© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 43
ê elmäßiges Wein - Quantum, und wenn dies nicht von den
iskal-Bergen erlangt werde, müsse Most von Privaten ge
kauft werden. Davon werde sich das Ministerium nicht abhalten lassen,
da es in seinem vollen Rechte sei, und es überdies im Interesse der
Weinbergsbesitzer, besonders der ärmeren, liege, nicht blos von der
Preisbestimmung einiger hiesigen Weinhändler abzuhängen. Uebrigens
verkaufe die Kellerei nur im Großen und ausländische Weine gar nicht."
Hübler bemerkte, daß die ärmeren Weinbauer im Begriff ständen,
mit einer Petition einzukommen, die auf Abweisung der vorliegenden
Beschwerde der Weinhändler gerichtet sei. von Criegern sagte,
daß eS für den inländischen Weinbau sehr wichtig sei, einen Ort zu
haben, wo man sicher echten und unvermischten inländischen Wein er
halten könne. Das Deputations-Gutachten wurde einstimmig ange
nommen.
Großherzogthum Baden. Die zweite Kammer der
Stände hielt am 25. November ihre erste öffentliche Sitzung, in der
zunächst der Abgeordnete von Jtzstein als Alters-Präsident eine kurze
Bewillkommnungs-Rede hielt und die Abgeordneten Hecker und Platz
über den verst. Abgeordneten Sander sich aussprachen, worauf sich
die Kammer mit der Prüfung der Wahlen neu eintretender Mitglie
der beschäftigte und dieselben genehmigte. Die Sitzung wurde dann
geschlossen. — In den höheren Gegenden des Schwarzwaldes liegt
schon seit mehreren Tagen tiefer Schnee.
Freie Stadt Bremen. Aus der Regierungs-Kanzlei ist
Nachstehendes zur öffentlichen Kunde gebracht worden: „Zufolge einer
dem Senate zugegangenen amtlichen Nachricht hat die Königlich groß-
britanische Regierung mittelst Erlasses vom 27. September d. I.
an die Zoll-Kommissare verfügt, daß bis auf Weiteres hanseatische
Schiffe und deren Ladungen, sowohl im vereinigten Königreiche als
in den auswärtigen britischen Besitzungen, wenn sie von der Mündung
der Maas und der Elbe nebst dazwischen liegenden Flüssen, so wie
von der Mündung der Trave und der Memel nebst dazwischen liegen
den Flüssen, kommen oder dahin gehen, auf demselben Fuß behandelt
werden, als kämen sie von einem hanseatischen Hafen oder wären
nach einem solchen bestimmt."
* Ebersdorf, 24. Nov. Se. Majestät der König von
Schweden und Norwegen haben unserem Durchlauchtigsten Fürsten
das Großkreuz Allerhöchstihres Nordstern-Ordens zu verleihen geruht.
Frankreich.
Paris, 24. Nov. Da die anbefohlenen Ausbesserungen im Pa
villon der Tuilerieen, den der König bewohnt, noch nicht beendigt
sind, so werden Ihre Majestäten, wie verlautet, nicht vor Mitte De
zember ihren Winter-Aufenthalt in den Tuilerieen nehmen. Die Her
zogin von Orleans aber hat mit den Prinzen, ihren Söhnen, den
Pavillon Marsan bereits bezogen.
Am 2lsten d. ist der durch seine systematische Opposition in der
Pairs-Kammer bekannte Legitimist, Marquis von Dreux- Breze, auf
seinem Landsitz, wo er seit seiner Rückkehr aus Italien sich aufhielt,
mit Tode abgegangen.
Die Regierung scheint gegen die Sklavenhändler an der afrika
nischen Küste mit der größten Strenge verfahren zu wollen, denn
Admiral Montagne von Laroque's Geschwader nimmt eine Compagnie
Marine-Truppen mit, die dort gelandet werden sollen, um die Neger-
Faktoreien zu unterdrücken.
In Toulon werden die Dampfschiffe „Grondeur" und „Chimc-re"
in Bereitschaft gesetzt, um sich dem französischen Geschwader im La
Plata anzuschließen.
In Bezug auf die Zwecke und Erfolge der französischen Ge-
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sandtschaft in China bemerkt das Journal des Débats, daß kein
Grund für die in England verbreiteten Gerüchte vorhanden sei, als
ob Frankreich über den Besitz einer Niederlassung in China unter
handle, um mit den Engländern in ihren Handels-Beziehungen zu
diesem Lande zu wetteifern. Dies wäre, dem ministeriellen Blatte
zufolge, ein untergeordneter oder wenigstens noch entfernter Zweck
von französischer Seite. Die Aufgabe Frankreichs sei cs zunächst,
Duldung für seine Missionaire zu erlangen und die Verbreitung des
Christenthums in jenen Gegenden zu fördern.
Die bevorstehende Versammlung der Conseils für Ackerbau,
Gewerbe und Handel wird vom Journal des Débats mit fol
genden Bemerkungen eingeleitet: „Man erinnert sich, daß die letzte
Sitzung dieser Conseils gegen Ende des Jahres 1841 stattfand.
Es sind also jetzt gerade vier Jahre seit ihrer letzten Einbcrnfnug
verflossen. Dieser Zwischenraum hat, was man auch darüber gesagt
haben mag, gar nichts Außerordentliches; und wie schnell auch die
Bewegung, welche uns fortreißt, sein mag, man würde doch nur
schwer begreifen, daß eine Reform oder auch nur eine Revision
unserer Tarife und Handels-Reglements in einer kürzeren Zeit hätte
vorgelegt werden können. Wir wollen jedoch anerkennen, daß jetzt
die rechte Zeit dazu war. In der Sitzung von 1841 waren diesen
Conseils wichtige Fragen vorgelegt worden. Der größte Theil derselben
ist, wie auch das Rundschreiben des Ministers Cunr'n Gridaine bemerkt,
der Gegenstand besonderer Gesetze oder Zoll-Verordnungen geworben.
