Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Goethe

Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 38 
Fn Seranlaffung Pon Hermann ©rimm^S: 
$meite Stuflage. Serlin. £ertj. 1880. 
Sou JltauS Cfcotfj» 
III. 
Sßernt idfe nun noch fürs ermähne, bafe idfe 
unter befonberS günftigen Umftänbcn ober Piel* 
mefer freunblicfeer Führung jeben Fled in SBei* 
ntar unb Umgegenb bis 3^na betreten, beit 
©oetfee gemeint, fo bin ich für mich am ©nbe. 
Der lefete ©efretär ©oetfee’S, Dr. ©dfeudfearbt 
geigte mir, ich meife nicht burdfe meffen Stuftrag 
ermächtigt, ©oetfee’S ipauS, öffnete mir bie ©cfeieb* 
laben feiner Sammlungen ic. ^eber SBinfel 
tourbe mir auf meine begierigen fragen nach 
einzelnen befannten Vorgängen burcfe freunblidfee 
Stntmort lebenbig. F<h tarn aus einem gemiffen 
©dbauer ber (S^rfurdht gar nicht feerauS. Fk ber 
Sibliotfeef befah ich mir bie Süften ©oetfee’S 
unter Seitung Pon Dr. Körner, ber mir, felbft 
begabt mit ©timme, bie mächtige beS alten 
£>errn Pormadfete: mie er fie, bie SBeimarer Fun* 
genS, angerebet, ermutigt, gefcfeolten, menn er 
fte beim ©piel, bei Schlägereien ober fonft ge* 
troffen. F<h mar in ©tterSburg unb mo nid^t 
fonft: immer Pon miffenben F*cunben umgeben, 
bie meine SMfebegier befriedigen tonnten. 
Sein SBunber, bafe ich, fo auSgerüftet, nicht 
leicht etmaS über ©oetfee laS — Detailfadfeen 
ausgenommen — baS mir einen tieferen ©in* 
brucf madhte, bie empfangenen etma bermifdhte 
ober bleibenb beränberte. F<$ f (heute mich fo= 
gar nach unb nach babor, mie idb benn audh 
niemals ftauft auf ber Süfene gefehen habe, um 
mir nidht feine unb ©retdfeenS ©eftalt in attbe* 
rer Raffung aufbrängen gu laffeu, als mie ich 
fie mir als meinen eigenen Schafe in meiner 
ißfeantafie bemafere. DeS ©nglänberS SeroeS 
Such über ©oethe hatte fdjon diele Auflagen er* 
lebt, ehe id} mich entfcfeliefeeu tonnte — um bem 
©rftaunen, bafe icfe’S nicht fenne, auSgumeichen — 
eS gu lefen. Unb mit melcfeer ©nttäufcfeung 
legte ich eS hin! ©in DSanit, ber gefleht, bafe 
er nicht recht meife, maS er aus ©oetfee’S Daffo 
machen foil, bem als fjrembem ©oetfee’S ©pvadhe 
im Fntimften berfchleiert bleiben mufete, ber 
beutfche Serfeältniffe felbft ber ©egenmart nicht 
burchfchaute, bem eS am rechten Sefpeft fehlte, 
für SUleS maS er befchrieb — etma ben gefun* 
ben Slppetit feines gelben ausgenommen: ber 
biente uns — ober bient noch — uns bie Fn s 
tarnation beutfcfeer SBefen in ber ißerfon beS 
gröfeten Richters ber SCBelt, uns felbft jn offen* 
baren. 
©cfeon in Sonn mar in bem Sreife ber ©oethe* 
Senner unb Serehrer oft babon bie Siebe, mie 
eS Sebürfnife fei unb hohe Feit, bafe einmal ein 
orbentlidfeeS Sßert erfdfeiene über ©oethe unb feine 
©dferiften, Sebürfnife, um baS anfdhmellenbe 
SJtaterial in Sriefen unb Dolumenten auch für 
anbere Sefer als bie eigentlichen Fachmänner gu 
oermerthen, hohe Feit, bamit nicht bie lebenbige 
Ueberlieferung erft Pollftänbig abgeftorben fei. 
©oetfee mar nach feinem Dobe in ben Slugen 
berer, bie ihn immerfort im ©efidfet behalten, 
noch fortmäferenb gemadhfen. ©rft burdh an* 
bauernbeS Forfdheti, prüfen, Sergleicfeen, tarn 
feine fünftlerifcfee ©röfee, tarn ber ©pradhmeifter 
unb dichter gum Pollen Semufetfein. SBir Gefeit* 
fefee lernten jum Dfeeil erft burdh Fcembe begrei* 
fen, bafe mir ben gröfeten aller Sorten ben un* 
fern nennen burften. Der F 01 -‘fdher ©oethe 
mürbe 311m Dfeeil erft burdh bie Datminfdhen 
Sehren anerfannt. ©oetfee als ÜDleufd) erfefeien 
immer reiner, fchöner, erhabener, feine fjergenS* 
güte, feine Sleiblofigteit tonnten erft erfannt 
merben burdfe immer zahlreicher fidfe feäufenbe Se* 
meife, melcfee burdfe bis bafein unbefannte ©dferift* 
ftüde offenbar mürben. 
