bilden/ diesen Hauch von inniger Andacht beigegeben hat/ welche
sich in der unmittelbaren Nähe und unter dem Eindruck des Her-
ligrn weiß und fühlt/ und die selbst das simple Besicht der Toch
ter in Seelenschönheit taucht. Diese Verklärung der Köpfe ist
nur dann auf dem Dresdener Bilde/ wenn man das Darmstädter
nickt dagegen sieht. Man vergleiche in dieser Beziehung die Köpfe
des älteren Knaben/ um zu bemerken/ wag Holbein gewollt und
erreicht hat, und was der Kopist nicht erreichen konnte: die Züge
besonders um Augen und Mund/ den sprechendsten Theilen des
menschlichen Gesichts.
Dies bringt mich auf die übrigen Veränderungen in dem Dres
dener Bilde. Keine ist erheblich, manche aber eine vermeintliche
Verbesserung, keine wirkliche. Zu der letzteren möchte zu rechnen
fein, daß der knieeudc Donator nicht so in den Fußboden gedrückt
ist, wie beim Darmstädter Bilde. Zu den ersteren gehört aber
die, allerdings geringe, Aenderung in der Architektur, welche der
Nische daö Geschlossene nimmt und sehr richtig schon von Wolt-
manu eine Verschlechterung genannt wurde. ‘ Auch hat derselbe
Holbein-Forscher schon darauf aufmerksam gemacht, daß daö durch
den Firniß angegrunte blaue Gewand der Madonna schlechtweg
für Grün genommen wurde, eine Anordnung, welche der Meister,
däucht mir, weder gemacht noch geduldet hätte. So viel Zeit,
als dazu gehört, diese Wirkung dev Firnisses bis zu dem Grade
walten zu lassen, wo der Irrthum mögltch wird, muß zwischen Ori
ginal und Kopie jedenfalls liegen; sie kann wohl nicht allzukurz
sein. Die Linien deö Teppichs, die sich im Darmstädter Bilde
biegen, weil er herabhängt, sind im Dresdener gerade gelegt, die
Behandlung der Stoffe, Stickerei u. s. w. ist in der Nachbildung
nicht mit der eingehenden Liebe und Sorgfalt geschehen, wie sie
Holbein eigenthümlich ist. Auch dies tritt erst jetzt bei der Zu-
fammeustellung recht deutlich hervor. Orr Mantel der Madonna
legt sich nicht in so voller Falte über die Schulter des Bürger-
metsters.
Mit diesen Bemerkungen soll nicht gesagt sein, daß man es in
dem Dresdener Exemplare nicht mir einem vorzüglichen Bilde zu
thun habe. Es ist dem Beschauer auch Gelegenheit gegeben, sich
votirend für dasselbe auszusprechen, indem Professor Fechner, der
auch dem Katalog, den man erhält, eine schätzbare Uebersichl der
Literatur über die beiden Exemplare der Madonna deö Bürger
meister Meyer angehängt hat, ein Buch auslegte, in welches Ze
der seine Empfindungen vor den beiden Btldern und seine Er
klärung, weichem er den Vorzug gebe, einzutragen gebeten wird,
so daß dadurch eine Art von Volköbeschluß vorbereitet ist. Jeden-
salls dürfen wir uns freuen, beide Bilder auf deutschem Boden
zu haben. Und auch vor dem Dresdener Bilde werden wir fort
fahren können, den Eindruck der freundlichen un-beruhigenden
Gemeinschaft mit dem Heiligen, der von dieser Schöpfung des
Meisters ausströmt, zu empfangen. Wollte Gott, wir hatten
nur viele solche Wiederholungen von Meisterwerken der Kunst.
