Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Leben Raphael's

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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 37 
rischen Arbeiten, herausgestellt haben, entnehmen wir folgende Ausfüh 
rungen. Die Kammer, sagt der Correfpondent, hat keineswegs die gan 
zen 7 Monate getagt; sie hat in dieser Zeit nur 122 Sitzungen gehalten, 
und die häufigen und langen Ferien, welche sich zwischen die Arbeitszeit 
schoben, beweisen, daß sich mit einer minder ausgedehnten Sitzungsperiode 
ganz dasselbe, wenn nicht mehr, leisten ließe. Die lauge Dauer der 
Session und die dadurch bedingte häufige Unterbrechung durch Ferien 
bringt aber noch viel bedenklichere Uebelstände mit sich. In keinem an- 
Lern mit einem Parlament ausgestatteten Land Europas dürften im Ver- 
hältniß zur Gesammtzahl der Abgeordneten so wenige derselben in der 
Hauptstadt des Landes ihren Wohnsitz haben wie in Italien. Die Gründe 
hierfür liegen klar zu Tag. Rom ist nur eine der vielen großen Städte 
deS Landes, nicht die arötzte, und es läßt sich mit einiger Sicherheit 
voraussagen, daß Rom auch künftighin, und zum mindesten »och für eine 
beträchtliche Reihe von * Jahren, keine sehr starke Anziehung auf 
die Italiener der „Provinz" üben wird. Da fich nun unter den 
italienischen Abgeordneten, außer den Vertretern von Rom, den 
Ministern und einigen höheren Beamten, äußerst wenige finden, welche 
in Rom ihr bleibendes Domicil haben, so müffen bei Weitem die meisten 
Abgeordneten zu den Parlamentssttzungen eigens nach Rom kommen, d. h. 
sie mästen, in Anbetracht Iber geographischen Konfiguration des Landes 
nnd der zum Theile noch mangelhaften Verkehrswege, eine für viele von 
ihnen nicht kurze, für andere sehr lange und beschwerliche Reise unter 
nehmen. Zudem erhalten die Abgeordneten während ihres Aufenthalts 
in Rom keine Diäten, und dieser Aufenthalt ist sehr theuer, In der am 
stärksten besuchten Sitzung — bei Gelegenheit der Abstimmung über die 
Sella'schen Finanzmaßregeln — waren 409 Abgeordnete zugegen, und 
diese Ziffer ist seit vielen Jahren die höchste gewesen. Meistens pflegen 
die Anwesenden unter der Zahl von 300 zurückzubleiben, und sehr häufig 
wird die Beschlußfähigkeit nur auf dem Weg allerlei frommer Fictionen 
erreicht, zumal indem man sie im engsten Sinne versteht: nur zu na 
mentlichen oder geheimen Abstimmungen wird die Anwesenheit der abso 
luten Mehrheit der gewählten und nicht regelrecht beurlaubten Abgeord 
neten erfordert. Die Berathungen finden statt, wie wenige auch immer 
zugegen sein mögen. Die italienische Kammer hat zu viel Aehnlichkeit 
mit einem Taubenschlag: bald find die einen da und die andern draußen, 
bald brüten diese über den Gesetzgebungseiern, und jene find ausgeflogen. 
So wechselt die reale Zusammensetzung der Kammer jeden Tag, und es 
fehlt ihren Arbeiten an Regel und Continuität. Das Ministerium ist 
dadurch fortwährend allen Ueberraschungen des Zufalls und der Complote 
ausgesetzt. Es verfügt über keine sichere Mehrheit und ist gezwungen, 
stch eine Mehrheit vom einen Fall zum andern, xer fas et nefas, durch 
Anziemliche Nachgiebigkeit, und unziemlichen Druck und durch andere noch 
incorrectere Mittel zusammen zu lesen. 
