© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 37
wären bie Inblrcctcn «*• ■ uiffe) jVoifcScu O-st-ncich u»dmtschlmd jctofft Jot. Sogar m Ruß.
IVruc&e durch nnen, wte tmmer abgefaßten Zusatzvertrag statt durch eine land sehen wir den feindlichen ifluß der Curie ttätig. Die Verband-
förmliche, obwohl freiwillige Entschädigung beseitigt worden, so würde ! langen über ein Abkommen, lcheS die Beziehungen der katholischen
die Znlä.jstgkeit ähnlicher Ansprüche in der Zukunft eine offene Frage ^uterthanen Kaiser Alexanders Rom auf neuen Grundlagen regeln
wenn nicht zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten, sö .^^unterden gegenwättikUmständen schwerlich^einen andern Zweck,
doch zwischen allen übrigen civilistrten Nationen geblieben fein. Wir
haben demnach im Ganzen alle Ursache, uns zu gratuliren, daß ein zu-
gleich für England ehrenvoller, mit der Würde Amerikas verträglicher
und das Vertrauen der Welt zu dem System internationaler Arbitration
zur stärken geeigneter Ausgang die Besorgniffe beendigt und die friedliche
Anstrengung der letzten sechs Monate belohnt hat. Zugleich können wir
überzeugt sein, daß weder Mr. Fffh noch Lord Granville verlangen
dürften, für Diplomaten einen Triumph zu beanspruchen, welcher wirklich
dem Grafen Sclopiö und seinen Collegen gebührt."
Die Preffe beschäftigt sich augenblicklich viel mit der früher oder später
als einer Aussöhnung der Per mit Rußland die Wege zu bahnen und
so eines der wesentlichsten Hinnifse des erstrebten französisch-russischen
B ündniffes aus dem Wege zu amen."
Daß trotzdem die nächste iunft ein friedlicheres Ansehen zeigt als
seit langer Zeit der Fall gewe! wird, von dem Berliner Organe wie
von allen wohlunterrichteten Sen bestätigt.
Deutjes Reich.
Preußen. * Berlin, 30. bi. (Zum Besuch deS Kaisers von
Oesterreich. Bayrischer Bollmächtigter. Die Uebung im
eintretenden Papstwahl. Nicht alle Angaben über den ModuS derselben' Felddien st. Augmentation r Artillerie. Klerikaler Protest,
find richtig; da und dort begegneten wir schon mehr oder weniger irrigen.! Die Kreuzzeitung gegen Gland. Zur Münzreform.) Viele
kr mit ewigen Bemerkungen wieder' "**♦ "
Es wird daher nicht ohne Werth sein,
zugeben. waS eine Autorität, wie Profeffor vr. v. Schulte in feinem
„System des allgemeinen katholischen Kirchenrechts" sagt: Es heißt dort:
.Zehn Tage nach dem Tode des Papstes versammeln stch die in Rom
anwesenden Cardtnäle, welche ausnahmslos, auch wenn sie censurirt sind,
wahlfähig sind, unter bestimmten Feierlichkeiten in dem neben dem quiri-
naltschen Palafte erbauten Conclave, welches bis zur erfolgten Wahl
nur in sehr beschränkter Weise verlassen werden kann. Eine Rericknn-
... ^ - - — -.. Wahlhandlung selbst, wenn
Überhaupt eine solche stattfindet, da oft sofort (per inZpirationem) Alle
emsttmnng eine Person bezeichnen, besteht entweder in einem Serutimum,
oder rn einem Compromiß auf einen oder mehrere Cardinäle,
welchen alsdann die Bezeicynung der Person anheimgegeben wird.
Zur Gulltgkett gehört die Anzahl von zwei Drittheilen. Nach frucht-
losem Ergebniß deS ersten ScrutiniumS wird durch daS Sammeln
von neuen Stimmen (sogenannten Accessus) die Majorität zu erzielen
gesucht. Gewählt werden kann nur ein Cardinal. Die einzige
sonstige Beschränkung besteht in der Verpflichtung der Cardinale,
den von einem der katholischen Regenten von Oesterreich. Frankreich,
Spanien und Neapel zufolge des diesen eingeräumten Rechtes, je einen
zu streichen Ausgeschlossenen nicht zu wählen, worauf stch ihr
Erd gleichfalls erstreckt. (Die sog. Excluston. Die Excluston muß dem
Cardinal-Protector (die es aber nicht mehr giebt!) der betreffenden Na.
klon übergeben und von diesem vor beendigtem Scrut'nium eingebracht
werden.) Der Gewählte wird, wenn er annimmt, worüber er sich sofort
zu erklären hat, alsbald vom Balcon des Qnirinals herab vroclamirt.
sodann vom Cardinalvecan consecrirt und gekrönt nach den alten dabei
üblichen Formen (ist er noch nicht Priester oder Bischof, so ertheilt ihm
dieser, bez. der älteste Bischof des Cardinal-Coüegiums, wenn z. B der
Decan gewählt ist, alle Weihen einschließlich der bischöflichen Consecra-
Non ohne Jnterstitten). Aus eine feierliche Weise wird dann vom neuen
Papste der Besitz von Rom u. s. w. ergriffen."
So weit Schulte. Wie man erkennt, haben die Zeitumstände bereits
Aenderungen in diesem Wahlverfahren herbeigeführt. So wird der Ort
des Conclave und der Proclamation des Gewählten ein anderer sein
müffen. Man beachte auch, daß eine Berufung der auswärtigen Cardi-
näle nicht erforderlich ist. Dies hätte freilich keine Bedeutung mehr, wenn
die Pause von 10 Tagen eingehalten würde in einer Z^t des Telegraphen
und der Eisenbahnen. Die festen Normen für die Papstwahl sind auf
dem dritten allgemeinen Lateranischen Concil festgestellt und später er-
gänzt worden.
Ueber die Bundesgenossen und die Werbungen de8 Ultramon-
tanismuS gegen das deutsche Reich äußert stch die „Spen. Zig." in
einem Artikel zur Lage:
„Der Mtramontanismus wird von der Regierung des Herrn ThierS
mit einer Rücksicht behandelt, welche selbst dem BonapartiSmus in diesem
Maße nicht eigen war. Noch bezeichnender ist, daß selbst ein Mann »;<>
ist, den Jesutten die Hand zu reichen, von denen er
m weiß. daßqWUnermüdlich thätig sind, Frankreich auf jedem Punkte der
bewohnten Erde Bundesgenoffen gegen Deutschland zu werben. Die
Spuren dieser Thätigkeit fangen schon an, sich bemerkbar zu machen.
