Full text: Zeitungsausschnitte über Holbein

Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N 
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Vtm einheimischen Element säum sichtbar. Desto mehr hat sich die Phy- 
^tüMomie Alexandria's durch den seit Jahren massenhaft zunehmenden 
Einflug von Europäern verändert, aber gewiß nicht zum Vortheil; denn 
bei weitem der größte Theil dieser Leute besteht aus dem entsetzlichsten 
Lumpengesindel, Menschen aus aller Herren Ländern entlaufen oder aus 
gewiesen, zum Theil auch aus aller Landesherren Galeeren entsprungen. 
Daß eine solche Einwohnerschaft nicht zum Glanz Alexandria's beiträgt, 
daß durch deren rechtswidrige Eigenschaften bei der Nullität der Consu- 
latsjustiz die unerfreulichsten Zustände geschaffen werden, kann man sich 
denken. Auch im Aeußern dieser städtischen Physiognomie ist alles nur 
Firniß. Daß die Ätadt eine Gasbeleuchtung und eine europäisch uni- 
formirte, zum Theil aus Europäern gebildete Polizei besitzt, daß die Wege 
zuweilen gesprengt werden und daß der Vicekönig seine ohrenzerreißende 
Militärmusik den Europäern zuliebe spielen läßt, diese „Errungenschaf 
ten" vermögen nicht die viel ernstlichem Mängel vergeffen zu machen, den 
niederträchtigen Schmutz und Gestank die in allen Straßen nach wie vor 
herrschen, die vielen Ruinen die man im arabische» Viertel findet, die Un 
ordnung und Verwahrlosung die überall in die Augen fällt. Gehen wir 
gar in die Vorstädte, wo die wahren Aegyptier, die armen Fellahr, in 
halbzersallenen Kothhütten Hausen, so ist des Jammers und des Elends 
kein Ende. Die erbärmliche Fratze einer solchen Pseudoeivilisation, die 
ihren Glanz auf die schändlichste Unterdrückung der Unterthanen gründet, 
um einige schurkenhafte und entartete vornehme Araber mit dem Blut 
gelde deS Volkes zu. vergolden, kann den gesitteten.Menschen nur an» 
widern, und bald wird er sich aus dem modernen Babel heraussehnen. 
In Kairo freilich finden wir jetzt meist etwas wesentlich besseres als 
in Alexandria. Auch hier hat der europäische Schwindel sein Panier 
errichtet. Auch hier wird der Charlatanismus des Vicekönigs vom Be 
trug der Europäer auf koloffale Weise ausgebeutet. Nie war vielleicht ein 
orientalischer Fürst in höherem Grade Charlatan und Civilisationsschau- 
spieler als der jetzige Vicekönig, der große Khedive. Das Bestreben Eu- j 
ropa Sand in die Augen zu streuen und es an den Fortschritt im Orient 
glauben zu machen, war zwar in diesem Jahrhundert fast allen oriental^ 
schen Fürsten eigen, und ist auch in der That bei diesen Despoten sehr er 
klärlich. Sie wollen durch oberflächlichen Culturfirniß, durch eine glänzende 
Außenseite den innern Mangel ihrer Culturbestrebungen verdecken. 
