Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

S^tje^nter 
9? cue 
3<tl)raang. 
dtmngelifdje ^ir^en^eitung. 
3Utf DetanllaUung Des beutfd)tn 3 to tips iies (Etmngclifdien CBttnbrs 
SBBcfyentltcfy ©cnnaDenbg erfdjehit 
fine Summer Bon 1 Segen. 
Steig ßafbjäCjrltdj 6 Siarf. 
herausgegeben unb rebigirt 
oon 
Hermann SSFleftiter, 
Soctor unb fProfeffor ber Speologie cm bcr Untoerfitcit Berlin. 
Sü^otüer Ufer 11. W. 
Beftetlungen auf biefe 3eitfct?tfft 
nehmen afle Sudfflfattblungen uub 
Softanftalten an. 
Jt 51. 
Berlag non ftrtebt. ©djulje in Berlin. 
Wilbelmfirahc l a. SW. 
Berlin, Iren 16. jBejember. 
1876. 
3ötr bitten uttferc geehrten fiefer, &a# Slbonncmeitt auf fcte „9icuc ©vattgeltfifc* &it($cil$eftitttg" 
für &a# 1. «^albjabt 1877 bet beit betreffenben bBndifMtn&luitgeu über ^Joftanftaiten möglidjft halb 
crneitern jn tvollcn. 9tameutHcb erfliegen tvir bte Abonnenten bet bcr Sßoft, bic 5$cfteMung ntefit erft 
in ben testen Sfcagen biefe# Söloitat# aufzugeben. 33ei verdateter &eftcftung tvcrbcit bte bereite 
erfcfitcncncn stummem von ber betreffettben ^Joftanftatt ttnr auf mi#brücf’(tcfic# Verlangen be# Abonnenten 
itnb gegen Cviu;rtblung von lOSßf. nacbgcltefcrt. 
3nIjoIt. Sie ©tbeSformel. — Sie ©tatiftif ber firä)Iiä)en Sitte in ber eoatigelifchett öanbeöfiriä)e ^reufjcnS für baS Sah* 1875. — Unfete »o!fS= 
mirthfchaftliche ÄriftS. III. - AuS ber Refibenz. Y. — Sie facfjflfdje 8anbe$fpnobe. IV. — Belgifd)e Suftänbe. — SRarcuS Äonig öon ©uftao 
^reptag. — ©oethe. Borleftntgcn von Cpetmann ©rttnm. — §ranf: ©efdu.pe beS Rationalismus unb feiner ©egenfäfee. 
Literatur. Steurer: fprebigtbudi. 
€ingegangenc fiebesgaben. 
Die (Eiöeöformel. 
Ülurd) bte Beratung ber Suftizgefehe im Reichstage ift bte fchmte* 
rige unb ernfte $rage ber ©tbeSformel tvieber einmal auf bte SÜageSorb- 
nung ber ©egenmart gefomuten. Sie RegterungSvorlagehatben©<hmur 
bei ©ott bem Allmächtigen unb AUmiffenben feftgeljalten unb auch bte 
BetheurungSform: fo mäht mir ©ott helfe, befielen laffen. Sie ©om- 
nttffton ift biefer Anfchauung beigetreten, unb ber Reichstag hat btefelbe 
bei ©elegenheit beS ©chßffenetbeS mit großer SERajorität befräftigt. 
Ser Abgeorbnete ^)erj hatte hier ben Antrag gefteUt, jebe Beziehung 
auf ©ott megzulaffen unb nur baS Wort: „fdjmoren" beijubefjalten. 