Auf diese Weise ist die Besteuerung des einheimischen Rübenzuckers im
Interesse unserer Kolosreen erhöht, die Abgabe von dem Gußeisen
in einem gewissen Bereiche an unserer Grenze herabgesetzt, der aus
ländische Sesam zum Theil dem einheimischen Anbau von Leinsaat
und Oliven aufgeopfert worden. Außerdem haben besondere Gesetze
die Gesetzgebung über die Gewebe- und Erfindungs-Patente, über
die Schiedsrichter in Gewerbsachen, über die Arbeit der Kinder in den
Fabriken geordnet. Mehrere Fragen, wie die über die Fabrikzeichen,
über Salz, über Schlachtthiere, sind für die Berathung der Kammern
ausgesetzt; aber es giebt noch viele andere, nicht weniger wichtige,
welche schnell gelöst werden müssen, wenn man nicht hinter anderen
Ländern zurückbleiben will, und diese sind es, welche der Minister
des Ackerbaues und des Handels der Prüfung dieser Conseils em
pfiehlt. Das Rnndschreiben des Ministers, welches die Conseils dazu
beruft, ihr Gutachten über diese Gegenstände abzugeben, hebt be
sonders die Fragen über Baumwollgarn und über Eisen und
Stahl hervor, Gegenstände, welche unser Tarif bis jetzt beinahe
verboten hatte; dann die Rechtsverhältnisse der Actien-Gesellschaf
ten; endlich die bedeutende Frage über die Verbesserung des Loo
ses der Arbeiter. Der wichtige Gedanke, die Organisation der
Arbeit, hat sich also schon etwas in das Programm der Verwal
tung eingedrängt. Vielleicht wird er noch lange Zeit nur einen
ideellen, trügerischen Werth haben. Wir hoffen jedoch, daß er einst
eine praktische Form erlangen und heilsame Neuerungen herbeiführen
wird. Bei der Erfüllung der ihnen auferlegten Arbeiten werden die
Conseils vor ihren Vorgängern den Vortheil voraushaben, in der
Presse, in der öffentlichen Meinung und in der Verwaltung einen
gut vorbereiteten Boden zu finden. Denn, wenn es wahr ist,
daß die Fragen über die volkSwirthschaftlichen Verhältnisse jeden
Tag bei uns zunehmen, so muß man auch auf die Annäherung
Rücksicht nehmen, welche in vieler Hinsicht schon in den Lehren
über Volkswirthschaft stattgefunden hat. Unsere Erziehung ver
vollkommnet sich in dieser Beziehung jeden Tag. Die Theorieen
über Freiheit dcS Handels würden gewiß jetzt, wo sie an dem
Prüfsteine der Erfahrung untersucht und mit den Verhältnissen dieser
Welt vermischt worden sind, nicht mehr wagen, mit so vieler Strenge
und so vieler Selbstherrschaft aufzutreten; und die Angelegenheiten
der Production und des Tausches müssen ihrerseits begriffen habe»,
daß auch sie zu der Bewegung der großen Gewerbe- und Handelsfamilie ge
hören und müssen wissen, daß sie sich bei derVertheilung der gesellschaftli
chen Gewinne und Verluste mit einem billigen Antheile begnügen
müssen. Ohne Zweifel darf man die Eigenthümer der Wälder, die
Eigenthümer der Eisenwerke und die Züchter deS Schlachtviehes nich
zu Grunde richten; aber sott man denn das Eisen und den Stahl,
welche unsere Gewerbe fordern, und das Schlachtvieh, welches
unser Volk zur Nahrung nöthig hat^, auf immer zurückweisen?
Die Wohlfahrt unserer Marine ist ohne Zweifel eine beachtungs
würdige Sache; aber wer könnte daran denken, ihr die Arbeit unse
rer Fabriken ohne Einschränkung zu opfern, oder die Verbindung mit
unseren nördlichen Nachbarn unter dem mehr oder weniger tzegrün-
deten Vorwände zurückzuweisen, daß einer unserer Gewerbzweige da
durch etwas beeinträchtigt würde. Alle diese Fragen werden in kur
zem von diesen drei Conseils berathen werden, und wir hoffen fest,
ihre Arbeiten für das Land gute Früchte tragen zu sehen."
Die Umstände, unter denen die Kammern in diesem Jahre zu
sammenberufen werden, sucht die Oppositions-Presse als bedenklicher
denn jemals darzustellen; so sagt der Commerce: „Es wird den
Ministern ziemlich schwer fallen, eine Thron-Rede vom gewöhnlichen
Optimismus zu verfassen, sei es, um die Verantwortlichkeit ihrer Landes-
Verwaltung ganz von sich zu weisen oder mindestens den haltlosen
Charakter zu schwächen. Sehen wir einen Augenblick, wie es im Lande
aussieht: Der Zustand des Handels in den Departements ist kri
tisch; das Unglück des Einzelnen erstreckt seine fürchterlichen Rück
wirkungen oft auf ganze Bevölkerungen. In Paris haben die Börsen-
Schwindeleien einen so hohen Grad erreicht, daß alles Privat-Vermögen
in Gefahr schwebt und der persönliche Reichthum einem Gebäude gleicht,
das auf Triebsand gebaut ist. Die Art, in der die Nordbahn amt
lich zugeschlagen wurde, trug nicht wenig zu den Vorgängen bei, deren
ohnmächtige Zeugen wir sind. Die Kammern wünschten eine wirk
liche Bewerbung: das Ministerium bot Alles auf, um sie zu ersticken.
Indem es die einzelnen Actien-Gesellschaften dazu veranlaßte, sich zu
vereinigen, tödtcte es den Geist des Gesetzes, schuf es jene Prämien,
deren Liquidation heute so Vielen die Augen öffnet und die nur den
Geldbeutel einzelner geschickter Börsenwölfe spickten. Diese Nord
linie wirkte gefährlich auf alle übrigen. Der Minister betrieb
sie mit ungewöhnlicher Eil, verschob dagegen das Schicksal der Uebri-
gen bis auf den letzten Augenblick und erregt hierdurch den Verdacht,
daß er das System der Vereinigung des Kapitals begünstige, das
einen so nachtheiligen Prämienwucher hervorgerufen, der die jürchter-
lichsten Folgen auf alle Lebensgebiete üben muß und wird. Die Ak-
tien-Gesellschaften haben sich bis inö Unendliche vermehrt, jedoch nicht
um das Interesse des allgemeinen Nutzens und Wohles zu fördern,
sondern nur um die Habsucht einer Handvoll Männer zu sättigen,
die uns vorkommen wie ein Nachtrab, der den Siegen einer vorrücken
den Armee nachlauert, um im Augenblick da zu sein, wenn es sich um
Ausplünderung eines erstürmten Dorfes handelt. Die Sicherheit "der
Beute dieser Wegelagerer reizt alle Gewinnsüchtigen, ihr Geld den
selben zu vertrauen, und daher die allgemeine Ebbe, die so unendlich
wichtige Folgen auf die Entwickelung aller gesellschaftlichen Verhält
nisse üben wird. Hätte das Ministerium das Eisenbahn-Gesetz treu
und ehrlich, wie es in der Absicht der Kammer lag, angewandt;
hätte eS sich der Vereinigung großer Kapitalisten widersetzt, den
Zuschlag der Nordbahn, mit dem das verderbliche System anfing,
weiter herausgeschoben und einen neuen Aufruf an die Privat-Be-
werbung erlassen, mit einem Wort, hätte cs mit dieser Linie auch
alle übrigen offen und redlich an gleichbcrücksichtigte Bewerber abge
treten, dann wäre so manches namenlose Unglück vermieden wor
den. Die Prämien hätten nimmermehr eine so erkünstelte Höhe er
reicht, nur wenige Gesellschaften hätten sich gebildet, und die Kapi
talien wären nicht falschem, trügerischem Spiel, sondern ihrer wahren
Bestimmung zugewandert. Das Eisenbahn-Actien-Fieber hat unseren
National-Charakter entehrt. In der Lebensmittel-Frage bewies sich
die Regierung nicht weniger unpraktisch. Sprechen wir hier nicht von
dem provisorischen Zustande, in dem sich unsere Gesetzgebung über den
Getraidehandel im Allgemeinen befindet. Diese Gesetzgebung hätte
längst geordnet werden sollen, da eben dieser Handel den Grundstein
alles Handels bildet: aber es scheint in der Bestimmung unseres
Ministeriums zu liegen, nichts fest zu ordnen. Es lag vor
so viel Herrliches vernichtete, die schönste Kunst-Epoche schloß und mit dem
die Barbarei der späteren Zeit anfing.
