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Kunstpflege in Oesterreich.
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Korrespondenz: München.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 37
Publikationen der Central-Commission eine entsprechende
Erweiterung.
Zugleich werden Maßregeln getroffen zu einer die
sämmtlichen Länder Cisleithaniens umfassenden Museo-
graphie. Es ist dies das erste von Staatswegen unter
nommene Werk dieser Art in deutscher Sprache, welches
deßhalb um so mehr geeignet ist, das Interesse der Kunst
freunde in Anspruch zu nehmen. Dasselbe soll nicht nur
die öffentlichen, sondern auch die Privatmuseen in sich be
greifen, in sofern letztere nicht selbst für wissenschaftlich
brauchbare Kataloge zu sorgen im Stande sind. Es läßt
sich leicht ermessen, daß auf diese Weise die in den Pro
vinzialmuseen und Privatsammlungen vergrabenen oder
doch nur einem kleinen Kreise zugänglichen Schätze der
wissenschaftlichen Welt erst völlig werden erschlossen werden.
Die Vollendung des Werkes wird eine Reihe von Jahren
in Anspruch nehmen.
Auch die Verwendung der Staatsgelder für größere
künstlerische Aufträge und Stipendien, das Aus
stellungswesen, insoweit es Angelegenheit des Staates
ist, endlich das gesammte Bauwesen, und zwar sowohl
der öffentliche Profanbau als der Kirchenbau, werden
durchgreifenden Reformen zu unterziehen sein. Als maß
gebende Gesichtspunkte gelten hierbei die Forderungen,
welche das Gemeinwesen an die Kunst als an eines der
wichtigsten und edelsten Bildungsmittel des Volks zu
stellen hat. Der Staat, der für die Erziehung der
Künstler Sorge trägt, soll auch bei ihrer würdigen Be
schäftigung in erster Linie stehen, im Ausstellungswesen
soll den verderblichen Einstüffen der Mode und des ge
schäftlichen Interesses entgegengearbeitet, und die Verleih
ung der zur Ausbildung der Künstler bestimmten Stipendien
soll an Bedingungen geknüpft werden, welche die Verwen
dung der vom Staate dargebotenen Mittel im allgemeinen
-Interesse der Kunst und der Wissenschaft zu sichern im
Stande sind.
Korrespondenz.
München, im Juni 1872.
A Je breiter sich in unseren Tagen das Virtuosen
thum in der Kunst macht, um so größer ist die Bewun
derung, zu der uns ein echter Künstler wie Defregger
hinreißt. Wie Treffliches er bis jetzt geleistet, Vorzüg
licheres brachte er nicht als seinen „Ball auf der Alm".
Da ist kein Haschen nach blendendem Effekt, keine bloße
Kopie der Natur, keine konventionelle Bewegung, nichts
Typisches, sondern überall schlichte Einfachheit, geistvolle
Abrundung, schlagende Wahrheit und überraschende Cha
rakteristik. Der weißköpfige Alte, der sich mit der frischen
Dirne an der Hand eben zum Tanze anschickt, ist wie die
lachende Dirne ein unübertreffliches Meisterstück. Und
wie herzlich lachen diese Bursche und Dirnen, wie wahr
ist ihre Theilnahme an dem Scherz, den der Alte macht,
wie sprechend ist die Jndividualisirung jedes Einzelnen
nach Geschlecht, Alter und Charakter trotz des gemein
samen Elementes, das allen Gebirgsbewohnern eigen!
Das Beiwerk drängt sich nirgends vor, ohne deßhalb ver
nachlässigt zu sein. und was die Farbe betrifft, so ist sie
einfach und wahr, dabei im Einzelnen von oft überraschen
der Feinheit und im ganzen und allgemeinen kräftig und
harmonisch. — „Welke Blätter, todte Liebe" nennt Otto
Seitz sein neuestes Bild, das gegenüber desselben Künst
lers „Ermordung des Riccio" von unleugbarem Fort
schritt zeugt. Was dem recht brav komponirten und gut
kolorirten Bilde schadet, das ist, daß etwas Gesuchtes da
rin liegt vom Gedanken bis zum Titel. Im Schatten
einer Treppe, über die eine geputzte Gesellschaft herab
steigt, an ihrer Spitze ein Liebespaar, liegt im Gestrüppe
des Parkes ein Cavalier, den ein anderer mit dem blanken
Degen in der Faust eben verläßt, um sich seitwärts in die
Büsche zu schlagen. Der Beschauer bleibt im Zweifel, ob
es sich um einen ehrlichen Zweikampf oder um einen
schmählichen Meuchelmord handelt und empfängt so einen
unklaren Eindruck von der Situation, was seine Theil
nahme abschwächt, statt sie, wie vom Künstler offenbar
beabsichtigt, zu steigern. — Rudolf Epp hat ein recht
hübsches Genrebild ausgestellt: eine Gruppe von Bauers
leuten schaut sich die Kunststücke zweier kleiner Jongleurs
an. Bei sicherer Zeichnung und frischer Farbe ist die
Charakteristik theilweise nicht über das Konventionelle
hinausgekommen. „Nach der Preisvertheilung" könnte
Hacke sein letztes Bild neunen, dessen Pointe in dem
Gegensatze zwischen einem faulen Knaben und dessen
fleißiger Schwester liegt. Hätte der Künstler die beiden
Gruppen sich räumlich etwas näher gerückt, so würde die
Komposition an Abrundung entschieden gewonnen haben.