Dagu tommt, bafe einer neuen ©eneration 
biefe Sunbe einmal neu in iferer ©praefee unb 
S(nfd}auung mitgetfeeilt merben mufe. Denn eS 
ift bie F*age, mie Siele mofel noch bei ben 
burdmuS peränberten Serfeältniffen, mo ißolitif, 
Fnbuftrie nebft Siellefererei Saum unb F^t 
füllen, mie Siele ba noch in iferer SilbungSgeit 
fidfe an ©oetfee fo gu fageit feft faugen, mie eS 
nötfeig ift, menu man Pon ifem mefer haben mill 
als einige UnterfealtungSIettüre. 
©S mar ein glüdlidjer ©ebante Pon Hermann 
©rimm, bafe er feine ©tubien über ©oetfee in 
eine beftimmte aber bemeglidfeere F° l 'm brachte, 
in bem er fie als Sorlef ungen an ber ÜniPerfität 
S erlin münblich burdfeprobirte. ©in Sudfe über 
©oetfee bebarf ein beftimmteS Snblitum, tann 
nicht fürr Febermann gefdferieben merben. £>er* 
mann © /'mmfefete eine allgemeine Sefanntfcfeaft 
mit ©oetfee' feinem SebenSgange, feinen Söerten 
PorauS. SBer aber baS mitbringt — je mefer 
bapon um fo beffer — ber finbet an feinen 
Sorlefungen ein Such, baS er gemife nicht efeer 
mieber aus ber £>anb legt, als bis er eS Pon 
Slnfang bis 31t ©nbe burcfegelefen unb genoffen 
feat. Fh ©rimm feat fich fomit — glüctlicfeer* 
meife, unb noch eben gu rechter 3eit — ber 
üftann gefunben, nach bem mir in Sonn Per* 
gebenS auSfd?auten. Hermann ©rimm ftefet nodfe, 
mie jeöt unter ben Sebenben mofel Seiner fonft, 
in ber lebendigen Strabition Pon ©oetfee feer, 
©r mucfeS auf in ber geiftigen Sltmofpfeäre, beren 
SebenSluft Pon ©oetfee ausgegangen mar. ällan 
bebente bloS, bafe SBilfeelm ©rimm fein Sater, 
Facob fein Dntel mar, bafe in beren föaufe Sldfeim 
pon 2lrnim, ©lemenS Srentano, ©aPignp intim 
Pertefert feaben, ober maS er felbft in feinem 
Sluffatj über Settina im ©oetfeejaferbudfe ergäfelt: 
„Sater unb Dntel gehörten beibe su Settina’S 
älteften F*eunben. F<fe felbft featte Settina Pon 
Sinb auf als eine gang nafee Sermanbte feöfeerer 
Drbnung angefefeen, eine Slrt Doppelgängerin 
Pon meiner Stutter, mie ich meinen Onfel Facoh/ 
ber ftetS bei uns gelebt featte, als ben Doppel* 
gänger meines SaterS aitfafe. Fd) betrachtete 
ifer £>auS als eine Filiale beS unfrigen unb feabe 
fie Pon 1841 bis 3« iferem Dobe, fomeit niefet 
Seifen bagmifefeen traten, täglich gefefeen. Fdfe 
mürbe nie auSfprecfeen fönnen, mie Piel idfe ifer 
perbante ober ben Seicfetfeum beffett aufgugäfelen 
permögen, maS idfe in iferem $aufe erlebt unb 
gelernt feabe.“ 
©rimm ift in ber glüdflidfeen Sage gemefen, 
auf Pielen Dteifen unb nicht als Dourift ober in 
ber Slbfidfet, bieS fein Sudfe gu fdfereiben, oft mofel 
in Segleitung Pon Settina, bie Orte gu be* 
fudfeen, bie ©oetfeeS Fnfetritt gemeifet feat, ©r 
ergäfelt Pon einem foldfeen lebten Sefudfe SBeimarS 
©. 13 beS ©oetfee*FaferbucfeS. 2tber audfe in 
Franffurt ift er gemefen, er feat nodfe bie 
SBillemer (©oetfeeS ©uleifa) intim gefannt, feat
	        

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