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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 33
niss, in der französischen Armee, und zwar ihrem
Wunsche entsprechend, bei den Truppen in Al
gerien, Dienste zu thun. Sie wurden, im Decem
ber 1858 in Algier eintreffend, verschiedenen Re
gimentern zugetheilt, Lieutenant Lilliehöök auf seine
Bitte dem in Oran stehenden 2. Zuaven-Regiment.
Derselbe hatte somit während seiner 2jährigen
Dienstleistung bei diesem Regimente, die beste
Gelegenheit, die Zuaven, mitten unter ihnen lebend,
und alle Gefahren zweier Campagnen mit ihnen
theilend, in allen Beziehungen genau kennen zu
lernen, und haben daher alle seine ausführlichen
Schilderungen ihres Garnison-, Feld- und Lager
lebens um so höheren Werth, als es sichtlich dem
Vers. nur darum zu thun gewesen ist, die unge
schminkte Wahrheit in seinen Aufzeichnungen
wieder zu geben.
Eine gedrängte Uebersicht der Geschichte der
Zuaven und eine allgemeine Terrainbeschreibung
Algeriens wird der Erzählung der persönlichen
Erlebnisse unter den Zuaven vorausgeschickt.
Bekanntlich wurden die ersten beiden Bataillone
Zuaven (nach einem tapfern kabylischen Stamme,
Zouaoua so genannt) in Afrika aus Eingebornen
vom General Clausei errichtet und nur einzelne
Franzosen (pariser Barrikadenkämpfer) als Frei
willige bei demselben eingestellt. Die Rekrutirung
der Zuaven durch Eingeborene hatte aber nicht
den erwarteten Fortgang; es wurde daher 1833
\ Zuaven-Bataillon eingezogen und das andre in
der Weise neu organisirt, dass von den 10 Com
pagnien nur 2 durch Eingeborene, 8 Compagnien
dagegen durch freiwillig eintretende Franzosen
formirt werden sollten.
Nachdem 1835 dieses Zuaven - Bataillon durch
ein errichtetes zweites Bataillon (beide ä 6 Com
pagnien) zu einem Regiment augmentirt worden,
erhielt dieses im Jahre 1841 noch ein drittes Ba
taillon, jedoch sollte bei jedem derselben nur eine
Compagnie durch Eingeborne recrutirt werden.
Man überzeugte sich davon, dass das Gemisch
von Eingebornen und Franzosen in einem Truppen-
theile nachtheilig auf beide Theile einwirkte, und
so sterben allmählig die Eingebornen bei den Zua
ven ganz aus, indem diese sich ausschliesslich aus
französischen Freiwilligen (meist Parisern) ergänz
ten. Aus den Eingebornen wurden dagegen be
sondere Infanterie-Regimenter (tirailleuwwdig&nes),
die bekannten Turcos errichtet.
1852 wurden die Zuaven auf ihren noch ge
genwärtigen Bestand vermehrt: 3 Regimenter ä
3 Bataillone ä 9 Compagnien und ihre Gesammt-
stärke auf circa 282 Officiere und 8000—9000
Mann gebracht.
Unter den ausgezeichnetsten Führern (Lamo-
riciere, Cavaignac, St. Arnaud, l’AdmirauU, Canro-
berl), in ihren Reihen selbst die verwegensten
Elemente zählend und an allen bedeutenden Unter
nehmungen in Algerien rühmlichen Antheil nehmend,
erwarben sich die Zuaven bald den Ruf der kriegs
geübtesten Soldaten der französischen Armee und
wurden daher schon im Jahre 1837 bei der Er
stürmung von Constantine als eine wohl verdiente
Auszeichnung an die Spitze der Sturmcolonnen
gestellt ; diesen Ruf bewährten sie glänzend in der
Krim, in Italien, späterhin auch in Mexico, sowohl
durch ihre Tapferkeit und ihre durch Nichts zu
erschütternde Kühnheit, als auch durch die Leich
tigkeit und den frischen Muth, mil welchem sie,
allezeit zum Kampfe bereit und denselben sehn
lichst herbei wünschend, die grössten Strapatzen
zu ertragen wussten.