Böcklin brachte eine Venus Anadyomene, in welcher
ideale Auffassung und hyperrealistische Darstellung mit ein
ander einen unversöhnbaren Kontrast bilden. Der geist
volle Künstler liebt gemalte Paradoxen. — Unter den zahl
reichen Acquisitionen der strebsamen Fleischmann'schen
Hofbuchhandlung nehmen zwei Kabinetsbildchen des
Franzosen Fichel, „Weintrinker" und „Violin- und
Violoncellspieler" eine hervorragende Stelle ein, sowohl
was die Abrundung der Komposition als was Kolorit und
Technik anlangt. — Zu den Ergebnissen des letzten
Krieges im friedlichen Gebiete der Kunst gehört auch ein
recht lebendig aufgefaßtes Bildchen von Louis Braun,
das „Preußische Corpsartillerie" zwischen Villeneuve-Ie-
Roi und La belle <5pine zeigt. Es ist eine interessante
Erscheinung, die der Kulturhiftoriker sich nicht entgehen
lassen darf, wie verhältnißmäßig klein die Anzahl der
Kriegsbilder der letzten zwei Jahre ist. Die Deutschen
erweisen sich auch hierin als ein friedliebendes Volk, das
nur gezwungen das Schwert zog und jetzt, nachdem ihm
vergönnt war, es wieder in die Scheide zu stoßen, an
seinen Kriegserinnerungen sichtlich keine allzugroße Freu
de hat. Hätten die Franzosen gesiegt, ich glaube, ihre
Künstler malten ein halbes Jahrhundert hindurch nur
Schlachtenbilder. — Es gehört Angesichts der Erfolge
der Photographie mehr als gewöhnlicher Muth dazu, sich
als Dilettant auf das Porträt zu werfen. Geschieht dieß
aber mit so schönem Erfolge wie dies bei de Tailley der
Fall ist, so hat die Kritik auch das Recht, einer solchen
Leistung anerkennend zu gedenken. — Die Architektnrmale-
reiwar durch ein prächtiges großes Bild von Hoff: „Die
Riva degli Schiavoni in Venedig" höchst ehrenvoll ver
treten. Es ist keine leichte Aufgabe, einem schon so oft
und mitunter so meisterhaft behandelten Stoffe wieder
Seiten abzugewinnen, welche den Beschauer fesseln. —
Ty land er's eminentes Talent und rastloses Studium
haben den jungen Künstler auf eine der höchsten Stufen
seiner Kunst gestellt, und noch gibt jedes neue Bild desselben
glänzendes Zeugniß von dem Streben nach dem höchsten
Ziele, das ihn erfüllt. Diesmal stellte er gleichzeitig zwei
sehr umfangreiche Mondnachtbilder von der Nord-und
Ostsee aus, in denen Lüste und Wasser mit der nämlichen
Meisterschaft behandelt waren. — Zu den Koryphäen
unsrer Landschafter zählt seit Jahren der gemüthreiche
Karl Ebert, dessen letztes Waldbild wieder alle Reize
eines deutschen vom Sonnenlicht verklärten Buchenwaldes
zur Anschauung bringt. Wenn ich in derselben Zeile mit
ihm Hellrath's „Waldeingang" nenne, so mochte ich dem
letztgenannten Künstler damit andeuten, daß ich die man-
nichfachen Vorzüge seines Werkes rückhaltslos anerkenne.
Je weniger Pflege hier die Aquarellmalerei findet, desto
lebhafter sprachen einige Arbeiten in dieser Technik von
Waldorp, Erw. Ohme, Edmund Hammann und Gi-
rolamo Jnduno an, aus welchem Grunde ich sie hier
verzeichne. —
Seit ein paar Tagen ist im Kunstausstellungsge
bäude gegenüber der königl. Glyptothek die regelmäßige
Lokalkunstausstellung der hiesigen Künstler eröffnet.