Dieser innere Mangel liegt in der Nullität des Elementarunterrichts, der 
Justiz, der Erkenntniß der einfachsten humanitären Grundregeln. In 
. Wege dieser Grundlagen jeder wahren Cultur liegt jedoch Wr den' 
orientalischen Despotismus die Gefahr. Gebildete Unterthanen laffen 
sich schwerer tyrannisiren. Wahrhaft bilden wollen deßhalb diese Fürsten 
ihre Unterthanen nicht, wohl aber gebildet erscheinen laffen, einestheils 
aus Ruhmsucht, um in Europa gepriesen zu werden, anderntheils um den 
hie und da wohl vorkommenden Klagen der Consuln über orientalische 
Barbarei u. s. w. das Trugbild der Reformen entgegen zu halten, das 
freilich keinen einsichtigen Mann täuscht, dar aber einige Regierungen, 
wie die französische, sich Miene geben für baare Münze anzusehen, auS 
dem egoistischen Grunde weil viele ihrer Unterthanen daraus Vortheil 
ziehen. Diese Fürsten werfen sich deßhalb auf den Reformschwindel, und 
darin hat noch keiner mehr geleistet als der jetzige Khedive. Europa wurde, 
im Laufe weniger Jahre, nacheinander durch die ägyptische Constitution, 
das Parlament, die bezahlte Opposition, die auf Mufti's Befehl fortschritt 
lich reden mußte, durch die Errichtung eines sogenannten Stadtraths, 
durch die Gründung der Akademie und Schule für Aegyptologie, in welcher 
Professor Brugsch aus Göttingen die Fellahr im Lesen der Hieroglyphen 
unterrichten soll, aber in Wirklichkeit ihnen erst Elementarunterricht bei 
bringen muß, und andere ähnliche hochcivilisirte Institutionen, welche der 
Khedive ins Leben rief, in Erstaunen gesetzt. In neuester Zeit scheint nun 
gar der Vicekönig das Theater als hauptsächlicher Bildungsinstitut er 
kannt zu haben. In einem gewiffen Sinn hätte er vielleicht Recht, wenn 
er werthvolle Schauspiele ins Arabische übersetzen ließe. Aber nein! Die 
Offenbach'sche Operette, ein französisches Ballet, die italienische Oper und 
sogar der CircuS der Kunstreiter fmb die Mittel, von denen Ismail Pascha 
die Hebung der Volksbildung erwar tet. Im vorigen Jahr war die An 
wesenheit der vielen Fremden vor und nach der Canaleröffnung vielleicht 
ein Grund für solche Schaustellungen in Kairo. Aber auch für diesen 
Winter sind schon vier verschiedene Kor.iödianten-Truppen auS Frankreich 
undJtalien verschrieben worden, und zum Theil bereits angelangt, derCircus 
wurde unter Anwesenheit des Khedive eröffnet, beiläufig gesagt, daS ein 
zige Schauspiel an welchem die Araber, jedoch unter ihnen auch nur die 
schlechten MoSlims, ein gewisses Vergnügen empfinden (denn dem frommen 
Gläubigen ist jedes Schauspiel ein Gräuel). Nächstens wird die italie 
nischester anfangen, die Pariser Ballelt-Tän zerinnen werden ihre Beine 
erheben und der hirnlose Unsinn Offenbach'scher Operntexte wird den Vett 
such beginnen die Araber, durch das was Europ.g verschrobenstes hervor- ■* 
gebracht hat, zu „eivilisiren." Man sagt: dieser Scherz solle dem Khedive 
auf eine Million Franken zu stehen kommen, gewiß nicht zu viel um das 
kostbare Gut, „die Civilisation," von der man hier ewig und gewiß viel 
mehr reden hört als im civilisirtesten Lande Europa's, den Eingebornen zu 
erringen. 
Die Helfershelfer des Khedive in der „Civilisirung" seiner Unterthanen 
find natürlich die Europäer. Unter diesen sind es hauptsächlich die Fran 
zosen die sich zu geeigneten Werkzeugen des Charlatanismus hergeben, 
denn etwas marktschreierisches liegt und lag von jeher in der gallischen 
Natur. Mit ihnen rivalisiren in neuester Zeit auch die Erfinder deS 
„Humbug," die Nordamerikaner. Diese haben dem Khedive einige soge 
nannte „Generale," ein halbes Duzend „Oberste" und wer weiß wie viele 
andere angebliche Officiere geliefert, welche ihre vermeintlich in den ame 
rikanischen Bürgerkriegen gesammelten militärischen Erfahrungen nun bei 
Reform oder Neubildung der ägyptischen Truppen verwerthen sollen. Alle 
diese großen Helden sollen HandlungScommis sein die nie einen Schuß 
Pulver rochen, aber bei der Menge für das gelten wofür sie sich ausgeben. 
