Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 38 
aus: 
Der Bund,Bern,Mr.71 
1888,Mrz.12,S . 1 
£>mttann ©timrnS ätorfefuttgett «Der ©octpe. 
Siterarifcpe Sinnige bon J. V.W. 
„SEelcpeS iß baS beße ©uep über ©oetpe?" SÖßenn bieje Stage 
in beulten Sanben laut mirb, — unb pe mirb unzählige üttale 
laut, — pßegt ber ©mppanbler, bet fr.prer, bet ©ater, fur§, roer 
ba als ©ertrauenSmann gelten barf, in bet Siegel mit achfel* 
judenbem ©ebauetn §u antroorten: „Seiber pat fein ©eutfci&er 
baS beße ©u<h über ©oetpe gefepruben. @8 gibt ein ganj bor* 
treffliches SCßerf übet ©oetpeS ßeben unb ©ieptung; abet einen 
©nglänber pat es jum ©erfaffer. @8 ift baS ©uch bon SemeS, 
ins ©eutfd&e überfeist bon 3uliu8 grefe." 
©iefe Mntmort iß auch ganj forteft gegenüber bet Süteprjahl 
bet Sragepeßer. Seßlere pnb bormiegenb junge Seute, ©ismnaßaßen, 
in ber Siteratur nafdjenbe ©amen, gebilbete ßkrjonen aus bet 
©efcpüftsroelt, bie einmal unb nicht raieber eine gute ©arßeflung 
be§ SebenS unb ber SBerfe ©oetpeS burchßiegen rnoßen, bieS teil« 
toetfe auch, um ßcp ba§ ßefen ber meiften 2Berfe beS ©icpterS ju 
etfparen. ©iefen aßen leiftet baS bortreßlidje ©ucp bon SemeS 
bie bepen ©ienße. ©in flarer (Seift maltet in biefer ©oethe* 
©iograppie, augleidp ber feffelnbe $on geißreicher Unterhaltung. 
SBenn ber gefunbe ©erfianb in ©erfon ein ©uep über ©oetpe 
hätte fepreiben roo'Jen, et hätte es nicht anberS anfangen fönnen 
als Seme«, bem unter aßen Umfiänben baS ©erbienß bleibt, ge* 
Wiffe ütbneube fraupilinien gejogen ju haben, an bie auch Spätere 
©iogtappen ß<P hatten müffen unb gerne halten. 
Uber mie übet ein ©t)nopt'tfer»©bangelium mit feinem tela* 
Üben ©alfüchlicpfeitScharafter ein 3ohanneS»@DangeIium mit feinem 
ßaufd&en auf ben frerjton beS ©MßerS in manchen ©emütern ben 
©ieg babonträgt unb mirfltcp bon einem jünger ^er^utühlten 
fdheint, bet am £>erjen Sefu lag, fo ip auch für bie ©tjaffung 
beS innetPen SBefenS beS ©icpterS ein literarifcpes SBerf benf* 
bat, baS bom 3kußerlicpen bet SebenSerßpeinung tiefet auf bie 
ernige ©ebeutung bes ©eniuS eingeht unb jugleidb inß SIQgemeine 
weite ©etfpeflibm eröffnet bon teilmeife philofoppifch'fpefulatioem 
©haralter. 
Unb ein folches ©u<p übet ©oetpe ip — erfreulicher Sffieife — 
nicht bloS benfbat, eS ift mitflich borhanben unb jtoar fchon feit 
geraumer Seit, ©och hat es eben jefct mit ber bi er ten Auflage 
einen neuen ®ang angetreten unter bem Xitel: ©oetpe. ©or* 
lefungen, gehalten an ber fgl. UniberPtüt ju ©etlin bon &er» 
mann ®rimm. (©erlin, SZBilpeltn &erß.) 
