© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 38
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nie unb Saffo, bic flare unb anmutpenbe Darlegung über ben
©tpl beg 3Did^terö unb über feine miffenffaftltfen gorffungen,
gulefct unb »or adern bet Slbffnitt über gauft, in melf em er alleg,
mag er über ©oetpe’S Doppelleben alg Dieter unb Denfer unb
über feine ©ntmicflung unb Mengauffaffung gefagt pat, in unBer*
gleiflif er SBeife gufammengufaffen Berflept. Darüber ift nun frei-
licp ein 36er! mie ber „SBeftßjtlif e DiBan" gu !urg gefommen, auf
manches anbere pat fif mit ülnbeutungen begnügen müffen: für
bie Defonomie Bon SBorlefungen ift eben bag ©nbe beg ©emefterg
befiimmenb. Dof mirb man feinen für bag 33üb ©oetpe’g me»
fentlifen 3ng Bermiffen.
©g ift bie ©igenffaft maprpaft großer ^perfonlif!eiten, baff
fte bie piftoriffe Arbeit auf lange, ungemepne Dauer in 2lnfpruf
nepmen. 3ebe§ naffolgenbe ^aprpunbert pat fif mit ipnen auö*
einanber gu fepen, eg mirb naf bem SÖGape feiner ©ntmitflung unb
feiner Slnffauungen tiefer in ipr SBefen einbringen unb ipr 33ilb
fiep immer neu guteftlegen; erft menn biefe piftoriffe Slrbeit auf-
port, erft bann mürbe ipr SBirfen gu ©nbe gepen, erft bann mürben
fte tobt fein. ©o paben bie ^elbengeftalten ber grtefiffen unb
no<p mepr beg rßmiff en 9lltertpum§ bur(p nufere Seit ein eingepenbereg
33erftänbnip unb eine itmfaffenbere SBürbigung gefunben; fo mirb
für bie Heroen beg ©eifteglebeng in ber SSergangenpeit immer
erneute llnterfufung erforberlif unb mit berfelben mäfft ipre
33ebeutung; fo ift Konter »bie abgefpiegelte SBaprpeit einer uralten
©egenmart" geblieben unb beffäftigt unauggefept bie gorffwtg.
@o lebt unb mirft 6utper im beutff en 3Solfe fort; naf ipren
©efiftgpunften unb tn iprer SBeife paben bie Berffiebenen
©efflefter naf iprn fein 33tlb fiep geftaltet; bie ©egenmart mit
tpren 33emegungen pat auf ipn gurücfgefüprt unb in fein ©Raffen
nnb Söirfen neue, big bapin niept geapnte ©inblitfe eröffnet, fo baff
eg ff eint, unferer 3ett erft märe eg Borbepalten gemefen, ein BoUeg
S3Ub Bon iprn gu geminnen. Slepnlif mirb eg mit ©oetpe ergepen.
Unmiberfpref lif pat er eine na<p Bielen Stiftungen fif erftreäenbe
©intoirlung auf bag ©eifiegleben unfereg 2$oIfeS geübt, menn auf
nift fo nnioerfeü alg Shttper. Dag fepen mir mit Älarpeit, bap
er b A ^. ©rftepen einer SBeltliteratur angebapnt unb ben ©intritt
unferer Literatur in biefelbc ermßglift pat; nift minber auf bag,
bap er unferer ©praf e fein ©epräge aufgebrfteft unb jie erft maprpaft
befäpigt pat, in allen geifern t> e g geiftigen ©faffeng ben ©ebanten
ipren entfprefenben 9lugbruc! gu Berleipen. Die pßffte ©inpeit
ber ©prafe unb Literatur, melf e bag beutff e fßol! fe gefepen pat,
gept auf ipn gurücf; an ipn fnüpfen fif auf ipre 26trfungen; fie
bilbet bie breitefte unb ftf erfte ©runblage, auf melf er bag neue
Steif erftanben ift, grabe mie ipr, alg fte gum erften SDRal Bor
einem Saprtaufenb mirffam mürbe, Deutfflanb feinen Stamen unb
feine ©pifteng nerbantt. SJtan fiept, mie burf bie ©egenmart ein
neueg 6ift auf bie Sebengarbeit ©oetpe’g fällt, man ertennt bie
SSereftigung ber piftoriffen gorffung, melfe mit ben neu ge»
monnenen ©efiftgpunften in fein 2eben unb Diften bringt. Die
©effifte mirb fo naf bem befannten SBort eine rütfmärtg gemenbete
?Proppetie. £. ©rimm pat bag SSerbienft, bap er ung ©oetpe
guerft in eft piftoriffer SOÖeife geffilbert pat. Darum nimmt fein
33uf nift nur eine peroorragenbe ©tellung in ber ®oetpe»6iteratur
ein unb barf ber entgegenfommenben Speihtapme aller gebilbeten
Greife gemip fein, fonbern eg pat auf einen bleibenben SBertp,
auf menu einmal ein fpätereg Urtpeil ben Stapmen beg S3ilbeg alg
gu eng unb manfe Linien alg Bergeifnet erfennen follte. —
/rank: <&rfd)id)te to föationalistmia unk frinrr
(Ükgcnfü^e x ).
ttafbem bie Hoffnung, bap Spolucf feine gebiegenfte unb
reif fte geffiftlife Arbeit, bie begonnene ©effifte beg Stationa*
J ) ©effifte beg Stationaligmug unb feiner ©egenfäpe
»on Dr. ©. grant, $)rofeffor in Bien. Seipgig. Cartel. VI unb
410. 3ugletf alg britter 33anb ber „©effifte ber fProteftantiffen
Speologie"; ton ber beutff en Slufflärung big gnr 5Uütpegett beg Station
naligmug 1750—1817.