(Zn den Nachrichten aus dem Vatican.j Der Römische Corre 
fpondent der „Gazz. dcll' Jtalia" für die Angelegenheiten des VaticanS 
hat fich durch seine zum Theil sehr wichtigen und intimen Nachrichten 
aus dem Innern des Vaticans Ruf erworben und seine Corrcspondenzen 
werden durch die „Jtal. Nachr." jetzt vielfach den deutschen Blättern über- 
mittels. WaS die in dem neuesten Briefe des Correspondenten mitge- 
theilten Nachrichten betrifft, so hält ein Correfpondent der .Magdeb. Ztg." 
die von der Abreise des Papstes für nichts anderes als eine von den 
Jesuiten selbst herstammende Lüge, die man absichtlich in die Welt tragen 
läßt, um der italienischen Regierung bange zu machen; auch die Erzäh- 
lung von dem Briese „eines Souveräns" (der doch blos der Kaiser von 
Rußland sein kann) und der in Folge desselben veränderten Tactik der 
römischen Curie flößt Zweifel ein. Daß Rußland mit Rom wieder 
freundschaftlichere Beziehungen angeknüpft hat, ist richtig. „Das Peters- 
burger Cabinet benutzt die Lage deS Papstes und Frankreichs, welche 
beide in ihrer Bedrängniß stch mit Leichtigkeit Illusionen hingeben und 
jeden Freund gern aceeptiren, in gewohnter schlauer Weise und weiß dem 
früher unbeugsamen Vatican sehr wichtige Zugeständniffe in Bezug auf 
die Stellung seiner polnischen Katholiken abzugewinnen; aber von den 
Zugeständniffe». die Rußland seinerseits der Curie gemacht hätte, weiß 
Niemand etwas Sicheres zu berichten. Vielleicht dürste diesmal die 
schlaue Diplomatie der Curie von einer noch schlaueren übertölpelt wor- 
den sein." 
Grimm meint, daß diese Auslegung durch daS so hervorspringende 
einheitliche Interesse in der ganzen Handlung motivirt werde; in der 
That scheint mir die Thatsache, daß in dem Bilde selber der Thatbestand 
einer solchen Beziehung der Figuren auf den Mittelpunkt einer Handlung 
gar nicht vorliegt, die Auslegung zu widerlegen. 
„Eine Kraft", sagt er, „die in Bewegung fetzt und die Achse der 
Darstellung bildet,?muß sich fühlbar machen. Nehmen wir die Auslegung 
„Paulus in Alben" an: so tritt fie ein. „Die Gruppen des Gemäldes 
selber aber find eben nur sehr theilweise und alsdann leise und ohne alle 
heftige Bewegung mit dem Mittelpunkt verbunden. Dalist Sokrates mit 
den auf ihn lauschenden Philosophen; dicht neben dem angeblichen Paulus 
stehend, vernehmen sie ihn gar nicht, sondern stehen für fich. Kann es 
einen stärkeren Beweis geben, daß die beiden mit ihrer Umgebung nur ein 
idealer Mittelpunkt sind, nicht aber Sprecher vor einer Versammlung? 
Und steht es auf der anderen Seite der Mittelgruppe etwa anders: sind 
hier aufmerkende oder erschütterte Zuhörer? Und der Diogenes, vor Allem 
aber die grandiose Philosophengestatt am Fuß der Treppe. Grimm hat 
Recht, es auszusprechen, wie erhaben sie hervortrete. Und gerade diese 
Gestalt ist gänzlich und aufö tiefste in sich selber und ihre Gedanken 
versenkt. Nie hätte ein Künstler, wo ein Redner zu einer Versammlung 
einfach spräche, eine solche Gestalt isoliren können. Und soll man etwa 
Lenken, der Epikur oder wer eS sonst ist, von Weinlaub heiter um- 
kränzt, fröhlich sinnlichen Antlitzes, schriebe in sein Buch, das ein 
Knabe spielend hält, die Predigt deS heiligen Paulus? Wenn wirklich 
in dieser Versammlung Paulus redet: so scheinen die meisten dieser Ver- 
sammelten nicht Philosophen, sondern Taube zu sein. 
Nein, nicht umsonst ist die Gestatt der Philosophie das Symbol dieser 
Versammlung, nicht nmsonst blicken Apollo und Athene von den Nische» 
dieses Tempelö auf diese Versammlung. Diese Philosophen find nicht 
unter dem Eindruck einer Predigt, find überhaupt ganz sichtlich in ihren 
Hauptgruppen ideal und durch die Kunst feinster Züge verknüpft, dagegen 
sicher nicht durchtzdie derbe Fiction einer Bekehrungsrede. 
