergarbeiter nunmehr
höheren Lohn, Aufhebung der Städteordnung in Königshütte, Ern:äßignng
der Steuern re. unter tumultuarischen Excessen verlangen.. Ob die Bergarbei
ter von irgendwelcher Seite her wiederum aufgehetzt und zur Stellung der
artiger, unbedingt nicht zu gewährender Forderungen angestachelt worben sind,
läßt sich jetzt noch nicht feststellen. Die Excesse aber, mit beuenbie oberschlesischen
Bergarbeiter die Gewährung ihrer Forderung zu erzwingen suchen, die Miß
handlung des hochgeachtetes Bergraths Meitzen, des Bürgermeisters Götz, einzel
ner Bergbeamten, Steiger:c.> die Demolirung der Amtslocale derBerginspection
und der Wohnung des Hrn. Bergraths, die Terrorisirung der noch zuM Anfahren
geneigten Bergarbeiter, der unter Sturmläuten erfolgende Aufruf zum ener
gischen Widerstand gegen die Bergbehörde, die gewaltsame Verhinderung von
Kohlentransporten nach der Königshütte — alles dieß sind Momente die für
die Tumultuanten die unter einer gewissen Leitung zu stehen scheinen, von sehr
bedauerlichen Folgen sein werden. Nach den bisher eingetrossenen Meldungen
haben auch die Ennahnungen des kgl. Landrath Solger und der katholischen
Geistlichkeit zu keiner Beruhigung der aufgeregten 'Masse geführt, die leider bei
weitem Excessen sehr leicht mit dem inzwischen in dem bedrohten District an
gelangten Militär in blutige Collision gerathen dürste. (Schles. Ztg.)
Ueber die Excesse meldet die „Bresl. Ztg." unterm 27 d. aus Königs
hütte folgendes: „So eben Mittag 1Uhr große Zusammenrottung tumuituiren-
der Bergarbeiter auf dem neuen Ringe. Der die Leute beruhigende Bergwerks-
Dircctor, Hr. Bergrath Meitzen, ist von den Bergleuten auf das Gröbste miß-
mißhandelt, ebenso hat der Bürgermeister vor der wüthender: Menge die Flucht
ergreifen müssen. Auch dem Pfarrer und geistlichen Rath Deloch, sowie dem
Äandrath Solger will es nicht gelingen die aufgeregten Gemüther zu beschwich
tigen. Die Tumultuanten demoliren die Fenster und stürmen die Thürei: der
kgl. Berginspection und der Wohnung des Bergraths Meitzen. Militär ist be
reits requirirt." Ein anderer Correspondent der genannten Zeitung schreibt:
„Ich komme so eben vom neuen Ringe, woselbst die Wohnung des Bergraths
Meitzen. Vor derselben unabsehbare Menschenmengen mit Knüppeln und Aexten
bewaffnet. Alle Läden sind geschlossen. Den Bürgermeister Götz holt man aus
der Wohnung des Bergraths heraus ui:d empfängt ihn mit Stockhieben, er
blutet sehr start; den Bergrath verfolgt die Menge in seinen Garten,
wohin er sich geflüchtet, sowie zwei Polrzeidiener. Von allen Seiten späht man
nach Bergbeamten, von denen schon heute früh der Steiger Stobrawa an:
sch immsten davon gekommen ist. Auf dem Rückweg begegnete ich den: Bürger
meister Beyer (aus Görlitz), der den katholischen Pfarrer Deloch und Caplan
Lukaschtzyk holte, um das Volk zu beschwichtigen. Noch einen Rapport bei dem
Redacteur des „Katolik" (Hrn. Miarka) zu machen, kehrte ich zurück, und fand
die Menschenmenge größtentheils mit entblößtem Kopf um den Friedensstifter
(katholischen Pfarrer) versammelt, der in polnischer Rede spricht, des großen