Neben dieser Madonnenf.age wird vielleicht, abgesehen von
diesen oder jenen Speziaizwecken, am meisten inleresstren, sich
Holbein in seiner Eigenschaft als Bildnißmalec zu vergegenwär
tigen, ui welcher er so groß ist. In fernen Bildnissen manisestirt
sich seine Kraft als Geschichrömaler, in seinen Bildnissen steht
seine Zeit vor Augen und sieht uns mit ihren Augen deutlich an;
alle seine Gestalten sind dramatis personae von ihr. Und das
gerade, weil er jede Individualität in ihrem Persönlichsten faßt
mit einer Wahrheit, dre man unerbittlich nennen möchte. Jeder
Charakter in seiner festen Beschlostenheil coneentrirt, der Mund
zugehalten, aber sprechend, der Blick vorgefandt. Eö liegt etwas
von dem E nst deö Daseins auf dem Grunde ihrer Seele. Auch
in ihrem Sonntagskleide zeigen sie das Arbeitegesicht des Le
bens. Die Siellung, meistens einfach und geradeaus, die Hände,
die Tracht, unlcritüyen den Charakter des Antlitzes; überall die
deullichste Objectivtlät. Wie Holrein die Menschen seiner Zeit
in ihrem historischen oder culturdistortschen Wesen erfaßte, empfin
det man klar, wenn man sich in daü Ban Dyk-Zunmer in Wind
sor Caflle versetzt, aus dem unö die Zeit von Carl Stuart enl-
gegenlr.it, oder sich eine Galerie Rembrandt'scher Bildnisse ver
gegenwärtigt, der wahrlich als Physiognomiker neben Hotbein
auch guten Bestand bat. Mit welchem Vergnügen kehrt man,
wenn man
"Üese Äg^L?r^M^eäe'dcr"DreSdenrr SammIung zu-
Bebendem lebensgroßen Hüflbttde des Goldfchmieds Morelt.
letz lebt daran, die Hand mit dem Handschuh und die Hand
ohne diesen, der Atlas, die Stickerei, der Pelz, das Gold des
BarihaareS, die Haut, daö Auge endltch und die Seele.
Man muß den Männern sehr dankbar sein, welche den Genug,
den diese Ausstellung bietet, ermöglicht haben. Jedenfalls ge-
wahn sie den Vortheil, den es immer mit sich fuhrt, wenn man
Gelegenheit hat und nimmt, einen Meister, er fer aus welcher
Kunst er wolle, ganz und voll möglichst gründlich zu erfassen.
Plan hat immer mehr davon, als von dem leidigen Potpourri-
Wesen. Und daß wir hier einen echt deutschen und gediegenen
Meister vor Augen haben, mag uns unziigänglicher machen für
manche seltsamen Farvenmustten der Gegenwart.
Friedrich Eggers.
Der Pro;cß des Di-. Schöppe.
(Aus Nordamerika.)
Carl« sie, Penna., 9. August 1871..
Gouverneurs folgen werde. Und daß diese Entscheidung nur in
der Entlassung deö Angeklagten bestehen wird, darüber herrscht
nur eine Stimme. Der Gouvemeur, so glaubt inan hier allge
mein , hat durch die Gewährung dieser persönlichen Audienz die
moralische Verpflichtung übernommen, den Fall in endgiltiger
Weise zu entscheiden. (Pos. Z.)
Theater.