Der Vater der neueren italienischen Literatur, der große Bembo, schon
am Hofe von Urbino der Freund deS aufkeimenden Talents, ist Raphael'S Rath-
geber in künstlerischen Angelegenheiten. In seinen Briefen ist die höchste Zärt
lichkeit und Achtung für R. ausgedrückt. Graf Baldasarre Castiglion e,
durch seinen Cortigiano bekannt, hatte schon als Gesandter deS Herzogs
Guidobaldo an König Heinrich VIIl. von England ein Bildchen Raphael'S,
den h. Georg mit dem Hosenbande bekleidet, als Geschenk seines Fürsten
an diesen Monarchen mitgenommen und blieb fortwährend, bei seinen ver
schiedenen Missionen in Nom, der Freund und vertraute Rathgcber deS
Künstlers. Non mi pare csscre a Roma, pcrclie non vi c’ piu il mio
poveretto Rasfaello, quell’ anima bencdelta, schrieb er »ach dem Tode
desselben an seine Mutter. A riosto und S anazar o, damals die größten
Dichter, haben ihn in Rom besucht, und sie sind in seinem Parnaß nach dem
Leben abgebildet, so auch der treffliche Giovanni della Casa, Verfasser
des Galatco in der Schule von Athen, wodurch Raphael öfter seine Liebe,
Verehrung und Zuneigung ausdrückte. Andrea Navagcro, Antonio Deaz-
zano, Beide Venetiancr, FranccSco Bern,', dem Bernardo Dovizio verwandt,
der eine Gattung von scherzhafter Poesie schuf, die noch seinen Namen
trägt; Maria Molza, Tibaldo Tibaldeo, Paul Giovio, der famose Pietro
Aretino und so viele andere bedeutende Menschen sind ihm nahe und ver
traut gewesen. DaS Profil einer weiß gekleideten Muse auf seinem Parnaß
zeigt unS dieselben Züge derVittoria Co Ion na, wie sie in einer gleich
zeitigen Medaille in einem jugendlichen Alter geformt sind. Ihre Schwä
gerin, die berühmteste Schönheit ihrer Zeit, die von 300 Dichtern besungene
Giovanna d'Aragona, Gemahlin deS AScanio Colonna, hat Raphael
in dem bekannten anziehenden Bildniß im rothen Sammethut und röthlichcn
Haaren, jetzt in Paris, verewigt.
Von seinen Kunstgenosscn ist Raphael, mit Ausnahme des Michelagnolo
und seiner Anhänger, besonders des Fra Sebastians dcl Piombo, all
gemein anerkannt und verehrt. Unser Albrecht Dürer und FranccSco
Francia schreiben an ihn und bewerben sich um seine Freundschaft, indem
sie ihm Bilder, Zeichnungen oder Kupferstiche senden, die Raphael, wie er
in seiner Antwort an Francia sagt, unter seinen liebsten Sachen aufbe
wahrt; ja irgendwo habe ich aufgezeichnet gesunden, daß die geistreichen
Blätter Dürer'S au den Wänden des Saales hingen, wo er arbeitete.
Den Künstlern, die ihn besuchten, war er mit Rath und That, selbst mit eigenen
Zeichnungen und Erfindungen gefällig, und er verließ, wie Meister Gior
gio sap , seine eigenen Beschäftigungen, um Anderen zu Helsen; Eigenschaf
ten, die in einer egoistischen Zeit, wo tcdcr nur sich selbst bedenkt und
obenan stellt, selten geworden sind*). „Er war so von Anmuth erfüllt und
so liebevoll, daß ihn nicht allein die Menschen, sondern selbst die Thiere ehrten",
womit Vasari nur ausdrückt, daß Raphael die ganze Schöpfung mit war-
mer Liebe umfaßte, die besonders dem bildenden Künstler eigen sein muß.
Wenn er z» seinem Schüler Giovanni d a U vi ne, einem eifrigen Jäger und
Naturmenschen, kam, so war eS für Raphael höchst ergötzlich, in einem
*) Vasari, wenn er von der Harmonie der Künstler unter einander
zur Zeit Raphael'S spricht: „Perche restavano vinti della corteaia c
df.1l’ arte sua, nia piu dal genio della aua bitona natura, lafiual cra
»i piena di gcntilezza c si calma dl caritä, die egli si yedera, die ferio
gli animali l’onoravano, non che gli uomini.”
großen Buche zu blättern, worin Meister Johannes kleine und große Bestien
und fliegende und kriechende Geschöpfe kunstreich abgezeichnet hatte, und als
der große Elephant gestorben war, der den Afterpocten Baraballa von
Garta bei seinem, ihm vom Papst Leo veranstalteten, drolligen Triumph-
zuge zum Kapitol getragen, verschmähete eS Raphael nicht, den bedächtigen
Philosophen der Thierwelt zu zeichnen, der, von dem Könige von Portugal
geschenkt, seinem Herrn theuer war.
Nach der Poesie, war eS auch die Musik, die Raphael erfreute und
ciheiterte, und in dem Bilde der heil. Cäcilia hat er seine höchste Ver
ehrung dieser schönen Kunst ausgesprochen. Auch gehört daS Bildniß deS
Improvisators Giacomo Sansecondo als Violinspieler zu den schönsten
unter den schönen, die Raphael geschaffen; denn Raphael übte selbst dieses
scelcnvollc Instrument, und der Dichter, den er auch schon am Hose von
Urbino gekannt haben mußte, war sein naher Freund. Er änderte in sei-
nein Parnaß den Apollo, dem er anstatt einer Lvra, wie in dem ersten
Entwürfe im Stiche des Marco Antonio Raimondi, daS weniger plastische
und malerische, aber unendlich mehr bedeutende und umfassende Saiten-
Instrument gab.
Von den Pocsieen Raphael'S sind drei unvollkommene skizzirte So
nette übrig geblieben, wovon sich eines mit anderen Studien zur Disputa
del Sagramento auf einem Blatte befindet; cs drückt die Sehnsucht in
Erwartung einer Geliebten auS, die nach der bestimmten sechsten Stunde
nicht erschiencn war. Raphael scheint keinen Werth auf die Erzeugnisse
seiner Feder gelegt zu haben und hatte auch wahrscheinlich keine Zeit, außer
der Ausübung seiner Kunst, an andere Dinge zu denken; doch versickert
uns Vasari, daß er über die Malerei geschrieben und er Manches davon
benutzt habe. Michelagnolo, in einer späteren Zeit, wird von seiner Muse,
der Divlna yiitoria Colonna, begeistert^ entwickelt ein bedeutendes und
tiefes Talent für die Poesie, welche das Studium Dantc'S und Petrarcha'S
zur Grundlage hat, und die vatikanische Bibliothek bewahrt noch einen
ganzen Band seiner Gedichte, von ihm selbst geschrieben.
