sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Berichte aus den: Reich und dem Auslands.
Berichte aus dem Aeich und dem Auslande.
Der Münchener Katholikencongreß. — Wer in den ersten September
wochen in Baiern gereist ist, wird eine eigenthümliche Erfahrung gemacht
haben: die Gespräche, die er vernahm oder an denen er sich betheiligte,
wandten sich fast alle den kirchlichen Fragen zu, zuletzt dem bevorstehenden
Münchener Congreß, von dem man aller Orten eine Entscheidung in der
Krisis erwartete, die inan hereinbrechen fühlt. Die Delegirtenversammlung,
die am Freitag, den 22. Sept. in dein Museumssaal zu München zusammen
trat, ungefähr 260 Vertreter der verschiedenen altkatholischen Vereine, kann
wohl als eine berechtigte Vertretung des gesummten katholischen Deutschlands
gelten; es waren fast durchweg Repräsentanten der ersten und gebildetsten
Stände, die hier zu ernster und würdevoller Berathung vereinigt waren,
das geistliche Element, von den Professoren der katholischen Facultäten von
München, Breslau, Bonn abgesehen, nur vertreten durch die wenigen
Geistlichen, die schon mit der Kirche gebrochen hatten oder vor diesem Bruche
standen.
Der allgeineine Verlaus der Versamnilungen ist bekannt: am ersten
Tage, Vormittags von 9 bis gegen 7*2, und Nachmittags von 4 bis nach
7 Uhr, am Sonnabend Vormittag bis nach 1 Uhr die Berathungen der
Delegirten; die öffentlichen Versammlungen, in den gewaltigen Räumen des
Glaspalastes sooann am Sonnabend und Sonntag Nachmittag, von 3 Uhr
bis zum Eintritt der Dunkelheit, am ersten Tage vor mehr als 2000, am
Sonntag vor über 6000 Theilnehmern; alle Verhandlungen unter der über
aus gewandten Leitung Professor v. Schulte's, des bekannten Prager Kirchen
rechtslehrers, dessen neueren wissenschaftlichen Veröffentlichungen wir so um
fassendes und bedeutungsvolles canonistisches Material zur Beurtheilung auch
der jüngsten Entwicklung des Katholicismus verdanken, und dessen scharf ein
schneidendes, eindrucksvolles Wort nicht im entferntesten an die etwas schwer
fällige Manier seiner Schriften gemahnt; unwillkürlich wird man bei seiner
Art zu reden und zu leiten an Gneist erinnert, nur dieser etwas in's Süd
deutsche übersetzt.
Es ist hier nicht meine Absicht, über den gesammten Gang der Ver
handlungen zu referiren; ich will nur auf die Momente hinzuweisen ver
suchen, aus denen man das innere Wesen der ganzen Bewegung und die
verschiedenen Strömungen zu erkennen vermag, die in München zusammen
trafen. Wenn ich mich dabei fast ausschließlich an die nicht öffentlichen
Delegirtenbesprechungen halte, so darf ich nicht fürchten, mich einer Jn-
Bei H. Kirzek in Leipzig sind erschienen:
Die
Straßburger Ghronilien
von Closener und Königshofen.
Herausgegeben
von
Dr. C. Hegel,
Mitglied der Akcid. d. Wissensch. u. der historischen Commission zu München, Prof, in Erlangen.
Zwei Bände in gr. Octav.
Mit einer Karte des Elsaß im 14. und 15. Jahrhundert und einem Plan von Straßburg im
Jahre 1577.
Preis: 6 Thlr. 20 Sgr.
Der Herausgeber sagt in der Vorrede: „Die Herausgabe der Chroniken der Stadt Straß
burg hat durch ein unerwartetes Schicksal eine weiter gehende, nicht beabsichtigte Bestiminung
erhalten: sie ist zu einer rettenden That geworden.
Während im August und September dieses Jahres ein deutsches Heer die französische
Festung Straßburg belagerte und durch unheilvolle Bomben die Bücher- und Handschriftcn-
sammlungen der Stadt und der Universität in einem und demselben Gebäude vernichtete, war
zu eben dieser Zeit die deutsche Buchdruckerpresse in Leipzig beschäftigt, die literarische Ausbeute,
die ich in den letztvergaugeuen Jahren zumeist aus den genannten beiden Bibliotheken schöpfte,
vollends ans Licht zu fördern. Durch solche wohl einzig dastehende Fügung ist es geschehen,
daß jetzt von den zahlreichen bis dahin noch ungcdruckten Chroniken Straß'burgs nichts mehr
übrig geblieben ist, als was in den vorliegenden beiden Bänden sich findet. Die lange Reihe
von Originalhandschriften der Chroniken ans dem 14. bis ins 18. Jahrhundert, über welche
in der allgemeinen Einleitung des ersten Bandes Bericht erstattet ist, liegt nun für immer
unter den Ruinen des Bibliotheksgebäudes in Asche begraben; mit ihnen viele Stadt- und
Rechtsbücher, Rathsprotokolle und andere Denkwürdigkeiten, die Wcnker'schcn, Schöpflin'schen
und andere Sammlungen zur Geschichte von Elsaß und Straßbnrg, an welchen der deutsche
Fleiß von Generationen in den letzten Jahrhunderten fortgcarbeitet hat, um sie für die künftigen
aufzubewahren. Vernichtet ist damit selbst der Gedanke neuer literarischer Arbeiten, für welche
eben diese Quellen und Sammlungen die unentbehrlichen Hülfsmittel waren; unmöglich auch
die Fortsetzung dieser Ausgabe Straßburger Chroniken.
Das jetzt lebende Straßburg klagt mit bitterem Groll die Deutschen wegen solcher barbari
schen Zerstörung an. Allein was hat man dort in den Montenten der dringenden Gefahr vor
und während der Belagerung gethan, um jene kostbaren literarischen Schätze zu retten? Ant
wort: Nichts! Die Anklage bedarf selbst weit mehr der Rechtfertigung! Doch ich will hier allein
die Thatsache des grauenvollen Untergangs, mit der man sich nun abzufinden hat, bestätigen.
Eine politische Nebenabsicht lag meiner wissenschaftlichen Arbeit, als ich sie vor länger als
vier Jahren unternahm, um die Chroniken von Straßburg gleichwie die anderer deutscher Städte
meiner Chronikensammlung einzuverleiben, ebenso fern, wie den verdienten elsässischen Gelehrten,
welche, durch nationalen Wetteifer angeregt, zwei Jahre später (1868) ebctifalls eine umfassende
Ausgabe der Straßburgischen und elsässischen Chroniken des 16. und 17. Jahrhunderts ankün
digten, die leider nur bei der Ankündigung stehen geblieben ist. Doch henke erscheint mein
Werk vielleicht wie ein Spiegel der Vergangenheit den Lebenden vorgehalten, um ihnen zu zeigen,
wie Straßburg von seinem Ursprung an und so lange es eine eigene Geschichte hatte, eine gute
deutsche Reichsstadt war, wie Elsaß als deutsches Grenzland an den Vogesen seine Aufgabe ver
stand, die Grenzwacht des deutschen Reichs gegen französische Eroberungssucht zu halten, wie
clsässische und Straßburgischc Schriftsteller (s. S. 183) den Namen und die Ehre der deutschen
Nation mit Nachdruck gegen französische Anmaßung vertratet!!"