© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 44
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Unterstützung zu einem früh entwickelten Ingenium, Len Vater aber, der
zünftiger Meister und damals in den fünfziger Jahren seines Lebens war,
zu einem Maler gemacht habe der solcher Leistung unfähig gewesen, gleich
wohl aber die überraschend schnelle Entwicklung des SohneS ermöglichte.
Obwohl diese Gemälde mit den Arbeiten des Vaters, keineswegs mit
denen des Sohnes stilistisch im Zusammenhang stehen, hat man sie trotz
dem dem Vater entzogen und dem Sohn aufgedrängt. Dieselben lassen
sich als höchste Leistung des tüchtigen Vaters, nicht aber als Erstlings»
arbeiten des Sohnes erklären. Der Vater Holbein findet sich deßhalb nach
altem Brauch auf dem Flügelbilde des S. Sebastian-Altars zu Füßen der
h. Elisabeth um Fürbitte betend dargestellt — eine Stellung die außer den
Stiftern nur dem Meister des Werkes vorbehalten zu sein pflegte. Endlich
ward dieser Altar 1515 in Auftrag gegeben, und Schmidt macht auf die
Wahrscheinlichkeit aufmerksam daß nach Künstlersitte schwerlich noch in
dem nämlichen Jahre, sondern erst in dem folgenden die Aufgabe vollführt
worden, wo aber der jüngere Holbein bereits in Basel nachgewiesen ist.
Zu Ende des 1.1515 kann er immerhin schon in dieser Stadt sich nieder
gelassen haben, was Schmidt für das wahrscheinlichste hält. Und siehe —
in dem nämlichen Heft besagter Zeitschrift theilt der unermüdliche Kunst
historiker Ed. His-Häusler eine bisher unbekannte Thatsache mit, laut
welcher Hans Holbein d.J. im December 1515 bereits in Basel zweifellos
bezeugt ist. Für die solide Methode W. Schmidts ein selbstredendes Zeug
niß. EL ist dieß einer der seltenen Fälle wo das Ergebniß der vergleichen
den Kunstforschung durch eine urkundliche Notiz gesichert und unbestreitbar
gemacht wird. Möge es bald gelingen Klarheit und Sicherheit über die
berühmte Madonna von Holbein d. I. zu Dresden und Darmstadt zu er
langen —ein Werk welches den Namen des jüngern Holbein unter die größten
der deutschen Maler gesetzt hat, und gewiß allein schon hinreicht diesen
Künstler unsterblich zu machen, wenn auch die beregten Augsburger Ge
mälde nicht ihm, sondern seinem Vater zugeschrieben werden müssen.
Br. I. A. Meßmer.
Deutschland.
-- München, 23 Oct. Der großartige Völkerkampf, welcher, wie
wir hoffen, in sein letztes Stadium eingetreten ist, hat alle friedlichen
Beschäftigungen in den Hintergrund gedrängt. Wie sollte da nicht auch
in den Ateliers und Werkstätten der Künstler Ruhe, ja eine fast unheim
liche Stille herrschen, wo durch den raschen Gang der Weltereignisse alle
Gemüther in höchste Spannung versetzt sind, und die nöthige Sammlung
und Ruhe des Geistes, die ungetrübte Heiterkeit der Seele fehlen, welche
das künstlerische Produciren sowohl als der Genuß eines Kunstwerkes
unumgänglich erheischen? Und doch sahen wir unsern Meister Halbig
mitten im Kriegslärm unablässig beschäftigt. Galt es doch seinem vor
zwei Jahren dahingegangenen Bruder, dem Bildhauer A. Halbig in Wien,
«in Denkmal zu setzen, welches auch den späten Geschlechtern von der inni
gen Liebe Zeugniß geben sollte die beide ihr ganzes Leben hindurch echt
brüderlich umschlang. In der That ist dem Meister dieses Standbild in
so hohem Grade gelungen wie kaum ein anderes, so lebendig, so natürlich,
so individuell steht der Verewigte da, wie wir ihn hundertmal in seinen
Ateliers zu Würzburg und zu Wien mitten in seinen Entwürfen und Ar
beiten selbst gesehen und beobachtet haben. Die neun Fuß hohe Statue,
welche aus der Nische einer gothischen Capelle hervortritt, ist von hinreißen
der Wirkung, und man sieht in der ganzen Haltung und Bewegung wie
das Herz und der Geist des Bruders harmonisch zusammengearbeitet
haben um den Vollendeten im prägnantesten Ausdruck seines ganzen
geistigen Wesens und künstlerischen Schaffens der Nachwelt vorzuführen.