Daß der carlistische Aufstand gegen die uns befreundete Dynastie Sa
voyen. dessen Ausgang täglich unsicherer wird, von Rom geplant und an
gezettelt worden, ist ziemlich sicher. Wenn König Amadco fällt, denkt
man die Spanier dereinst unter Carl VII. oder dem Herzog von Mont-
penster alö französische Hilfsvölker zu verwenden. Ob zwischen den Jesui-
ten und den ungarischen Radicalen eine unmittelbare Verbindung besteht,
vermögen wir nicht zu erkennen. Die Betrübniß der ultramontanen
Preffe über die Wahlerfolge der Deakpartei laffen ab.r keinen Zweifel» daß
man von einem Wahlsiege der Linken eine Störung des guten Verhält-
Blätter werden nicht müde, aiden im nächsten Herbst bevorstehenden
Besuch des Kaisers von Oesterrh in Berlin die mannichfaltigsten poli
tischen Combinationen zu knüpft In dem einen Punkte, aber auch nur
in diesem, ist den Conjecturalolitikern Recht zu geben, daß die Zn
sammenkunft der beiden Kaisein Berlin als eine eminente Friedens-
bürgschaft zn betrachten ist. Ar der Luft gegriffen dagegen ist die gerade
in manchen Organen auögesproche Anficht, als ob die Reise deS Kaisers
von Oesterreich nach Berlin, arden Hof eines befreundeten Monarchen,
eine Drohung gegen die Regieng irgend welchen Landes enthalte und
namentlich ihre Spitze gegen Rfland richte. — Seitens der bayrischen
Regierung ist der Ober-Reglerigsrath Riedel zum Bevollmächtigten
beim Bundesrathe ernannt worn in Vertretung des StaatSministerS
vr. Fäustle. — Einem Befehle is Kaisers zufolge soll das Hauptgewicht
bei den diesjährigen Uebungen ,f die Ausbildung der jungen Offiziere,
besonders im Felddienst, gelegt Urden. — Wie die „Spen. Ztg." hört,
ist vor einigen Tagen die Ordt zur Augmentation unserer Artillerie
unterzeichnet worden, und zwar derart, daß künftig jedes Armeecorps
zwei Artillerieregimenter haben vrd. Dadurch dürfte eine Gleichstellung
unserer Artilleriesiärke mit de französischen erzielt werden. Daß
hierorts gegenüber den militärihen Anstrengungen Frankreichs keine
Vorsichtsmaßregel versäumt wirl geht auch daraus hervor, daß bis
zum Herbst 600,000 durch den Krieg in unsere Hände gekommenen
Chaffepotgewehre aptirt werdet, sollen und daß bedeutende Be
stellungen nach dem System Mauser gemacht worden sind. —
Aus der Provinz Posen wird ei» neuer Act klerikaler Anmaßung ge
meldet: Gegen die Ernennung ded bisherigen Gymnasiallehrers Luke in
Konitz zum Schulrath für die Previnz Posen hat der Erzbischof Graf
Ledochowski beim Ministerium prvtestirt; „wahrscheinlich" — so schreibt
man der „Brb. Ztg." — „weil Her: Luke Protestkatholik ist und in ge
mischter Ehe lebt." Katholische Mtter finden eS überdies unerhört,
daß die Stelle mit einem Philologen und nicht, wie leider seit länger
geschehen, mit einem Geistlichen besitzt worden ist. — AuS Berlin wurde
nach London telegraphirt, daß die „feindselige Haltung, welche die halb-
amtliche Kreuzzeitung in Bezug auf die Alabamafrage gegen England
gerade in der jetzigen (vorübergegangenen) Krisis annehme, in politischen
Kreisen einiges Aufsehen erregt habe, u. s. w." Hierzu bemerkt die „Köl
nische Zeitung" ihren englischen Lesern, daß die Kreuzzeitung keineswegs
mehr als halbamtlich oder osficiöS gelten kann, und eS daher durchaus
falsch wäre, hinter ihrer angeblWm Feindseligkeit gegen England auf
eine litt Regierungskreisen herrschtvde ähnliche Stimmung zu schließen.
— Die „Hamburger Börsenhaüe"! enthält aus SoetbeerS kundiger Feder
einen Aufsatz über die skandina» che Münzreform, in welchem der ge
nannte Volkswirth mit beachtermwerthen Gründen den drei Reichen
eMvstebltf. sich Nähe m Las Goldmunziyitem des deutschen
Reiches anzuschließen.
Bayern. ** München, 29. Juni. sZur Militärftrafgesetzord-
nung. Klosterstatistik Münchens. Professor vr. Sachs. Octo-
berfest. Zum Jonrnalistentag.) Die durch Einführung des allge.
meinen deutschen Strafgesetzbuches bedingten Aenderungen einiger Be-
stimmungen der bayerischen Mtlitärstrafgerichtsordnung vom Jahre 1869
sind nunmehr im Entwürfe festgestellt; dieselben enthalten keine princi
piellen, sondern hauptsächlich nur redactionelle Aenderungen. — Die neun
Münchener Klöster beherbergen zur Zeit 929 Religiösen, nämlich von den
MannSklöstern die Benediktiner 74, die Franziskaner 47, die Kapuziner
20, und von den Franenklöstern die barmherzigen Schwestern 285, die eng-
lischen Fraulein 197, die Frauen vom guten Hirten 60, die armen Schul
schwestern 117, die Servitinnen 49. die Niederbronner Schwestern 80.
Katholische Kleriker zählt München z. Z. 259, nämlich 6 Pfarrer, 62
Benefiziaten, 1 Vicar. 12 Cooperatoren,! 11 Coadjutoren. 53 Prediger-
Professoren, 91 Stifts- und Klostergeistliche und 53 Commoranten. —
Der Professor der Botanik der Universität Würzburg vr. Sachs, hat
einen ehrenvollen Ruf an die Heidelberger Universität an Stelle des Pro-
feffors Hoffmeister erhalten. — In der gestrigen Sitzung des Magistrats
der Stadt München kam eine demselben durch Vermittlung des General»
comitees des landwirthschaftlichen Vereins zugegangene Ministerialent
schließung vom 26. d. M. zur Verlesung, nach welcher mit allerhöchster
Genehmigung das in diesem Jahre abzuhaltende Octoberfest ausnahms-
weise und ohne Präjudiz auf den 29. September verlegt werden darf. —
Der Magistrat der Stadt München beschloß in seiner gestrigen Sitzung»
dem in der Zeit vom 27. bis 29. Juli in München abzuhaltenden Jour-
nalistentage auf Ansuchen des AuSschuffes entweder den Saal im nörd-
lichen Schrannenpavillon oder denjenigen im Schulgebäude am Rosenthal
zur Verfügung zu stellen.
Elsaß-Lothringen, ff Stratzvurg 27. Juni. (Neubauten. Ge
schenk der Universität Oxford an die Bibliothek. Ein Vor
trag des Professor Max Müller. Auswanderung nach Algier.!
Was in diesen Augenblicken dem Fremden, welcher Straßburg besichtigt
am meisten auffällt, ist die große Anzahl neuer Bauten, welche man
überall entstehen steht. Da, wo vor Kurzem noch Alles in Schutt und
Trümmern lag, erheben sich jetzt geschmackvolle, solide Gebäude. Auch
die Vorstädte erkennt man kaum mehr wieder, und es dürften wohl, bei
gleichmäßig fortgesetzter Arbeit, die letzten Ueberbleibsel der Verheerungen»
welche Strahburg betroffen haben, leicht vor Ende des nächsten SommerS
verschwunden sein. An dem Präfecturgebäude und an dem städtischen
Theater arbeitet man am eifrigsten. Um die Wiederkehr eines ähnlichen
> Unglücks wie daS, welches das prachtvolle Theater zerstört hat, soweit wie
möglich zu erschweren, ersetzt man das Holz durch Eisen. — Einen Blich
auf die rasch emporblühende Straßburger UniversitätS- und LandeS-
bibliothek werfend, haben wir vor Allem des in den jüngsten Wochen Vier
eingetroffenen großartigen Geschenkes der Universität zu Oxford zu er-
wähnen. Daffelbe besteht aus 650 Bänden theils classischer, theils philo-
logischer, historischer und theologischer Werke, interessanter Bibelausgaben
u. s. w. Von der höchst werthvollen wiffenschaftlichen Bedeutung dieser
seltenen Gabe abgesehen, ist die in ihrer Art einzige technische Ausstattung
der Werke durch die eigene Buchbinderei der Oxforder Universität in
London geeignet, gerechte Bewunderung zu erregen. Sämmtliche Bände
tragen den gleichen Einband in hellbraunem Leder mit reicher Goldver
zierung und dem Wappen der Oxforder Universität. Auf der Innenseite
befindet stch die Widmung an die hiesige Universttäts-Bibliothek.
