© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 34
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aus : Beilage zum Kieler Wochenblatt, 1865, Mai
Asmus Jakob Carstens.
Bon Dr. Klaus Groth.
Der Maler Asmuö Jakob Carstens, geb. 1754 zu
St. Jürgen bei Schleswig, ch 1708. Skizze von F.
M. Alten. Schleswig 1865.
t Künstler und Kunstwerke von Hermann Grimm.
Aprilhest. Inhalt: Asmus Jakob Ca rsten s. Vortrag.
— Michelangelo's Gedichte rc. Berlin. December 1865.
I.
Zu rechter Zeit erscheint unter obigem Titel von dem Baron
v. Alten in Oldenburg ein Schriftchen über unsern berühmten
Landsmann, das wenn es auch (nach Fernow's Arbeiten) nicht
gerade Neues an Material liefern kann, wenigstens in einem
neuen Gewände in kurzem Umriffe die Erinnerung an Carstens
auffrischt. — Die deutschen Künstler haben nämlich in ihrem
Verein im vergangenen Jahre den Entschluß gefaßt, dem Vater
und Schöpfer der neueren Kunst — denn das ist Asmus Car
stens für die Malerei sowohl wie für die Bildhauerei — in
St. Jürgen, auf der Stelle, wo er geboren, ein Denkmal zu
setzen. Der Bildhauer Gilli in Berlin hat sich erboten, einen
Marmorblock dazu zu schenken; ich vermuthe, daß er ein Relief-
portrait von Carstens in Marmor liefern und daß man dieses
an einem geeigneten Postament, umgeben vielleicht von einem
schützenden Eisengeländer, anbringen wird. So wenigstens sprach
sich Herr Gilli auf der Reise nach Schleswig bei seiner Anwesen
heit in Kiel im vorigen Jahre über das Unternehmen auS.
Aber was ist ein Denkmal ohne Erinnerung? Den gefalle
nen Helden unserer Kämpfe und Kriege mag man eine schlichte
Gedenktafel in der Kirche aufhängen, ihre Namen genügen zur
Erzählung ihrer Thaten, die Jedermann bekannt sind und die
in der Erinnerung ewig bleiben werden; eine Kanone mit dem
Namen Preußer auf dem Eckernfö'rder Kirchhofe erweckt die
ganze Geschichte vom muthigen Kampfe, vom Leiden des Volks,
von seiner Erlösung. — Wer aber weiß etwaS von Asmus Car
stens und seinen Thaten? Wo fände sich in Ditmarschen, in
Eiderstedt, in der Wilstermarsch, in Stormarn etwa einmal eine
Gesellschaft zusammen, die bei dem Namen Carstens elektrisirt
würde? ja die ihn vielleicht nur einmal gehört! Selbst in Dorf
schulen erzählt man den Kindern von dem »berühmten griechi
schen Maler Apelles", oder von Raphael, aber es ist die Frage,
ob unsere Gymnasiasten von dem Müllerslohn aus Schleswig
an der Schlei wissen, der nicht weniger unsterblich leben wird,
so lange noch von Malerei die Rede ist.
Ist dies nicht ein beklagenswerther Zustand deutscher oder
schleswig-holsteinischer Bildung? England zählt keinen einzigen
so berühmten Namen unter seinen Malern, wie Carstens es ist,
aber in England weiß Jedermann von seinem Thiermaler Landseer,
von seinem Landschafter Turner. Auf einem großen Feste in
Antwerpen 186! sah ich bei einer Illumination Tafeln mit den
Namen der einheimischen Künstler: Teniers, Jan Steen, Ru
bens rc., ich hörte, wie die Leute aus dem Volke auf Hvlzschuhen
sich die Namen mit Begeisterung beim Vorübergehen vorlasen,
wie sie Zurechtweisung gaben oder empfingen, wenn man ein
heimische Namen, z. B. Teniers, französisch und nicht nach
den Buchstaben las. Ich hörte cs mit Rührung an, aber auch
mit Beschämung, denn ich dachte, wenn man bei uns einige Ge
denktafeln errichten würde, etwa mit den Namen Hans Brügge
mann, Asmus Carstens, Charles Roß — wie viele
würden sie wohl auch nur mit Verständniß lesen? wie viele
wissen, daß es drei berühmte Schleswig-Holsteinische Bildner
bezeichne.
Auch hieran ist zum Theil unsere frühere Verbindung mit
Dänemark schuld. Sie nahmen uns nicht blos das Geld, sie
raubten uns auch unsere großen Männer. Was sich locken ließ,
lockten sie nach Kopenhagen und dann mußte es ihr eigen wer
den mit Leib und Seele, wie z. B. der noch lebende Bildhauer
Bissen aus Schleswig, der sich dazu konnte gebrauchen lassen,
den berüchtigten Flensburger Löwen zu machen. Was nicht zu
locken war, wurde gehetzt, das trieben sie nach dem Süden hin
aus aus dem Lande oder vernachlässigten es, bis Mangel oder
Ueberdruß dies Geschäft übernahmen. Carstens' Grabmal ist
in Rom an der Pyramide des Cestius, Hebbel liegt in Wien
begraben, Niebuhr in Bonn.