© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 34
&n™sÄ' <?-“ ? i “ t Wt£ ««Ursprache; « WA das Gricchenthum auch als
uccth.D Uslnjeu so wenig der Detailforschung wie dem Realiensinn der
ivtll es der Jugend in der Auffassung und im Spiegel
c.r u>ufe Herders und der großen Dichter retten. Der Archäologie, die heute
a gezt^t^» so vieler neuer Funde alles und jedes katalogisirt und beschreibt,
v l x . a }$ !>«* au den Dichtern und Rednern gebildete Kunsturtheil
und die astyetlsche Würdigung, das seelenvolle Verständniß der Meister
werke gesellt wissen, wie das Heinrich Brunn übt und lehrt. Er ver
langt von dem Archäologen ebenso die Kenntniß der Renaissance, wie
von rer neueren Kunstgeschichte die innige Vertrautheit mit der Antike. Ich
stunrne ihm freudig bei: „Hätten die Engländer Goethe und Winckelmann her
vorgebracht, so würde Jemand, der den Standpunkt dieser Männer als wissen
schaftlich überwunden proclamirte, in England wohl sein letztes Wort ge
sprochen haben. Wissenschaft und Fachstudium sind nicht dieselben Begriffe.
Sie schließen sich öfter aus, als daß sie sich decken. Man sieht den unter der
Last ihrer Fachkcnntuisse seufzenden Alleinwissern oft mit gerechtem Mitleiden
nach. Die Frage ist heute: ob wir den Weg zu der verlassenen Tradition
Goethe's und WinckelmannS zurückfinden werden, oder ob wir uns dem red
lichen, aber rohen Eifer der Fachleute anvertrauen und unter dem Anschein,
mühsame Pfade bergauf zu erklimmen, trotzdem bergab marschiren ivollen. Der
Begriff umfassender allgemeiner Bildung ist kein täuschender Traum, sondern
etwas Wirkliches. Die allgemeinen großen Ideen sind keine hohlen Redens
arten. Immer war die in uns unbekannten Gedankentiefen bevorzugter Geister
gebildete Anschauung vom Wesen der Dinge das, was die Völker zum Licht
geleitet hat."
Als Grimin in Rom eine Rede für die Jahresversammlung der Goethe-
Gesellschaft ausarbeiten wollte, fehlten Goethe's und Herders Werke in der
Bibliothek des archäologischen Jnstitttts; ihre Büsten sah er freilich dort. Das
mag ihn veranlaßt haben, der hier mitgetheilten Rede (Goethe im Dienst unsrer
Zeit) die Sätze einzufügen: „Sollte die Meinung bei uns durchdringen, die
einige zu hegen scheinen, ein Gelehrter müsse diesen oder jenen Ausschnitt des
antiken Kunstlebens als abgetrenntes Beobachtungsobject, als völkerpsychologi-
fches Symptom für sich in Anspruch nehmen, und sollte einem Vertreter dieser
Art Studium gar die Aufgabe zufallen, die zukünftigen Lehrer unsrer Jugend
bilden ztt müssen, so würde der ganze Aufbau unsrer Entv icklung durch
die letzten Jahrhunderte sich in einen ungeheuren Schutthaufm vor deren
Augen verwandeln, dessen einzelne Bestandtheile zu beschrc.ben und zu
mmietiren wären. Woh-r sss? Wv,... hc* .hi*. so «»«Mfern fmtntp s;*
Begeisterung nehmen, ohne di.e er seine Schüler zu nichts Lebendigem »oürde
leiten könnend" Gegenüber dein/Kleinkram, der heute in der Geschichte, in der
Literatur sich so gern an das Unbedeutende, an das glücklich durch das Sieb
der Zeit Hindurchgefallene hält, und auch bei Goethe über Lesarten und Notizen-
gelehrsamkcit den Gedankengehalt hintanstellt, in dem doch ein großer Theil
des besten Wissens ganzer Jahrhunderte aufgespeichert ist — erquickt uns in
der Goethe-Rede Grimms auch folgendes schöne Wort: „Die Völker führen
geistige Besitzthümer mit sich, die wie eine Art Atmosphäre über ihnen schweben.
