Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

,u ,l 
tärifte Kräfte in 2tätigfeit gefegt werben tonnen, um brohen* 
gegäbt werben, er gehört in ßefftng’g unmittelbare ®efolgfdjaft 
unb I)at ftd), wie ®ritnnt mit Stecht bemerft, „ein Spiebeftal ge* 
ftaffen, auf beut er innerhalb ber beutfdjen geiftigen ^Bewegung 
not lange ficf>tt>ar bafteljen wirb". 
(Sine anbcre längere 33cmerfung im ÜBorberidjt begieht fit 
auf (Schiller. Sötan hatte an ®riimtt’g Urtheil über Sd)iller, an 
feiner SDarfteßuug beg 23erl)ältitiffeg gwiften ben beiben grofjen 
Richtern, befonDerg in Sübbeutjdifanb, Slnftoh genommen. „So 
id) in biefen SBorlefungen non Sd)iller fpvcd)e", jagt er fe^t, 
Jute Ich bie £ljatfad)en unb bag g)erföulid>e fo fühl gu ftd* 
bent unb fo ruljig gu beurteilen, wie bei ©oethe, Berber, 
ßeffing, Klopftod tiitb ben Slnbern. Dag SBergänglite il)reö 
©rbenlebeng war nid)t ber uornehmfte Präger ihreg UiuTuneö. 
tpcljere Kräfte waren in fte eingefentt unb tarnen gum Slug* 
brute. Der ©riinb, Warum fte unterblieb genannt werben, 
liegt in ihren Schriften, bie jencg ©efübl erweden, man 
habe mit fPerfÖnIid)feiten gu thun, bie fortarbeitenb not in 
unferer SDRitte wirten." Unb einige Seiten weiter: „©g liegt 
etwag ^elbenhafteg in Stdler’g 33erfen. (Sr muffte beut beutften 
SBoltc bie SUjlumg feiner Kraft unb ©röte gu geben. Die ge* 
nteinfame S3egeifterung, bie wir für Sllleg entpfiubeit, wag ung 
ftart unb fiegreit mad)t, erfüllte ihn unb er muhte fte mttgu* 
teilen. So er auftritt, ift eg, alg ob fid) eine groffe fjahite 
entfaltet, auf ber heilige Sorte ftelten, bie Deutfddaitb burdj« 
raufd)en. (Sr befaf) bag ©ebeimnijf, einfad)e Sorte mit einem 
ungeheuren ©to gu umgeben, alg ob ungültige Stimmen fte 
ton allen Seiten her wieberholten." ÜJian fann bag innerfte 
Sefen ber Sd)iUer’fd)en fPoefte in einem turgen Safce nid)t 
leffer unb fd}öner begeidjnen. Slber nidttgbeftoweniger Wirb 
feber feinfühligere ßefer aug Örintm’g Darftellmtg bot heraug» 
lefen, baff feine Sympathie fid> m$r ©oetlje, bent ÖJtenfte« 
wie bem Ditter, alg Stiller guneigt. Darüber ift ja nun fein 
Sort gu oerlieren. SCRit unb Slttbere hat aut nur geWunbert, 
bah fötimm in Sd)lUer’g fiebenggang, ben er einen „gehegten" 
nennt, gu fehr nat unferer SDReiitung bie forlftreitcnbe 
Klärung, ben ftegreidjen f$lug aug Trübung unb Dunft 
gu ber £>öbe reiner unb ebler SORenftÜtleit mtb barnit 
bag _ fßorbtlblidte biefeg Dafeing für alle geiftigen 
Slrbeiter überfeinen hat. Dag Sieben ©oetlfe’g Eöititen 
nur bie ßieblinge beg Stidfalg führen, allen Stteffinbern ber 
SRatur hat Still« ben Seg aug (Slenb, SXrbeit unb Drangfal 
gum £)lt)tttp hinauf gegeigt, er ift ber £erafleg in unferer 
ßiteratur. Dag, wag föoethe nie getan nt, bie gemeiHe Sorge 
um bie SRotfjbuvft beg ßebeng, hatte er beinahe taglit gu leiben 
mtb gu beiämpfen. Sott’ ein Kampf hat nid)t nur feine 
“ to iff 
heroifte, fonbern aut feine Eleinlidje mtb fläglidje Seite. Slber 
©teuerbchöiöe uuD oeraulagt ba8|ö5cfd)äft in SRheinüju^ngi 
ber £elb, ber ftegreit barattg feeroorgel)t, 
It ü 
bornehmen Stmteg 
unb fledettlofen ©emütlfg, ift -aift int gerfetyten unb beftaubten 
©emaube bewunberunggwerti), um fo bewunberunggwerther, ba 
er neiblog auf bett glüdiiteren SRebeitbitbler ftaut, bem „fton 
bor beg Kampfeg Söcgtnn bie Stläfen befräugt ftitb" — „ihm 
ift, el) 1 er eg lebte, tag bolle Sieben gevetnet, el) 1 er bie 9Ml)e 
beffanb, hat er bie ($l)aviö erlangt". 