Wagenverlehrs und der erregten Stimmung des Volkes wegen mir aber unver
ständlich bleibt; nur der Ruf der Menge: „bedziemy wszyscy czekac“ (wir
werden alle warten), ist weithin vernehmbar. Tausende von den gestern genom
menen Marken sieht man von einer Hand zur andern wandern mit den Buch
staben K. Gr. und der Nummer, was die Bergleute (anstatt Königsgrube) mit
„Kärtowitzer Grund mann" (der bekannte Abgeordnete) ausdeuten. Eine Depu
tation von besonnenern Bergleuten kam zum Redacteur des „Katolik (ein pol
nisches, bei der polnischen Bevölkerung sehr beliebtes, in einer Auflage von
nahezu 2000 Exemplaren erscheinendes Wochenblatt), um ihn um Rath zu fra
gen, und das Volk durch Placate zu beschwichtigen. Es feiern seit zwei Tagen
etwa 6000 Bergleute; der Kohlcntrausport nach der Hütte wird durch Berg
leute verhindert, tun die Werke in Stillstand zu bringen. Mau spricht daß die
Kohlen nur noch bis heut Abend auf den Hüttenwerken langen sollen, und
mußten seit gestern alle Kohlenzüge leer heimfahren."
Von Seiten der königlichen Berginspection zu Königshütte geht der „Schles.
Ztg." folgende, die Motive oer Arbeitseinstellung betreffende Erklärung zu:
„Mit Bezug aus eine in der „Breslauer Ztg." enthaltene Correspondenz aus
Königshütte sieht sich die unterzeichnete Berginspection veranlaßt zu erklären:
daß der daselbst angeführte Grund der Arbeitseinstellung seitens der Arbeiterder
Königsgrube, nämlich Herabsetzung des Lohnes auf 12 Sgr. pro Schicht bei zwölf-
stündiger Arbeitszeit vollkommen irrig ist, da eine Lohnherabsetzung weder stattge
funden hat noch beabsichtigt worden ist. Es sind im Gegentheil die Löhne der Arbei
ter im Allgemeinen und die derHäuer im besonderen seit ernerReihe vonJahren stetig
im Wachsen begriffen. Die letzteren stehen gegenwärtig je nach Maßgabe der
individuellen Leistungen zwischen 20 Sgr. und 1 Thlr. pro Schicht. Ebenso wenig
ist der wahre Grund der Arbeitseinstellung in der Einführung der Eontrol-
marken, welche im bergpolizeilichen und im eigenen Interesse der Arbeiter ge
schehen sollte, sondern lediglich in bedauerlichen Verirrungen und der allerdings
sehr auffallenden Forderung derselben, die von der Berginspection auf sieben
Stunden herabgesetzte tägliche Arbeitszeit der Häuer wieder auf 12 Stunden zu
erhöhen, zu suchen. Königshütte, 28 Juni 1871. Königl. Berginspection:
Meitzen." Wie anderweitig gemeldet wird, hat sich der Hr. Oberprästdent Graf
Stolberg gestern früh selbst nach Königshütte begeben, und ist von dort aus
hier die telegraphische Meldung eingegangen daß gestern Nachmittag mit dem
Erscheinen der aus Gleiwitz requirirten Schwadron Ulanen die Ruhe in Königs
hütte vollständig hergestellt worden sei. Eine größere Anzahl der Excedenten
ist verhaftet worden.
Industrie, Handel und Verkehr.
(Sucz-Canal-LooseZ Be: der am 15 Juni erfolgten Ziehung fielen ans
folgende Nummprn höhere Gewinne: Nr. 291315 159,000 Fr.; Nr. 22580 und
252773 25,000 Fr; 142170 und 1826 -7 5000 Fr.; Nr. 527, 1021, 15233,
22671, 34779, 44455, 5?5?5, 69683, 84860, 100558, 102632, 118716,
147820, 147950, 59231, 163433, 189680, 262387, 264093 und 266737
2000 Fr.
Telegraphische GupS- und Handelsberichte.