Willkommene Gelegenheit, sich eingehend von der Schönheit und Reich
haltigkeit des erwähnten Geschenkes zu überzeugen, gab eine vor Kurzem
von dem Ober-Bibliothekar Herrn vr. Barack veranstaltete Ausstellung
der kostbaren Gabe in dem hiesigen Universitätsgebäude. — Au diese Aus
stellung knüpfte sich ein eingehender Vortrag deS derzeit an der hiesigen
Universität lesenden Profeffors Max Müller über die) Universität
Oxford, deren Organisation, Personalverhältniffe und wiffenschaftliche
Leistungen, insbesondere auch über die Geschichte der „Clarendon Preß",
jenes in seiner Art einzigen Univerfitälsinftitutes, aus welchem die
sämmtlichen oben erwähnten Geschenke hervorgegangen find. — Die Aus
wanderungs-Unternehmungen, bestimmt, eine möglichst große Anzahl von
Elsäffern nach Algier zu ziehen, wo ihnen jeder Schutz und unter den
günstigsten Bedingungen Ländererwerb in Aussicht gestellt war, sind jetzt
selbst genöthigt, ihr gänzliches Fehlschlagen cinzugestehen. Der „Indu
strie alsacien" veröffentlichte dieser Tage einen dem „Jndependaut" ent-
...miumn-.. shwr wn Eonstantine von dem Elfäffer Robin Herzog, de
aus eigener Erfahrung die Lage der nach Algier verlockten Elsässer in
den schwärzesten Farben schildert.
Oesterreich.
Wien. 30. Juni. sZur Weltausstellung. Die Anderthalb-
Millionen.Angelegenheit. Der Zusammentritt der Delega
tionen.) Heute ist der Anmeldnngktermin zur Beschickung der Welt
ausstellung für Oesterreich abgelaufen. Die Einzeichnungen waren in den
letzten Tagen für Wien und Oesterreich so massenhaft, daß die Ziffer» auf
welche man rechnete, bei Weitem überschritten ist. Wie in der Regel,
haben unsere Industriellen auch diesmal Alles auf die letzten Tage ge-
laffen, und daS Bureau der Ausstellung konnte an diesen Tagen den Ein-
erst wann der Zusammenhang dieser Erklärung Vasari's und der im
nächsten Bande den Abschluß bildenden Biographie vorliegt, wird die
Anordnung des gewaltigen Stoffes stch endgiltig beurtheilen laffen.
Charfreitag 1483, Abends 9 Uhr, ist Raphael Sanzro zu Urbino ge
boren. Sein Vater war ein sehr mittelmäßiger Maler. Alles, was
Vasari von seinem Helden bis zu dem Punkte berichtet, an welchem wir
ihn siebzehnjährig, 1500, in daS Atelier des Pietro Perugino getreten
finden, ist nach Grimms Nachweisen Legende. WaS Vasari weiter über
den Wechsel der Aufenthaltsorte Raphaels in den folgenden Jahren be-
Lichtet, beruht nach GrimmS scharfsinniger Darlegung auf zu raschen
Schlüffen Vasari's. Sicher ist nur, daß Raphael, der in Perugia als
erster Meister der Stadt stch allmählich eine feste Stellung errungen hatte,
anfangs 1806 feine begonnenen Arbeiten abbrach und sich in Florenz
uiederließ.
Raphael arbeitete während dieser Zeit bis 1506 bekanntlich gänzlich
in der Manier deö Pietro Perugino. Das Atelier dieses Malers, welcher
damals bereits von einem großen Künstler zum glücklichen Unternehmer
malerischer Arbeiten herabgesunken war, lieferte feststehende Formen; cs
waren in ihm Muster für jede Fußstellung, jede Fingerbewegung vorhan-
den; und auch ein außerordentliches Talent war in dieser Schule in Ge
fahr, in Routine unterzugehen. Hier ist für Raphael bezeichnend, daß
ihn die Studienblätter, wie fie schon für die ganz in PietroS Manier
gearbeitete Himmelfahrt Mariä, etwa von 1502, vorhanden find, mit der
größten Gewissenhaftigkeit beschäftigt zeigen, gleichsam für sein eigenes
Bewußtsein das mit voller Klarheit auS der Natur selber zu gewinnen,
was die Vorbilder seiner Schule ihm fertig von außen boten. AuS dem-
selben Jahre 1502 sind dann feine FreSken in der Dombibliothek zu Siena.
Hier arbeitete Raphael gemeinsam mit dem zwanzig Jahre älteren Pin-
turicchio» erwies stch ihm aber schon völlig überlegen. Dies erscheint am
deutlichsten in den Handzeichnungen Raphaels. Indem Grimm ste hinzu,
zieht, beweist er, daß an der Ausführung selber Raphaels Antheil ein
geringerer war. alS bisher angenommen wurde. Damals zeichnete Raphael
auch die in der Bibliothek vorhandene antike Marmorgruppe der drei Gra
zien. Sie ist das erste Zeichen seines für das Verständniß feiner Knnstweise
überaus wichtigen Studiums an der Antike.
Grimm bemerkt, er sei sichtlich bemüht gewesen, die Gruppe recht gewis-
senhaft wiederzugeben, desto bezeichnender fei die Umwandlung derselben in
die Formen PeruginoS dafür, daß er nur gewiffermaßen durch dessen Augen
die Dinge erblickte. Vielleicht ist hier doch hervorzuheben, daß nicht gewiffen-
hafte Wiedergabe in unserem Sinne, sondern Aufzeichnung zum Zweck der
Benutzung die Absicht solcher Blätter damals war; so erklärt sich einfacher
die Behandlung des Vorbildes.
Schon 1504, in seinem einundzwanzigsien Jahre, malte Raphael daS
weltberühmte Sposalizio, Pie Vermählung von Maria und Joseph,
welche man hatte in Mailand findet. Anch hier schließt sich die An
ordnung der Figuren noch so an Pietro Perugino, daß man das
Gemälde für eine Copie des in Caen befindlichen Sposalizio von
Pietro halten konnte. Und doch sagt Grimm mit Recht; „das
Sposalizio ist durch und durch perugineök. Perugino aber hätte keine
der Figuren damit zu Stande gebracht. Wie wäre er vermögend gewe
sen, diese Maria zu malen, die wie eine zarte Wiesenblume ihr Köpfchen
leise vorneigt, während Joseph ein reizendes Abbild männlicher Beschei-
denheit ist, erhaben über all die jüngeren Leute um ihn her» welche die
trockenen Stäbe zerbrechen."