DerDeutsche kommt neben diesen Schwindlern gar nicht auf. SeineNatur 
ist zu ehrlich. Diejenigen Deutschen die im Dienste des Vicekönigs sind, 
meist ernste Fachmänner, Aerzte oder Gelehrte, verrichten saure Arbeit im 
Schweiß ihres Angesichts, und werden (bei dem theuren Leben in Kairo, 
wo alles seit 20 Jahren aufs dreifache gestiegen ist) verhältnißmäßig sehr 
schlecht bezahlt. Nur die Charlatane und Betrüger finden hier ihre Rech 
nung» erstere heulen mit der Regierung, deren Diener sie sind, stets meiner 
Tonart, letztere schmeicheln ihr nur so lange als es die Natur ihres 
schwindelhaften Unternehmens, mit; sich bringt. Diese europäischen Be* 
trüger verstehen es die Regierung auf eine Weise auszubeuten die in der 
Chronik selbst des verderbten Orients kaum ihresgleichen findet. Ihre Art 
zu verfahren ist gewöhnlich folgende: sie laffen sich vom Staat irgend 
ein Recht, eine Concession verleihen, behaupten dann bei der Ausbeutung 
namhaften.Schaden erlitten zu haben, und klagen auf Entschädigung. 
Der französische Schriftsteller Edmond About hat unter dem leichten Ge 
wand eines RomanS in seinem „Ahmed jle Fellah“ einige solcher 
Schwindelgeschäfte segier Landsleute wahrheitgetreu geschildert. Aber 
alle seine Betrüger sind nur dii minorum gentium. An die großen 
scheint er sich nicht gewagt zu haben, um so mehr als sie oft officiello 
Stellungen einnehmen. So ist es allbekannt daß der vorige französische 
Generalconsul in Alexandria jede noch so schlecht begründete Reklamation 
unterstützte, wenn er nur seine Procente von der Entschädigungssumme 
bekam. Sogar von Paris aus, und zwar von Personen die zum kaiser 
lichen Hof in Beziehung standen, wurde in ähnlicher Weise intriguirt. 
Ein nicht geringer Scandal war züm Beispiel eine der letzten Entschädi 
gungsforderungen, diejenige des Bruders des Herzogs v. Baffano, auf 
15 Millionen Franken, wegen Mißlingens der Ausbeutung einer Schwefel 
mine am Rothen Meere. Dieser Abenteurer hatte sich vom Vicekönig eine 
Schweselmine verleihen laffen, von der er ganz gut wußte daß sie nur sehr 
wenig Schwefel enthielt, und sich folglich deren Ausbeutung nie loh 
nen werde. Aber nicht um Ausbeulung, sondern nur um Entschädi 
gungsklage, nachdem ein Schein von Ausbeutungsangriff in Scene 
gesetzt worden, war es ihm zu thun. Bei diesem Schwindelgeschäft 
hatte. er noch insofern Glück, als ein arabischer Unterbeamter deS 
DistrictS in dem die vom Franzosen zum Schein in Angriff genom 
mene Mine lag, ihm einige der spärlichen Arbeiter (ein Duzend Menschen 
im ganzen) welche die Komödie deS Bergbaues aufzuführen im Begriff 
standen wegnahm. Diese paar Arbeiter, die freilich im französischen Be 
richt bis auf 15 (mehr wagten selbst die Franzosen nicht anzugeben) an 
wuchsen, gaben nun Anlaß zu jener koloffalen Entschädigungsklage, wo 
nach jeder angeblich der Arbeit Entzogene auf eine Million geschätzt wurde. 
Fünfzehn Millionen, das schien denn doch dem Khedive zu stark. Er rief 
seinen veus ex machina, Napoleon III, der ihm schon in der Suezcanal 
sache eine so koloffale Geldbuße auferlegt hatte, als Schiedsrichter an, 
und dieser mit fremdem Eigenthum stets so großmüthige Fürst sprach dem 
Hrn. v. Baffano nur einige wenige Millionen (statt der 15) zu. Zum 
Glück erfolgte inzwischen der Sturz Napoleons, undHr. v. Baffano dürfte 
nun wohl auf sein Geld lange warten können. 15 Millionen, das war 
auch die Summe welche die Suezcanal-Gesellschaft bei einem Geschäft an 
derer Natur, aber nicht weniger schwindelhaft, vom Khedive zu erlangen 
wußte. Diese saubere Gesellschaft hatte sich ihrer Zeit von dem erbärm 
lichen Franzoftnschmeichler Said Pascha daS Recht der zollfreien Einfuhr 
verleihen laffen, und verstand es nun dieses ganz überflüssige Recht (denn 
in Aegypten kann man mit Bestechung der Zollbeamten alles was man 
will einschmuggeln) dem Khedive für die genannte enorme Summe zu 
verkaufen. Der Vicekönig mochte ihnen erst durch die Finger sehen und 
das völlig werthlose seines Ankaufs erkennen, aber es gehörte einmal zu 
seinem System Europa glauben zu machen als beständen auch in Aegyp 
ten regelmäßige Zollzustände und unbestechliche Beamte. Sein Charta» 
lanismus zwang ihn dieses Opfer zu bringen. Der Vicekönig ist über 
haupt nicht dumm, und durchschaut sehr Wohl die Betrügereien der Europäer. 