Grimm wendet sich in einet, mich dünkt zu weit gehenden Weise gegen 
Bestimmungen von Personen auf dem Bilde. Und in demselben Athem 
will er nicht nur die herrliche Gestalt deS als Bramante bezeichneten 
mathematischen Künstlers mit dem Namen des DiouysiuS Areopagita 
begaben; der weibliche Kopf am anderen Ende des Bildes soll — Dama- 
riS, deffen Genossin sein. „Wir wiffen, welche Mühe die Frau auf dem 
Vordergrund links dicht neben der Gestatt des schreibenden Evangelisten 
den Ecklärern gemacht hat: hier nun wäre ein Name für sie gewonnen." 
Damaris erscheint alS Begleiterin des Dionys in der Apostelgeschichte: 
eS ist kaum glaublich, daß ein Maler dies so ausgedrückt hätte, im ent 
gegengesetzten Winkel deS Bildes ihren Kopf anzubringen. 
Und diese Anficht, welche jedem Theile des Bildes widerspricht, ist 
nicht einmal durch die Tradition gestützt. Erst gleichzeitig mit Vasari 
in einem Stich liegt diese Ausdeutung vor; Vafari selber aber sagt: 
„Aristoteles und Plato, der eine mit dem TimäuS in der Hand, der 
andere mit der Ethik." Schon daß diese Büchertitel nicht durch Vafari 
damals vom Bilde selber abgelesen worden wären, wie sie heute sichtbar 
Meteorolo»ische Korrespondenz. 
(Nachdruck verboten.) 
VI. 
Das Wetter im Monat Mai 1872. 
Ueber Norddcutschland war der Himmel im Mai mäßig bewölkt, die 
Luft kühl und mehr trocken, als naß. Die mittlere Temperatur des 
Monats für Emden, 11,? C., blieb 0,4? C hinter der normalen zurück. 
Nur in den ersten und letzten Tagen ging die Temperatur über die mitt- 
lere hinaus. Am 2. war die größte Wärme, 21.50, und am 29. 21.?. 
Bei dem gleichförmigen, wenig veränderlichen kühlen Wetter vom 5. bis 
26. war der Gesundheitszustand sehr befriedigend und die Vegetation 
üppig. Bemerkenswerth ist das regelmäßige Sinken der Temperatur vom 
Anfange des Monats bis zu den Tagen der sogenannten drei Eismänner, 
Pankraz, Servaz und Bonifaz, am 12., 13. und 14. und daS dann fol- 
gende ebenso gleichförmige Wachsen bis zu Ende des Monats. Die Ab- 
weichung der mittleren Temperatur von der normalen stellt stch, in Cent. 
Graden ausgedrückt, heraus: 
vom 1.-5. 6.-10. 11.-15. 16.-20. 21.-25. 26.-30. 
— 2,6.0, — 1,S4°, — 2,00°, — 1,6?» — 1,58°» + 0,£6°. 
Das Maximum der Temperatur trat mit dem höchsten Barometer 
stände auf. Das absolute Maximum dieses letzteren, — 771,5 mm., kam 
am 1. vor. Am 26. erreichte die Quecksilbersäule eine Höhe von 768,& mm. 
Den niedrigsten Stand hatte das Barometer am 7, — 746,i mm. 
Am 1. Mai waren noch 4- 26,g mm. Grundwasser vorhanden. Bis 
zum 31. kamen durch Niederschlag 47,g mm. hinzu; die Höhe der im Mai 
verdunsteten Waffcrschicht betrug 129,g mm., so daß am 31. Mai das 
Grundwaffer 57,* mm. niedriger stand als im Mittel. Schon am 27. 
konnte daher das Moorbrennen in bedeutendem Umfange aufgenommen 
werden, und der Moorranch verbreitete fich in einzelnen Richtungen über 
Deutschland weithin. 