Der Erbauer des großartigen Altars der Votivkirche in Wien, der Mann
welcher den größten Theil seines Lebens auf Nestaurirung von gothischen
Monumenten und auf den innern gothischen Schmuck von Kirchen ver
wendet hat, und zwar zu einer Zeit wo der Gothicismus erst anfieng
durchzudringen, verdient es auch daß sein Bild, wie er leibte und lebte,
wie er schuf und arbeitete, der spätern Zeit überliefert wird. Es ist ein
köstliches Kunstwerk dieses Standbild aus Kelheimer Marmor, und es wird
dasselbe mir seiner prachtvollen architektonischen Umrahmung aus UnterS-
berger Marmor auf dem Kirchhofe von Penzing bei Wien unserm dort so
gut gekannten Meister die verdiente Anerkennung in den Kreisen der
Künstler und Kunstkenner in hohem Maß erwerben. — Ein anderes im
posantes Grabdenkmal aus Halbigs Atelier wird für das Allerseelenfest
unsern Composanto qytf dem südlichen Friedhofe schmücken. Es ist das deS
Hauptmanns Gradinger mit dessen hochreliefirtem Medaillon in Carrara-
Marmor auf einem byzantinischen Aufbau von schwarzem Marmor, der
in den schönsten Verhältnissen und feinster Gliederung aus einer weißen
Marmorunterlage kräftig und doch höchst edel hervortritt. Wir'glauben
daß dieses Monument ebensosehr durch sein trefflich charakterisirteS und
lebensvolles Medaillon als durch seine äußerst wohlthuende inchiteftonische
Silhouette als eines der hevorragendsten gelten wird. Schlichllch mache
ich noch auf die äußerst fein durchgeführte und zum Sprechen ähnliche
Carrara-Marmorbüste des Generallieutenants v. d. Mark aufmerksam,
welche dessen Grab im alten Friedhofe schmückt und Halbigs längst be
kannte Meisterschaft wiederholt bekundet.
« Mannheim, 22 Oct. Die holländischen Krankenzelts und
Baracken sind vom Exercierplatz unserer Stadt verschwunden, auch die
übrigen Lazarethe vor den Mauern geleert, und die Kranken in die besser
heizbaren, ebenfalls luftigen Räume des Schwetzinger Schloßgartens ge
bracht. Daß von Virchow, den Schweizer Aerzten u. s. f. unsere Laza
rethe mit reichlichem Lobe bedacht worden sind, dazu hat diese Hülfe aus
den Niederlanden redlich beigetragen. Es war daher nur verdiente Aner
kennung daß der hiesige Hülfsverein und die städtische Vertretung bei
einem Abschiedsmahl ihr den wärmsten Dank ausdrückten, und daß in huld
vollster Weise die Frau Großherzogin als Beschützerin des Frauenvereins
den Aerzten und Pflegerinnen ihre Anerkennung aus sprach. — Die Ein-
zelvererne des rheinischen Kunstvereins, welche während des Kriegs dop
pelt mühevolle Arbeit hatten, hielten zu Anfang dieserWoche ihr General
comite zu Heidelberg. Das Ergebniß des ablaufenden Jahres wurde für
so ermuthigend gehalten, daß der Fortbestand des Gesammtvereins auch
für das nächste Jahr ausgesprochen, und unsere Stadt zum nächsten Vor
ort bezeichnet wurde. Die Ausgaben der sieben Vereine für Ankäufe,
Kunstblätter u. s. f. bezifferten sich auf rund 15,000 Gulden. Der weitere
Anschluß des Kunstvereins zuHanau ist im Werden, und auch die Wieder
gewinnung der nunmehr deutschen Straßburger in Aussicht genommen.—
Heute wurde der Karnpf um die Besetzung der Oberbürgermeisterstelle durch
geheime unmittelbare Abstimmung beendigt. Von der liberal-conservati-
ven, bzw. national-liberalen Bürgerschaft wurde der bisherige Oberbür
germeister Achenbach vorgeschlagen, ein in zwölfjähriger Amtsverwaltung
überhaupt, insbesondere aber durch seine Anstrengungen in den kritischen
Zeiten des letzten Sommers vielfach um die Stadt verdienter Mann. Die
demokratische Partei hatte den ehemaligen Abgeordneten, KaufmannMoll,
in Aussicht genommen. Von den Stimmberechtigten erschien etwas
über die Hälfte, und von diesen erhielt Hr. Moll über zwei Drittel Stim
men. Da von den folgenden Abstimmungen zur Wahl der Gemeinde-
räthe u. s. f. ein anderes Ergebniß nicht zu erwarten steht, so wird für
die nächsten sechs Jahre unser städtisches Regiment ein demokratisch ge
färbtes sein.
