© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
Beiläufig: Deutschenhag und erwachende Vernunft tm Norden.
539
Kopenhagen) unter dem Titel: Digde af Henrik Ibsen (IV,) 178 pp. 12°.
Ueber ihren dichterischen Werth enthalte ich mich jeden Urtheils, so sehr ich
auch den Gehalt, die Tiefe und die leichte, gewandte Form dieser Gedichte
zu würdigen vermag; wohl aber muß ich mich als deutscher Leser in aller
höchstem Grade verletzt und entrüstet fühlen, wenn er mit demselben Cynis
mus, den man nur von dänischen Literaten und von dänischen Gelehrten in
Kopenhagen gewohnt ist, sich die häßlichsten Schmäh- und Hohnreden gegen
Deutschland erlaubt, und man muß dies als Deutscher in um so höherem
Grade empfinden, als Ibsen seit Jahren deutsche Gastfreundschaft in Dres
den genießt und nur in der Voraussetzung, daß man dort seine Gedichte aus
Mangel an Sprachkenntniß nicht lese und verstehe, solches Gebühren sich ge
stattet. Abgesehen von dem „Ballonbriefe an eine schwedische Dame", datirt
Dresden, December 1870 (Seite 145—163), worin er seine Suez-Reise in
Aegypten beschreibt und es an den ordinärsten Schimpfreden nicht fehlen
läßt (z. B. wo er das deutsche Contiugent der Reisegesellschaft beschreibt,
S. 150—151), ist es namentlich eine Stelle in dem Gedichte über die Er
mordung Abr. Lincoln's (S. 134), in der er von dem Eindrucke spricht, den
diese Nachricht aus dem Continente hervorgebracht, bei Engländern, Fran
zosen, Deutschen; und wie charakterisirt er sie? „bomulcls-magnaten, gloirens
scen, de tusend fra loegnens land“ (die Tausende aus dem Land der Lüge)!
Ich habe diese Stelle — um mich nicht etwa zu irren — Norwegern und
Dänen zu lesen gegeben und theils wurden sie verlegen, theils drückten sie
unverhohlen ihre Entrüstung aus. 8apienti sät!" —
Wir nun können doch die lyrischen Ergießungen des Herrn Ibsen so
schwer nicht nehmen. Immerhin mag der Poet sein erregungsbedürftiges
Gemüth auch an der Gluth des Hasses befeuern; im practischen Leben hat
er nicht mitzusprechen, da erscheint die Aeußerung des prosaischen Politikers
ungleich bedeutender. Deshalb machen wir gerne aus das Schriflchen „Dä
nemark und Deutschland" aufmerksam, „Zeitbetrachtungen von I. H.
Bagger, Obergerichtsprocurator", welches, aus dem Dänischen übersetzt von
Dr. A. W. Peters, bei I. Kühtmann in Bremen erschienen ist. In der
nüchternsten Stimmung des Geistes sucht der dänische Politiker seine Lands
leute über ihr verkehrtes Betragen in der Vergangenheit wie über die Pflich
ten aufzuklären, welche ihnen die gesunde Vernunft und das Bedürfniß der
Selbsterhaltung für ihr künftiges Benehmen auferlegen. Es ist das alte
Lied, das so manche geschädigte und betrübte Nation in ihrer Verlassenheit
schon hat singen müssen: Wir haben Frankreich geliebt und auf Frankreich
gehofft; was aber ist uns anders daraus erwachsen als Verlust und, wenn
nicht Unehre, doch Unglück und Unruhe? Hiervoit nun dürsten alleroings
die Dänen mit der Zeit gründlich überzeugt worden sein; zu wünschen ist