Anfang 1506, im dreiundzwanzigsten Jahre seines Lebens verließ
Raphael Perugia, wo er inzwischen der erste und berühmteste Meister
geworden war» und begab sich nach Florenz. Grimm weist überwiegend
nach, daß er sein Atelier in Perugia beibehielt. Er widerlegt ebenso
überzeugend die Annahme, der Ruf der Gemälde Michel Angelo's und
Lionardo's Habs ihn nach Florenz geführt. Hier nun, unter der Einwir-
kung einer hohen Blüthe der Kunst in Florenz begann, was Vasari, of-
senbar der herrschenden Einsicht der Künstler folgend, Raphael's „zweite
und viel beffere Manier" nennt.
Das hervorragendste Denkmal dieser neuen Manier und der Floren
tiner Epoche Raphael's ist die Grablegung Christi, welche für die Non
nen des Klosters San FranceSco in Perugia gemalt wurde. Hier ist
jeder Anklang au Perugino lauSgetilgt und eine neue Technik, die Ge-,
stalten herauszubilden, gewonnen: aus der strengen Durcharbeitung jeder
Gestalt im Nackten entspringt schließlich die Gruppirung- der bekleideten
Figuren. Die Grablegung ist die erste Composttion Raphael's, der man
sogleich ansteht, daß alle Figuren nach dem Nackten durchgebildet sind,
während man bei seinen Gestalten biS dahin oft genug die Empfindung
hat, eS sei nach Perugino's bequemer Manier das an nackten oder un-
verhüllten Gliedmaßen Sichtbare: Hände, Füße, Hals oder Arme, eben
fo weit, als es zum Vorschein kommen sollte, nach der Natur studirt
worden, ohne daß man stch um die unter den Falten liegenden Glieder
kümmerte.
Es ist nun Grimm gelungen, von der ersten Conception ab die ganze
Gencsts dieses Gemäldes festzustellen. Ich halte dich für das wichtigste
Ergebniß des vorliegenden ersten Bande?.
Die entscheidende Eigenthümlichkeit des Gemäldes liegt in der Art,
wie mit sichtlicher körperlicher Anstrengung der Leichnam Christi fortbe
wegt wird; dies ist mit einer Art von Härte in den Vordergrund gestellt,
während die Gestalten, welche Träger der Empfindungen sind, den Hinter-
gründ bilden. Jeder wird Grimm's Gefühl theilen, daß kaum rein ans
Raphael's eignem Geiste, wie er stch bis dahin entwickelt hatte, ein sol
ches Gemälde entsprungen wäre.
In Oxford unter den zur Grablegung gehörigen Federzeichnungen
findet sich ein Blatt Raphaels, das unter dem Namen „Tod des Adonis" geht:
Der nackte Körper eines Todten von nackten Gestalten fortgeschleppte
Dies Blatt kann zurückgeführt werden auf ein antikes Basrelief im
Museum deS Capitols, welches wohl als „Tod deS Meleager" bezeichnet
wird. In der Beziehung dieser Blätter aufeinander und auf die Grab-
legung liegt der Ausgangspunkt der schönen Darlegung Grimms. Raphael
hat das griechische Basrelief, eine ihm ähnliche Darstellung oder eine
Abbildung desselben gesehen. Hiernach hat er den ersten Gedanken seiner
Grablegung gefaßt und ihn allmählich zu dem gestaltet, waS dann in einer
Zeichnung zu Florenz als vorläufiger Abschluß feiner Composttion heraus
tritt. Und bezeichnend für seine Unermüdlichkeit, er kehrte dann wieder
zu dem Basrelief zurück und entnahm ihm neue Züge zu einer Umbildung»
aus welcher endlich das Gemälde in seiner jetzigen Gestalt hervorging.
Dies mutz bet Grimm selber nachgelesen werden, welcher von Hand-
zeichnung zu Handzeichnung leitet und hier einen tiefen Einblick in daS
Geheimniß der schöpferischen Phantasie RaphaelS eröffnet. „Man glaubt,
bemerkt Grimm, in die Werkstätte der schaffenden Natur selber zn blicken»
wenn man. die Grablegung betrachtend, die, als fertiges Gemälde, von
Anfang an rein und wie aus einem einzigen Gedanken entsprungen dasteht,
die sich ohne Mühe auS sich selber entfaltete, wie die Theile einer Blüthe
auseinanderrollen im Frühling, sie aus all ihren Elementen herauswachsen
steht. Aus solcher Verwirrung entstand solche Einheit, auS solchem
Schwanken und Wählen solches Gefühl der Festigkeit, als sei cs un
möglich, daß an die Stelle einer dieser letzten Figuren jemals eine andere
vom Meister hätte gedacht werden können.
Diese Composttion bezeichnet einen Fortschritt in der Entwickelung der
italienischen Malerei überhaupt. Grimm hat mit gewichtigen Gründen
abgewiesen, daß die Cartons von Michel Angela hier von Einfluß gewesen,
wie dies Vasari behauptet. Lionardo und Fra Bartolommeo wirkten auf
ihn. Mantegna'S Grablegung stand itm vor Augen: in denen, welche
den Leichnam umgeben, alle Ausdrucksweise heftigste« Schmerzes
bis zu dem verzweifelten Aufschrei der über den Leichnam gebeugten Maria»
dazwischen der Leichnam selber mit dem Ausdruck starrer Ruhe. Wie
anders faßt nun Raphael aber die Scene. „DerMiefe Jammer", so
schildert Grimm treffend, „und die Verzweiflung sind von ihm gedämpft und
in den Hintergrund deS Gemäldes gedrängt worden. Maria sehen wir
entfernt vom Leichnam ihres Sohnes mit geschloffenen Augen zusammen
finken. Die beiden Träger scheinen in einem Gefühl des Erhobenseins
mit ihrer Last einherzufchreiten, wie, man verzeihe daS Beispiel, edle Thiere
mit Stolz einen edlen Reiter tragen. Und Christus selber: Milde und
Ruhe und Schönheit scheinen erst jetzt in vollstem Maaße in ihm zu
wohnen, als schwebte sein Geist um seinen Leichnam und verklärte die
Spuren des Leidens mit himmlischem Glanze. Das ist waS Raphael
unter seinen Zeitgenoffeu als mit göttlicher Kraft begabt dastehen ließ.
Keiner vor ihm und nach ihm hat den Abglanz himmlicheu Lichtes auf
irdischen Formen zu malen verstanden wie er."
1807 begab stch Raphael nach Rom. Abermals scheint er zunächst
T^tigkit zwischen beiden Orten getheilt zu haben und nur all
mählich in Rom dann festgewachsen zu sein. ES begann die dritte und
größte Epoche seiner Kunst.
Ter große Papst JuliuS II. übertrug ihm, den Saal, in welchem er
unterzeichnete, die Camera de la Segnatura, zu malen.
In allen Blüthezeiteu der Kunst scheint daffelbe Gesetz zu walten.
Langsamer Fortgang unter immer neuen Hemmungen, dann plötzlich scheint
im Zusammenwirken der größten Genies in wenigen Jahren alles auf
diesem Gebiete Mögliche erschöpft zu werden. Es ist wie in der Natur,
lauf kaum bewältigen. Dennoch durfte man sich die Erleichterung, den i
Termin um einige Tage hinauszuschieben, nicht gönnen, denn erst aus 1
Grundlage des österreichischen Anmeldungsergebniffes kann berechnet wer- l
den, inwieweit es möglich ist, den Wünschen des Auslandes bezüglich der •
Ueberlaffung eines größeren, als des ursprünglich in Aussicht gestellten !