V Vom Rlhein, 25 Oct. Die Kriegsbilder welche der bekannte
Zeichner und Literat L. Pietsch seit Beginn des Krieges in die „Vossi-
sche Zeitung'* schreibt, haben sowohl in Berlin als in Süddeutschland
vielfach Anstoß, ja Entrüstung erregt durch den Hohn mit welchem der
Verfasser deutsches Wesen im Gegensatz zu dem von ihm verherrlichten
französischen überschüttet. Von den boshaften Ausfällen auf die bayeri
schen Truppen ist mehrfach in süddeutschen Blättern Notiz genommen
worden. Aber auch ganz im allgemeinen tritt er Recht und Wahrheit zu
Boden, wenn er z. B. sagt: „Daß Frankreich uns umsonst mit ein- oder
zweimaligem Schütteln in den Schooß fallen und auch der ganze militär-
rische Charakter seines Volkes sich als eitel Humbug erweisen würde, war
denn doch eine zu sanguinische Selbsttäuschung des „sittlichen" Germanen-
thumS, welches allmählich an Selbstüberhebung und Energie der Selbst-»
beräucherung keinem„Wälschen" mehr etwas nachzugeben beginnt." Diese
Abneigung gegen germanische Sittlichkeit kann man nur begreifen wenn man.
weiß daß derselbe Verfasser sich seit Jahren eine Aufgabe daraus gemacht
hat in Paris, Trouville und besonders in Baden-Baden das Treiben
der französischen Halbwelt zu studieren und mit sichtlichem Behagen in
den Spalten der „Vossischen Zeitung" zu schildern. Mit ähnlichem Pa
triotismus und gleicher Wahrheitsliebe behauptete er in seinen jüngsten.
Kriegsbildern: alle Nachrichten über das feindselige Auftreten der Fron»
zysen gegen die deutschen Armeen seinen unwahr; vielmehr finde man-
in Wirklichkeit die Franzosen voll zuvorkommender Freundlichkeit und»
Höflichkeit. Wenn im Anfang des Kriegs aller Orten mit Recht gegen,
diejenigen deutschen Damen geeifert wurde welche sich den französischen
Gefangenen freundlicher erwiesen als unsern eigenen Kriegern, so darf
doch wohl dieses viel ärgere Gebühren eines leichtfertigen Literaten nicht
ungerügt hingehen, dessen malitiöse Auslassungen leider durch rin viel«
gelesenes Blatt Verbreitung gefunden haben. Zum Glück ist, trotz der
Masse von Geschäften welche der deutschen Kriegsleitung obliegen, daö
Treiben des Hrn. Pietsch der Aufmerksamkeit des Obercommando's dek
dritten Armee, bei welchem derselbe sich eingenistet hatte, nicht entgan
gen. Eine Verwarnung ist au ihn erlassen worden, in Folge deren er
versprochen hat die anstößigen Stellen seiner Aufsätze öffentlich zu wider
rufen. Ob dieß bereits geschehen ist, wissen wir nicht; wohl aber ersehen,
f wir aus seinen jüngsten Berichten daß er es plötzlich vor Paris zu larrg-
1 wellig gesunden und deßhalb eineRückwärtsconcenttirung nach Toul und
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Straßbmg angetreten hat. Wir dürfen wohl annehmen daß dieselbe
mit jener Verwarnung im Zusammenhang steht.