Die Frauen liebte Raphael mit einer Leidenschaft, die ihm einige Sit
tenrichter nickt, wohl aber jene, welche solche Flammen erregen, verzeihen
mögen. ..Tu ftaslaelö persona molto amorosa cd nlfezionato alle
donnc, c di continuo presto ai scrvieje^loro”, sagt sein Biograph, «Nd
anderswo, daß ihn mehr wie Eine angezogen. DaS kleine lebenslustige
römische Bäckcrmädchtn behauptete jedoch den Sitz in seinem Herzen und
in seinem Hause, wo sic mit Francesco Pcnni, dem Fatiore, die häuslichen
Angelegenheiten besorgte und als Verweserin (castalda) schaltete und wal
tete. Der Diener hieß Baviera, und er besorgte auch den Druck und Um
satz der Kupfer-Abdrücke des Marco-Anton.
Einer der nächsten und theuersten Freunde Raphael'S war der um 10
Jahre ältere Tim oteo Viti von Urbino, rin seelcnvollcr Maler, der auch
in dieser seiner Vaterstadt zuletzt daS ehrenvolle Amt eines Gonfaloniere
bekleidete.
Raphael ließ nicht ab, ihn nach Rom dringend einzuladen und über
trug ihm dort eine große, selbstständige Arbeit nach seinen Kartons, die
Sibyllen in Santa Maria della pace für den reichen Sigismondo Chigi,
welche auch beinahe ganz von der Hand des Timoteo, unter der Leitung
seines Freundes, ausgeführt scheinen. Timoteo konnte jedoch die lieblichen
Hügel und die heimische leichte elastische Luft nicht vergessen, kehrte dahin
und zu seiner Familie zurück und starb bald nach dem Tode seines Freundes.
In ähnlichen Verhältnissen als Freunde und nicht, wie Einige anfüh
ren, als Schüler, standen Baldasarre Pcruzzi von Siena und Benve-
n uto Garafalo von Ferrara zu Raphael. Beide waren älter an Jahren und
Erfahrung und schon gemachte Künstler, und doch ordneten sie sich willig
dem größeren Genius unter. Den Ersteren könnte man den Raphael der
Architektur nennen, so viele unmittelbare Originalität und Genialität ist in
seinen Bauten, worin die Aufgaben ausS sinnigste gelöst und die gegebenen
Räume oft wunderbar angewandt sind, wie der Palast Massinio und so
viele andere Gebäude in Rom und Siena beweisen. Die Nichtanwendung
seines Planes eines griechischen Kreuzes und der Wechsel so vieler Bau
herren und Meister haben eS bewirkt, daß die PeterSkirchc nur das größte
und nicht das schönste Gebäude der neueren Zeit geworden ist. Arm und
verkannt, gewiß nicht von Raphael, starb Pcruzzi als einer der Baumeister
am Sankt Peter, woran seine Mitwirkung und die des Raphael kaum noch
zu erkennen ist, so sehr hat eine höchst manicrte Zeit die frühere schöne
Anlage verunstaltet. Hätte man nur einen der drei Pläne, von Bramantc,
Raphael und Pcruzzi, standhaft durchgeführt, so würde eine Einheit statt
einer Mischung des barockesten Styls, der nur durch große Massen Erstaunen
erregt, entstanden sein. Als Maler hat Baldasarre viel von der tiefen
Empfindung und dem Ausdrucke des Raphael, ohne dessen Nachahmer zu
sein, waS sein schönes FrcSkobild, die Sibyllen in der Kirche Santc Giusta
in Siena, ^beweist. Seine Bilder und Zeichnungen sind äußerst selten.
Bcnvcnuto Tisi, von der Nelke, die er in seinen Gemälden als Monogramm
anwandte, Garofalo genannt, war ebenfalls der Freund, Verehrer und
Nachahmer Raphael'S, aber nicht der Gehülfe desselben. Er war mehr
praktischer Maler als Pcruzzi und seine Werke sind so häufig, als die deS
Letzteren rar sind, in der Feinheit der Empfindung und deS Ausdrucks und
großartigen Anlagen stand er ihm nach. Bcnvcnuto wurde schon bejahrt
blind und starb im hohen Alter. Wir kommen ein andermal auf die zahl
reichen Schüler dcS großen Urbinaten.
Rom, Oktober 1845. Franz Kühlen.
Zur landwirthschaftlichen Literatur.
Ueber die Errichtung landwirthschaftlicher Schulen in
Beziehung zu der Landwirthschaft und zum Er-
ziehungSwesen. Von Karl Schinz, Chemiker von Zürich.
Herausgegeben durch die landwirthschaftliche Gesellschaft vom
Aar^u. Aarau und Thun bei Joh. Jakob Christen. 1846.
