Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Sonstige Veröffentlichungen

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z41 
A 
aus - Kölnische Volkszeitung,Nr.43,1876,Feb,13»S.2-3 
Arber deutsche Lnnst. 
Eine Replik, an Professor Dr. Hermann Grimm 
gerichtet. 
Zn dem zuletzt erschienenen Hefte der preußischen Jahrbücher' 
(XXXVI. 1) lese ich kritisirende Bemerkungen des Herrn Professors 
Hermann Grimm über Einzelnes, was ich in einer in der 
Reichstagssitzung vom 17. December v. I. über deutsche Kunst ge 
haltenen Rede geäußert habe. Daß Herr Grimm von seinem 
Standpunkte aus meinen Ansichten in wesentlichen Beziehungen nicht 
beipflichtet, ist selbstverständlich. Es kann mir auch nicht in den 
! Sinn kommen, hierorts in eine nähere Erörterung jenes Stand 
punktes einzugehen, da dieselbe eine mehr als tausendjährige Ge 
schichtsperiode oder doch mindestens die letzten acht Jahrhunderte in 
ihren Kreis ziehen müßte. Gewissen Geschichtsanschauern, mit wel 
chen Herr Grimm offenbar sympathisirt, es begreiflich zu machen, 
daß der dreißigjährige Krieg nicht von Rom ausgegangen ist, daß 
Gustav Adolph nicht der Befreier Deutschlands, Lilly nicht der 
Zerstörer Magdeburg's, Luther nicht der Retter unseres deutschen 
Vaterlandes vor Versumpfung und Geistessklaverei war, ist eben 
erfahrungsmäßig ein Ding der Unmöglichkeit, wie schlagend, ja 
handgreiflich dies alles auch dargethan werden mag. Sonach be 
schränkt sich denn meine Replik auf die einzelnen speciell hervorge 
hobenen Punkte, in Betreff welcher Herr Griium das meinen 
Behauptungen schnurstracks Entgegengesetzte bewiesen zu haben 
glaubt. 
Zunächst ergeht Herr Grimm sich des Breitern in einer Be 
kämpfung meiner Aeußerung, daß Albrecht Dürer, nachdem er zwei 
Mal in Italien gewesen, aufgehört habe, das zu sein, was er ur- 
sprünglich war, und meint, „nicht Dürer habe die Italiener aus 
sich wirken lassen, sondern umgekehrt". Daß in den Werken 
Dürer's mehr und mehr renaissancistisches Wesen und Beiwerk her 
vortritt, bis endlich in feinem Triumphbogen für Kaiser Maximi 
lian die Renaissance derart überwuchert, daß sie sogar dem Roccoco 
sich nähert, wird, abgesehen einstweilen von Herrn Grimm, kein 
Kenner zu bestreiten sich einfallen lassen. Demnach kann es sich im 
Grunde nur fragen, ob die renaissancistischc Bewegung überhaupt 
bon Dürer, oder ob sie von Italien ausgegattgen ist. Fast will es 
scheinen, als ob Herr Grimm für Ersteres einzutreten gesonnen sei. 
Keinesfalls aber wird er bei dieser Ansicht verharren können, wenn 
der Meister Dürer selbst ihn eines andern belehrt. Und es ge 
schieht dies wirklich in dessen Schriften, insbesondere in der 1525 
von ihm veröffentlichten „Unterweisung der Messung mit dem zirkel 
und richtscheyt" u. s. w., wovon Herr Grimm noch nicht Notiz 
genommen haben wird. In dem an seilten Freund Willibald Pirk- 
heimer gerichteten Vorworte zu dieser Schrift sagt Dürer ausdrück 
lich, daß die so lange verloren gewesene Kunst der Griechen und 
Römer erst durch die Wälschen wieder „zu Tag gebracht" wor 
den sei. Statt die Kunstschüler aus die germanischen Steinuietzen 
und deren Constructionsschlüssel hinzuweisen, empfiehlt er ihnen theo 
retisch und praktisch das Studium der Antike, indem er u. A. sagt: 
„Der allerscharfsinitigste Euklides hat den Grund der Geometrie 
zusammengesetzt", und weist sie auf die „alten Bücher der Griechen 
und Römer" 'hin. Ja, mit dürren Worten sagt er: „So man aber 
von dem ganken Bauwerk oder seinen Teylen reden will, acht ich 
es sey keinem'berümbten Baumeister und werkmann verborgen, wie 
künstlich der alt Römer Vitruvius in seinen Büchern von der be- 
ständigkeit, Nutzbarkeit und zierden der Gebeu geschrieben hat, des 
halb jene auch vor anderen zu folgen und sich seiner 
Ire zu brauchen ist. So ich aber ytzo fürnym ein seulen 
oder zwo leren zu machen für die jtmgen gesellen sich darin zu 
üben, so bedenk ich die deutschen gemüt, dann gewonlich alle, die 
etwas newes bauen wollen, wollten auch gerne eine newe 
Fatzon dazu haben, die sor nie gesehen war. Darumb will 
ich etwas anderes machen, daraus nehm ein ytlicher (jeg 
licher) was ihm gefall und was nach seinem Willen." 
Ich denke, es genügt dies, um Herrn Grimm, oder doch Jedent, 
der nicht absichtlich Äugen und Ohren verschließt, davon zu über 
zeugen, daß Dürer sich aus den Weg der in Italien damals 
herrschenden Renaissance und des Eklekticismus nicht bloß selbst 
begeben, sondern auch die Kunstschüler daraus hingewiesen hat. Er 
ließ sich eben, wie mich sein Freund Pirkheimer, in das Lager der 
Humanisten verlocken, deren Schwärmerei für die Antike und die 
heidnischen Klassiker so weit ging, daß ein Melanchthon sogar kein 
Bedenken trug, an den Kurfürsten von Sachsen zu schreiben, der 
Terentius wäre den Kindern nächst dem Katechismus am bestell
	        

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