Raumes nachzukommen. Bekanntlich hat auch die Commission des Deut- I
schen Reichs einen bei weitem größeren Raum alö den präliminirten in i
Anspruch genommen. Die Berechnungen werden wohl einige Wochen in i
Anspruch nehmen, allem bis zum 1. August wird jedes Land genau dar- <
über unterrichtet fein, über wie viel Raum es zu verfügen haben wird. ;
Was die mehrfach erwähnten, für den Empfang hoher Gäste erforder- -
lichen anderthalb Millionen anbelangt, so sollen dieselben, um peinlichen ,
DiScusflonen aus dem Wege zu gehen, nicht in daS gemeinsame Budget
eingestellt, mithin nicht von den Delegationen, sondern von den beider
seitigen Vertretungskörpern als Erhöhung der Hofstaatdotation verlangt
werden, und da beide ReichLhälsten dieselbe zu gleichen Theilen zu tragen
haben werden, so lauft das in meritoriscker Beziehung auf daffelbe hinaus,
als ob ste in das gemeinsame Budget eingestellt würden. Die Wahl der
andern Form zeigt nur, wie weit man in der Rücksichtnahme auf die
Empfindlichkeit der Ungarn geht. Für den Zusammentritt der Delega-
tionen ist, wie Sie wissen, der 15. September ins Auge gefaßt. Allein
es ist fraglich, ob dieselben auch wirklich an diesem Tage werden zusammen-
treten können. Es hängt dies davon ab, wie viel Zeit der ungarische
Reichstag, der am 4. September zusammentritt und noch die Wahlen für
die Delegation vornehmen muß, wieder zu den Wahlverificationen
brauchen wird.
Rußland und Polen.
St. Petersburg. (Zu Ehren der aus Anlaß der internatio-
nalen Ausstellung in Moskau dort weilenden ausländischen
Gäste und Deputirten) hat daselbst ein Festmahl stattgefunden.
Außer den Toasten auf den Kaiser, den Großfürsten Constantin u. s. w.
find folgende zu erwähnen: Der Württembergische Vertreter, Präsident
von SteinbeiS, dankte in deutscher Sprache dem AusstellungS- und Fest-
comitö für die freundliche Einladung der Ausländer zu diesem National-
Unternehmen, vr. Grothe, der Vertreter Deutschlands, hob hervor,
welchen regen Antheil Deutschland an dem Aufblühen der russischen In
dustrie und Wiffenschaft nehme, wofür als bester Beweis die große An
zahl deutscher Aussteller dienen könne. Der österreichische Vertreter
Lindheim lud Rußland zu recht zahlreichem Besuche der im nächsten
Jahre stattfindenden Wiener Ausstellung ein. Der französische Vertreter
Locaire hob hervor, daß Frankreich, zwar aus dem Schlachtfelde besiegt,
doch in Kunst und Wiffenschaft seinen alten Ruhm behaupte und trotz
des noch nicht so lange verhallten Donners der Geschütze durch 35 Aus
steller vertreten fei. Der Rector der Moskauer Universität, Profeffor
Solowjeff, brachte ein Hoch auS auf daS brüderliche Einvernehmen aller
europäische« Nationalitäten und auf ein einheitliches Streben derselben
im Jntereffe der Wiffenschaft und Civilisation.
(Ostseeztg.) Warschau, 27. Juni. (Cholera. Moniuszko's Fa
milie. Bischofs-Ernennungen.) In Kijew, der Hauptstadt der
Ukraine, gewinnt die Cholera - Epidemie mit jedem Tage größere Ver
breitung. Am 12. und 13. Juni erkrankten an derselben 404 und starben
189 Personen. Seit dem am 31. Mai erfolgten Ausbruch der Epidemie
waren bis zum 14. Juni 1317 Personen erkrankt und 532 gestorben. Am
meisten grafstrt die Epidemie unter den daS orthodoxe Kloster in Kijew
besuchenden Wallfahrern, die während des Sommers aus ganz Rußland
herbeiströmen und deren Zahl jährlich ca. 200.060 beträgt. — Dem Ver
nehmen nach hat der Kaiser der in großer Dürftigkeit zurückgebliebenen
Familie deS hier unlängst verstorbenen polnischen Operncomponisten Mo-
niuszko eine einmalige Unterstützung von 4000 Silberrubel und ei«e lau-
sende jährliche Pension von 2000 Silberrubel bewilligt. — DaS hiesige
Regierungsblatt veröffentlicht zwei kaiserliche Ukase, durch welche der!
Geistliche Alexander Gintowt zum Weihbischof der Diöcese Plock und der
Prälat Ludwig Brink zum Weihbischof der Diöcese Sitomir ernannt
wird. Der Mitwirkung deS Papstes bei diesen Ernennungen wird in den
Ukasen nicht erwähnt.
Frankreich.
8. Paris, 28. Juni. (DaS französische Steuersystem und
die neuen Steuervorlagen.) Die leidige Stenerfrage ist um so
schwieriger zu lösen, als es in Frankreich Zustände giebt, welche bei der
Auflage von neuen Steuern große Vorsicht gebieten. Herr ThierS hat
im Grunde genommen ganz recht, wenn er darauf hinweist, daß Ackerbau
auf langsames Wachsthum eine Blüthe kurzer Dauer folgt. So find eS
wenige Jahre, in denen sich damals, waS Vasari und Rumohr den großen
malerischen Styl nannten, entwickelt. Diese wenigen Jahre enthalten daS
intereffanteste Problem der neueren Geschichte der bildenden Künste. Wie
in ihnen Lionardo, Michel-Angelo und Raphael einander in ihren Fort-
schritten bedingten, war von Vasari ab für die Kunstkenner das feffelndste
der Probleme.
Die Stellung der beiden großen Päpste zu dieser Entwickelung hat
schon Rumohr so ausgesprochen, daß alle späteren nur näher schildern
konnten. „Den großartigen Ansichten, dem standhaften kräftigen Willen
Julius II. verdanken die bewundertsten Werke der neueren Kunst, die
vaticanischen Stanzen, die fixtintsche Kapelle ihre Entstehung. Freilich
besaß er wenig gelehrte Bildung, allein Genialität und Energie des
Willens brachte dafür in sein Verhältniß zu Raphael, zu Buonarotti die
Voraussicht deffen, was ihrem Talent erreichbar, Glauben an die Mög.
lichkeit deS noch Unerprobten, Muth zu den größten Unternehmungen,
endlich die Kraft, vor Zersplitterungen sich zu bewahren, welche für daS
Große schwächen Charakteren die Mittel entziehen. Hiergegen war der
Günstling der Literärgeschichte, Leo X., zwar ein vielseitig gebildeter
Herr, allein weder gleich jenem ein politischer noch überhaupt ein Cha
rakter. Die Zersplitterung seiner Theilnahme mit daraus hervorgehender
Vergeudung seiner unermeßlichen HülfSquellen hinderten ihn, seinen künst-
lerischen Unternehmungen in der Anlage Großartigkeit, in der Ausführung
Nachdruck zu geben."