(Victoria-Theaters Seit dem ersten Tage dieses Mo
nats hat der Director Behr diese Bühne übernommen und da
mit ist wohl eine neue Aera für dieselbe zu erwarten. Hr. Behr
ist in Berlin nicht fremd, er gehörte vor Jahren mit Erfolg zu
den Mitgliedern der k. Oper uns hat, feildem er aus den Rei-
hen derselben getreten war, dafür gesorgt, sich einen guten Ruf
als tüchtiger Künstler zu bewahren; das Publikum erwartet da
her von seiner Leitung des Victoria-Theaters, dessen Lebensfähig
keit nach so wandelbaren Schicksalen wohl mehr als hinreichend
erwiesen ist, mit Recht das Beste. Es verlautet überdies, daß
Hr. Behr jeder Gattung des Schauspiels sein Repertoir
öffnen will und sich dazu mit tüchtigen Kräften aus
gerüstet hat. Wir begreifen, daß er für das neue Capitel
ur der Geschichte dieses Theaters, dem er seinen Namen ge
ben soll, nach einem möglichst glänzenden Aufaugöbuchstadeu
suchte und meinten mit ihm, daß dazu der Name deö „Walzer-
königs^ Strauß und seine Oper Indigo und die vierzig
Räuber den geeignetsten Anhalt zu bieten schien, zumal wenn
er den Berlinern Gelegenheit verschaffte, den Compouisten per
sönlich kennen zu lernen und dirigirca zu sehen: Strauß au
der Spitze eines tüchtigen Orchesters, Indigo, burleske
Operette in 3 Akten, für Berlin bearbeitet von Ernst Dohm
mit neuen Costümen, Decorationen, Maschinen, Opern- und
Ballettratten: ja der berühmteste Kalligraph kaun für die Herstel
lung gläuzeuder Initialen nicht eine größere Menge von Effecten
entfalten, als hier sich aneinander reihlen. Dre Aussicht zu einer
glänzenden Karte war geboren, dieselbe nun auch zu einer Wahrheit
zu machen, stand nicht ausschließlich in der Macht des neuen DtrectorS.
ES ist ein eigen Ding um die sogenannte „burleske Operette";
waö man sich darunter eigentlich vorzustellen hat, das ist uns bisher
so recht eigentlich nur von Offenbach klar gezeigt worden, den
man deshalb freilich mit Recht Seitens der Kritik verfehmt, von
Seiten des Publikums dagegen, und zwar mit Unrecht, zugejauchzt
hat. Die Frage nach dem Warum ist tercht erklärt; O f senba ch
versteht es, die Leute zu amüfiren, und zwar nicht nur durch
seine Musik, sonder» auch durch den unteryaltlicheu, komischen
oder burlesken Inhalt seiner Stücke. Wer besäße nur eine ästhe
tische Ader und hätte sich nicht hundertmal gescholten, daß er lei
nen Abend mit dem Zuschauen der Offerrbachiaden hingebracht?
Aber diese Reflexionen kommen erst, wenn man das Theater ver
läßt, so lange die Vorstellung daüert, ist der Zuschauer unter dem
Bann der drolligen Unterhaltung, er sagt sich: „daö ist absoluier
Blödsinn!" aber er lacht, und überdies die prickelnden
Melodieen sprechen ihn an. Alle Sünden deö Erfinders dieser
Elitarlung der komischen Oper treten aber in ihrer ganzen Schal
heit erst bei seinen Nachahmern hervor. Nach dieser Richiung
hm haben es die Wiener so arg getrieben, daß eine
Rettung aus dem Jammer, eine Ruckehr zu Besserem
dringendst geboten war, nnd es ist ein unbestrittenes Ver
dienst deö Kapellmeisters Johann Strauß, daß er m:t seinem
Indigo dies Remuigswerk unternommen und wenigstens den Weg
zu einer besseren Richtung gezeigt hat. Freilich sein Wegweiser
zeigt rückwärts, er schreibt das fatale Wort „Burleske Ope
rette" darauf uud laß; damit den Zuschauer ein Ziel erwarten, an
welches er ihn nicht befördert. Indigo ist weder eine „Op er eite"
