© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Ur. 182.
Mflgt zur Allgemeinen Zeitung.
Sonnabend, 1 Juli
Carrespondensea sind an die Redaotien, Inaerate an die Expedition der Allgemeinen Zeitung franco zu richten. Dieselbe berechnet für die dreigespaltene Coloneizeüe oder deren Raun
im Hauptblatt 12 kr.; in dar Beilage, welcher das Montagablatt gleich geachtet wird, 9 kr. a. W.
Zur Bequemlichkeit der verehrl. Inserenten wurde neben dieser auch eine wortweise Berechnung eingeführt; und zwar wird für jedes (wenn auch abgekürzte) Wort oder Zahl
g kr. sttdd., 3 »kr, österr., »/» Hgr., 7 oenfc (in der Beilage) in Ansatz gebracht, wobei die Expedition das Hauptsächlichste durch fettere Schrift auszeichnen wird " * *
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Betrag ist der
Verlag der I. G. Eotta'schen Buchhandlung. Für die Redaction verantwortlich: vr. I. v. Gose«.
Uebersicht.
Enthüllung über die Augsburger Holbein-Jnschrift. — Aus Madrid.
Politik, Literatur und Kunst. (Ul.) — Reliquien-Fälschung in Rom.
Iterreste Postep. München: Ministerrath. Festdecoration. Die
Münchener theologische Facultät. Professor Zenger. Zollconferenz.
Stuttgart: Olga-Orden. Berlin: Das Programm des Hrn. Thiers.
Nachsicht gegen Frankreich. Ratzeburg: Dotation für Bismarck.
Wien: Zum tschechischen Ausgleich. — Verschiedenes.?
Telegraphische Berichte.
* Berlin, 30 Juni. Die Abreise des Kaisers nach.Hannover war
für heute früh bestimmt, wurde aber wegen rheumatischer Schmerzen,
welche die Nachtruhe beeinträchtigten, und Morgens, obwohl weniger hef
tig, fortdauerten, aufgegeben. Der Kronprinz ist nach Hannover abgereist.
* Breslau, 30 Juni. Die der Aktiengesellschaft Königs-Laura-
Hütte gehörigen Werke arbeiten ungestört fort, und sind von dem Strike
des fiskalischen Bergwerks Königshütte nicht berührt.
* Paris, 30 Juni. Fortwährend werden neue Candidaten auf
die Liste gestellt. Das Coinitv Renouard vereinigte sich mit dem
Comite der Union der Pariser Presse. Der Versuch eine Einigung mit
dem radikalen Comite zu erzielen blieb bisher erfolglos. Die „Agence
Havas" bezeichnet es als wahrscheinlich daß die Candidaten welche sich für
die Politik Thiers' aussprachen durchdringen. Der Herzog v. Broglie
stattete heute Thiers einen Besuch ab, und kehrt Abends nach London zu
rück. — Die „Amtszeitung" vom 29 Juni sagt: „Gestern forderten wir
zwei Milliarden und erhielten fünf, heute zeigen wir Europa eine Armee
von 100,000 Mann, von Tapferkeit beseelt und in bewunderungswürdiger
Weise geführt, welche so eben die Civilisation rettete. Frankreich, feinden
letzten durch das Kaiserreich verschuldeten Unglücksfällen dcs Glückes ent
wöhnt, beginnt seiner wieder bewußt zu werden und sich zu fühlen."
* Bordeaux, 29 Juni. In einer Ansprache an die Dele'girten der
republicanischen Comites erkennt Gambetta die jetzige Regierung an,
welche durch ihre Handlungen den Beweis für ihr Recht und ihre Macht
geliefert habe. Gambetta betont die Nothwendigkeit der Hebung des
Volksunterrichts und der allgemeinen Wehrkraft.
Diese Depeschen aus dem Hauptblatt hier wiederholt.
* Berlin, 30 Juni. Dem „Reiche Anzeiger" zufolge ordnete der
Kaiser die Reduction der in Frankreich verbleibenden Bataillone auf eine
Etatsstärke von 802 Mann an. — Bismarck ist gestern nach Lauenburg
gereist, wie die „Krzztg." hört, wegen des Ankaufs eines Hauses inner
halb des Dotationsareals.