Sebastian bei Piomb» schreibt 1512 an Michel Angelo über ein Ge-
spräch, da« er mit Papst Giulio hatte: „und auf unsere gegenseitige
Treue! Seine Heiligkeit sagte weiter: Betrachte die Werke Raphaels,
welcher, nachdem er die Werke Michel Angelo's gesehen, sofortüvie Manier
Perugino'S verließ und so viel er konnte fie an die des Michel Angelo
anschloß." So fichtbar trat für die Zeitgenoffen dies Verhältniß der beiden
großen Künstler hervor. Die Handzeichnungen haben nun Grimm ge
stattet, die Entwickelungsgeschichte der Fresken in der eLwera de la
Segnatura, mit welchen Raphael begann, so genau zu verfolgen, daß für
jedes derselben der Punkt seiner Entwickelung aufgezeigt werden kann,
an welchem der Einfluß Michel Angelo's umgestaltend eingriff.
Alle Daten scheinen stch gegenwärtig harmonisch zu der von Grimm
entwickelten Ansicht zusammen zu fügen. In seiner lebendigen Darstellung
sicht man Raphael an den. ersten Entwürfen der DiSputa, der Schule
von Athen, des ParnaffeS stets neu bemüht; vergeblich sucht er und
wendet seine Entwürfe immer wieder unter dem Einfluß der alten Vor-
bilder, die für solche Aufgaben nicht zureichen; noch vermochte er nicht
seine Wände perspectivisch zu bewälttgen; er ist zunächst bemüht, die
Figuren nebeneinander auszubreiten: da steht er Michel Angelo's Decke.
Zwei Dinge standen vor ihm: ein ungeheurer Raum, in architektonischer
Beziehung völlig beherrscht, während er selber seiner dagegen winzigen
Wände in der camera nicht Herr zu werden vermochte; und alSdann,
während er sich vergebens abquälte durch Mafien und Gruppen zu wirken,
und Grundbesitz fast die gesammte Last an Staatsabgaben tragen, wäh
rend die Industrie verhältnißmäßig viel weniger zu zahlen hat. An ^
Grundsteuer, Häusersteuer, Stempel auf Erbschaften (10 Procent bei !
Uebergang des Grundeigenthums von Eltern auf Kinder) und Besttzwech- !
sel liegenden Eigenthums zahlen Gründ und Boden in Frankreich jähr- ;
lich über 1200 Millionen Fr. Abgaben. Außerdem fallen die Abgaben :
auf Getränke zum guten Theil der Landwirthschaft zur Last. Das be, ;
wegliche Eigenthum, das auf 40 bis 50 Milliarden geschätzt wird, ist von
allen diesen Abgaben, unter denen allein der Stempel auf Erbschaft und
Besttzwechsel 400 Atillionen beträgt, befreit. Deshalb war der Gedanke,
durch Einkommensteuer einen Stempel auf die Börsengeschäfte, und einen
Zoll auf die von den Fabriken verarbeiteten Rohstoffe einen Ausgleich
herbeizuführen, an sich ein sehr gerechtfertigter und folgerichtiger. Da-
durch wäre das bewegliche Einkommen mit dem Grundbesitz auf gleiche
Linie gestellt worden, was doch vom allgemeinen Rechtsstandpunkte aus
nur zu billigen ist. — JnderPraxis dagegen stellt stch die Sache so-
fort ganz anders dar. Die Einkommensteuer ist aus zwei Gründen schwer
durchzuführen. Die besitzenden Klaffen ohne Ausnahme sehen darin eine
gefährliche Einmischung in die inneren Berhältniffe der Familie; die
nichtbefitzenden Klaffen, welche stch stets durch die Radicalen ver-
treten laffen, sehen ein Mittel, die wirthschaftliche Gleichstellung
praktisch durchzuführen. Denn erst — meinen die diese Steuer lebhaft
befürwortenden Radicalen — werden Freiheit Gleichheit und Verbrü
derung eine Wahrheit werden. Daß die Besitzenden unter solchen
Umständen nur noch weniger Lust haben, zur Einführung dieser Steuer
ihre Hand zn bieten, ist sehr begreiflich. Frankreich ist viel zn demokra-
tistrt, oder vielmehr mit Gleichveitssucht zu sehr durchsäuert, wenigstens!
in seinem öffentlichem Leben und in den maßgebenden Städten, um die
Einkommensteuer ohne Gefahr ertragen zu können. — Die Industrie
aber ist überall nur schwer zu besteuern, besonders hier, wo die politischen
Berhältniffe dieselben mehr als anderswo beeinfluffen. Dieser Gewerb- i
treibende macht bei 100.000 FrS. Umschlag 10 bis 12,000 FrS. Gewinn»
während sein Concurrent nicht die Hälfte herausschlägt und beide bei
einer politischen Krisis gar nichts verdienen oder gar zn Grunde gehen.
Wie da besteuern» ohne ungerecht zu werden, ohne dem Gewerbfleiß zu
schaden! Die Besteuerung der Rohstoffe könnte eine Anzahl dieser
Schwierigkeiten beseitigen oder überwinden. Aber wie unheilvoll dürfte
dieselbe nicht bei unseren Handelsverträgen gegenüber der ausländischen
Concurenz wirken! — Die durch die Nationalversammlung heute geneh
migte Hypothekensteuer dürfte freilich leicht zn erheben sein, aber ste wird
wiederum den Ackerbau und den Grundbesitz vorzugsweise belasten, allso
keineswegs günstig wirken. Dieselbe erscheint auch als eine Ungerechtig-
keit, so lange die Actien und Obligationen der Industriellen und Bänkge-
sellschaften nicht besteuert find. Warum denen nur eine Geldbuße aufer-
legen, welche ihr Geld auf Grundbesttz auöleiben? (Die Werthpapiere
find, laut einem soeben eingetroffenen Telegramm, inzwischen gleichfalls
mit einer dreiprocentigen Steuer belastet worden. Dieser Vorwnrf ist
mithin beseitigt.-— Red.) Don den übrigen neuen Steuern will ich nicht
reden. Das Angeführte beweist, daß unser ganzes Steuersystem erner durch
greifenden Umgestaltung bedarf, daß daffelbe von einem den jetzigen Verhält-
niffen entsprechenden Princip getragen werden muß. Unser jetziges Steuer-
wesen ist nur noch ein hundertmal durchlöchertes und durchkreuztes Stückwerk.
Jede Regierung hat, wie es grade die augenblicklichen Bedürfniffe erheischten,
neue Steuern aufgelegt, ohne stch im Mindesten darum zu kümmern, ob
dadurch daS Gleichgewicht gestört und eine Klaffe der Staatsbürger zu
sehr belastet wurde. Frankreich ist ja reich und kann bezahlen, dachte
ein Jeder. Am liebsten aber legte man der Landbevölkerung neue Lasten
auf, weil dies? am wenigsten dagegen zu murren und stch aufzulehnen
versteht. Die Republik von 1818 legte eine Erhöhung von 45 pCt. auf
die directen Steuern (Grund-, Parent-, Fenster- und Häuiersteuern rc.)
angeblich um die augenblicklichen H>)ürfniffe zu decken, Napoleon III.
hielt aber diese Erhöhung nicht nu^äfrecht, er vermehrte dieselbe noch
und erhöhte besonders die Stempelsteuer auf die Vererbung und den
Besttzwechsel liegenden Eigenthums Und so droht es auch jetzt zu gehen.