noch ist Text und Musik „burlesk". ES ist die alte Geschichte vou
Allbaba dem Eseltreiber und den vierzig Räubern; darin lieg: kern Bor-
wurf. Wie oft, wie siunm und tnmg Hai das Märchen des Mor
genlandes wie des A'-si-q itpur nlchl schon der Oper reichen Stoss
geboren, aber auchßj-snnrttz-M^cn Fällen haben sich die Opern-
Componistcn äsn' rq-m jCput luv. den Mälchenschatz gewagt. Wer
eine Oprra-^ ,a,j,yq u,sivs n^ba" machen will, muß vor Allem
welche ‘mVÄ iLgt-Vlnuen, wie eö z. p. lener
Librettist Löhne, so el ® 0 V'iri* 11 ^ e !’\ n ,
randot" eisn Heiden ersteren •. . Ull t er -r-extschrciber halt sich
einfach an die S^.„ abgeschraubt für das ekgeutUch komische
oder gar burleske ...,mig oder gar mchiö her. Der
Comvonist fühlte sich unstreitig.auch von dem romantischen
Element angezogen, eö ist, als t>l> er träumend sich all den Ein
drücken der Zauberivelt hiugiebt und „ur ab und zu, weit weni
ger, als man es erwarten soll, den hüpfenden Elsen
gestattet, ihn an daü Reich der Tänze zu mahnen, in
welchem er und fern Geschlecht unbeschränkt herrschen und
gebieten. Die Ouvertüre ,ß breit und in großem Styl angelegt,
schließlich spitzt sie sich zu emer feurigen Galoppade zu, und diese
Art dcr Entwickelung in Melodie und Rhythmus bleibt die
Signatur des Ganze». Da findet uud windet sich manche
Blüthe zu einem Sträußchen zusammen: ein Terzen rm
ersten Akt „Zum lieben schönen Deutschland", die Erklärung
deö Selamö und das Finale im ersten, das Lied Fantaüca'ö
im zweiten Akt mit dem Schluß „Wir sind nicht mehr schwache Wei
der, Wir sind Räuber, kühne Räuber", ein Duelllno
Alibaba und Anderes mehr; aber der
In dem bekannten Schöppe'schen Prozeß, der den Lesern dieser zwischen Janio und
' ist noch keine endgiltige Ent- Strauß hat seine Lorbeeren bisher doch nur auf dem Ge
biete des Tanzes geholt. Vieles, im zweiten Akt namentlich, ist
zu breit, selbst für die „komische Oper" in einem höheren Sinne,
geschweige denn für die „Operette", an welche daö Publikum
doch einmal gewöhnt ist, und von der es geschickt entwöhnt wei
den muß. Darstellung und Ausstattung thaten das Möglichste
für den Erfolg, der Hauptantheil an letzterem gebührt ohne alle
Frage dem Frl. Lina Mayr, welche als Gast dle „Fantaoka"
saug und spielte. ES ist dies nicht nur die Hauptrolle, sondern
eigentlich die einzige durchgesührie Rolle im ganzen Stucke,
in der That eine der anstrengendsten Aufgaben, welche
Zeitung noch erinnerlich fern wird, .
scheidung getroffen worden, trotzdem der Unglückliche nun schon
über zwei und ein halbes Jahr im Kerker schmachtet. ES sind
im Laure dieser Zeit sehr wichtige Eurlastungsmomente für deu
Angeklagten anS Licht gekommen, allein im ganzen Staate Penn-
sylvanien existirt kein Gerichtshof, der die Macht hat, im jetzigen
Stadium des Prozesses irgend welche Entlastungsbeweise anzuhö
ren. Auch der letzte Anker, auf den die Verfolgung sich in die
sem Falle noch gestützt haue -- daß nämlich eine Verbindung
von Blausäure und Morphium die acute Wirkung der Blau
säure, die sonst innerhalb von 5 biS30Minulen zu tödten pflegt.
und
wenn wir
bis auf 22 Stunden und noch länger verzögern könne — ist der sie einmal ganz materiell nur nach ihrem Umfange und dem Auf
Anklage setldem durch thatsächliche, gerade daü Gegentheil bewei- gebot, daö sie an physischer Kraft verlangt, betrachten, als ein klei
“ * ' -' - v ^ - ...iss—+ ~ ^ v.