Die relative Feuchtigkeit deS Monats, 76 s pCt. ging 0.8 pCt. über 
die normale hinaus, die Bewötkung 45 PCt. war 1 pCt. geringer als die 
normale. — Für Lemberg betrug die Niederschlagshöhe 65,3g mm., die 
relative Feuchtigkeit 74,3 pCt.. die Bewölkung 519 pCt. 
Von der WitterungSbkschaffenheit in Norddeutschland war die im 
Westen und Osten Europa's außerordentlich verschieden. Ueber Frank 
reich, den britischen Inseln und Norwegen war der Himmel während des 
größten Theils des Monats bewölkt und die Lust für die Jahreszeit sehr 
kalt, andererseits war das Wetter in Rußland» besonders im Süden, hell, 
heiß und trocken. 
Auf den britischen Inseln regnete es an 30 Tagen und zwar während 
der ersten zwanzig Tage allgemein und an einzelnen Orten stark. Aehn- 
lich verhielt es sich in Frankreich. Der Regen fiel am 4. zu Rockefort 12, 
zu Biarritz 16, zu Greeneastle 11 Millimeter hoch. Am 7. fielen zu Cap 
Gris Nez 40 mm.; am 11. zu Biarritz 22 mm.; am 12. zu Cap Griö 
Nez — 14 mm ; am 13. zu London 18 mm.; am 14. zu Aberdeen 20 mm., 
zu Leith 24 mm.; am 16. zu Brest 20, zu Aberdeen 11, zu Nairn 19 mm.; 
am 17. zu Zjarmouth 12, zu London 15, zu Cap Gris Nez 14 mm.; am 
19. fiel Hagel zu Seivy, in Sheilds Schnee; am 20. fielen zu Thurso 
14 mm. Regen; zu Biarritz am 21. 12 mm, am 23. 21 mm., am 24. 
8,1 mm. Nach dem 20. wurde das Wetter über den britischen Inseln, 
und nach dem 24. auch im Westen Frankreichs trockener. Dagegen floß 
der Regen nun in Mittel- und SÄdeutschland und stellenweis in Süd- 
Europa aus den darüber hinwegziehenden Gewitterzonen in Strömen 
herab. Am 21. fielen zu Bludenz 27,7 mm.; am 24. zu Riva 22,4; am 
25. zu Bludenz 28.7, zn Prag 20,5. su Krakau 22?, zu Szegedin 18,5 mm.; 
am 26. zu Ischl 14g mm.; am 28. zu Durazzo 18.4 mm. Diese Regen 
mengen sind indeß gegen die in Baden, Württemberg, Böhmen, Sachsen, 
in der Lombaroei rc. während der Gewitter als Wolkenbrüche herabge 
stürzten Waffermaffen verschwindend klein. 
Mit dem kalten naffen Wetter in West- und Nordwest-Europa stand 
gleichzeitig die WitterungSbeschaffenheit in Rußland in außerordentlichem 
Gegensatze: Im Petersburger meieorol. Bulletin vom 11. Mai (29ten 
April) heißt eS: „Eine so hohe Temperatur ist in Petersburg im Ver 
lauf von 55 Jahren im April (Mai) noch nicht beobachtet. Das Termo- 
meter stieg am 12. Mittags ans >f 26, s °; in Lemberg war schon am 
9. das Maximum der Temperatur -s- 26,3«, die mittlere Tagestemperatur 
aber + 20,7°, die Temperätur am 12. Mai Morgens war in Petersburg 
4- 17°, Helstngfors 4- 11°, Revrl + 11°, Dorpat 4- 15°, Windau 
+ 150, Wilna -s- I60, his Cösln herunter ging die Temperatur über 
die normale hinaus. Von Stettin.bis London wurde fie immer niedriger 
und blieb hinter der normalen zrwck. Das Termometer zeigte zu Königs 
berg 8,70, Stettin 5,?, Berlin 5,1, Breslau 4,?, Torgau 8,4°, Münster 
3 «o, Emden 6,e 9 (Min. 4- 1,5°)» Tner 4;b°. Von Süd und Südwest nach 
Nord und Nordost war die Verheilung der Temperatur am 12. Mai: 
S. Fernando 16,?, Lissabon 13.?o, .Madrid 9 3 °, Bilbao 8,3°, Rom 4- 9", 
Toulon 6,3«, Paris 4,?, Bayonne?, Cherbourg 5,?, Cap Griö Nez 6,9°, 
Brüffel 6,3°, Plümouth 6.?, Poitsmoutb 6,70, London 6,i°, (Morgens 
Schnee und Hagelböen), Liverpool 4,?, Leith 6,7°, Nairn 6,7°, Oxö 6,?, 
Stockholm 5,?, Haparanda 4,?, Uleaborg 50, Archangelsk 4- 10. Denkt 
man stch auf der Karte eine Linie gezogen von Archangelsk durch Finn- 
land nach Uleaborg und von hier mch Stettin, Krakau, Agram durch daS 
Adriatische Meer bis Durazzo herufter geführt, so war an allen Orten, 
welche westlich von dieser Linie liegen, die Temperatur niedriger, als die 
normale, über dem auf der Ostfeile derselben liegenden Thale aber höher. 
