Diesen Einfluß und damit die Große des Mannes zeichnet
Grimm am besten in folgenden Worten. Nachdem er gesagt,
daß ein widriges Schicksal ihn spät habe beginnen lassen und
früh durch den Tod abgerufen, fährt er fort: »Das Wenige,
was er in dieser geringen-Zeit leistete, ist bedeutend genug und
hat ungemeine Frucht getragen. Denn obgleich Carstens keinen
Schüler hatte und seine Werke nicht in öffentlichen Besitz ge
langten, um in spätern Zeiten dem Volke sich einzuprägen: sie
und der Charakter des Mannes haben dennoch in großen Künst
lern fortgelebt, Malern und Bildhauern, und in ihnen wie eine
neue Incarnation des hinweggeschwundenen Meisters arbeitend,
die moderne Kunst geschaffen und ihr Inhalt, Namen und
Würde verliehen. Thorwaldsen in erster Linie, Wächter,
Schick und Cornelius empfingen in dieser Schule den ent
scheidenden Anstoß. Auch Schinkel ging aus ihr hervor.
Carstens war der erste bildende Künstler seit Michelangelo,
bei dem Charakter und Thätigkeit ein einziges Ganze ausmach
ten, und das Gefühl von der Nothwendigkeit dieser Vereinigung
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war es, aus dem die Generation, die nach ihm genannt werden
muß, sich bildete." Dürfen wi" uns rühmen, daß er von die
sem Charakter etwas aus der engeren Heimach mitgebracht?
Fast scheint es. Hebbel zeigt.Jch in mancher Beziehung ähn
lich, auch Roß wie mir scheinen will; die Gegenwart, in der sic
leben mußten, nannte es natürlich Stolz.
»Es giebt ein Wort, mit dem man das zu bezeichnen pflegt,
was vor Carstens' Zeiten in der Kunst geherrscht. Man sagt,
er und seine Schule hätten dem Zopf ein Ende gemacht. Was
ist das eigentlich, das so genannt wird?" Doch für die Antwort
auf diese Frage muß ich den Leser auf Grim m's Brochüre ver
weisen, mich freuend, wenn ich seine Neugier erregt habe. Nur
noch zum Schluß ein Citat in Bezug auf Carstens' letztes Werk:
»Alles ihm verwehrt vom.Schicksal, Alles trug er in seiner
Seele, und was er niemals selbst genoß, stellte er schöner und
wahrhaftiger hin, als die selber, die es besaßen oder besitzen, es
nur zu empfinden im Stande wären. Und auch dies letzte
Werk, alle früheren überragend, es wäre, hätte Carstens weiter
schaffen dürfen, nur eine Vorstufe , gewesen zu dem, was er dann
erst, in voller Meisterschaft vielleicht, der Welt geschenkt, und es
konnte in diesem Sinne an seiner Gruft von Fernow gesagt
werden, ein Künstler werde hier in die Erde gesenkt, der von ihr
habe scheiden müssen, ehe er sich durch ein großes monumentales
Werk, das einmal zu schaffen seine ganze Sehnsucht gewesen,
den Eintritt in die Unsterblich^'? erkaufte. Diese Unsterblichkeit
wird, denk ich, die Zukunft Carstens dennoch nicht streitig
machen; heute schon kann das mit Sicherheit gesprochen werden.
Je weiter wir fortrücken von den Tagen, in denen er arbeitete,
um so einsamer wird er über diese Zeit hinauswachsen. Schon
jetzt steht er groß genug da. Aber es genügt nicht. Deutlicher
noch als heut' wird einst erkannt werden, wie viel die Nach
folgenden ihm verdanken. Selbst wenn seine Werke untergingen,
sein Name würde bestehen und Jeder wissen, was er bedeutet."
Noch empfehle ich „die Zeichnungen von A. I. Carstens in
der großherzogl. Kunstsammlung zu Weimar. In Umrissen ge
stochen rc. von W. Müller. Mit Erläuterungen von CH.
Schuchardt, ! l Hefte Weimar und Leipzig & Heft V* Thlr.,
auf chines. Papier I Thlr." Sie sollten bei jedem Wohlhaben
den nicht auf dem Tische fehlen, wenn diesen Sommer die Künst
ler Deutschlands erscheinen, unserm großen Landsmann zu Ehren.
Kiel, Mai 1865.