©ine ^Biographie ^oethe’g wollte ©rirnnt eben fo Wenig 
gehen, wie eine phtlologifte Kritif ber ©oethe’ften Dichtungen. 
3n tiefer 8Iblel)nuttg jeglid)eu Kleinirantg bon ber Sperfon wie 
bon ben Seiten beg Ditterg liegt ein $auptborgug beg trefj* 
Uten 23ud)eg. ^laftifd) unb ebel, boll Roheit, trttt und bte 
groffe ©cftalt, treten uttg ©öfe unb Seither, 3pt)lflenie, Saffo, 
g-auft entgegen. Sie genau fit aut bie Davftellung im ©in* 
gelnen an bag 2:hatfäd|lid)e hält, fd)webt fie bot barüber unb 
eutfühvt bett ßefer mit in ihre Öfeoaufenweft. Db fte uitt, bor 
Slüem int ^inbltcf auf ihr evfteg ^ttblifitm, bie ftubirenbe 
Sugeub, gu biel bovaugfefct, ift eine $rage, bte ber ßefer 
bieUeidjt aufwirft, ohne bot bon ihr fonberlit berührt gu 
werben, ©rimm nimmt im ©runbe au, bah Wir alle in 
föoethe’g Serien unb Briefen fo befefen ftnb, wie er: ähu* 
lit wie Dftaufe in feiner ©efd)id)lfd)reibung immer bei bem 
eine annäf)crube Äenutitifi ber ^Begebenheiten unb ^)er* 
ßefer 
föulitfeiten, bon benen er fprat, für felbftberftänblit hielt. 
JC>ier unb bort, am eingeheubften in ber Sd)ilberung ber^ugenb 
föoethe’g, fetneg Slufenthaltg tn ßeipgig, Strafjburg, Se^lar unb 
granffurt, feiner DRhdnreife gu Sophie ßa 9iod)e, gu ben ^acobi’g, 
jeineg SSerljältniffeg gu gneberifeit unb (Shaviotten, weih Qfcrimut 
amnuthig gu ergäben, aber ftetg in einer Seife, alg fpräte 
er nur aug, wag wir ebenfo gut wüßten, unb woran er 
mtg mir erinnern wollte. Die Stärfe uitb bag (Singigavtige 
biefer 33orlcfuttgcn liegt in ben 33etrad)tmigeit über Göoethe’g 
|)evfönl.id)teit unb Sirtfamteit, über ben Sufantmenhang 
feiner Dittungen mit ben allgemeinen 3b«n, in ber groß* 
artigen Sluffaffung feineg ßebeng. Ucberall fül)U fi^ her ßefer 
halb bon bem Stiefftim mtb ber weiten Slugfttt, bie ftd) bor 
ihm eröffnet, gefeffelt mtb gu eigenem 9Rad)benfen angeregt, halb 
bon ber fd)önen unb fd)Iicf)tcit 9)ienftlid)feit wof)ltf)itenb berührt, 
mit ber ©rintm aitt bte angreifbaren fünfte in ©oethe’g 
ßebengführuna barftellt mtb eutwidfelt. SRnt SDRögfitteit ber* 
nteibet er ßob unb Sabel, er fud)t fUtenfdjcn unb Dinge im 
flarften mtb ruf)igften ßicfjte ung borgufübren. Seber will 
er Weifer unb bejfer alg Goethe felber Wiffen, Wag il)m ge* 
frommt, ob et fit nitt bon ^^ifherifen hätte trennen, fit 
nitt ©fjnftiane 33iilpiug gu feiner ßehenggefäf)rtiit wählen 
folien, nod) burch fühne C)V)potl)efen mtb Settel* 
auggrabungen ergritnben, wag fiter bot n { tt mehr 
gu ergrünben ift. 3 m, ner hält er mtg im SBanne beg (j^efammt* 
bilbeg. 9luf German ©riintn hat fton in ben 3üngIinggjaT)i’en 
bie Slnftaumtgg* unb Darftellunggweife ©merfon’g einett ttad)* 
haltigen ©influh geübt: gu feinen früheften ftriftftelleriften 
Slrbeiten gehört bie Ueberfcfjung beg ©merfott'fdjen Sluffa^eg 
über ®oeti)e. ©nterfon hefi^t bag feftene Saleitt, fein Singe 
ttidü bon beit 3nfälligteiten unb bem 9Rebenfätlit«t einer ©r« 
fteinung beirren gu laffeit; er fuefjt unb fittbet ftetg ihre groyc, 
eigenthümlite Umrihliuie, bag Bleibenbe unb Äernhafte in tf)r. 