Da er aber Charlatan ist, so fürchtet er nichts mehr als ein mißliebiges 
Wort in einer europäischen Zeitung, wozu die Enttäuschten sich vielleicht 
hinreißen laffen könnten. 
Ueberhaupt schmeichelt er der Presse und ihren Vertretern, freilich 
fast nur der französischen; denn für Frankreich haben einmal diese orien 
talischen Schattenfürsten eine Art abergläubischen Cultus, der jedoch kei 
neswegs ein aufrichtiger ist, sondern etwa ein solcher wie ihn die alten 
Aegyptier dem Krokodil, als dem schädlichsten Thier, widmeten. Diefranzösi- 
sche Presse ist großsprecherisch, unverschämt und lügenhaft, darum muß sie 
nach orientalischen Grundsätzen (denn im Orient imponirt nur Drohung und 
Unverschämtheit) gehätschelt, gefüttert und vergoldet werden. Der Khedive 
hat übrigens seinen Zweck zuweilen erreicht. Wie lächerlich wurde ihck 
-nicht zur Zeit der Canal-Eröffnung in französischen Zeitungen geschmeich elt. 
Selbst in deutschen Blättern hat man, wenn auch aus achtbareren Grün 
den, nicht immer über ihn die volle Wahrheit gesagt. Es dürfte aber end 
lich einmal an der Zeit sein die Wahrheit über den gegenwärtigen Zustand 
Aegyptens, seinen Fürsten und seine angebliche CÜnlisation bekannt zu 
machen. 
Diese Wahrheit ist in kurzen Worten folgende. } Der geistige, intel- 
lectuelle wie moralische Fortschritt des Landes ist null. Was Europa 
nachgeahmt worden ist, besteht in Aeußerlichkeiten oder in noch schlim 
merem. Europäische Wiffenschaft hat bis jetzt noch nicht eindringen können. 
Wohl aber hielt die französische Halbwelt ihren Einzug, geführt vom Hofe, 
welcher den Bal Mabille als die einzigeUniversität der Civilisation anzusehen 
scheint. In der Religion besteht nach wie vor der finsterste Fanatismus. 
Auf die Volksmoral kann das schändliche Beispiel des Hofs und seiner 
aus Abenteurern gebildeten europäischen Umgebung nur verderblich wirken. 
In der Justiz herrscht die alte sprichwörtliche Bestechlichkeit, wonach Kadi 
und Rechtsverkäufer gleichbedeutend sind. Der Unterricht beschränkt sich 
in Wirklichkeit auf die alten papagaimäßigen Koran-Schulen. Was außer 
dem für Volksunterricht geschieht, ist eine Caricatur Europa's; die vom 
Khedive gegründeten höheren Schulen können nichts wirken, da ihnen die 
Vermittelung guter vorbereitender Lehranstalten abgeht. Im Handel und 
Wandel herrscht die größte Unzuverläßlichkeit oder, besser gesagt, der 
schändlichste Betrug, wenigstens was die Matadoren des Kaufmanns- 
pandes und überhaupt alle hiesigen Europäer, levantinischen Christen und 
Juden betrifft, denn der echte Moslim, der sich unverfälscht von Europäi- 
sirung erhält, ist auch hier ehrlich. Was nun endlich die Staatswirth 
schaft betrifft, so ist sie vielleicht eines der größten Räthsel das die National 
ökonomie des Orients in der Gegenwart bietet, Aegypten ist bekanntlich 
ein fast unerschöpflich reiches und vielleicht das einzige Land der Gegen 
watt dessen sämmtlicher Bodenertrag Staatseinkommen bildet. Die Ein 
nahmen können nur annähernd, und zwar nur aus ziemlich großer Ferne 
annähernd, geschätzt werden, da die Regierung die Wahrheit darüber nie 