Die Temperaturverhältniffe im Luftmeere über Europa änderten fich 
bis gegen Ende des Monats im Ganzen nur wenig; die niedrigere Tem- 
peratur im Westen, am atlantischen Ocean, ging nach Ost hin, bis zum 
Kaspischen Meere, stetig zunehmend zu einem Temperatur-Maximum über. 
Am 21. Mai, Morgens 7 Uhr war der Thermometerstand: zu Valencia 
7,?, Roche's Point 8 30, Biarritz 11,?, Brest 9,?, Plymouth IO.?, Ports 
mouth 1170, London 11,?, Cap Gris Nez 10,?. Paris 9,50, Bruffel 1l?, 
Köln 1050, Torgau 1250, Berlin ll.gO, Prag 15o°, Wien 17.? Krakau 
19,?, Lemberg 20 ?, Debreczin 19 ?, Kijew 25 0. Charkow 210, Nikolajew 
220, Odessa 23«, Sewastopol 240, Poti 200, Tiflis SO«. - Die Tempe 
ratur in Nordamerika über dem Territorium zwischen 48 und 40° N. Br. 
war am 21. Mai gleichförmiger vertheilt. Von dem Obernsee aus nach 
dem Atlantischen Ocean hin war der Thermometerstand in Deluth 7,?, 
Marquete 5,o°. Chicago 7,8°, Detroit 10 0 °, Toronto 10,o°» Buffalo 11?, 
Pittsvurg 12 8°, Boston 15,?, Newyork 16.?, Philadelphia 15?, Wa- 
shington 16,?. Am Pacistschen Meere war der Thermometerstand zu 
Portland, Me. 15.?, zu San Francisco, Cal. 12g0. 
Am 21. Mai verlief die Linie, welche den Theil von Europa, über 
welchem die Temperatur höher war, als die normale, von dem Theile 
scheidet, über welchem sie zu niedrig war, von Haparanda durch den 
Bottnischen Busen nach Königsberg herunter und von hier über Rügen, 
Hamburg, Trier, an der Westseite der Alpen bis zum Mittelmeere. — 
Im letzten Drittel des Monats kam größere Bewegung in die im Osten 
Europas hoch temperirten, im Westen mit Wafferdampf salurirten Luft- 
massen. Die Dislocation und gegenseitige Durchdringung derselben bat- 
ten die maffenhaften Niederschläge zur Folge, welche über viele Gegenden 
Deutschlands so unsagbares Elend gebracht haben. Die in den fruchtba- 
ren Thälern der Moldau, Beraune und des GoldbachS herabgefaüenen 
Wolkenbrüche verursachten Ueberschwemmungen, in welchen viele Hunderte 
von Menschen ihren Tod fanden und Tausende ihr Hab und Gut verloren. 
