Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 38 
aus 
Beilage zum H^mburgischen Correspondenten, 
Nr. 293 , 1876,Dez.10, S. 1 
Srlefutigen, gehalten an her lönigl. UniuerfUät gu ^Berlin 
non ^ermann (Stimm. 
(Berlin bei 2ß. £erß. Sroei S3änbe.) 
Obgleich bie SBctfenhmg in ©oetbe’g Seben unb Schaffen 
gu ben Sieblinggbefdmftigungen beutfeher Scbriftfteßer gehört 
unb obgleich bie ber ©rforfebung beg größten beutfchenSichterg 
geroibmete Siteratur unaufhörlich anroöcbft, ift eg groangig 
;"yabre ber, baß bag lebte gum ©emeingut geworbene 93uch über 
©oetbe an bie Dcffentlicbleit trat, ^ür mehr als ein Surrogat 
bat bie netbienftuoße, febon wegen tbreg Urfprungg böcbft be« 
beutfame unb merlroürbige Seweg’fcbe SBiograpbte betien, bie 
©oetbe wirtlich gelefen batten, niemals gelten fönnen. Söeber 
bie liebeoofle Eingabe, mit melier ber Stfeifafier ft<b in feinen 
Stoff vertiefte, noch fein glärigcnbcg Talent für culturgef<bi<ht« 
Iidbe Säuberung fonnten bafür entfdjäbigen, baß Seweg in ber 
beutfeben Siteratur ein trembling unb in ber ©efebichte beg 
beulten ©eifteg gu unoollftänbig orienlirt mar, um auch nur 
ben gehörigen SUtaßftab fiit bie SCBürbigung beg größten S)i<hterg 
ber neueren Seit gu beftßen. Seroeg rourbe unb roirb gelcfen, 
roeil bie älteren ©oetbebiograpbien uöllig ungenießbar fvnb, 
roeil ber SSctfaffer beg „Life of Goethe“ etu oorgüglidjer 
Scbriftfteßer ift, ber über bie äußeren, ©oetbe umgebenben 
ÜBetbältniffe uortrcfflicb SBefdjeib roeiß unb enblid) roeil eg für 
ung non Sntereffe fein mußte, barüber unterrichtet gu werben, 
wie bag beutfebe Seben beg 18. Sabtbunbertg ftd) in bem 
©eift eincg unbefangenen unb babei roobltnollenbcn gremben 
fpiegelte, ber ingbefonbere bie tßüringifcben Suftänbe ber 
Schüler« unb ©oetbegeit mit nerftänbnißnoüem ©ifer ftubirt, 
mit außerorbentlt er Sebenbigleit unb Slnfchaulichteit gu tilbern 
gemußt bat. 2)ie SBerbienfte, welche Seroeg in biefer SRüdfubt 
errootben, fmb fo groß, bie Säuberungen, roelcbe er non beg 
föicbterg äußerem Sebenggang entwirft, fo angiebenb unb lehr« 
reich, baß roir über ben 9teft gern binroegfeben, unb, ohne baß 
eg ung Ueberroinbung ober Unbehagen fofiet, feine in jeher 
SHüdftcbt ungenießbaren SBerfuche gut Schäftung beg „£affo", 
beg „fjauft" ober beg „SEÖilbelm SJleißer“ überfcblagen. Sn 
einer ©ntfebäbigung für bag, mag Seroeg fchulbig blieb, bat cg 
ber beulten Sefewelt big heute gefehlt. $ie große Sabl berer, 
bie aug äußeren ober inneren ©rünben non ber jßlögltleit 
auggefcbloffen fmb, mit ber Specialforfchung Schritt gu halten 
unb ba, roo fte Sluffhluß unb ^Belehrung perlangen, an bie 
Duellen gurürfgugehen, ficht ftd) pergeblicft nad) einem 93udh 
um, bag bie Summe ber neueften fteflfteflungen über ©oetbe 
gu gießen unb in gemeinperftänblter SEBeife auggubreiten 
gemußt hätte. 