sende Experimente, die von den ersten wissenschaftlichen Autoritä
ten des Landes gemacht worden sind, unter den Füßen weggezo
gen worden. Mil der Widerlegung dieser Hypothese, über welche
zur Zeit des Schöppe'schen Prozesses keine auf thatsächliche Ex
perimente gestützte Resultate bekannt waren, füllt im Grunde ge-
nommen die ganze Anklage gegen Ur. Schöppe in Nichts zusam
men. Die Behauptung des objectiven Thatbestandes — daß
wirklich ein Mord in diesem Falle begangen worden sei — wird
durch die oben erwähnten Experimente auf's Glänzendste zu
Gunsten des Angeklagten widerlegt Von einem Beweise deö
objectiven Thatbestandes ist überhaupt in diesem Prozesse niemals
die Rede gewesen. Wett die Verstorbene dem Angeklagten ihr
Vermögen hlnierlaffen hat, so könnte sie wohl an Gift gestorben
sein — so folgerten die entfernten Verwandten der Verstorbenen
und mit ihn.» der Staatsanwalt. Fragt man aber nach dem
Beweise des objectiven Thalbestandeö, ja, der ist niemals geliefert
worden. Die Motive — die Motive, hieß es stets, sind vorhan
den; darum hat Ur. Schöppe die Dame ermordet. Daß em der
artiges Slrafverfahrcn allem Rechtögefühi auf's Krasseste und
Schneidendste Hohn spricht, bedarf kaum noch der Erwähnung.
Daher allen, läßt sich auch die öffentliche Entrüstung, die sich ge
gen die Vollstreckung des Urtheils in diesem Falle so allgemein
geltend gemacht hat, zur Genüge erklären.
Ur. Schöppe har vor einiger Zeit — gestützt auf die durch
nachträglich entdeckte Bewerfe gelieferte Wieocrtegung des objec-
liven Thatbestandes — sich in einer Eingabe an den Gouyxrneur,
John W. Geary, v n Pennfylvanien mit der Bitte gewandt,
der Gouverneur wolle ihm (dem Angeklagten) eine persönliche
Audienz gestalten. Auf diese Eingabe lst von dem Gouverneur
eine zusagende Antwort ertheilt worden, und hat derselbe ver
sprochen, im Laufe dieses Sommers den Angeklagten persönlich
in dem Gefängniß zu Carlröle sich vorführen lassen zu wollen.
In Uebereinstimmung mit den deshalb von dem Gouverneur auf
gestellten Regeln ist von dem Angeklagten ein Memorial vorbe
reitet worden, in welchem die Wichtigkeit der nachträglich entdeck
ten Entlastungsbeweife in kurzer Darlegung gezeigt ist. Dieses
Memorial wird dem Gouverneur bei der bevorstehenden Audienz
persönlich von dem Angeklagten überreicht werden.
Man glaubt allgemein, daß auf die dem Angeklagten gewährte
persönliche Audienz eine endgiltige Entscheidung von Seiten des
ucü Hercultcum erscheint. Frl. Mayr, der erklärte Llebltng deö
PubltkumS, stürmisch mit minutenlangem Beifall und Blumenspenden
begrüßt, zeigte, daß und wre sehr es ihr darum zu thun «st, diese
Gunst zu verdienen. Sie staltete die Fantasca mll dem ganzen
eigenartigen Liebreiz ihres Darstellungstaientö aus und machte
sie zu einem aumnthig-neckischen Wesen, ohne zu übertreiben oder
durch kleine Zuthaten Glanziichtec aufzusetzen, Die oft störend
wirken; sie wußte aber auch, was wir ihr als ein besonderes
Verdtenst anrechnen, dem romantischen Theil gerecht zu werben
und durch sehr geschickte Behandlung ihrer Sluam-Mutel
zu überraschen. Eö will viel sagen, wenn eö nur ihr
gelang, mtt dieser FanlaSca dm ganzen Abend hindurch
zu inleressiren. Das Lied mit dm Schtuß „Wir sind Wer
ber" wird ein Gegenstück zu dem „sescheu Brasttlauer" werden,
dcr Beifall wenigstens läßt es erwaUen. Glanzendes Costüm
erhöht den Eindruck der anziehenden Erscheinung der Künst
lerin und von Scene zu Scene steigerte sich ihr Erfolg. ES
war der Abend deö Frl. Lina Mayr! Alle übrigen thaten
ihre Schuldigkeit; Hr. Mathias, von seiner langjährigen Thä
tigkeit am Frledrlch-Wilhclmöstädtischcn Theater bestens accredlltrt,
war ein recht ergötzlicher Alibaba; Hr. «öwoboda hatte als Ja
nio viele sehr gelungene Momente; dieSltmme erschien ein we
nig angegriffen und wurde erst allmälig frei. Aus der große»
Zahl der übrigen mögen Frl. Löffler, Hr. Hafel und Hr.