ligmug Bollenben merbe, gering gemorben ift, mar ^»rofeffor ©.
grant berjenige, Bon bem man guerft eine ©effifte beg Stationa»
ligmug ermatten burfte. Staf gepnfäprigem 3®iffenraum pat er
biefelbe nun alg britten 33anb feiner ©effifte ber proteftantiffen
Speologie auf ben gmeiten folgen laffen. Die lange Dauer ifl bem
SBerte gu ©ute getommen; eg erffeint naf gornt unb Snpalt ge
reifter, ber ©tanbpuntt beg SSerfafferg mapBoller unb gerefter.
graut ff reibt befanntlif in ber Spanier |>afe’g, er faracterifirt
bie S)erfonen mit tpren eigenen ober iprer 3eitgenoffen SBorten unb
maft burf folfe fPortraitirung ber ©ingelnen ben aUgemeinen
©ang ber ©effifte lebenbig. ©o merben mir im erften 3lbffnitt
beg üßuf eg burf eine ©allerie ber Slufflärer gefüprt, bie bie ©frift
gelten laffen mollen, biefelbe aber burf bie 2lccommobationgpppo»
tpefe fif bienftbar maf en. Spnen gegenüber fiept bie Steipe ber
SJtänner, bie burf ©efüplgBertiefung ein peilfameg ©egengemift
gegen bie Steologen bilbeten, Sengei, ÖaBater, ^amaitn unb
ipre greunbe, unb gulept Berber. SJtit Äant läpt ber Ser faff er
treffenb ben eigentlifen Stationaligmitg beginnen, ber bie Sernunft
allein auf ben $£pron fe^t, unb bie fPerfectibilität beg ©priften»
tpumg leprt; barum pebt auf mit Äant, bem gifte unb ©fel
ling in ipren früperen ©tabien angereipt fhtb, ber grneite 3tb*
ffnitt beg äßerteg an. Spnen gegenüber ftepen bann bie Sfeolo«
gen beg gefunben Sftenffenoerftanbeg unb bie Häupter beg ©uper«
naturaligmug.
3n nift menigen 5|lunlten pat bie reife Selefenpeit grant’s
Sergeffeneg an’g 6ift gebracht, bag ©ange ift geiftreif unb anre*
genb geffrieben. ©otlten mir begüglicp ber DarfteUiutg einen
SJtangel berüpren, fo märe eg ber, bap fte gu Biel ^itanteg bringt
unb gu menig Stupepuntte für tunffauenbe unb einbringenbe Se«
traftung pat. lieber SSlanfeg, mc$ gefagt, mag auggelaffen ift,
mirb man big gum ©rffeinen beg folgenben Sanbeg bag Urtpeil
fugpenbiren müffen. Unfere 3eit fiept in fo Bieten Segtepungen
unter ber ©inmirtung beg alten unb beg mieberaufgeftanbenen Sia*
tionaligmug, bap biefe erfte grünblife unb umfaffenbe ©effifte
beffelben banfbar Bon ung entgegengenommen mirb. —
Citeratur.
^Irebigtbuf auf bie geft», ©onn» unb geiertage Bon
©. Stpeurer, ©tabtpfarrer an ber ©tiftgtirfe in ©tuttgart.
Stuttgart, ?)aul Sliofer 1875. Sroff. 6 SJt. 20 5ßf.; geb. 7 SJt.
50 sßf. ©. 855.
©in Saprgang 5prebigten aug ber £>eimatp ^)ofa(fer’g ift
ung immer eine beaftensmertpe ©abe. SBir finb gemopnt, Bon
bort reife unb Bolle ©amentorner gu empfangen, unb fepen febeg
neue Suf gern barauf an, ob eg ben alten ©eift lebenbig in fif
trägt. SSpeurer’g fßrebigten finb nun mirtlif tßftlife 3cugniffe
eineg lebenbigen ©laubeng: tief unb einfaf, mäftig unb anbrin«
genb, freubig unb nüftern, gang eingetauft in bie Sebengftrome
peiliger ©frift unb bof treffenb angemanbt auf bie Slotpe unb
Kämpfe, bie Serfufungen unb ©efapren ber ©egenmart, atpmen
fie reft ben ©eift, ber in unfern Sagen Stotp tput. ©ie finb aller*
meift über Septe ber beibeu SBürtembergiffen ^eritopen-Saprgänge
gepalten; aber bag mirb fte, poffen mir, nift pinbern, auf ben
©liebem anberer $irf enfreife bie ©rquiefung unb Anregung gu ge«
mäpren, bie mir felbft beim 8efen baraug empfangen paben. —
Cringegangen fitcbcögabctt.
fiir bic bebrängten Cljriftcn in ber ÜDiitkci:
1) burf bag Stuttgarter en. ©omttagSbl. 8. ©enbung 211 üöt. 2) non
g. ©. £. in ©. 10 W. 3) ©. S>. 3 m.
für bie Ütiffiun unter betv €oll)»:
burf bag Stuttgarter eo. Sonntaggblatt G2
für bic berliner ötabtmiffion:
burf bag Stuttgarter en. Sonntaggblatt 27 3)1.
für ba* Utagöalenenftift in Berlin:
©. 9). 3 3)?.
Drurf Don ©ebr. Unger (Sp. ©rimm) tn Berlin, Sfönebergerftr. 17a.
J&ierju brei Beilagen*