(58 märe nidjt fein, unfern Sefern ftetmann ©rimm, ben be* J 
rühmten Sßerfaffer beS SCßerfeS über ©ticpel Slngelo unb fo bielet 
anberer bebeutenber ©cpriften auf ben bermanblen ©ebieten bon 
©oeße unb bilbenben fünften erp mit bieten Söorten borPeßen 
ju moßen. @r ift einer ber ©lüdlicijen, ber baS «noblesse oblige«, 
baS in einem ererbten berühmten tarnen liegt, ju erfüßen bie i 
©igenfraft befiel. ©aS tragifche ©efepid ber ©nfel ©oetheS, baS 
er in bem ©orbetiepi jur bermeprten Auflage biefeS feines ©ucpeS ; 
fo treffenb fcpilbett, biefeS Erliegen unter ber Söudjt bcB Spn* j 
perrnfcpilbeS, ift nicht baS feinige. SRflßtge ©ebanfenarbeit bon I 
Sugenb auf hat ihn babor bemaprt unb bon Saht ju 3apr hat 
er feine geißigen ©eßptümer fo gemehrt, baß er nun ein eigenes 
gürftentum in ffunß unb SEBißcnfcpaften ju bermalten hat. 
3n feinem IBuch über ©oethe nun hat er bie Frucht lang* 
jährigen ©tubiumS niebergelegt. ©iefeS ©tubium aber mar ni^t 
bon ber 2Irt fo bieler beutfeher ®oethe s t$orf<ber, bie nur angebti^ 
nad& ©<hät|«n graben unb froh pnb, roenn pe 9iegenmürmet pnben, 
bie pe eigentlich fuchen. Ohne Stccifcl mirb jmar auh ^ermann 
©rimm aßen ben Rleinfram, ber heutzutage bon ber 93efchäftigung 
mit ber ©oethe*ßiteratur nicht su trennen ift, burchgearbeitet haben. 
®ber, menu anbete mit mähret Regier in aß bem untergeorbneten 
33eimerf mühlen unb ben SölidC nur feiten auf« ©anje rieten, fo 
fbürt man bagegen bei £>«mann ©rimm ben glügelfchlag mächtiger 
Sblerfchroingen, eines ©elftes, ber nur ungern, notgebrungen, in 
bie Sicherung Pch fenft unb immer miebet bebacht ip, emporju* 
peigen in bie Sonnenhöhe groper, aßgemein mertboßer ©ebanfen. 
Sin oft mipbramhteS 2Bott barf man baher bon biefem ©oethe* 
HuSIeQer anroenben: er iß bem großen ©iepter fongenial, bieS 
namentlich in IBejug auf aße bie SBeiSheit, bie in ©oetpes 
©dpriften niebergelegt iß, mäprenb man bießeiept ba, mo eS ß<jp 
um bie Snterpretation ber primären poetilcpen ©mppnbung beS 
©IchterS panbett, pie unb ba ein felteneS gragejeiripen ju ©rimmB 
3luffaftutig fepen bürfte. 
©3 liegt natürlich außerhalb ber ©rennen eines SßlaiteS, baS 
nicht literarifcpeS Sacpblatt iß, hier auf eine eingepenbe Sffiürbigung 
ber bierten Auflage bes ©timm’fcpen Ruches cinjutreten. 91ur eine 
Slnjeige moßten mir fepreiben. ©odp möchten mir ben Sefern 
menigßenS feigen, mie ©rimm fepreibt, unb ba mit jugleich ben 
begreiflichen SCßunfdj hegen, ipnen etmaS mitjuteilen, maS ße noch 
nicht gelefen haben, geßatten mir uns einen furzen 3luSjug aus 
bet SBorrcbe ber bierten Auflage, eben bie ©tefle über bie ©nfel 
©oetpeS, jene beiben nun betßorbenen ©rüber, mclcpe bie ©chmeße 
bcS nun jutn ffiationalmufeum geworbenen ®oethe*^aufe8 mit faß 
feinbfeliger Unnapbarfeit bor jebem ©inbringling gepütet haben, 
©ie ©paralterißif, meldpe ©rimm gibt, laßen mir morgen folgen.
	        
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