Nur wenn eine in ihrem Bestaude^ gesicherte Regierung eingesetzt wäre,
könnte die so nothwendige, gründliche Umgestaltung unseres Steuerwesens
unternommen werden. Gegenwärtig aber, wo allgemein ein Umschwung
befürchtet wird, ist daran weniger als je zu denken. Man muß anch in
dieser Beziehung von der Hand in'den Mund leben.
Versailles' 29. Juni. (Der Gesetzentwurf über die Steuer
auf dieWerthpapiere^) welcher heute von der National-Versammlung
angenommen wordenn ist, lautet:
hier in der Sixtina die Gewalt einzelner Gestalten, welche in stch selber
vollendet dastehen.
Der erste der lebenden Kenner griechischer Kunst, Heinrich Brunn
in München, hat gezeigt, mit ^ welcher Kunst nunmehr Raphael seinen
Stoff perspectivisch gliederte. Nun entstand z. B. die Erhebung der
Philosrphenreihe auf einen Tempelboden, zu dem Stufen hinanführen.
Der Vordergrund seiner Gemälde wird nun, da die zusammenhängenden
Gruppen rückwärts geschoben werden, frei für die einzelnen Figuren,
welche jetzt durch ihre naturalistische Mächtigkeit eine wunderbare Stei
gerung in den Gesammteindruck bringen So ist höchst interessant, daß
jener an den Stufen der Treppe vom Beschauer links gelagerte Philo
soph — nicht Diogenes — welcher mit übergeschlagenen Beinen, in Ge-
danken tief versenkt daliegt, unbekümmert um Alles, waS ihn umgiebt,
ein ewiger Ausdruck mächtigster Vertiefung deS Gedankens in sich selber,
ganz zuletzt in den Entwurf der Schule von Athen hineingearbeitet
wurde. Jetzt könnte man sich das Werk nicht denken, ohne diese gewal
tige Gestalt.
Eines der intereffanteste« Probleme, Raphael betreffend, bietet die
Schule von Athen. Grimm hat ihm eine besonders eingehende Unter-
suchung gewidmet. Doch ist hier eMer der Punkte, an welchem wir uns
seinen Untersuchungen nicht anschließen können.
Grimm hat zuerst den ganzen Verlauf der Tradition an diesem Punkte
festgestellt. Und dieser Verlauf ist in der That sehr geeignet, uns in Ver
legenheit zu setzen. Wer kennt nicht die erhabene Versammlung in einer
Halle klassischen Styls, unter dem Schutze der Götterbilder der Athene
und deS Apollo, wie ste die eamera de la segnatura zeigt, als die ideale
Repräsentation der Philosophie, die Versammlung der großen wiffenschaft
lichen Forscher? Nun haben wir die erste Urkunde über die Auslegung
deS Bildes in einem Stich deS Agostino Veneziano von 1524, welcher
einige wenige Figuren der Gruppe von links enthält. Und hier findet sich
in dem Buche des schreibenden Alten, den wir als PytbagoraS zu bezeich.
nen gewohnt sind — eine griechische Stelle neuen Testaments! Ebenso
auf der Tafel, welche ein Knabe ihm vorhält. 1550 erscheint Dasaris erste
Auflage. Nach ihm ist daS Bild .eine Darstellung, wie die Theologen
die Philosophie und Astrologie mit der Theologie in Einklang bringen,
wo alle Gelehrten der Welt abgebildet sind, welche untereinander in ver
schiedener Weise ihre Meinung verfechten". Nach ihm sind dieHauptfigu-
ren im linken Vordergründe Evangelisten, welche von Astrologen die
Vorausberechnung von Christi wunderbarem Leben empfangen. Von an-
deren Figuren überliefert er „Aristoteles und Plato, der eine mit dem
TimäuS in der Hand, der andere mit der Ethik", Federigo von Mantua,
Bramante, Diogenes, Zoroaster, Raphael selber. Das Räthsel wird im-
wer verworrener; im selben Jahre erschien rin Stich deS Ganzen von
Giorgio Ghisi mit folgender dazu gegebenen Erklärung: „Paulus zu
Athen, von einigen Stoikern und Epikuräern in den Areopag geführt,
und mitten darauf stehend, erblickt den Altar mit der Inschrift: Dem
unbekannten Gotte, und erklärt» wer dieser unbekannte Gott sei." Am
An. 1. Unabhängig von den Stempel- und den Tre.nSmisstons.Ge-
bühren, «elchesvon den bestehenden Gesetzen festgestellt worden ftnd, wird
am 1. Juli 1872 eine jährliche und obligatorische Taxe errichtet: 1) auf
die Interessen, Dividenden, Einkünfte oder Eraebniffe der Actien aller
Art der finanziellen, industriellen und commerciellen Gesellschaften, Com
pagnien und Unternehmen, welches auch die Zeit ihrer Gründung sein
mag; 2) auf die Rückstände und jährlichen Jntereffe« der Anleihen und
Obligationen der Departements, Gemeinden und öffentlichen Anstalten,
sowie auf die der oben bezeichneten Gesellschaften, Compagnien und Unter
nehmen; 3) auf die jährltchen Jntereffen und den Nutzen des Jntereffen-
Autheils an den Gesellschaften, Compagnien und Unternehmen, deren
Capital nicht in Actien getheilt ist. Art. 2. Die Einkünfte werden fest
gestellt: 1) Für die Actien nach den Berathungen der General-Versamm
lung der Actionäre oder der Verwaltungsräthe, den Abrechnungen oder
allen anderen ähnlichen Documenten; 2) für die Obligationen und
Anleihen nach den Jntereffen, die in dem Jahre vertheilt werden: 3)
für die Jntereffen-Antheile der Gesellschaften» deren Capital nicht in
Actien getheilt ist, nach den Berathungen der Verwaltungsräthe der Jn-
teresstrten oder in Ermangelung derselben durch die Berechnung deS
Nutzens zu 5 pCt. auf das Gefellschaftscapital oder nach den Jntereffen-
Antheilen des vorhergehenden Jahres. Die Berichte und Auszüge der
Berathungen der VerwaltungSräthe und der General-Versammlungen der
Actionäre müffen binnen zwanzig Tagen nach ihrer Anfertigung auf daS
Einnehmer-Bureau des Bezirks niedergelegt werden, wo stch der Sitz der
Gesellschaft befindet. Art. 3. Die Höhe der durch das gegenwärtige
Decret festgesetzten Taxe beträgt 3pCt. von den Einkünften der im Art. 1
aufgeführten Werthpapiere. Der Betrag der Taxe wird von den Gesell
schaften, Compagnieen, Unternehmern, Städten, Departements, und öffent
lichen Anstalten vorgeschoffen. Für daS Jahr 1872 werden die Ein
künfte, Jntereffen und Dividenden nur der Hälfte der Taxe unterworfen
fein, einerlei wann die Bazahlung stattfindet. Vom Tage der Veröffent-
i lichuna des jetzigen Gesetzes an wird die von dem Gesetz vom 23 Juni
1857 festgesetzte Taxr, so wie die von dem Gesetz vom 15. September 1871
und 30. März 1872 festgesetzten Taxen folgendermaßen reducirt: auf 50
Centimes pro 100 Franken für die Commission oder Converston der aut den
Namen lautenden Titel; auf 20 Centims pro 100 Franken für diejTaxe»
I welcher die auf den Träger lautenden Titel unterworfen sind. Diese Taxe
ist dem Decime nicht unterworfen. Art. 4. Die Actien, Obligationen,
Anleihe-Titel. und wie sonst ihre Benennung sein mag, der fremden Ge
sellschaften, Compaqnieen, Unternehmen, Körperschaften, Städten, Pro
vinzen, so wie die jeder anderen fremden Anstalt sind der nämlichen Taxe
unterworfen, welche das gegenwärtige Gesetz auf die Einkünfte der fran-
zöstschen Werthpapiere feststellt. Die fremoen Titel können in Frankreich
nur notirt, verhandelt oder zum Verkauf auSgeboten werden, wenn ste stch
der Bezahlung dieser Taxen so wie den Stempel- und TranSmisstonS-
Gebühren unterwerfen. Ein Verwaltungsreglement wird die Feststellung
und die Erhebung dieser Abgaben festsetzen, die nach der Höhe des Ge-
settschaftScapitals berechnet werden kann. DaS nämliche Reglement wird
die Zeit, wo die Taxe bezahlt werden muß, so wie alle anderen zur Aus
führung des gegenwärtigen Gesetzes nothwendigen Maßregeln festsetzen.