Seitdem die Landwirthschast nicht blos nach überkommenen Verfah-
rungS- Arten, sondern aus eine wissenschaftliche Grundlage gestellt ist und
jedem auch nur einigermaßen deS LandbaueS aus einer näheren und un
mittelbaren Anschauung Kundigen sich die Ueberzeugung aufgedrungen hat,
daß der Land mann zu seinem Gewerbe ausgebildet werden
müsse, ist die Errichtung landwirthschaftlicher Erzichun gS-An stalten
zu einem allgemein als unabweisbar erkannten Bedürfnisse unseres Land
volkes geworden, und hat deshalb die Diskussion über die zweckmäßigste
Bildung solcher Institute bereits ihre Stelle unter den Fragen des Tageö
gefunden. Wenngleich die der Erörterung dieses Gegenstandes mehr oder
minder ausschließlich gewidmete Literatur weder in Zeitschrift, Flugblatt,
noch in größeren Schriften, als eine arme nicht gerade mit Grund bezeich
net werden dürste, so ist doch die Zahl solcher Mittheilungen, in welchen
I
Augen, baß die Aernbte schlecht ausgefallen, daß sogar an einigen
Orten aus Brod- oder Getraide- und Kartoffelmangel bereits Un
ruhen ausgebrochen; ja daß alle Gemüther in Bezug auf die Zukunft
sich fragten, wovon sie leben sollten; was war natürlicher, als daß
man die Augen zur Regierung richtete und bei ihr sich erkundigte,
welche Mittel ihr zur Abwendung einer Hungersnoth zu Gebot stän
den? Was thut der Minister? An einem Morgen veröffentlicht er
ein Rundschreiben an alle Polizei- und Verwaltungs-Chefs, zählt
darin seine Borräthe auf und erklärt, daß, wenn diese nicht genügten,
er nur die freie Zufuhr zu gestatten und die Ausfuhr zu verbieten
habe, um Elend zu verhindern. Am anderen Morgen erläßt er eine
Erklärung, worin er bekennt, keine gesetzliche Macht zu haben, den
freien Handels -Speculationen Schranken anzulegen, mithin auch kein
Recht zum Ausfuhrverbot zu besitzen. Darf mau sich da noch wun
dern, wenn das Volk nicht weiß, was cs von solchen Widersprüchen
zu halten habe. Wird die diesjährige Thronrede, wie im vorigen
Jahre, das Gleichgewicht in Einnahme und Ausgabe des Staats
haushalts preisen? Scheint es doch, als wenn das Defizit gleichsam
zur Entschuldigung bestimmt wäre, die verlangten Verbesserungen un
ter dem Vorwände „wir haben kein Geld" abzuweisen oder aufzu
schieben, so wie „unser Ruhm in Afrika" den unaufhörlichen außer
ordentlichen Krediten zum Vorwände dienen muß. Die Hauptkunst
des Herrn Lacave Laplagne ist darauf gerichtet, wie er die Herab
setzung des Zinses der Rente, die Erleichterung des Briefporto's, der
Stempel- und Salzstener, der Getränke-Abgabe und anderer Lasten
von einer Sitzung zur anderen verschieben könne. Aber das Mi
nisterium möge sich auf harten Kampf wegen Afrika's, wegen
deS Vertrages von Lalla-Magrnia, wegen Soult's und Bugeaud's
genialer Civil- und Militair-Vcrwaltung, kurz wegen so vieler innerer
und äußerer Dinge gefaßt machen. Glaubt Herr Guizot dem Herrn
Thiers den Mund geschlossen zu haben, wenn er daS Jesuitenhaus
in der Poststraße schloß und endlich einige Fahrzeuge an die Ufer
des La Plata schickte? Glaubt Herr Guizot, die Kammer werde
keine Aufhellung der geheimnißvollen Unterhandlungen iu Rom ver
langen; nicht danach fragen, warum er in der Texasfrage mit Eng
land Hand in Hand gehe; seine Ansicht in Bezug auf Montevideo
so plötzlich geändert und in Deutschland eine uns feindliche Stimmung
hervorgerufen? Berücksichtigt man diese kurze Betrachtung, so wird
dem Leser klar, warum das Ministerium die Kammer so spät, als eS
die Staats-Verfassung irgend erlaubt, zusammenruft."
Zum Schluß des medizinischen Kongresses, der in diesem Monat
zu Paris versammelt war, hielt der Minister des öffentlichen Unter
richts, Graf Salvandy, an die Versammlung eine Anrede, in welcher
er den Arbeiten derselben die lebhafteste Anerkennung widerfahren
ließ und unter Anderem sagte:
„Ich habe mich in Ihre Mitte begeben, um die Wünsche dieser Ver
sammlung zu hören, weil Ihr Kongreß eine neue bedeutende und gelungene
Thatsache ist, deren Ergebnisse nur zum Nutzen der Gesellschaft und zur
Ehre der gesummten Aerzte gereichen können. Bei den ersten Berichten, die
mir über Ihre Verhandlungen zugingen, bemerkte ich, daß Sie besonders
Ihr Ansehen in der Gesellschaft zu behaupten suchen. Ich habe dabei Pa
rallelen aufstellen hören, die sich nicht auS der Geschichte rechtfertigen lassen.
Erinnern Sic sich, waS die Körperschaft der Aerzte war, als Ludwig XIV.
geboren wurde, als Guy Patin blühte und DeScartcS in höchster Geltung
stand; damals wurde der Arzt noch mit dem Sterndeuter vermischt. Heute
können Sie nicht zweifeln, daß Ihr Stand, der so viele Bürgschaften bietet,
großes Ansehen genießt. Nur bei den Aerzten tritt der Fall ein, daß sie vor
ihrem Auftreten in der Gesellschaft, und ehe sie die Früchte ihrer Strebun
gen ärndten können, dreierlei Bewährung ausweisen müssen: die Literatur,
die Wissenschaft, die Fakultät machen an sie gleichmäßige Ansprüche. In
allen anderen Zweigen deö Staatsdienstes begnügt man sich mit wenigeren
Prüfungen. Sic halten Unrecht, an der Stellung zu zweifeln, welche Sie
in der französischen Gesellschaft von 1830 einnehmen. Diese Stellung, diese
Rangstufe haben Sie durch tägliches Wirken längst erlangt. Sie wird sich
noch fester begründen bei dem Blick auf das, was Sie während der Dauer
des Kongresses zu Stande gebracht oder doch vorbereitet haben. Sie haben
die Ihnen vorgelegten Fragen reiflich geprüft und rasch entschieden. So
konnten sie in kurzer Zeit zu vielseitigen Beschlüssen kommen, wobei denn
die naturgemäßen beiden Seiten dieser Anstalten, die landwirth
schaftliche und höhere pädagogische, so wie insbesondere die den
mannigfaltig vertheilten Bedürfnissen entsprechende Stufenfolge dersel
ben, von der Schule für verwahrloste Kinder auf dem platten Lande bis
zu den landwirthschasilichcn Hochschulen aufsteigend, in sachgehöriger Ver
bindung der Theorie mit der Praxis erörtert worden sind, in jedem Falle
nur eine, sehr geringe.
Die obige von der landwirthschasilichcn Gesellschaft deS Kantouö
Aargau in der Schweiz herausgegebene Denkschrift des Herrn Karl
Schinz zu Zürich über diesen Gegenstand nimmt hinsichtlich der gemifth-
erwärmenden Frische und hervorstechenden Klarheit der Darstellung, so wie
wegen der Richtigkeit, Neuheit und des spezifisch praktischen Werths der
beigebrachten Ideen und sonstiger scharfsinniger volkswirthschasilichcr Be
merkungen, eine ausgezeichnete Stelle ein. Der Verfasser dieser Denkschrift
klassifizirt die landwirthschaftlichen Schulen, welche er nur unter dem Ge
sichtspunkte von landwirthschaftlichen Erziehungs-Anstalten, als dem allein
richtigen, betrachtet und organisirt wissen will, in folgender Weiser
a) Erziehungs-Anstalten für verwahrloste Kinder;
b) Erziehungs-Anstalten für Arme.
Für beide in Beziehung auf die Lehrgegenständc deS Unterrichts auf
gleicher Stufe stehenden, äußerlich aber zu trennenden Schuten ruht der
gemeinschaftliche Schwerpunkt, wie Verfasser treffend ausgeführt hat, in der
Gewöhnung der Zöglinge von Jugend auf an ihre Selbstcrhaltung
durch die ihrem Verstände in dem Unterrichte nach dem „Wie" und
„Warum" klar zu machende Arbeit; die Schulstunden sollen nur zur Er
holung von den körperlichen Anstrengungen dienen,
e) ErzichungS - Anstalten, welche unter dem Namen von
„Ackcrbauschulcn" bekannt sind;
d) ErzichungS - Anstalten für junge Bauern, welche sich
dem Gewerbe ihrer Väter widmen wollen.
