Die Holbein-Ausstellung zu Dresden.
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Hypothesen in wenn auch unvollkommener Gestalt anticipirt, die erst lange
nachher auf bedeutenden Umwegen zur allgemeinen wissenschaftlichen Geltung
gelangen.
Herrn Czermak gegenüber möchte ich zum Schluß noch eine Bemerkung
anfügen. Derselbe sagt in einer Anm. S. 11'—12, daß die Zahlenreihe
von 0 bis 1, in welche Schopenhauer die Farben: „schwarz, violett, blau,
grün, roth, orange, gelb, weiß" ordnet, für uns keinen Sinn habe. Ohne
auf die von Schopenhauer ausgestellten Brüche den geringsten Werth zu
legen, glaube ich doch, daß diese Reihe wohl ihren guten Sinn habe: als
Reihe der absoluten Lichtintensität gleich gesättigter Farben ge
nommen, — freilich etwas wesentlich anderes, als Schopenhauer damit sagen
wollte. E. v. Hartmann.
Die Kotöein-Uussteü'ung zu Dresden.
Durch die Münchener internationale Kunstausstellung im Jahre 1869
wurde dem größeren Publikum Deutschlands die erste Gelegenheit geboten,
im Privatbesitz verborgene Kunstschätze kennen zu lernen. Zuvor war es nur
dem eifrigsten Forscher vergönnt gewesen, die „Darmstädter Madonna" von
Holbein, den „Holzschuher" von Dürer, oder den „Mann mit den Nelken"
von van Eyck zu betrachten. Nichts war daher seitdem natürlicher, als der
Wunsch, in nächster Zukunft andere Ausstellungen derselben Art zu veran
stalten, und namentlich solche, welche die Sammlung und Vergleichung zahl
reicher Werke eines und desselben Malers ermöglichten. Am nächsten lag
der Gedanke, Bilder von Holbein zusammen zu bringen, zusörderst um den
Rangstreit zwischen den Madonnen von Darmstadt und Dresden zum Aus
trag zu bringen, alsdann um neues Licht aus das Leben des großen Malers
zu werfen, dessen Jugend man noch nicht genau kannte und dessen Stil
wandlungen gicht hinreichend festgestellt waren. Zwischen Entstehung und
Verwirklichung dieses Gedankens ging unerwartet viel Zeit verloren; aber
diese Zeit, reich wie sie war an materiellen und geistigen Eroberungen für
Deutschland, war auch auf dem Gebiete der Kunstforschung nicht ohne Fort
schritte verstrichen; und gerade was Holbein betrifft, war inzwischen manches
neue Streiflicht auf seine Geschichte geworfen. Aus den alten Rechen- und
Zunftbüchern Augsburgs ging neue Belehrung für uns hervor. Die In
schrift auf einem der Bilder der Augsburger Gallerte, dem Tode der heiligen