Eine so große Anzahl von Gewittern, wie die, welche im Mai d. I. 
vorgekommen sind, dütften wohl seit fünfzig Jahren im Mai nicht auf- 
ge.reten sein. Die meisten waren mit verheerenden Hagelschlägen und 
furchtbaren, wolkenbruchartigen Regengüssen vergesellschaftet. Durch die 
im Folgenden aufgeführten Orte, von welchen Berichte über Gewitter 
vorliegen, find natürlich die Gegenden, über welche stch die Gewitterzonen 
forterftrecklen, angedeutet. Vom 1. biS 5. waren die Alpen und Italien 
der Schauplatz von Gewitter-Explostonen. So am 1. Bludenz, am 2ten 
Neapel, am 3. Florenz und Riva, am 4. Florenz, am 5. Ischl. — Eine 
Gewitterzone am 6. ist angedeutet durch Trier, BreSlau. Posen, Danzig, 
Petersburg. In der Nackt vom 6,/7. trat Gewitter in Königsberg auf. 
Am 7. in Lyndon, Cap Gris-Nez. Am 8. Roche's Point, London, Emden. 
Am 9. waren Gewitter im Südoften von England allgemein verbreitet. 
Am 9. zu Rom, Ratibor, vom 9. zum 10. BreSlau. Am 10. Memel, 
Reval, Dorpat, Helsingfors, Krakau, Debreczin, Orenburg. Am 11. Me 
mel, Tamersfors, Dorpat, Windau, Wilna, Warschau, Lemberg. Am 
12. Memel, Agram, Orenburg — Biarritz. Am 12./13. Livorno, Neapel. 
Am 13. Riva; ferner Putbus, Cöslrn, Danzig. Am 14. Orenburg, Gu- 
daur, Wladikawkas, Kasan, Wilna, Windau, — Flensburg. Münster. 
Am 14./15. Bremen. Am 15. Emden, Flensburg. Posen, Danzig, Char- 
kow. Am 16. Biarritz, Paris, Ischl, Wilna. Moskau, Charkow, Nico- 
laief. Tiflis, Gudaur, WladikawkaS. Am 16./17. Danzig. Cöslin, Cöln. 
Am 17. Kazan, Charkof, Krakau, Breslau, Posen, Stettin. Am 
17-/18. Cöln, Wiesbaden, Trier. Am 18. Tiflis, Gudaur, Wladi 
kawkas, Charrof. Moskau, Posen, Breslau, Tcrgau, Münster, Trier. 
Am 19. Tiflis, Wladikawkas, Wilna, Posen, Danzig, Stettin» 
Berlin, Torgau, Trier — Hessen und Thüringen. — Am 
20. Aberdeen, — Breslau, Memel, Revat, Windau, Wilna, 
Moskau, Gudaur. — Das Temperatur-Moximum war am 20. zu Lem- 
berg 29,8«. — Am 21. Roches Point, Torgau Riva, Tiflis. Am 21. 
2 Uhr w-r das Temperatur-Maximum zu Hermannstadt 33 0 °. — Am 
21. /22. Memel. Am 22. Tamerfors, Helsingfors, Wilna, Doiptt, Win- 
dau, Riga, Memel, Berlin, Torgau. Wien, Lemberg. Tiflis. — ferner 
Roches Point Dover. Biarritz. Paris. Am 23. Yarmouth, Brüffel, 
Emden, Munster — Hernöfand. Am 24. trat das erste Gewitter in 
Archangelsk auf (Temperatur Morgens 4- 8«). Am 24. Marseille, 
Toulon. Livorno, Durazzo, Pola, Görz, Debreczin — Katharinenburg. 
Am 24-/25. Charkow. Am 25. Wiesbaden, Ratibor. Posen, Krakau, 
Lemberg, Görz. Wilna, Warschau, Moskau, Orenburg. — Das Tem- 
peratur-Maximum war am 24. und 26' 8«, am 25. und 29. 6°, am 27. 
dagegen nur noch 13 8». — Am 26. Danzig, Moskau, Nikolajef- Görz/ 
Agram. Furchtbar waren die Gewitter in Schlesien und sehr betrübend 
lauten die betreffenden Berichte auö Hirfckberg, Liegnitz, Greifenberg 
und FlinSberg. Entsetzen erregend sind aber die Nachrichten über die 
Verheerungen, welche die in der Gegend von Horzowitz und Rokycan, 
Betaun und Prüglitz. Eaaz Podersam und Karlsbad gleichzeitig nieder, 
gegangenen Wolkenbrüche angerichtet haben. — Am 27. kam Gewitter 
vor in Durazzo. am 28. in Durazzo und Consiantinopel. Am 28. St. 