r, Bremen, 23 Oct. Die hieher ergangene Aufforderung des
Bibliothekars Dr. Barack aus Donaueschingen, sich der Wiederherstellung
der Straßburger Bibliothek thatkräftig mitanzunehmen, fällt hier auf
ffchon vorbereiteten Boden. Nicht allein hatte der „Naturwissenschaftliche
Verein" in seiner letzten Sitzung beschlossen zu diesem Zwecke seine
Doubletten und eigenen Publicationen zur Verfügung zu stellen, sondern
auch der Verein der hiesigen Bibliotheken hatte sich bereits mit der Angelegen
heit beschäftigt, und beschlossen nach außen hin Anknüpfungen zu suchen,
damit ein gemeinsamer öffentlicher Schritt geschehen könne. Auf Dr.
Baracks Schreiben ist der Stadtbibliothekar Br. Kohl vom Bibliothek-Verein
beauftragt worden den fraglichen Aufruf in deffen Namen mitzumüer-
zeichnen. Indessen wünscht der Verein daß der Aufruf jedenfalls nicht
bloß an die Bibliotheken, sondern auch an sämmtliche wissenschaftliche
Vereine und Verlagsbuchhändler Deutschlands erlaffen werde. Außerdem
möchte er, sobald als es irgend angeht, authentische Auskunft darüber
haben wie es mit der Straßburger Bibliothek eigentlich steht, ob wirklich
auch die werthvolleren Sachen alle zu Grunde gegangen und in welchen
Händen die Verwaltung künftig sein werde. Ein anderer Vorschlag zu Gun
sten Straßburgs wird heut' im „Bremer Hdbl." entwickelt, anscheinend von
Pros. Emminghaus in Karlsruhe: eine große deutsche Häuserbau-Actien-
gesellschaft sich an dem Wiederaufbau des zerstörten Quartiers betheiligen
zu lassen. Endlich hat auch der Antrag des Senats an die Bürgerschaft,
4000 Thlr. für Straßburg zu bewilligen, zu einem lebhaften öffentlichen
Streit Veranlassung gegeben, ob es nicht besser wäre die Gaben brüder
licher Gesinnung und menschlichen Mitgefühls mindestens in demselben
Maße den Elsäßer Dorfgemeinden, insbesondere dem unglücklichen Frösch-
weiler, zufließen zu lassen. Es ist wahrscheinlich daß sich in Folge deffen
«in eigener Hülfsverein für das übrige Elsaß bilden wird; der für Straß-
burg hat bis jetzt etwa 3000 Thlr. gesammelt. Der Herausgeber des
„Norddeutschen Protestantenblattes," Pastor Dr. Mauchot, ist durch die
Zeitereignisse bewogen worden die vortreffliche Gedächtnißrede des Pro
fessors Baum in Straßburg auf den dortigen großen Bürgermeister
Simm aus der Reformationszeit neu herauszugeben.
M s n e ft e P o fk - rr.
München, 27 Oct. Der k. sächsische Gesandte am hiesigen k. Hof,
Graf v. Könneritz, hat einen Urlaub angetreten, und der Gesandte des
Norddeutschen Bundes, Frhr. v. Werthern, interimistisch die Leitung der
k. sächsischen Gesandtschaft übernommen. — Der Herzog Max Emanuel,
Bruder der Kaiserin von Oesterreich, hat vom König von Preußen das
Eiserne Kreuz zweiter Classe erhallen. — Der Belagerungsstand der Fe
stungen Germersheim und Landau ist aufgehoben, und beide Festungen
find in den Kriegszustand versetzt.
* Angöburg, 27 Oet. Aus zuverlässiger Quelle geht uns der
französische Wortlaut der im heutigen Hauptblatt nach der „Jnd. Belge"
mitgetheilten Proklamation des Generals v. d. Tann zu. Die von uns
geäußerten Zweifel an der Echtheit dieses Actenftücks sind damit beseitigt.