Schirmer mit Auszeichnung genannt ein. Chor und Ballet,
mehr aber noch die gläuzcnde Aussiattulg au Costümen und De-
corationen, verdienen das höchste Lob Hier lst eine ganze
Reihe von überraschenden Momente:, welche in der Er-
scheinung deö Schiffes am Schluß gipsen, von Dingen, die man
„gesehen haben muß". Daö Orcheste unter der stcheren und
eleganten Führung des Componisten Strauß ließ Nlchis zu
wünschen übrig. Er, wie die Haupldrsteller und der Director
wurden von dem überaus zahlreichenPubiicum wiederholt ge-
rufen. So stehen wir denn vor einen vielversprechenden neuen
Capitel der Chronik dieser Bühne; der glanzvolle Anfangsbuch
stabe ist vorhanden, nicht minder glänzede Jlluftrattonen scheinen
sich bieten zu sollen, möchlc es der neua Direeuon getingen, für
einen fesselnden uud gehaltvollen Inhal zu sorgen, 'bet weichem
das Publikum und sie selbst ihre Rechrmg findet uud die Kunst
nicht zu schlecht fortkommt!
- —n v v* o-'»» wmm l«* WH wtwvui«»
vollen Oberregiffeur Hrn. W. Keller im Wallner-Theater die
beliebte Posse „Kläffer", m«t neuen Couplets, zum erste»
Male wieder in Scene. Herr Helmerdtng, der von feinem
Urlaube zurückgekehrt, wird zum ersten Male wieder als „Haase"
auftreten uud glauben wir dem Benefizianten gewiß ein ausver
kauftes Haus versprechen zu dürfen.
Berlin. Am Montag findet im Reunion-The ater daö
Abschieds-Benefiz für Frl. Graichen, eins der beliebtesten Mu-
glieder dieser Bühne, statt. Frl. Graichen, eigentlich als Sou
brette au dieser Bühne engagirt, hat sich mit Fleiß und Eifer
sehr schnell darin gefunden, auch als Sängerin ln den hier zur
Aufführung gelangten Opern mitzuwirken und als solche auch be
währt; ihr Abgang von dieser Bühne wird sich sehr bemerklich
machen. Zu ihrem Abschicdöbenefiz, in welchem sie als „Gala-
thec" auftreten wird, wünschen wir ihr eine recht rege Theil
nahme des Publikums.
Die Cholera und die Bedürsnitz-Anstalten.*)
Seit einer geraumen Reihe von Jahren wiederholt sich regel
mäßig das Schauspiel, daß bei dem Herannahen epidemischer
Krankheiten, namentlich der Cholera, über die ungenügenden
Zustände unserer Ledürfnißeinrichtuugen von allen Seucn
Klagen erhoben werden, welche, nachdem.in der Presse bei Ver-
einen und Privaten eia mächtiger Staub aufgewirbelt ist, schließ
lich Alles beim Alten belassen.