Mattbieu — Durazzo, Pola, Stauropol, Tiflis, am 30. Wiesbaden, am 
31. Trier, Emden. — Die Continuität der Verbreitung der Gewitter 
(Fortsetzung in der ersten Beilage.) 
find, sondern auf Vasaris Erfinduig hin erst in das Gemälde einge-! 
tragen, ist schwer zu glauben. Zunal wenn man die hereinbrechende 
kirchliche Restauration bedenkt, dazt daß die Figuren selber ursprünglich 
Paulus und Petrus bedeutet hätten wie soll man stch daS recht denken 
Ueberhaupt aber ist ganz wohl verfändlich, daß unter dem Einfluß der 
kirchlichen Restauration ein Stich hervortrat, welcher das Bild in das 
Kirchliche umdeutete, aber viel wenger, daß in solchen Zeiten das Bild 
von Vasari in entgegengesetztem Snne umgedeutet wäre und durch einen 
Einfall deffelben TimäuS und Ethk als die Schriften in den Händen 
der beiden Männer bezeichnet wor'en. 
Sehr anders steht eS um die frage über die Personen auf dem lin 
ken Vordergründe. Hier liegen Zeujtüffe vor. die nicht leicht zu beseitigen 
find. Hier bleibt doch für das Bil die Möglichkeit, eS in dem bezeichne 
ten Sinne zu verstehen. Hier liegt wirklich eine rein historische Frage vor. 
Grimm erwähnt eines früheren Entwurfs dieser Gruppe, einer Wiener 
Zeichnung, nach welcher die alö AalthäuS gedeutete sitzende Gestatt ur 
sprünglich von vier Figuren umgebn dastand, deren Aufmerksamkeit ihr 
zugewandt war. Dies stimmt wetiger mit dem Bilde des Evangelisten, 
welcher doch am natürlichste» scheibend vorgestellt wird. Auch scheint 
mir sowohl in diesem als in dem Ilten, der seinen Aufzeichnungen folgt, 
die Anstrengung deS denkenden Bestandes so mächtig und ganz specifisch 
ausgedrückt, jeder Zug religiöser Sestnnung so ganz ausgeschlossen, dazu 
die Beziehung des Arabers auf dH Mathematik so schlicht, daß das Bild 
selber stch sehr vernehmlich erkhrt. Hier muß eine Untersuchung der 
Wiener Zeichnung, anderseits der historischen Tradition wohl schließlich 
Licht geben. 
Ein bleibendes Verdienst GrmmS in Bezug auf die Gemälde der 
cameta de la signatura ist, zu weitgehender Einzeldeutung entgegenge- 
treten zu fein. Hierin hat fich dann auch Springer an ihn ange 
schlossen; freilich kann ich nicht einsehen, wie Grimm meinen kann: 
„Springer critistrt die neueren Dastellungversuche in meinem Sinne"; denn 
Springers Aufsatz ist ganz offenM (vergl. S. 147) gegen GrimmS Ver 
such gerichtet, die herrschende Dutung der Schule von Athen in den 
großen Hauptzügen in Zweifel zustellen. 
Aber auch solcher Widersprufl im Einzelnen spannt nur um so mehr 
die Erwartung insbesondere auf he Biographie selber, welche den zweiten 
Band abschließen soll. Dies Werk bedeutet einen wichtigen Fortschritt in 
unserer Erkenntniß Raphaels. Md Arbeiten Hermann GrimmS haben 
jederzeit, hinausgehend noch über die hervorragende Förderung der wiffen- 
schaftlichen Einficht, welche fie dachieten, ein sehr starkes Jntereffe durch 
den Zauber der edlen Persönlichst, welche in ihnen hervortritt. Wir 
haben heute wenig Schriftsteller in Deutschland in jenem vorzüglichen 
Sinne, daß bestimmte Ideen. Getchttzpunkte, eine eigene BetrachtungS- 
weise in ihnen durch die Sicheret der Durchbildung und die Kraft des 
Styls Einfluß auf die Nation Mannen: Grimm ist einer der treff 
lichsten dieser kleinen Zahl. W. D. 