(—) Berlin, 25 Oct. Die italienische Regierung soll sich jetzt
gleichfalls der von Oesterreich unterstützten Vorstellung des brittischen
Cabinets zu Gunsten eines Waffenstillstands zwischen den Kriegführenden
angeschlossen haben, und, wie es heißt, hätte auch der Kaiser von Ruß
land in einen! an unsern König gerichteten eigenhändigen Schreiben, mit
welchem der dieffeilige Militärbevollmächtigte am St. Petersburger Hof,
Oberst v. Werder, heut auf der Reise in- Hauptquartier unsere Stadt
passirte, seinen Wunsch nach Bewilligung eines Waffenstillstands in war
men Worten Ausdruck geliehen. Den Anknüpfungspunkt für diese fried
lichen Bestrebungen wollen die neutralen Mächte in dem Rundschreiben
des Bundeskanzlers gesunden haben, welche- in so ergreifenden Zügen die
furchtbaren Wirkungen einer Belagerung von Paris für die Bevölkerung
dieser Riesenstadt schildert, und welches allerdings in ziemlich faßbarer
Weise einen Theil der-Verantwortlichkeit dafür auf diejenigen Mächte fallen
läßt die durch eine laxe Handhabung der Neutralitätsgesetze unsern bis
zur Ohnmacht entkräfteten Feind in seinem wahnsinnigen Widerstand ge
gen die siegreiche deutsche Armee bestärken. Um so weniger hatte man
hier erwartet daß das brittische C-abinet unsere gerechten Beschwerden über
seine Parteilichkeit mit einem Schritt beantworten werde der sich zwar an
scheinend in den Gränzen strenger Neutralität bewegt, in Wirklichkeit aber
nur Wohlwollen für Frankreich und unfreundliche Gesinnungen gegen
Deutschland bekundet. Denn der Rath welchen uns England ertheilt,
fordert nichts geringeres als einen Verzicht auf die unter unsäglichen
Anstrengungen und Opfern errungenen Vortheile deutscherseits, wäh
rend er Frankreich den Vortheil bietet die Zeit des Waffenstill
standes zur Ausrüstung neuer Armeen und zur Verproviantirung der
halb ausgehungerten feste» Plätze zu benutzen. Es ist daher auch sehr be
greiflich wenn die Regierungs-Delegation in Tours sofort mit beiden
Händen zugegriffen und den Waffenstillstandsvorschlag im Princip ange
nommen hat. Ob von dem Bundeskanzler bereits eine Antwort auf die
kritische Note ertheilt ist, weiß ich nicht. Wahrscheinlich ist das nicht, da
die osficielle Ueberreichung der Note hier erst am Sonnabend stattgefunden
haben soll, und die Erwiederung darauf wieder von Berlin aus erfolgen
wird, und es. dazu doch zunächst der Einholung von Instructionen aus
dem Hauptquartier bedarf, die fteilich um einen vde7 zwei Tage früher
eintreffen können, wenn Graf Bismarck von dem Inhalt der kritischen
Note direct in Kenntniß gesetzt ist, und wenn er überhaupt Lust hat seine
Antwort zu beschleunigen. Jedenfalls aber läßt sich mit Sicherheit be
haupten daß die „Jnd6p. Belgs" über dis Intentionen unseres leitenden
Staatsmannes schlecht berichtet ist, wenn sie meldet daß seine angeblich
bereits in London eingetroffene Antwort günstig laute. Dieser Lesart ge
genüber habe ich einfach auf die auch von der „N. A. Z." bereits consta-
tirte Thatsache aufmerksam zu machen daß der erste Eindruck der Nachricht
von der englisch-österreichischen Vorstellung in den Kreisen der Hauptstadt,
also auch in den amtlichen Kreisen, der eines gewiffen Mißbehagens war,
hervorgerufen durch den Gedanken daß die Einmischung des Auslands zum
mindesten sehr überflüssig sei in einem Augenblick in welchem die schwer
sten Hindernisse überwunden, und in welchem dieFrüchte derblutigen und
mühevollen Anstrengungen unserer Armee in den letzten sieben Wochen,
Metz und Paris, uns bald zufallen muffen." Das ministerielle Blatt
