Politische Correspondenz.
689
Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 34
ein Mittel geboten ist, Frankreich gegenüber Fühlung zu gewinnen, ein Umstand,
auf welchen doch auch immer einige Rücksicht zu nehmen ist. Jedenfalls hat die
beabsichtigte Ständeberufung nur den Zweck, daß Preußen auf Grund seiner
Februarforderungen verhandle^ nicht den, daß es über dieselben verhandle. Von
ihnen kann und — wie wir hoffen — wird Preußen nicht zurückweichen. Es
hat es Oesterreich gegenüber abgerungen, diese Forderungen den Ständen vorzu
legen; es hat sie in der dem Landtage vorgelegten Denkschrift als das Minimum
bezeichnet, woran unter allen Umständen festgehalten werden müsse, während die
Annexion das allerdings Wünschenswerthere Ziel sei, es hat sie festzuhalten in
seinem wie in Deutschlands Interesse, es ist an dieselben gebunden mit hundert
Ketten. Preußen wird auf Grund der Februarforderungen entweder die Ver
ständigung oder den Bruch mit Oesterreich herbeiführen. Die letzte Eventualität
mögen wir nicht zu Ende denken; wer spräche ruhigen Blutes von einem dro
henden Bürgerkriege, dessen Schrecken uns vier Jahre lang die transatlantischen
Zeitungen geschildert? Allein es handelt sich für den preußischen Staat um die
Existenz und die Ehre und keine Regierung, die ihm nicht den Todesstoß geben
will, kann von den Februarforderungen etwas Wesentliches herunterlassen. Viele
Federn sind geschäftig zu erzählen, daß die Umkehr bereits erfolgt sei, daß Preu
ßen vor französischen Drohungen den Rückzug angetreten habe. Manche von
den Urhebern dieser Gerüchte sind dem preußischen Staat feindselig gesinnt;
sie wollen ihre Wünsche erreichen, indem sie dieselben als bereits erreicht dar
stellen. Andere aber, und diese thun mehr Schaden, sind die Preußen, welche
ihren Kleinmuth hinter der Abneigung gegen das Ministerium Bismarck ver
stecken. Weil ihnen der Muth fehlt, ein würdiges nationales Ziel, das einmal
fest und offen ausgesprochen ist, unbeirrt zu verfolgen, benutzen sie das in Preu
ßen herrschende System, um -aus demselben den Beweis zu führen, daß gegen
wärtig dies Ziel nicht erreicht werden könnte. Sie vertrösten uns auf eine ferne
Zeit, in der ein liberales Preußen Deutschland einigen werde, und bedenken nicht
daß, was in dieser Frage heute versäumt wird, in keiner Ewigkeit nachgeholt
werden kann. Sie prophezeien täglich ein neues Olmütz und vergessen, daß der
Mangel an Selbstvertrauen im preußischen Volke allein uns nach Olmütz führen
kann. Das Ziel ist gesteckt für die Regierung und für das Volk; giebt die Re
gierung es auf oder vermag sie es nicht zu erreichen, so bricht die Regierung
zusammen, und eine andere, fähigere und glücklichere tritt an ihre Stelle. Giebt
aber das Volk dieses Ziel auf, so bricht das Volk zusammen, und wer soll an
dessen Stelle treten? Grade die, welche von der Unfähigkeit des Herrn von Bis
marck den Mund so voll nehmen, welche am liebsten durch die reine Logik be
weisen möchten, daß Schleswig nicht befreit sei, daß die Siege von Düppel und
Alsen nicht gewonnen seien, grade sie sollten am eifrigsten dahin trachten daß
man dem Ziele unverwandt nachgeht, grade sie sollten sich freuen, wenn an die
ses Ministerium unerbittlich eine Aufgabe herantritt, der es nach ihrer Meinung
nicht gewachsen ist; sie würden ja dadurch den Sturz dieses Ministeriums be
fördern.
Je mehr in dem preußischen Volke die Ueberzeugung verbreitet wird, daß
ein Zurückweichen schlechthin unmöglich, ein Vorwärtsgehen um jeden Preis ge-
46 *