Den Zweck solcher für ältere und in der Regel ärmere Zöglinge be
stimmte Ackerbauschulen setzt Verfasser, dem vorhandenen Bedürfnisse voll
kommen angemessen, in die Erhaltung und Erweiterung des in der Primair-
Schule Erlernten, so wie in das „in die Hand gehen" des Unterrichts mit
der Anwendung, und zeichnet hiernach den Wirkungskreis einer solchen An
stalt und die Beschäftigung der Zöglinge derselben mit unverkennbarem
Scharfblick in die eigenthümlichen Verhältnisse deS landwirthschaftlichen Le
bens also:
„Die Hauptbeschäftigung ist hier, zumal im Sommer, die Landwirth
schaft. Im Winter müssen die Zöglinge solcher Anstalten mit zweckmäßi
gen Arbeiten im Hause und mit Waldatbeiten bethätigt werden. Weil hier
die praktische Beschäftigung vorherrschend ist, so wird die Ackerbauschule
kaum mehr als der Aufsicht des Staats bedürfen, und sie wird doch auch
dem ärmeren Zöglinge zugänglich. Zöglinge aus RrttungS- und Armen-
Anstalten, welche sich nur dem Landbau widmen, sollten hier noch einige
Jahre Arbeit erhalten. Söhne armer Aeltcrn oder Waisen, welche keiner
Armenschule übergeben wurden, könnten hier noch die erforderliche Erzie
hung zu einer selbstständigen Fortexistenz erhalten. Solche junge Leute von
16—20 Jahren könnten Nahrung und Kleidung verdienen und, wohlgcklei-
det und tüchtig zur Arbeit auS der Anstalt entlassen, überall ihr Brod finden,
während sie, der Wohlthaten einer solchen Anstalt nicht theilhaftig, wegen
Arbeitsunfähigkeit keine Anstellung finden, von einem Meister zum anderen
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lebhafte Worte, wie sie in großen Versammlungen oft durch den
kleinsten Zufall herbeigeführt werden, um so leichter überhört werden moch
ten, als man doch bald zur Erkenntniß gelangt, daß Mäßigung stets ein
Element der Stärke ist. Meine Herren, Sie haben die in großen berathen
den Versammlungen seltene Weisheit gezeigt, daß Sic sich in den selbst
vorgeschriebenen Gränzen zu halten wußten und Beschlüsse faßten, die zwar
noch erst bei der Regierung in nähere Untersuchung gezogen werden müssen,
aber an sich schon durch das Gewicht Ihrer Stimmen sich genugsam der
Beachtung empfehlen. Unter den Wünschen, die Sie ausgesprochen haben,
sind manche, deren Erfüllung außer meinem Wirkungskreis liegt; dahin ge
hören diejenigen, welche die ungesetzliche Uebung der Heilkunde «nd die
Lücken der dagegen bestehenden Verordnungen betreffen. Daneben haben
Sie aber auch andere Fragen angeregt, wobei die Abhülfe von
mir ausgehen kann; es zerfallen dieselben in solche, die ich un
mittelbar und persönlich entscheiden kann, und in solche, zu deren Lö
sung die gesummte Verwaltung mitwirken muß. Diese letzteren werde ich
im Minister-Rath zur Sprache bringen und dann, insofern sic dem Wohl
der ärztlichen Körperschaft und dem dcS Gemeinwesens gleich förderlich
scheinen, vor den drei gesetzgebenden Staatsgewalten zu vertreten bemüht
sein. Sic wünschen die Ausdehnung gewisser wissenschaftlicher Zweige
unserer Fakultäten. Ich halte mich um so mehr verpflichtet, in dieser Be
ziehung Ihren Anträgen entgegen zu kommen, als ich darin eine Huldigung
sehe, die Sie diesen großen Institutionen darbringen. Die Fakultäten
haben bisher weder die Geschichte noch die Philosophie der Heilkunde ge
lehrt; sie haben eben so sehr als Sie, meine Herren, bedauert, hierin zu
rückbleiben zu müssen. Hätten die Professoren, die in Frankreich und Europa
die Ehre der Wissenschaft vertreten, ihren Unterricht von dem vor
geschriebenen Ziel entfernt und anderen Lehren zugewendet, die Uni-
vrrsität würde sie auf den verlassenen Weg zurückgeführt haben.
Die Lehrer sind gehalten, sich innerhalb der Gränzen der ihnen zugewiese
nen Gegenstände zu bewegen. WaS würden Sie von einem Professor der
Anatomie, der Chemie, der Physik sagen, der in die spekulativen Seiten die
ser Wissenschaften einginge, in jene historischen Erinnerungen, die allerdings
unentbehrlich sind für den Arzt, weil man eine Wissenschaft nur kennt, wenn
man alle Phasen, die sie durchgemacht hat, vor dem Auge deS Geistes
vorübergehen läßt, aber nimmermehr am rechten Platz beim Elemrntar-
Nnterticht. Die Lehrstühle der Geschichte und Philosophie der Heilkunde
haben bisher gefehlt; sic werden in dem Budget des öffentlichen Unter
richts, das in wenigen Wochen auf das Büreau der Kammern niedergelegt
werden soll, zum Vorschlag kommen. Eine weitere sehr ernste und dabei
zarte Frage, welche Sie in Anregung gebracht haben, betrifft die Veteranen
unserer Lehr-Anstalten, jene Professoren, die noch im hohen Alter einen
durch lange Erfahrung geweihten Unterricht fortsetzen. Allerdings bietet sich
hier Stoff zu reiflichem Nachdenken dar. Sic lassen den Wunsch laut
werden, es möge in das Unterrichts - Gesetz ein Theil der Be-
stimmuugen übergehen, welche der Staat zu Gunsten seiner Vertheidiger
getroffen hat. Da das Gesetz diese Einrichtung gewollt, so ist sic wohl
für die Armee angemessen und vortheilhast. Für die Genossenschaft der
Lehrer werde ich sic nicht in Anwendung bringen. Ich werde nicht zuge
ben, daß in der Zeit dcS vorgerückten Alters, wenn die Kräfte schwinden
und die Stirn sich mit weißen Haaren bedeckt, die Lehrer aus einer ohne
hin schon beengten Lage in eine noch beschränktere versetzt werden sollten.