©ewth taut ihm bei biefer 23etrattung ber Dinge 
bie Urfpvüuglitteit mtb S3orurtl)eilglofigfeit ber arnerüa* 
nifd)en S3ilbung gu Jpülfe; in ber SBlütlje feiner 
Sirffatnfeit, in ben fünfgiger 3al)t'en beg 3al)rhunbertg, war 
bie Kultur, bie Seltanftauung ÜRorbanterifa'g nod) itid)t bon 
europäifdjen Slnfidjten, Kunfturtheilen unb gelehrten Keitntuiffcn 
buvd)feüt: (Goethe war ein Phänomen, wie ein ^pimmelgineteor, 
feilt „$fluft" Wttrbe not nitt, wie iept, in engltfd)cn unb 
beittfdjcn Staufpielhäufern aufgefüf)rt, feilte Serie ftauben 
not nidjt in ben S3ücberfcT)vänfett ber Privatleute. So weit 
eg einem Deutften möglich f«n fann, hat fit aut ©rimm 
biefer ©merfon’fdjen f^veitjeit mtbSRuhe ber 33eobad)tung (äoetl)e 
gegenüber befleifjigt unb wo unfere genauere Kenntttih bon ben 
^Begebenheiten, ben ©harafteren mtb bett Serien eine frldje 
SRaioetät unb fBoraugfefjunggtofigieit ber Sluffaffung nid)t mehr 
geftattet, fte burep ben Siefflun unb ben öodjflug feiner ©e* 
banfen erfe^t. 
3n biefer ^infld)t gehören bie erfte fBovlefttng, Wette ein 
©efanimtbilb ©oethe’g entwirft, unb bie fetgehute, flebgehnte 
unb attjehnte, in beiten ©oethe’g italienifte Steife, fein Sluf* 
enthalt tn 8Rom, feine ^cimiehr nat Setmar mtb bon ben 
Serien bie fBollenbung ber Sphigente, Saffo unb bte römiften 
©legicn gefttlbert unb 6efprod)en werben, gu ben perlen beg 
S3uteg. ©rirnrn gefeilt ©oethe alg bierten gu ben Seltbittern, 
Router, Dante mtb Shafefpeare. Sag jene für ©rtedjctt, 
Italiener unb ©ttglänbcr gewefen unb not ftnb, ift ©oethe 
für uttg .. „wer weih, Weite Slemter ®oetf)e für Deutftlanb 
not bovhel)alten ftitb in guiünfttgen Sanblungen unferer ®.e« 
ftide". Dag 9Jienfd)lid)e unb Sufälltge an ihm wirb allmählich 
mehr unb mehr berftwinben, wie eg hei £>omet gang, bei 
Dante unb Sljniefpeare gum gvoffteu Dheil berftwunben ift. 
Um fo heller unb bebeittfanter tritt bag Unfterblite hemor. 
„Sie ein ntätttyer Strom, auf bem Weber gefät not geerntet 
Wirb, aber ber bte gewaltige Slber ift, bte bag ßanb belebt, 
ohne bte ein $olf fhtmm unb berlaffcn wäre, fo belebt unb 
beherzt ©oetlje’g ©eftlbe ber Strom feiner Dittuug. 9)iag
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.