Stiftungsfest der Singakademie. 
Am Sonntag den 30. Juni beging die BreSlauer Singakademie in der 
Aula Leopoldina ihr sieben und vierzigstes Stiftungsfest mit einer mufika- 
lischcn Aufführung, zu welcher der Dirigent derselben, der kgl. Mustkdirector 
Herrvr.Jul. Schaffer, einen sehr zahlreichen Zuhörerkreis eingeladen hatte. 
In dem Programm war durch einen Vorbericht auf die beiden herlichcn 
Werke aufmerksam gemacht worden, welche zur Aufführung gelangten. DaS 
Händel'sche Werk, heißt eS darin, von welchem bereits vor 5 Jahren 
eine kleinere Auswahl aufgeführt wurde, ist kein Oratorium mit drama- 
tischem Verlaufe, sondern bietet in buntem Wechsel eine Reihe von Scenen 
und Stimmungen der Freude und deS Ernstes. Der Text ist zweien Oden 
von Mitton entnommen, von denen die eine L’Allegro (Frohsinn), die 
andere II ksvsieroso (Ernst) überschrieben ist. Der Dichter JennenS 
richtete ste für die musikalische Composttion ein, indem er den Zusammen- 
hang der Oden zerschnitt, ihre einzelnen Schilderungen unter einander 
mischte und so die personificirten Stimmungen gleichsam im Wettkampfe 
mit einander auftreten ließ; zugleich dichtete er noch einen dritten Theil 
hinzu, den er „II Lloderato" (Besonnenheit) nannte. Bei der großen AuS- 
dehnung des Originals war eine Reduction auf das Wichtigste und 
Schönste für diesmal unerläßlich; der Mangel eines organischen 
Zusammenhanges im Stoff dürste aber auch eine solche Kürzung als 
eine ganz unbedenkliche erscheinen lasten. Unserer Aufführung liegt die 
Orchesterbearbeitung zu Grunde, welche Robert Franz in eben so ge 
nialer als discreter Weise ausgeführt hat. — Der EingangSchor der 
Bach'lchen Cantate „Jesu, der Du meine Seele" ist besonders dadurch 
intereffant, daß in demselben ein chromatisches Motiv, welches schon in 
dem Crucifixus der L-moll-Meffe und in der Cantate „Weinen, klagen" 
als Basso ostinato auftritt, hier eine andere, überraschend reiche und 
geistvolle Ausführung gefunden hat. Da wir dem Gesagten zur Orienti- 
rung des Publikums nichts weiter hinzuzufügen haben, so beschränken 
wir unsern Bericht nur auf die Aufführung, die wir als sine recht ge 
lungene bezeichnen müffen, ttotzdem, daß die Baßpartie wegen Erkran 
kung des Solisten theils durch den Tenor, theils durch den Alt ersetzt 
werden mußte. Der Letztere war durch Frau Guttentag, der erstere 
durch Herrn Torrige vorzüglich besetzt, während die Sopranpartie von 
Fräulein Doniges vortrefflich ausgeführt wurde. Für die Reproduction 
der Scene, in welcher der Gesang der Nachtigall von der Singstimme 
und der fie begleitenden Flöte nachgeahmt wird, dürste wohl nicht leichr 
eine Sängerin zu finden sein, welche diese schwierige Partie mit gleicher 
Sauberkeit und Delicateffe auszuführen vermöchte, als eben Fräulein 
Doniges. Die Chöre gingen frisch zusammen; auch das Orchester löste 
seine Aufgabe mit Geschick, namentlich gebührt dem Flötisten für die 
geschmackvolle Ausführung des Colo's in der Nachtigall-Scene wohlver 
dientes Lob. — In dem Bach'scheu Wunderwerk bewährte die Sing 
akademie unter der exacten Leitung ibreS Dirigenten den alten Ruf, wel- 
chen MosewiuS mit feinem Vachcultus begründet hat. V. 
Mit drei Beilage«.
	        

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