Ich werde darauf denken, alle Interessen zu schonen, die Achtung, welche
der Staat dem Alter schuldig ist, mit den Rücksichten zu vereinigen, die er
dem Unterricht der jungen Generation widmen muß. ES ist Sorge zu
tragen, damit die Veteranen der Wissenschaft in Ruhestand gesetzt werden
können, ohne daß sic an ihrem mäßigen Einkommen irgend etwas einzu
büßen haben. Der Kongreß hat auch große allgemeine Fragen zur Ver
handlung gebracht; ich will sie in wenig Worten bezeichnen: Sie haben die
a e vom freien Unterricht, die von der Vereinigung aller Aerzte in eine
„ ze Klasse, die von der öffentlichen Bewerbung, endlich die von der Zu
ziehung nichtärzlicher Individuen in Sachen der Fakultät angeregt. Diese
Fragen verdienten vom Kongreß untersucht zu werden; sie hätten
allein schon hingereicht, seine Berathungen zu rechtfertigen. Die Regierung
dcS Königs wird die betreffenden Ansichten und Vorschläge in Betrachtung
ziehen und dem erkannten Bedürfniß zu genügen suchen. Die Körperschaft
der Aerzte hat einen dreifachen Charakter; daraus eben bildet sich ihre feste
Stellung im Gemeinwesen. Der Stand des Arztes ist zugleich für alle
wesentlichen Interessen der Gesellschaft, wie für alle innersten Verhältnisse
der Familien, von ganz besonderem Nutzen. Die Wissenschaft der Heil
kunde hängt mit allen anderen unentbehrlichen Wissenschaften zusammen;
jeder Fortschritt in den Kenntnissen kömmt ihr zu gut. Der Arzt hat aber
auch dabei eine Sendung der Liebe zu erfüllen, und diese erhöht nothwendig
seinen Charakter. Ja, meine Herren, Sie sind die Missionaire der Bruderliebe.
umherschlendern und zuletzt als Arme den Gemeinden oder als Verbrecher
dem Staate zur Versorgung anheimfallen."
Den Schlußstein der höchsten landwirthschaftlichen Ausbildung findet
der Verfasser
e) in den akademischen landwirthschaftlichen Schulen,
welche er treffend als die Central-Anstalten für die gesammtc landwirth
schaftliche Bildung bezeichnet. Wir übergehen diesen Abschnitt der Denk
schrift, weil der Verfasser, wenigstens zum größten Theile, den in den von
den Vorstehern und Lehrern an den landwirthschaftlichen Instituten zu El-
dena, Tharandt, Hohenheim und Jena über die Organisation solcher Spe
zial-Hochschulen fast erschöpfend erörterten Ansichten beitiitt, und erlauben
uns nur noch, darauf hinzuweisen, daß der Verfasser bei diesem Anlasse
den Beruf der Chemie, in ihrer weiteren und nächsten Erweiterung der
Landwirthschast einen neuen Standpunkt zu gewinnen, an zahlreichen und
schlagenden Beispielen dargcthan hat.
Im Rückblicke auf den Gesammt-Inhalt dieser lehrreichen Denkschrift
fühlen wir uns gedrungen, auf die allseitige Zweckmäßigkeit der von dem
Verfasser als für die einzelnen landwirthschaftlichen Erziehungs-Anstalten
geeignet bezeichneten Lehrgegenständc und auf die in einem vorzüglichen
Grade gelungene Durchführung des Grundgedankens dieser Arbeit, daß
der Bauer, wie die Intelligenz der Theorie und der Praxis bereits ans
klare Licht gestellt hat, für seinen Beruf ausgebildet werden müsse,
aufmerksam zu machen und auch daran zu erinnern, daß gerade in der
Ausbildung deS LandmanncS für sein Gewerbe ein souveraineS Heilmittel
gegen die Verarmung liegt, und endlich, daß gleicher Weise in einem
landwirthschastlich gehörig ausgebildeten Landvolkc, diesem Kerne der Bevöl
kerung, daS stärkste Gegengewicht gegen die obwaltende gefährliche Richtung
unserer Zeit, auf Zerstörung deS Mittelstandes, vielleicht allein zu suchen
sein dürfte.
Die vorliegende Schrift ist den landwirthschaftlichen Vereinen
angelegentlichst zu empfehlen. — e.
Jahrbuch dcS Vereins von Alterthumösrcuden im
Rh ein laude. VH. Bonn, 1845. gr. 8.
Der Verein von Freunden für die Erforschung und Kenntniß deS rö
mischen Alterthums am Rhein setzt seine Arbeiten rüstig fort und hat in
diesem Jahre schon ein zweites Heft seiner Denkschriften erscheinen lassen.
Denn über das sechste Heft haben wir in Nr. 81 der diesjährigen A l l g.
Preuß.Ztg. berichtet. Jetzt finden wir unter der Ucberschrift: Chorogra-
phie und Geschichte, zuerst eine Abhandlung Herrn Müller'S über die Tha
ten Cäsar'S bei Koblenz und eine I. Schneider'S über rin römisches Kastell
bei Grevemacher an der Mosel. Die zweite Abtheilung „Monumente"
enthält 1) eine sehr belehrende Nachwcisitng über die Sammlungen vater
ländischer Alterthümer aus der vorrömischen und römischen Periode im Kö
nigreiche der Niederlande von L. I. F. Janssen, ferner 2) die Aufsätze
I. Schneider'S über ein römisches Grab-Monüment auS Kleve, 3) Schmidt'-
über mehrere christliche Grabschriften aus dem vierten Jahrhundert im Mu
seum zu Trier, 4) I. M. Wölfls über dir Der Sandraudiga, 5) Panofka'S
über den SokrateSkopf auf der kölner Mosaik und 6) Welcker’S über den
Sarkophag im Museum zu Köln, eines der bedeutendsten Stücke dieses Hef
tes. Die Rubrik „Literatur" ist mit einer Kritik Schmidt'S über I. Schnei-
So wie überall, wo moralische Schmerzen walten, ein Priester da sein muß, um
Trost zuzusprechen, so muß aller Orten, wo sich physische Schmerzen zeigen, ein
Arzt bereit sein, sie zu heilen. Dieser Gedanke wird der Regierung nach
allen seinen Folgerungen stets gegenwärtig sein. Noch einen Wunsch de-
Kongresses darf ich nicht vergessen. Sie möchten gern unsere ärztlichen
VorbcreitungS-Schulen, wie unsere Armeen, über das Meer wandern sehen,
um den neufranzosischcn Boden aufzusuchen. Gebiete, im Kriege erobert,
sollen durch Civilisation erhalten werden. Sie sehen schon in Algerien
eine französische Provinz. Ich hoffe, es wird bald dazu kommen, daß die
Schulen dort universitätsmäßig eingerichtet werdeu können und daß sich
alle unsere wissenschaftlichen Anstalten nach Afrika verbreiten. Der arabische
Volksstamm ist nur durch Religion und Heilkunde erreichbar; die Religion
trennt uns, die Heilkunde wird zur Annäherung führen. Eine Mrdizinal-
Schule zu Algier wird von jungen Arabern besucht werden, und die
von diesen gesammelten Schätze der Wissenschaft werden dann ins Volk
übergehen."
Die Direktoren der Bank von Frankreich habe» sich schon eini
gemal über die Frage der Erhöhung ihres Diskontos auf 4£ pCt.
berathen; bis jetzt ist eS indeß noch nicht zur Ausführung dieser
Maßregel gekommen.