Verlauten läßt. Selbst die am besten unterrichteten Leute vermochten mir 
darüber keine näheren Angaben zu liefern als die daß die Einnahmen auf 
200 Millionen Franken angegeben würden, in Wirklichkeit aber sich auf 
etwa 300 Mill. belaufen dürften. Wenn man nun bedenkt daß sämmt 
liche einheimische Beamte und Militärs fast nie bezahlt werden, daß folg 
lich die meisten Factoren anderer Ausgabe-Budgets hier de facto weg 
fallen, so wundert man sich wie es möglich ist daß der Khedive dennoch 
immer in Schulden steckt, und daß er in den sieben Jahren seiner Regie 
rung eine Schuldenlast von einer Milliarde Franken (wahrscheinlich noch 
Viel mehr) auf sich geladen hat. Der Khedive wird zwar gewöhnlich als 
ein schlauer Kaufmann und geschickter Ausbeuter seiner Ländereien bezeich 
net, und in der That soll er manche finanzielle Talente besitzen. Sicher 
ist es daß der Bodenertrag unter ihm bedeutend zugenommen hat. Aber 
die Hauptbedingungen ersprießlicher Finanzen, Ordnung und Sparsam 
keit, sind ihm vollkommen fremd. Nur durch die schändlichste Verschwen 
dung und Verschleuderung der öffentlichen Einnahmen ist die ewig be 
drängte Finanzlage dieses Krösus allenfalls zu erklären. Dennoch bleibt 
hier ein Räthsel, deffen Lösung mir nicht gelingen will. 
Staats- und Volkswirthschaft, die in andern Ländern Hand in Hand 
zu gehen Pflegen, sind hier in auffallendem Gegensatz. Je mehr das 
Staatseinkommen wuchs, desto mehr hat das Volkswohl abgenommen. Die 
armen Unterthanen, die nun, wie es officiell heißt, keine Frohnden mehr 
leisten sollen, dafür aber nur desto drückendere Lasten tragen, leiden das 
Unsägliche unter der Zuchtruthe dieser schändlichen Regierung, die gegen 
Europäer stets die Worte „Civilisation und Humanität" im Munde führt, 
die Eingebornen aber mit einer Härte behandelt von der mir so haarsträu 
bende Beispiele angeführt wurden, daß ich nicht wage sie hier anzuführen, 
auS Furcht für einen eingefleischten Pessimisten zu gelten. Wenn der 
Orient überhaupt eine Zukunft hat die ihn auS dem Verfall retten soll, so 
ist gewiß der Weg welchen die ägyptische Regierung eingeschlagen hat der 
allerschlechteste, um ihn derselben entgegenzuführen. In diesen trostlosen 
Zuständen haben einige Freunde des Orients ihre Hoffnungen auf ei» 
werdendes Gestirn am officiellen Himmel gerichtet, deffen Aufgang freilich 
von vielen nicht für wahrscheinlich gehalten wird. Man will nämlich in 
dem ältesten Sohne des Vicekönigs eine gründlichere Erkenntniß der Be 
dingungen wahrer Cultur entdeckt haben. Man führt sogar einige bei 
ßende Bemerkungen von ihm über das Marktschreierische und Komödianten 
hafte der „Civilisation," die sein Vater einführt, an. Inwiefern diese Hoff 
nung berechtigt ist, wird freilich erst eine ziemlich ferngerückte Zukunft 
lehren. So viel aber können wir ihm jetzt schon prophezeien: daß kein 
Fürst Aegypten civilisiren wird der nicht als erste Aufgabe die Befferung 
des Looses der Fellahs, und die Erleichterung des harten Looses das auf 
ihnen lastet, sich setzt. Wann wird Aegypten je einen solchen Fürsten 
erhalten? 
Ueber HanS Holbeins Jugend-Arbetten. 