Vers., demnächst zur Erzählung seiner eigenen
Erlebnisse und Wahrnehmungen übergehend, schil
dert zuerst das Leben und Treiben des 2. Zuaven-
Regiments in seiner Garnison Oran und giebt so
dann eine eingehende Charakteristik der Zuaven-
Officiere, von denen er mit kameradschaftlicher
Zuvorkommenheit aufgenommen wurde.
Ein Marsch, den er bald nach seiner Ankunft
im Monat April mit dem Regiment nach Tlemcen
mitmachte, giebt ihm Veranlassung die Marsch
ordnung, Marschgewohnheiten und Art der Ver
pflegung der Zuaven ausführlich zu erwähnen, so
wie höchst anziehende Schilderungen über die
Eigenthümlichkeiten des Landes, welches auf die
sem Marsche durchschritten wurde, in seine Er
zählung einzuflechten.
Der Ausbruch des italienischen Krieges 1859
rief aber die Zuaven auf einen andern Kampfplatz;
das 2. Zuaven -Regiment von der marokkanischen
Grenze am 17. April zurückbeordert, erhielt am
22sten in Oran den Befehl, sich schleunigst nach
Italien einzuschiffen. Nach einer 4tägigen Ueber-
fahrt landete das Regiment am 30. April in Genua
und wurde dem 2. Armee-Corps (G. Mac Mahon)
zugewiesen. Das Regiment war circa 2500 Mann
stark, da die Bataillone nur mit den ersten 6 Com
pagnien ausgerückt waren und ein jedes derselben
3 Compagnien in Algerien, theils zur Besetzung
des Landes, theils zur Ausbildung der Rekruten,
also gleichsam als Depot, zurückgelassen hatte.
Wir finden nun, nachdem der Vers., wie durch
einen Zauberschlag in dem Zeitraume von noch
nicht 14 Tagen von der äussersten Westgrenze
Algeriens nach Italien versetzt worden, in seinem
Buche eine sehr anziehende, lebendige Schilderung
seiner Erlebnisse und ersten Eindrücke in Italien,
namentlich auch von dem Wirrwarr, welcher zu
erst bei dem Ausschiffen und dem ersten Vormarsch
der Franzosen in Italien geherrscht hat. Auch er
bestätigt es, dass die französische Armee erst am
17. Mai organisirt war und eine geregelte Auf
stellung genommen hatte, bis dahin aber fortwäh
rend in der grössten Besorgniss schwebte, dass
die Oesterreicher vorher über sie herfallen würden.
Am 3. Juni halte das 2. Zuaven-Regiment das
erste, freilich nur unbedeutende Gefecht mit den
Oesterreichern am Naviglio grande. Das Regiment,
am Vormittage gegen den Brückenkopf von San
Martino vorgesandt, entdeckte, dass dieser von
den Oesterreichern verlassen, die grosse Ticino
brücke aber nur unvollständig gesprengt, noch
passirbar sei. Sofort folgten die Zuaven auf das
linke Ticino-Ufer und es entwickelte sich mit den
Oesterreichern in der Nähe des Naviglio ein
Tirailleurgefecht, was jedoch, der Natur der Sache
nach, zu keiner Entscheidung führen konnte. Im
Ganzen befand sich nur eine französische Brigade
(Gastagny mit 4000 Mann) und zwar ganz isolirt
auf dem linken Ticino-Ufer, so dass daher ein
concenlrirter Angriff der Oesterreicher dieser et
was zu verwegen vorgegangenen kleinen Truppen
zahl die empfindlichsten Verluste hätte beibringen
können. Der Vers. tadelt diese Passivität der
Oesterreicher bitter, wahrscheinlich war es ihm
nicht bekannt, dass Clam - Gallas selbst nur 4600
Mann zur Zeit zur Disposition hatte, nachdem
3500 Mann unter Baron Cordon von ihm gegen
Turbigo detachirt worden waren.