Schon alg erfter SBetfudj gut Slugfüßung biefer Süäe bat 
bag in ber Sluffchrift biefeg S3erid)tg genannte SBetl außerge« 
wohnlichen Slnfprud) auf bie Xbeilnabme ber beutfeben ©efeß« 
taft. ©nblid) ein gufammenfaffenbeg 23u<h über ©oetbe unb 
bag non berufener feanb, enblid) ein Such, bag nicht bie 
grucht gelehrter ßJlofaifarbeit, fonbern bag f)Srobuct eineg bem 
S'unftftubium geroibmeten Sebeng ift! Hermann ©rimm gehört 
gu ben roentgen unfererSdtgenoffen, benen bag ©lüä geworben, 
an einem Snittelpunft mobernen Sebeng unb hoch in birectem 
beftänbigem ©ontact mit ber 2rabition unfeter aolbenen 
Siteraturperiobe emporgefommen gu fein. Scr.er hohe Slbel ber 
beutfeben ©efelifcbaft, ben man por groangig fahren bie 
„©oetbegemeinbe" gu nennen pflegte, bat bie £>eimatb feiner 
Sugenb gebilbet, bie Ueberlieferungen ber Sarnbagen, Slrnim, 
£umboIbt, Sßtarianne SBißcmer, Souife Sepbel u. 21. ift fein 
natütlicheg ©tbe, bie SSertiefung in bie ftintetlaffenfcbaftcn ber 
groangiger unb ber breißiger Sabre fein angeborener föeruf 
geroefen, er bat mit einem SBefift angefangen, ben anbere 
erft burd) bie Slrbeit eineg halben Sebeng erwerben mußte». — 
SBeber für eine föiogtapbie, noch für eine gelehrte Slnalpfe 
giebt bag ©rimm'fche $8ud) ft aug. Slug einer SHeibe atabe« 
mifeber SBorlefungen entftanben unb bagn befttmmt, ©oetbe’g 
ftaupttöpfungen biogtaphifdj gu erläutern, feftt baffelbe 
bie SSetanntfchaft mit ben ^auptmomenten aug bem Seben beg 
3)i<hterg poraug. „®en natürlichen 2lbfd)nitten beg Sebeng unb 
ber porfchreitenbeu %bätigfeit ©oetbe’g" werben ^Betrachtungen 
atigefhloffen, roelcbe balb ben äußeren ben dichter umgebenben 
SBerbältniffen, balb ben ßigentbümlidjfeiten feiner inneren ©nt» 
roidelung folgen, fi<h aber aßentbalben auf bag SBefentlicbe, 
auf bie in ihren SBirfungen maß» unb fruebtgebenben URomente 
bef(hränlen,unb grunbfäßlichanbembloßcn93eiroerloorübergeben. 
SBei bem ungeheuren Umfang beg Stoffeg, beffen ^Bewältigung 
eg galt, bat ber SBerfaffer eine Selbftbefdöränlung üben gu 
müffen geglaubt, roeld)e geroiffe Partien pon ©oetbe’g Seben 
ebenfo bei Seite ließ, roie gange ©ruppen feiner Schöpfungen; bei« 
fpielgroeife fei erwähnt, baß weher ber Sranffurter ©reichen« 
©pifobe, noch beg SSerbältniffeg gu Slnnette Sdjönfopf unb gu 
JBcrifd) in Seipgig ©rwäbnung gcfchiebt unb baß bie für bag 
äßeimarer Sweater getriebenen $rofa«S)ramen (ber ©roß« 
Jopbta, bie Slufgeregten, ber SSürgergeneral u. f. ro.) ebenfo 
unerörtert bleiben, roie bie fatprifdjen puppen« unb Saftnadjtg* 
fpiele ber erften SBeimarer f^abre.
	        

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