glaubt indeß das Publicum vollständig beruhigen zu können. „König
Wilhelm, seine Minister und seine Heerführer wissen," sagt es, „den Werth
des vergossenen Blutes und der Anstrengungen der Armee und des Landes
sicherlich zu würdigen, und wo das Schwert und die Feder so einträchtig
zusammenwirken wie in diesem Kriege, wird sie hier dem anderen sicher
nicht hinderlich sein." An handgreiflichen Motiven zu einer ausreichenden
aber geradezu ablehnenden Antwcrtsehlt es auch dem Bundeskanzler durch
aus nicht,von einem sehr nahe liegenden habe ich schon gestern gesprochen, näm
lich von der Hinweisung auf die bereits mit dem Marschall Bazaine ein
geleiteten Friedensverhandlungen, in Bezug auf welche die „Krz.-Z." jetzt
bestätigt daß dieselben nicht nur in vollster Unabhängigkeit von der Regie
rung der Naüonalvertheidigung, sondern auch im Gegensatz und im Wider
spruch zu derselben geführt werden. Sollten sich diese Verhandlungen zer
schlagen und die verbündeten Mächte in die Nothwendigkeit versetzt sein
einer neuen Combination sich zuzuwenden, so würden sie doch vor Bewilli
gung eines Waffenstillstands immer auf Bürgschaften für die Erfüllung
der gleichzeitig zu unterzeichnenden Friedenspräliminarien zu bestehen, oder
doch wenigstens zu verlangen haben daß ihnen für die Freigebung des
Verkehrs von Paris mit dem übrigen Frankreich die Forts ausgeantwortet
werden von welchen aus diese Stadt beherrscht werden kann. Für ein
anderes Arrangement wird Hr. Thiers, falls er sich wirklich noch ins
Hauptquartier begeben sollte, den Bundeskanzler nicht bereit finden.
Weigern sich die gegenwärtigen Machthaber in Frankreich dieseZugeständ-
nisse zu bieten, so wird in den ersten Tagen des nächsten Monats die Be
schießung der Pariser Forts unwiderruflich beginnen. An die Beläge-
rungSarmee daselbst werden in den nächsten Tagen 60,000 Schafpelze ab
gehen. — Sechzig bayerischen Landwehrmännern und zwei Officieren, welche
in voriger Woche in Posen einen 1000 Köpfe starken Kriegsgefangenen»
Transport ablieferten, hatten die Bewohner PofenS aus dem Civil-,
Beamten- und Militärstand ein glänzendes und patriotisches Fest bereitet,
bei welchen! unter dem Klange von Wein- und Bier-Glasern begeisterte
Hoch aus die Könige von Preußen und Bayern und die Verbrüderung
Deutschlands ausgebracht wurden.
Zh Oct. In der morgigen Sitzung des Unterhauses wird
Kerkapvlyr's Budgetvorlage für daä Jahr 1871 nebst ausführlicher einbe>
gleitender Rede erwartet. — In der heutigen Sitzung des Unterhauses
wurde Jranyr's Antrag, die Freilassung Mfletics betreffend, bei nament
licher Avstimmung mit 126 gegen 89 Stimmen abgelehnt. — Der Fürst
primas hat an den Klerus und die Gläubigen seinerDiöcese einenHnten»
brief erlassen, welcher Protest gegen die Spoliatwn des Papstes erhebt.—
Der Katholiken-Cougreß zur Organisirung der Kirche wAuiononüe ist heute
hier zusammengetreten. —Die ungarische und rumänische „Intelligenz" (?)
von Hermannstadt in Siebenbürgen hat sich die Sympaty!en der Sieben
bürger Sachsen für Deutschland zu Herzen genommen, und cm den Reichs-
tagtdeputirten Simonyi ein Begrüßungstelegramm gerichtet für dessen im.
Reichstag eingebrachten Frankreich sympathischen Resolutivasantrag.
London, 24 Oct. Aus Tien-tsin, vom7d., meldet ein Privat-
Telegramm an hiesige Kausmannssirmen: Chinesische Truppen wurden
hieher geschickt. Die Taku-Forts sind armirt und mit Lebensvorräthen
ausgerüstet. Der chinesische Pöbel hat in Faltsun die Capelle in Bstand
gesteckt und zerstört, jedoch verheißen die Provincialbehörden deren Wie^
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