Gewiß sind die schweren Klagen über die mangelhaften Zu-
stände in der bezeichneten Richiung so begründet und so lanbbe-
kannl, daß darüber kein Wort mehr verloren werden darf, eö s.i
denn das des berechtigten Erstaunens darüber, wie in unserer so
wohl organisirten Stadt der handgreiftiche Nachtheil für das
öffentliche Wort noch immer verkannt werden kann. Gleichwohl
«rfcheint es in der That weder zweifelhaft, was zu thun ist, noch
wie eö zu thun ist, um alle» berechtigten Ansprüchen in gründ
licher Werse nnd verhältntßmäßig kurzer Zeit gerecht zu werden,
sobald man nur Muth und Kraft zu denjenigen Reformen besitzt,
welche schließlich doch unerläßlich bleiben.
ES ist hier nicht der Ort und augenblicklich auch kaum die
Zeit, um sich t„ dogmatischen Erörterungen zu ergehen, der Un-
lerzeichnete möchte sich vielmehr nur erlauben, kurz uud prägnant
diejenigen prarlischen Zielpunkte hinzustellen, welche seiner An
sicht nach eine schnelle und gedeihliche Reform in's Auge zu fas-
fen hat. Er verfolgt dabei die wohlgemeinte Absicht, wenn mög
lich, diesmal wirkliche Resultate milherbeiführen zu helfen und er
stützt sich dabei auf die Studien und Erfahrungen, die er theorc-
tisch und prakisch theils als ftüherer mehrjähriger Vorsitzender
einer städtischen Deputation für den einschlägigen Gegenstand,
theils als langjähriger hiesiger Grundbesitzer aus eigener An
schauung zu machen Gelegenheit hatte.
Die Hauptsätze fassen sich ihm darnach in Folgendem zu-
sammen:
1) Daö einzig richtige, bis jetzt durch.Theorie uud Praxis be
währte System für Bedürftuß-Einrichtungeu ist das Tonneu-
system mit geregelter A bfuhr; die schlechteste, ja absolut
verderblichste Einrichtung sind die kloakenartigen AparlemcniSgru-
ben zur unlerfchiedötofcn Aufnahme der gefammten Abgänge eines
Hanswesens mit viertel- oder halbjährlicher oder uoch scUeoerer
Räumung.
2) Jedem Hausbesitzer ist daher in bemessener Frist kategorisch
aufzugeben, die bei ihm vorhandenen Apanementsgrubeu zu de-
fettigen, dagegen in den Bedürfnißräumen Tonnen aufzustellen
und für dre compacten Abgänge auö den Küchen >ür Müll,
Asche:c. besondere trockene Müllgruben einzurichten, während
alles unreine Wasser aus den Haushallungen durch die Sllchca-
itctle in deu Rinnstein abzulassen ist. (Diese Einrichtung hat der
Unterzeichnete bei sich selbst seit ca. 12 Jahren genossen und si-
hat sich in aller Beziehung bewährt.)
3) Die s. g. Waterclosetö in ihrer jetzigcn Einrichtung sind
möglichst schleunig zu befettigen, weil die gebrauch.iche Methode,
die Lxkremenre durch Wasser auszulösen, aus vcn Holen in Senl-
gruben anzusammeln uud letztere zur Nachizen in deu Straßen-
Rmnstein abfließen zu lassen, fast „och verpestender wirkt, als das
Ausleeren der Apartemeiusgruden. Slalt dieser WaterclosetS
sind Nachteimer mit geregelter Wechselung und Abfuhr ein-
zurichten.
4) Die langverheißene, schon bei der Eru^ung der englische»
Wassercompagnie projecurte regelmäßige Spülu»., -er Rinnsteine
muß endlich eine Wahrheit werden und kaun es, namentlich,
wenn die Stadt die Wasserwerke selbst übernimmt.
5) Für die geregelte Abfuhr der Tonnen und der Nach.a,^„
sowie für rechtzeitige Räumung der trocken«! Müllgruben
durch streng organisirte Einricytungeu gesorgt werden, sei eö, dag
diese der Staat (die Polizei), die Commune oder eine concessio-
nirie Privatgesellschaft übernimmt.