* Berlin, 30 Jnui. Schlußcurse: Bayer, bproe. Au!. *». 1870 160Vr,
bayer. 4^roe. Aul. 97%. 4prsc. Prörm-Aul. 1083% bad. Prärm-Arrl. 107 %,
4%proc. preuß. Aul. 96%, Kölu-Miudruer L. 83%, 1882er Amerikaner S«,
österr. Silberrrvte 56% Papierreute 48, österr. L. v. 1860 82. v. 1364 68%,
Lrrditactieu 102%, Lombarden 80%, Lsterr.-irauz. GtaatSd. 231%. Prior. 283,
Galizier 102%, Bchatzauweisnugeu 100%. Türke» 44%. Rumäuter —, stanz.
Anleihe 82 %. Wechsel: Wien 81. Tendenz: fest, lebhaft.
t Berlin, 30 Ium. Schlußcurse. Creditaeüen 162%, StaatSbahnaetieu
232%, Lombarden 90>%. Galizier 102%. 1882er Amerikaner 97, Buudes-Anleihe
1003/^. Rumänier 47, Touth-Mistouri 70% Rockford 43, Peuinsular 65,
Oberschl. Eisenbahn-Actien I,it. A. 187 %, Teutral-Pacific 86, Darinst. Bank-
actien 145. Tendenz: bewegt. *
Weitere telegraphische Curs- und Handelsberichte siehe fünfte Seite.
Enthüllung über die Augsburger Holbein-Jnschrift.
* In diesen Blättern war vor einiger Zeit von der Inschrift auf
einem Bilde der Augsburger Gallerie die Rede, welche besagt daß es (der
jüngere) Hans Holbein im Alter von 17 Jahren gemacht. Ich habe deren
Echtheit, gegen Angriffe die von manchen Seiten erfolgten, zu vertheidigen
gesucht, und zwar vor kurzem erst ausführlich in den Jahrbüchern für
Kunstwissenschaft. Eben aber ist die Entdeckung gemacht worden daß sie
doch gefälscht ist, und ich eile deßhalb dieß mitzutheilen. Der Conservator
der Augsburger Gallerie, Hr. E. v. Huber, schreibt mir über diesen Punkt:
«Wie Sie schon von Hrn.His Heusler benachrichtigt sein werden, fand am
12 d. eine Untersuchung der Inschrift an dem Holbein'schen Bilde „Anna
und Maria das Christkind haltend" statt. Da Sie schon früher eine solche
Untersuchung in einer öffentlichen Besprechung wie in einem an mich ge
richteten Brief anregten und wünschten, konnte ich mich um so weniger dem
Ersuchen des Hrn. His Heusler entgegenstellen und nahm die Untersuchung
in Gegenwart des genannten Herrn und Freund Sesar's vor. In dem
festen Glauben daß höchstens starke Sprünge und Undeutlichkeiten sich er
weisen könnten, waren wir im höchsten Grad überrascht und bestürzt daß
sich zweifellos die Unechtheit der besagten Schrift, und sogar Spuren von
jedenfalls ganz verschiedenen Buchstaben, wie das bisher durchschimmernde
Roth als Linien der Schriftumfaffung herausstellten. Im Bestreben nach
Wahrheit und Offenheit habe ich mit bestem Willen und mir bewußter
rechtlicher Handlungsweise diese Untersuchung vorgenommen, bin aber
über das Ergebniß tief betrübt. Die letzte Restauration des Bildes fällt in
das Jahr 1654, wo, wie Sie wissen, ich noch auf der Münchener Akademie
studierte und Sesar bei Quaglio daselbst arbeitete, indem wir uns beide
erst einige Jahre später dem Restaurationsfache widmeten, weßhalb wir,
mit den frühern Vorgängen und Zuständen des Bildes ganz unbekannt,
durch den jetzigen Vorfall wie durch einen Blitzstrahl aus heiterm Himmel
betroffen wurden." Nach einem Briefe des Hrn. His füge ich noch zur Er
gänzung bei daß die Schrift auf der zweiten Seite des Buches nach Be
tupfen mit einem in Terpenthin getauchten Pinsel, ohne Anwendung von
Putzwaffer, nach und nach fortgegangen. Da sie über den Retouche-Firniß
gemalt war, sei unzweideutig bewiesen daß sie erst bei der letzten Restau
ration entstanden. Die erste Seite sei absichtlich unberührt geblieben. Die
Spuren der ersten Schrift seien nicht zu entziffern, sondern nur schwach
und von Farbenriffen unterbrochen, jedenfalls aber stehe in der untersten
Reihe keine Zahl wie bei der aufgemalten Inschrift.