* Frankfurt a* M», 30 Juni. EröffnungScurfe. Oesterr Creditatteu
2857z, Staatsbahn 409, 1850rr L. —, 1332er Amerikaner 96% Lombarden
1683 4 , Galizier 239. span, ausl. Sch. —, SAberreute —. Fest.
* Frankfurt a. M., 30 Juni. Schlnßcnrfr: Bayer. üprse. Aul. v. 1879
1CK)3*, bot?er. L'/yProe. Aul. 97% 4proc. daher. Präm.-Anl. 109, 4%prse.
bayer. Ostbahv 132, urur Gatts. —, mit 15 Prsc. Linzahl. —, 4proc.
Msenzbahu 105, 4proe. bad. Präm.-Raleihe 107 1382er Amerikaner 96%
Köln-Mirck. L. 933/4, jjstrrr. Gilberrente 56% Pavrerreute 48, 1860er L. 82%
1354er L. 120 Brnkactteu 746 TrÄitacnen 286. Lombarden 169% österr."
frruz. GtaatSbahi: 408 % EÜfadrchEahu 214 Fcanz-Js'rph-Bahn —. Rudolfs-
bahn 74. Ungarn. Ostb. 691/2. 3prsc. Spanier 32, Nrdoi>«ns 9.24% Wechsel:
London II83/4. Paris 937/g Wie» 95 % Tendenz: fest. — Franz Rente vollbczahlt
82ty 4 —■% leere 84 % — 3%
* Frankfurt a. M., 30 Juni. Nachbörse. Creditaetten 285% StaatS-
bahn 408% 1860er L. 82% 1883er Amerikaner 96% Lombarden 189%
Silberrente 56% Papierrente —, Galizier 239, Spanier —. Still.
* Wien, 30 Juni. Gchlnßcurse: Gllbrrrrnie 69.20, Papierrente 59.50,
1860er Loose 109.25, 1864er L. 127.50, Banketten 783, Lrehitaetieu 301.75,
Lombarden 178.30, StgatSbahn 427, Ancsio-Anstrian 258, F .'aueo-Austnau
121.60. Unionöbank 273.25, Galizier 250.25. Franz-Joseph 203. Prioritäten
96.99 Rudolf 163.25, Prior. 91.40. Elisabeth 224.25, Napoleons 9.85% Wechsel:
Augsburg 103.30, Frankfurt 103.50, London 123 40 Parts 48.50. Tendenz:
Geldnoth.
* London, 29 Juni. Schlußcurse: 3proc. Tonsols 923/, 6 1882er A neri-
satter 91, Türken 46 neue Spanier —.
t London, 29 Junu Börse 3proc. Tonsols 92% 5proc. Türken 47,
1882er Amerikaner 91, Italiener 57% Lombarden 147/z, Zproc. Spanier 31%
Tertdenz: günstig.
J London, 29 Juni. Marktbericht. Banka-Zinn 132% Straiis 131%,
Chiliknpfcr 67% Walaroo 77.
t Liverpool, 39 Juni. Baumwollbericht. Tagesimport 7000 Ballen.
t Liverpool, 29 Juni. Baumwollbericht. Tageöumfatz 20 000 Ballen.
Für Speculation 7000 B.^ Orleans 83/ 4 . middling 8s/,g. fair Dhollera 6%
middl. fair Dhollera 6% Tagöimport 10,750 B., davon indische 7250. Tendenz:
steigend.
* New-York, 29 Juni. Goldagio 112% Wechsel in Gold 110% 1882er
Bonds 113% r885er 113% 1904er 111, Baumwolle 203° Petroleum iu
Philadelphia 25%
x Skew--Bork, 29 Juni. Per Kabel. Gold, Gchlußcnra- 112'8 Wechsel
per London 110% 1882er Bonds 113% 1885er Bonds 113% Erie-Actieu
Illinois 1L5% Baumwolle 20% Petroleum 25%