Nachmittags wurde das 2. Zuaven-Regiment auf
das rechte Ticino-Ufer zurückgezogen und rnar-
schirte nach Turbigo, wo es Abends spät zu dem
dort bereits über den Ticino gegangenen Gros des
2. Armee-Corps stiess.
Am 4. Juni. am Schlachttage von Magenta,
rückte das 2. Zuaven-Regiment in der linken
Divisions-Colonne des Generals Espinasse gegen
Marcallo vor. Vers. schildert ausführlich die
Schwierigkeiten und die dadurch herbeigeführte
Langsamkeit dieses Vormarsches; mehrmals musste
ein längerer Halt gemacht werden, um die durch
einander gekommenen verschiedenen Truppentheile
wieder zu ordnen. Erst bei Marcallo kam die
Division Espinasse ins Gefecht, bis dahin hatte sie
nur einen Friedensmarsch, freilich mit allen mög
lichen Vorsichtsmaassregeln, gemacht.
Ein eigenthümliches Bild entwirft Vers. von
dem ersten heiligen Gefechte, welches das 2.
Zuaven-Regiment bei der Ziegelei von Marcallo
siegreich bestand. Ein ganzes Bataillon war in
Tirailleurschwärme aufgelöst, als eine österrei
chische Colonne gegen eine hinter den Tirailleurs
stehende französische Batterie vorbrach. General
Espinasse setzte sich sofort an die Spitze der dicht
dahinter stehenden beiden andern Zuaven-Bataillone,
und wirft mit dem Bajonet die österreichische
Colonne mit solcher Vehemenz zurück, dass deren
Fahnen und 400 Gefangene in den Händen der
Zuaven bleiben. Es war diese Colonne bekannt
lich das Grenadier-Bataillon des polnischen Regi
ments Hartmann (nicht das ganze Regiment, wie
Vers. angiebl), und wich dies isolirle Bataillon, wie
die verschiedensten Quellen doeumenliren, erst
nach dem hartnäckigsten Widerstände der von
allen Seiten hervorbrechenden Uebermacht. Wenn
daher Vers. behauptet, dass dies nicht wahr sei,
dass die Mannschaften des Regiments Hartmann
augenblicklich jeglichen Widerstand aufgegeben
hätten und zum Beweise dafür anführt, dass kein
einziger Zuave bei diesem Angriff einen Bajonel-
stich erhallen habe, so befindet er sich im ent
schiedenen Widerspräche mit alten bisher über
diesen Gefechtsmoment festgestellten Angaben.
Das in Tirailleurschwärmen aufgelöste Zuaven-
bataillon wurde übrigens, wie in der Schrift weiter
erzählt wird, fast gänzlich aufgerieben, indem es,
während die andern Bataillone in ihre Stellung an
der Ziegelei zurückkehrten, in blinder Hitze den
fliehenden Oesterreichern bis Magenta nachstürzte,
und hier, nach sehr bedeutenden Verlusten, nach
allen Seiten hin auseinnder gesprengt wurde.
Abends ^7 Uhr erhielt General Espinasse den
Befehl, Magenta selbst anzugreifen und sofort
avancirle die ganze zweite Division. Der General
setzte sich an die Spitze der auf der grossen
Strasse gegen den Haupteingang dirigirlcn Colonne,
aus den 2 Bataillonen des Zuaven- und 1 Bataillon
des Fremden-Regiments bestehend. Die 3 Ba
taillone folgten hintereinander in Colonne (in Com
pagniefront mit halber Distanz zwischen den Com
pagnien) und halten das Gepäck abgeworfen, wel
ches sie, wie weiter erzählt wird, erst am folgen
den Tage zusammensuchen konnten. Etwa 100