Bis jetzt ist die Anzahl der ausgestellten Werke noch eine
sehr mäßige; aber das war noch jedesmal während der
ersten Wochen der Fall, während die Ausstellungen später
regelmäßig von mehr Künstlern beschickt wurden. —
Professor Zumbusch, dessen bevorstehenden Verlust
wir aufrichtig beklagen, hat nunmehr auch die letzte und
Hauptfigur seines großen Nationaldenkmals für König
Maximilian II. vollendet und während des letzten Sonn
tags in seinem Atelier öffentlich ausgestellt. Kenner
und Laien stimmen in ihrem Urtheile dahin überein, daß
der Meister seine Aufgabe, die gewiß zu den schwierigsten
in ihrer Art zählt, nach allen Seiten hin mit brillantem
Erfolge löste.
Da sich der neue Rathhausbau des trefflichen
Hauberisser nunmehr auch im Innern seiner Vollendung
nähert, haben sich die Gemeindekollegien jüngst mit Pro
fessor v. Piloty, der schon früher seine Mitwirkung
zur Ausschmückung des Sitzungssaales der Gemeinde-
Bevollmächtigten zugesagt hat, behufs näherer Verab
redung in's Einvernehmen gesetzt. Man ist in politischen
Kreisen nicht minder als in künstlerischen darauf gespannt,
welchen Stoff Piloty für das große von ihm auszuführende
Gemälde wählen wird. Wer die Spezialgeschichte Mün
chens kennt, weiß, wie arm sie an Ereignissen ist, in
denen die Bürgerschaft eine hervorragende Nolle spielt,
und welche sich zugleich für die Darstellung durch die bil
dende Kunst eignen. Rechnet man dazu noch die bekannte
Eigenart des Künstlers, so erklärt sich jene Spannung
leicht genug.
Personen, welche den Ehrenpokal Kreling's für
Hrn. v. Kramer-Klett in Nürnberg sahen, können die
geniale Konception desselben sowie die geistvolle Behand
lung des Gedankens nicht genug rühmen.
Die Restaurationsarbeiten an den italienischen Fres
ken Rottmann's in den Hofgartenarkaden machen
wenn auch keinen raschen, so doch einen stetigen Fort
schritt. Professor Leopold Rottmann kann sich dieser Ar
beit nicht ausschließlich widmen, da er durch anderweitige
Aufträge des Königs in Anspruch genouimen ist. In
zwischen sind sowohl an den restaurirten als an einer
Anzahl noch unrestaurirter Fresken die eisernen Schutz
decken angebracht und diese Bilder dadurch dem Anblicke
entzogen. Es ist dies um so bedauerlicher, als bereits der
Fremdenzuzug ein sehr lebhafter geworden ist. Wird, wie
man nach dem Bisherigen fast glauben muß, dieses Ver
fahren konsequent durchgeführt und werden Rottmann's
Meisterwerke erst nach Vollendung aller Restaurations
arbeiten wieder sichtbar gemacht, so haben wir die fatale Aus
sicht, darauf noch eine Reihe von Jahren warten zu müssen,
denn die bisher restaurirten Bilder sind gerade diejenigen,
die am wenigsten Beschädigungen zeigten. Uebrigens steht
es nach Leopold Rottmann's Erfahrungen jetzt ganz außer
Zweifel, daß einzelne Theile der Fresken vom Mauer
fraße angegriffen und somit unrettbar verloren sind, so
bald sie an Ort und Stelle bleiben, denn auch die ratio
nellste Restauration vermag die durch den Mauerfraß
angestifteten Schäden nur vorübergehend zu verdecken,
nie aber sie zu beseitigen.
Der Bau einer Industrie- und Gewerbehalle
in der nördlichen Eschenanlage des Maximilians-Platzes
nach den schönen und praktischen Entwürfen Emil Lan g e' s
darf nicht blos als gesichert betrachtet werden, sondern
es steht auch bereits fest, daß derselbe sich über ein größeres
Areal erstrecken wird als ursprünglich projektirt war. Aller
Wahrscheinlichkeit nach wird die Kunstgenossenschaft sich in
dem künftigen Baue häuslich niederlassen. Es wäre dies
um so mehr zu wünschen, als gegenüber der dezentralisiren-
den Richtung unsers geselligen Lebens ein Centralpunkt
doppelt nothwendig erscheint, um den sich die künstlerischen