Die Letztere wird sich zweifelsohne finden, wenn die Behörden
die all 2 uud 3 besürworleten Maßregeln treffen und zugleich den
Kostenpunkt regeln helfen.
6) Eö ist nämlich durchaus falsch und etne Quelle vieler Ge
fahren, das Reinigungswcfen als eine nebensächliche, möglichst
toimttose Angelegenheit behandeln zu wollen. Die konkurrireude»
öffentlichen, namentlich GesundheitS-Jntereffen verlangen geradezu
pekuniäre Opfer, welche die Hausbesitzer und neben diefeu
alle Einwohner etnwandslos mittragen müssen.
Eö »st deshalb, nöthigenfallö polizeilich, durch ausreichende Taxen,
durch Abfuhrordnungen rc. auch die materielle Existenz der
organisirten Unternehmer sicher zu stellen und ihrer Wirksamkeit
Vorschub zu leisten.
Hteiillil hängt eng zusammen, daß
7) die bestehende regellose Abfuhr durch die Ackerbürger der
Umgegend (die s. g. Mistbauern) absolut verboten wird, weil
Dieselben sich jeder Controlle entziehen, auf der einen Seite durch
nnverhältnißmüßige Billigkeit die Grundbesitzer anlocken und de»
hiesigen organistrlen Unternehmern die Existenz erschweren, aus
der andereu Seile aber bet dringenden ländlichen Arbeiten und
namentlich zur Erndtezeit, — also in der Wtinmsten Periode
— die städtischen KemtgungSarbeiten total vernachlässige».
8) Wenn solchergestallt coucessionirte Abfnbrgesellschasteu ein
ausschließliches Recht für ihren Geschäftsbetrieb erhalten sollen,
so muß denselben eine correspondirende Pflicht auferlegt werden
und umgekehrt wird es Pflicht uud Recht der Hausbesitzer, mit
diesen Gesellschaften nöthigenfallö unter polizeilicher Controlle
zu arbeilen.
Dem Unterzeichneten ist nicht unbekannt, daß das hier vorge
tragene Programm seine schärfsten Gegner auf Seite derjenigen
hat, welche für die Canalisatton schwärmen. Allem, weuil
man auch nicht, wie Unterzeichneter, annimmt, daß die Canalisa-
lion ein gefährliches, nirgends befriedigend gelöstes, für Berlin
nach den verschiedensten Richtungen ganz besonders uachtbettigeö
Experiment bleiben wird, so steht doch fest, daß dessen Ausfüh
rung längere Zeit in Anspruch nimmt, als die Interessen der ge
genwärtigen Generation ertragen können. Deshalb bleibt die
Frage erlaubt, ob die Behörden unserer Stadt es nicht endlich
vorziehen dürften, wenigstens den jetzigen Zuständen dadurch ein
Ende zu machen, daß sie dem hier vertretenen System vorerst
Vorschub leisten und zu dem Behufe diejenigen administrativen
oder legislatorischen Maßregeln treffen, welche es allerdings er
heischen wird?!
Salu« publica, lex suprema.
Dr. A. Th. Woeniger.
") Da es sich hier um eine völlig unpolitische, zugleich das all
gemeinste Interesse beanspruchende Angelegenheit handelt, so
darf der Gegenstand wohl der gefammten verehrlichen Presse
unserer Stadt zur geneigten Beachtung empfohlen werden.
Wohlthätigkeit.
Für die Abgebrannte» des GebirgödorfeS Schmie
defeld bei Suhl sind an milden Gaben ferner bei uns ein
gegangen: Nr. 5) E. C. 5 thlr. 6) W. K. 1 Ihlr. 7) Z. B.
1 thlr.
Fernere Beiträge nehmen wir dankbar an.
Haube nc Speuer'sche Zeitungs - Expedition.
Zweite Beilage.