* München, 25 Oct. Bei dem großen Interesse welches die 
„Mg. Ztg." anläßlich der in München 1869 veranstalteten Ausstellung 
von Gemälden älterer Meister besonders in Bezug auf den berühmten 
Hans Holbein den Jüngern bekundet hat, dürfte es vielleicht gestattet sein 
in demselben Blatt auf eine unlängst in v. Zahns „Jahrbüchern für Kunst 
wissenschaft" publicirte Forschung aufmerksam zu machen, welche zu dem 
verdienstvollen Buche Woltmanns einen wesentlichen Nachtrag liefert und 
überhaupt für die Geschichte der deutschen Malerei von großer Bedeutung 
ist. Dießmal handelt es sich weder um die Dresdener noch um die Darm 
städter Madonna, sondern um die noch immer zweifelhaften Jugend- 
Arbeiten dieses Meisters, der Sohn des ältern Hans Holbein, Malers i» 
Augsburg, 1498 geboren und 1516 in Basel bereits thätig ist — zunächst 
also um die Frage: ob Holbein der Jüngere noch in Augsburg selbst als 
Maler nachzuweisen ist, und welche Werke dieser Jugendperiode des Mei 
sters zugeschrieben werden können. 
Zwei Altargemälde sind zu Augsburg von einem Hans Holbein, das 
eine im Jahre 1512, das andere 1515 bis 1517, hergestellt worden und 
als solche sicher bezeugt. Bis zum Jahre 1839 verstand man unter diesem 
Hans Holbein durchaus den Vater des in Rede stehenden berühmten Hol 
bein. In dem genannten Jahre 1839 entschied sich der anerkannte Forscher 
Waagen, zunächst aus stylistischen Gründen, für den jüngern Holbein als 
Maler dieser Tafeln, und seitdem eröffnen die erwähnten Gemälde die 
Reihe der Arbeiten deS großen Holbein. Das frühere Bild zeigt die Scene 
wie das Christkind an den Händen von Mutter und Großmutter gehen 
lernt, das spätere den Mattyrtod des h. Sebastian mit S. Barbara und 
Elisabeth, jenes in der Gallerie zu Augsburg, dieses in der hiesigen Pina 
kothek. Damit war Holbein der Jüngere zu einem frühreifen Genie er 
klärt, indem noch immer 1498 als Geburtsjahr dieses Holbein festgehalten 
wurde. Woltmann fühlte nun die Unzulänglichkeit der Erklärung aus der 
frühen Genialität des Meisters, und brachte auf Grund einer Inschrift an 
dem erstern Gemälde 1495 als GeburtsjahrHolbeinS deS Jüngern zur Gel 
tung—ein Datum welches schon ein ftüherer Schriftsteller, aber aus andern 
Gründen, aufgestellt hatte. Woltmanns Ergebniß fand allgemeinen Beifall, 
bis 1867 Hermann Grimm dasselbe bestritt und insbesondere jene In 
schrift als zweifelhaft darlegte. H. Grimms Beweisführung ist keineswegs 
so hinfällig als man dieselbe darzustellen für gut fand, und WoltmannS 
Entdeckung der Annalen des St. Katharinen-Stifts von Augsburg 
liefert gerade das beste Material für die Argumentation Grimms. Ich 
wenigstens muß offen gestehen daß ich auf Woltmanns gewissenhafte Re- 
Production hin, die er von den betreffenden Stellen jener Annalen ge 
macht, jene Inschrift für unzuverlässig und für später gefertigt halte. 
Näher darf hier auf diesen Streitpunkt nicht eingegangen werden, und ich 
lasse deßhalb die Sache dahingestellt, zumal das andere Gemälde, der 
S. Sebastian'Altar, ebensowenig für den jüngern Holbein beansprucht 
werden kann. Die Eingangs bezeichnete Forschung bei Zahn weist nämlich 
wissenschaftlich gewissenhaft die Unwahrscheinlichkeit solcher Annahme ins 
besondere aus dem wichtigen Grunde nach daß ja, falls dieser Altar von 
Holbein d. I. herrühre, ein Zusammenhang dieser Arbeit mit der sicher be 
glaubigten Thätigkeit Holbeins d. I. zu Basel vorhanden sein müsse. 
Aber selbst Woltmann kann einen solchen nicht aufzeigen, so daß gerade 
in stylistischer Hinsicht der berühmte Holbein für demMeister des genannte» 
Altargemäldes nicht gelten kann. 
Wilhelm Schmidt — so heißt der Verfasser jenes Aufsatzes — legt 
mit großer Sorgfalt und kritischer Schärfe die Unmöglichkeit solcher Autor 
schaft Holbeins d. I. dar, und betont richtig daß man in der Behandlung 
der ganzen Frage stets das Unwahrscheinlichste statt des menschlich Mög 
lichen und zunächst Liegenden angenommen, den Sohn ohne urkundliche
	        
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