Art. 5. Jedes Zuwiderhandeln gegen die vorstehenden Bestimmungen und
gegen die des DerwaltungSreglements, welche« zu ihrer Ausführung an
gefertigt werden wird, wird dem Art. 10 des Gesetzes vom 23. Juni 1857
gemäß bestraft. Das Eintreiben der Taxe auf diese Einkommen und die
gerichtlichen Verfolgungen, zu denen ste Anlaß geben kann, finden in der
nämlichen Weise statt, wie in Sachen der Einregistrirung.
Spanien.
Madrid, 25. Jani. (Der carlistische Aufstand) ist noch lange
nicht unterdrückt, wie folgendes Bulletin der amtlichen Zeitung beweist:
Baskische Prsvinzen und Navarra: Der Cabecilla Rada hat
vorgestern (23. Juni) Eloz auf dem Wege nach Monreal passtrt. Der
Cabecilla Velqsco marschirt mit einer Bande von 200 Mann in der Rich
tung von Ceverio. Der General en chef hat seine Armee in Detache
ments getheilt, um von ollen Seiten einen Streifzug gegen die zersprengten
Rebellenbanden zu unternehmen.
Catalonien: Die Bande Tristany's, die stch in d^r Umgegend von
Manresa befindet, wird von den Truppen verfolgt.
Alt-Castilien: In der Provinz Palenzia hat stch eine kleine Bande
von 14 Berittenen unter dem Befehle von Francisco Hierro gezeigt.
Estremadura: Der Pfarrer Hermandez und der Cabecilla Carcho
haben zwei kleine Banden in der Provinz Caceres gebildet.
Neu-Castilien: Die Bande Bermudez hat stch aufgelöst. Oberst
Cortijo hat bei Avecedilla eine kleine Bande geschlagen.
Italien.
(K.Z.) Rom,24.Juni. (Dieffo eben beendete Session der Kammer!
giebt den italienischen Blättern reichen Stoff zu Rückblicken und Betrach
tungen. Obwohl diese erste Session in Rom, welche 7 Monate gedauert
hat, nichtlänger währte, alS frühere Sitzungsperioden in Turin oderIFlorenz, so
sind die Journale doch darüber einig, daß eine kürzere Dauer für die Zukunft
wünschenöwerth erscheine. Einer Correspondenz der „Allgcm. Ztg." über
die letzte Sesston, und die Uebelstände, welche sich »ährend derselben, be
sonders hinsichtlich der Theilnahme der Deputirten an den Parlament«-
Beginn deß 17. Jahrhunderts erhalten alsdann die nach Vasari noch als
Plato und Aristoteles zu deutenden Figuren Heiligenscheine!
Die erste Aufzeichnung der heute herrschenden Auslegung ist in Bel-
lori's Beschreibung von 1695; Platner, Paffaoant und neuerdings Tren
delenburg in seiner schönen Deutung der Schule von Athen schließen stch
ihm an. DaS Bild enthalte eine Versammlung der griechischen Philo
sophen.
Schon in einem früheren Aufsatz hat Grimm die Gründe heraus
gehoben, welche für die erst bezeichneten Anfichten sprechen. Gegenwärtig
führt er die Möglichkeit, daß die Evangelisten links, ja daß im Mit
telpunkt des Gemäldes Paulus und Petrus ständen, mit Vorliebe weiter
aus; am Abschluß seiner Darlegung reiht er fie in seine Annahme über
die Entwicklung dieses Gemäldes so ein, daß er die Vermuthung auS-
spricht, nach 1509, unter dem Eindruck Michel AngcloS, in der Absicht,
dem Ganzen Einheit und Bewegung der Handlung zu verleihen, habe
Raphael die Gestalten der zwei Philosophen umgeformt in die deS PetruS
und PüuluSi: „nun auch vielleicht erstüder Gedanke, die bisherige Bede«-
tung deS GemäldeS: „Plato und Aristoteles" in die „PauluS in Athen"
umzuwandeln, weil diese mehr dramatische Bewegung gestatten." In
zwischen verzweifelt er daran überhaupt, mit'den gegenwärtigen Mitteln
einer der Deutungen hiflvrifche Evidenz zu verschaffen, ja er findet,
unser Verständniß deffen, waS Raphael gewollt, werde wenig gefördert
werden, wenn wir wirklich wüßten, ob das Bild eine Versammlung von
Philosophen oder Paulus und Pettus in Athen nebst Evangelisten w.
vorstelle.
Ich kann mein Erstaunen gegenüber der letzteren Anficht nicht leb
haft geuug aussprechen. Es wächst gegenüber der Begründung. „RaphaelS
war gleichgültig!, ob der schreibende im Vordergründe links PhytagoraS
oder Matthäus sein sollte." Lieber acceptire ich den Raphael Paffavantß
alö den, von welchem dieser Satz gelten würde. Und wie man in Bezug
auf di ».Absicht eines Gemäldes (Verständniß deffen, was Raphael eigenit- ’
lieh gewollt hat) eö ziemlich gleichgültig finden kann, ob es diesen oder
einen ganz anderen Gegenstand darstelle, verstehe ich nun gar nicht.
Schon innerhalb der bescheidenen Bedürfniffe des einfachen Beschauers
liegt eS, in einem Bilde die Gestalten zu vergleichen mit dem, lvaö
sie ausdrücken sollten, und die Tiefe und Mächtigkeit, mit welcher
der Gegenstand erschöpft ist, iu der Nachbildung zu genießen. Die
abstracte Erwägung von dem damaligen intellectuellen Zustande, welcher
die Ideen und Gestalten deS Alterthums mit den religiösen Ideen ver
schmolz, kann den wenig trösten, welcher das Bild ansehen und genietzem
möchte, und den «och weniger» der eS zum Verständniß RaphaelS unb
seiner Zeit benützen möchte.
Die Frage ist nun, ob wirklich die Gründe für die verschiedeneg
Ansichten stch fo die Waage halten, wie es Grimm erscheint. Schwerlich
wird jene alte Ueberlieferung je einen scharfsinnigeren beredteren, gründ
licheren Vertheidiger) finden, als sie nun an Grimm erhalten hat.
Dennoch bleibt anch nach seiner Darlegung eine Deutung dieser Axt
schwer denkbar.