Herr Terson, Herausgeber einer Monats-Revue, betitelt: „Die
Rechte des Volkes", ist sammt den Druckherren Delanchy und Proux
auf den 26. November vor das Assisengcricht der Seine geladen
worden; sie sind angeklagt: 1) der Aufregung zum Haß und zur
Verachtung der Königlichen Familie; 2) der Aufreizung zum Haß
unter den verschiedenen Klaffen der Gesellschaft; 3) des Angriffs auf
die Lehre vom Eigenthum; 4) der Anpreisung von Handlungen, die
im peinlichen Gesetzbuch als Verbrechen bezeichnet sind. Der Ange
klagte hat Herrn Ledru-Rollin zum Vertheidiger gewählt; der Ge
neral-Advokat Jallon wird für die Regierung sprechen.
Herr Granier de Caffaqnac hatte, als ehemaliger Redacteur der
Presse, gegen den Verfasser und Drucker einer Broschüre „Käuf
lichkeit der Presse", Klage erhoben, in der gesagt war: „Ein Artikel
von Herrn Granier de Caffagnac für vier Couverts und sechs silberne
Theelöffel." Als Verfasser wurde ein Schneidergesell H'lbey ermit
telt, der auch vom Zuchtpolizeigericht zu 14 Tagen Gefängniß, der
Drucker, Herr Bautruche, zu 200 Fr. Strafe verurtheilt worden ist,
weil durch jene Veröffentlichung die Ehre und der gute Ruf des
Herrn Granier de Caffagnac verletzt und auch der Drucker deshalb
nach dem Gesetz in Anspruch zu nehmen sei.
Der KricgS-Minister soll Befehl gegeben haben, noch zwei Re
gimenter Verstärkung nach Algerien abzusenden.
Der Siècle versichert, cs sei gewiß, das die Königin von
England im nächsten Frühjahr einen Besuch in Paris abstatten
werde. Im Schloß betrachte man die Absicht der Königin als
sicher, und zu Versailles wie Trianon würden schon die Vorkehrungen
dazu getroffen. Der König leite selbst diese Bauten und Einrich
tungen, welche prachtvoll werden sollen. Die große Oper würde
dann zu Versailles Gluck'S „Armide" aufführen.
Die Schuld der jetzigen Geldverlegenheiten wirb von der Presse
insbesondere auf die englischen Kapitalisten geschoben, die sich nur
deshalb bei den französischen Bahnen betheiligt hätten, um sich ihre
Gewinn-Prämien zu sichern. In Folge der großen zu dem Ende
geschehenen Verkäufe seien die Actien so beträchtlich gefallen; da jene
nun ihre Gelder dem französischen Geldmarkt entzögen, so wäre eS
nur zu begreiflich, daß derselbe so bedrängt sei. Statt Vortheil habe
man nur Nachtheil durch die Betheiligung der Engländer, indem ohne
sie die jetzigen Verlegenheiten nicht in dem Grade vorhanden sein
würden.
Der Constitutionnel stimmt zwar der Ansicht der Presse
bei, daß die Betheiligung der englischen Kapitalisten bei den fran
zösischen Bahn-Unternehmungen und die Zurückziehung ihrer Kapita
lien vom französischen Geldmarkt vornehmlich zu der jetzigen Krise
beigetragen hätten, meint aber, daß auS alledem für Handel und
Gewerbe nichts zu fürchte» sei. Wären die Actien auf der alten
Höhe geblieben, so würden sich noch immer mehr Kapitalisten in diese
Spéculation eingelassen haben, und der Handel hätte mehr darunter
gelitten, als jetzt, wo die letzten Erfahrungen heilsame Folgen habe^
dcr's Werk: „Beiträge zur Geschichte dcS römischen Befestigung-Wesen-auf
der linken Rheinscitc" ausgestattet. Die in der vierten Rubrik gesammelten
„Mi'Scellen" bieten eine große Anzahl anziehender Bemerkungen über rhei
nische Ocrtlichkeiten, unter denen wir besonders die Wcyden'S über die
Brücke Konstantin'- in Köln und die numismatischen Bemerkungen von
Kersch anmerken. Einen großen Theil dieses HefteS aber nehmen die Mosel-
Gedichte des AusoniuS und des Venantius FortunatuS ein, die Ed. Böcking
mit einem kritisch berichtigten lateinischen Text, einer geschmackvollen deut
schen Ucbersetzung und einem Reichthume erklärender Anmerkungen versehen
hat. Wir haben nicht untersuchen können, ob die vorliegenden Stücke ein
Abdruck der von Böcking im Jahre 1828 besorgten Ausgabe sind, oder ob
sic durch eine zweite Ueberarbcitung verbessert worden, freuen uns aber
jedenfalls der Darbietung, die bei der Bekanntschaft dcS Herausgebers mit
der Oertlichkeit der von jenen Dichtern besungenen Landschaften und Flüsse
als ein schätzbares Hülfsmittel zur Erklärung deS AusoniuS und VenantiuS
angesehen werden muß. Auch steht zu erwarten, daß gerade diese philolo
gische Zugabe den Jahrbüchern in einem weiteren Kreise, namentlich indem
der Schulmänner, einen besseren Eingang verschaffe» wird.
Sechs lithographirte Tafeln sind zum besseren Verständniß der erläu
terten Monumente diesem Hefte bcigegeben. I.
Berliner Kalender 1846. Zwanzigster Jahrgang, mit sieben
Stahlstichen. Verlag von C. Reimarus (Gropiussche Buch
handlung in der Bauschule).
In sehr gefälliger Ausstattung finden wir in diesem Jahrgange deS
berliner Kalenders Kunst und Wissenschaft, Geschichte und Poesie, Dichtung
und Wahrheit vereinigt.
Unterstützt durch den ihm gewährten Zutritt zu dem hiesigen Geheimen
Staats-Archive, ist es dem Meister biographischer Darstellung, Herrn von
Varn Hagen, gelungen, uns über die auf Friedrich'- kl. Befehl veran
laßte Gefangennehmung Voltaire'S in Frankfurt a. M. 1753 eine authen
tische Darstellung zu geben. Von Dr. Melchior Meyer enthält der
Kalender beherzigenSwerthe Worte über die Zukunft der deutschen
Bühne, die bei dem gegenwärtigen Interesse dieser Zeit frage den Freun
den dramatischer Kunst besonders willkommen sein wird. Für heitere Un
terhaltung hat Th. Mügge durch eine geistreich erfundene Novelle: „Zwei
Ehen", gesorgt. — Die von Sagert nach Zeichnungen von Biermänn aus
geführten Stahlstiche landschaftlicher Scenen aus der Umgebung von Pots
dam dürfen sich dem Besten, was England in diesem Fache geleistet hat,
an die Seite stellen, und nicht minder ausgezeichnet ist eine Ansicht deS von
dem Hof°Baumeistcr Schadow neugeschaffenen „weißen Saales" gez. von
Waescmann, gest. von Schulin. Dem Kalender zu größtem Schmucke aber
gereicht das in schmucklosem Liebreiz natürlicher Unbefangenheit alle Herzen
gewinnende Bildniß Ihrer König!. Hoheit der Prinzessin Marie Luise
Anna von Preußen, gez. von C. l'Allemand, gest. von Teichel.
F. F.