Es ist beklagenswerth wenn man unzweifelhaft dargethan sieht daß
ein Mann der eine so warme Kunstliebe besaß, und in seinen Restaurationen
so viel für ältere Kunst gethan hat, der dabei im Leben so ehrenhaft da
stand, wie der verstorbene Conservator Eigner, die Mittel welche seine Ge
schicklichkeit ihm bot zu Fälschungen benutzt hat, durch welche er keinerlei
äußerlichen Vortheil suchte und fand, sondern bei denen er gewiffermaßen
nur einer fixen Idee folgte. So erfand er einen „Großvater Hans Hol
bein," der Maler gewesen sei. Diesen habe ich definitiv beseitigt, indem
ich die Wahrnehmung machte daß die Beweise für deffen Existenz auf Fäl
schung beruhten, sowohl die Inschrift eines früher im Augsburger Maxi
miliansmuseum befindlichen Gemäldes, als auch die von Eigner verschie
denen Kunstgelehrten mitgetheilte Abschrift der Annalen des Katharinen-
klosters, welche mit dem angeblich verschollenen, in Wahrheit aber auf der
bischöflichen Bibliothek zu Augsburg befindlichen Original nicht stttnmt.
Ich wies damals die Fälschung nach, ohne einen Fälscher zu nennen, weil
mir noch möglich schien daß Eigner selbst der Getäuschte sei. Ehe ich das
fand, hatte ich bereits die Inschrift auf dem Bilde der heiligen Anna
arglos als wiffenschaftliches Material verwerthet. Jetzt war eine neue
Prüfung nöthig, die ich wiederholt vornahm, aber die mich doch nicht zu
dem Schluß führte auch diese für unecht zu halten, denn bei dem Bilde,
im Maximiliansmuseum gab gerade die Form einzelner Buchstaben und
Zahlen Anstoß, während alle Einwendungen gegen die Buchstabenformen
auf dem Bilde der heiligen Anna sich als grundlos erwiesen haben, und
gegen den lateinischen Wortlaut, so ausführlich er ist, nie etwas vorge
bracht werden konnte.
Mir bietet diese Erfahrung aus dem Grund etwas schmerzliches, weil
für mich, den Augsburg und die dortigen Gemälde überhaupt zum Hol
bein Studium geführt haben, mit den ersten Eindrücken dieser Werke auch
die Anregungen verknüpft sind welche ich während der Betrachtung durch
Eigner selbst empfieng. Ferner ist es für einen Schriftsteller immerhin
unbequem eine Partie seines Werkes abtragen und neu construiren zu
müssen. Dennoch ist es mit Freude zu begrüßen, und man athmet auf
wenn eine wiffenschaftliche Streitfrage aus der Welt geräumt ist, und
wenn man, an Stelle von Vermuthungen und Zweifeln, einen sichern
Weg vor sich steht.
Jetzt steht selbstverständlich fest daß von 1495, als dem Geburtsjahr
Holbeins, welches nach dieser Inschrift anzunehmen war, nicht die Rede
sein kann, sondern daß, nach allem was wir wissen, 1497 als solches zu be
zeichnen ist. Ebenso kann man nun nicht mehr von den sogenannten Augs
burger Jugendbildern des jüngern Hans Holbein sprechen. Es ist klar daß
die Schriftsteller welche sie in die Kunstgeschichte einführten, Waagen und
Paffavant, es unter dem Einfluß Eigners gethan haben, den hier ebenso
eine fixe Idee, wie bei dem Großvater, leitete.
vor entfallend«