Sn biefer Allgemeinheit mar ber Eintrag non vornherein unan 
nehmbar; ber Abgeorbnete von Buttfammer hob mit Red)t her 
vor, bah ber ©chmttr bei bem perfßnlidjen ©ott etn in Seutfchlanb 
geheiligter unb noch immer von bem Betvuhtfein ber Nation getra 
gener ©ebrauch fei; eS femte nicht rathfam erfd)etnen, um einer 
ÜRinorüät von Sltheiften mtUen biefen ©ib abpfRaffen. Sn ber 
Shot liegt in btefen betben Argumenten AUeS, maS fich für Beibe 
haltung beS ©ibeS fagen läfjt. Ser ©tb ift nur burch bte Bezie 
hung auf ben lebenbtgen ©ott ein mirflicher ©ib; bie gormel ,,id) 
fchmore" bebeutet bie Abfchaffung beS eigentlichen ©ibeä unb ben 
©rfafj beffelben burch eine feierliche Berftcheruttg. 9lun Ißnnte man 
freilich fagen, baf; eine folche ©tnri^tung gläubigen (S^rtften fehr 
ermünfeht fein ntü|te; unb fortgefchrittene Atheiften haben ed ni^t 
unterlaffen, bie Aufhebung beö ©ibeg für befonberö ^riftlich ju er- 
tlären. Aber mir finb eben feine fDtennoniten; eine gefunbe @ye- 
gefe ftnbet ben ©ib bor ber Dbrigfeit burch bas SBort ©h r ip nicht 
»erboten. Ser ©ib ift ein unentbehrliches ^Rechtsmittel jur ©rfor- 
f^hung ber SBahrheit ?unb bie ^ir^e hat ihn nie »ermorfen. Sa§ 
granfreich unb Stalien bie blo§e gotntei: „ich f<hwßre" gebrauchen, 
fällt für uns nicht in’S ©emicht; eS giebt ^ivifc^en fRomanen unb 
©ermanen tiefgreifenbe Unterfchiebe, bie man nicht nitoeUiren foil. 
AnberS liegt bagegen bie @ad)e, menu eS ftd) barum hanbelt, 
für Atheiften eine Ausnahmeformel gn fchaffen. fpier halten mir 
eS ebenfo unter bem ftaatlichen mie unter beut religiofen ©eftd)tS- 
punfte für unbebingt nothmenbig, eine 3xücfftd)t malten ju laffen. 
@inb and) biefenigen 2l)oren, meld;e in ihrem «öerjen fpredjen: eS 
ift fein ©ott, fo ift eS bod) unntßglid) bei bent ©ib biefe SÜhorheit 
Zu überfehen ober zn oergemalttgen. Sah eilt 5lRenfd) bie Wahr 
heit befräftigen foU, inbem er gegen feine Ueberzeugung einen ©tau 
ben hechelt, ben er nid)t tt)eilt, ift eine üble @inrid)tung. Sie 
Äirche muh eS nod; mehr als ber (Staat münfd)en, bah foleh er 
Unmahrhaftigfeit ein ©nbe gemalt merbe. ©S ift fet;r beadhtenS- 
merth, mie ft<h bte Meinungen hierzu fteUen. ©tn Auf fait in ber 
„©egenmart" behauptet, „ber mirflich frei benfenbe SJlenfdb mürbe, 
menu es feinen ÜUUtbürgern Vergnügen machen ober Beruhigung 
gemähren mürbe, beim Salai 8ama ju fehleren, feinen Anftanb 
nehmen; ©tbmeigerung oon linfS bemeift nur, bah ber Bermeigernbe 
auf bem Stanbfiunfte eines geglaubten Unglaubens ftet)e unb fich 
im ©runbe nod) oor bem fürste, maS er leugne/' Wir müffen 
geftehen, bah unä bor biefer falten Frivolität ein ©Räuber über- 
fornmt, unb bah ltng ber ©tanbeSbeamte ^offeri^tet, ber megett 
©ibeSüermetgerung fein Baterlanb »erläht, um bem ©efättgnih z« 
entgehen, als ehrenmerther 9Rann erfc^eint oergli^en mit jenem 
grauenvollen SnbifferentiSmuS. Aber eben biefer Fall bemeift 
bod), bah hi« eine ©emiffenSangelegenheit zu erlebigen ift. Senn 
maS bte „Äreuzzeitung" forbert, bah e iu ©ibmeigerer einfach aller 
cpolitifchen Siechte üerluftig gehen foUe, ift bei bem heutigen ©taatS- 
begriff nicht burchzufe^en unb überhaupt nicht zu »ertheibigen. @S 
muh febenfaUS, mie ben SRennoniten um ihrer irrigen, meil zu 
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