Zu diesem Besitz gehören eine gewisse Fülle von Phantasiegebilden, die in
wechselnden Formen sie begleiten. Dichtkunst und Geschlchtschreibung suchen
diese Gebilde in Worten, bildende Kunst sie in leibhaftigem Anblicke zu ge
stalten. Das, was wir die Größe eines Dichters, Schriftstellers oder bildenden
Künstlers nennen, ist die Anerkennung seiner Macht, sich mit solchen
Schöpfungen in der Phantasie der Völker an» festesten einzunisten. Der
Umfang dieser Macht ist cs, die Homer, Sophokles, Dante, Shake
speare und Goethe selbst über die anderen Dichter erhebt. . Mit einer
Art Tyrannei drängen sich die Figuren dieser fünf Dichter . (nicht auch des
Cervantes?) an» klarsten in uns ein und nöthigen uns, sie vor uns, zu
sehen. Wie sie das machen, ist ihr Geheimniß. Was haben die wenigen
Verse, in denen Dante Fraucesca von Rimini vor uns erscheinen läßt. Be
sonderes? Worte, und obendrein sehr wenige einfache Worte. Keme Kimst
nachweisbar. Aber wer sie gelesen hat, den verfolgen sie und das Bild, das
sie hervorrufen, durchs Leben." ^ ...
Ob Grimm über die Jubiläumsausstellung von 1838 in Berlm oder die
Denkmalentwürse für Kaiser Wilhelm 1., ob über die Verwüstung Noms oder
über den Unterricht im Deutschen auf unsern Gymnasien, oder die huirdertsten
Geburtstage von Uhland und Rückcrt redet, stets weiß er ein geistvolles Wort
zu sagen, den» rnan gern weiter nachsinnt, er schreibt nicht erschöpfend, selten
abschließend, stets anregend. Ich theile einige solche sinnschwere Aussprüche
mit. So redet Grimm von den» höhere Werth, den die in schöner Forrn aus
geprägten edlen Gedanken der classischen Dichter gerade für die Gegenwart
haben, und sagt: „Wir sehen unser Jahrhundert überfluthet von einer die
Phantasie der Völker aufs äußerste reizenden und verwirrenden Literatur.
Gebilde von trügerischer ^ und erlogener Natürlichkeit drängen sich aus der
Phantasie derer, die sie schttsen, in die der anderer», die sie in sich aufnehnren.
Ein verführerisches Gewebe scheinbar wirklicher Erfahrungen, die an Wahrheit
aber weder jemals erlebt worden sind, noch erlebt werden können, umgibt die
Menschen und hält sie in geistiger Gefangenschaft. Dramen und Romane führen
in mächtiger Verbreitung solche Schöpfungen mit sich, die wie beängstigende
Nebelmassen sich tun uns lagern. Wie Sonnenstrahlen aber durchbrechen die
Worte der großen Dichter sie. Darüber gibt es keine statistischen Tabellen, in
wie viele durch die couranten Lügen der Zeit verdüsterte Menscheirseelen die
Worte der tvahren Dichter einströmend Licht und Wärme verbreiteten. Dafür
kann auch keine Dankbarkeit bewiesen werden, als durch die Wirkung selber,
die vollbracht wurde, und die, wie urrsichtbarer Opferdamps, z»» unsichtbarer»
Regionen emporsteigt. Empfunden haben es sicherlich Viele. Wenn Friedrich
der''Große sagte, der einzige wirkliche Ruhm sei doch nur der eines großen
Schriftstellers, so kann er nichts anderes im Sinne gehabt haben."
Das Unruhige und Unbefriedigte so vieler Zeitgenossen findet er auf
Sp« Kunstausstellungen wieder. Er sagt von der Plastik: „fSch* wnn