Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Leben Michelangelo's

103 
104 
105 
106 
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 33 
niss, in der französischen Armee, und zwar ihrem 
Wunsche entsprechend, bei den Truppen in Al 
gerien, Dienste zu thun. Sie wurden, im Decem 
ber 1858 in Algier eintreffend, verschiedenen Re 
gimentern zugetheilt, Lieutenant Lilliehöök auf seine 
Bitte dem in Oran stehenden 2. Zuaven-Regiment. 
Derselbe hatte somit während seiner 2jährigen 
Dienstleistung bei diesem Regimente, die beste 
Gelegenheit, die Zuaven, mitten unter ihnen lebend, 
und alle Gefahren zweier Campagnen mit ihnen 
theilend, in allen Beziehungen genau kennen zu 
lernen, und haben daher alle seine ausführlichen 
Schilderungen ihres Garnison-, Feld- und Lager 
lebens um so höheren Werth, als es sichtlich dem 
Vers. nur darum zu thun gewesen ist, die unge 
schminkte Wahrheit in seinen Aufzeichnungen 
wieder zu geben. 
Eine gedrängte Uebersicht der Geschichte der 
Zuaven und eine allgemeine Terrainbeschreibung 
Algeriens wird der Erzählung der persönlichen 
Erlebnisse unter den Zuaven vorausgeschickt. 
Bekanntlich wurden die ersten beiden Bataillone 
Zuaven (nach einem tapfern kabylischen Stamme, 
Zouaoua so genannt) in Afrika aus Eingebornen 
vom General Clausei errichtet und nur einzelne 
Franzosen (pariser Barrikadenkämpfer) als Frei 
willige bei demselben eingestellt. Die Rekrutirung 
der Zuaven durch Eingeborene hatte aber nicht 
den erwarteten Fortgang; es wurde daher 1833 
\ Zuaven-Bataillon eingezogen und das andre in 
der Weise neu organisirt, dass von den 10 Com 
pagnien nur 2 durch Eingeborene, 8 Compagnien 
dagegen durch freiwillig eintretende Franzosen 
formirt werden sollten. 
Nachdem 1835 dieses Zuaven - Bataillon durch 
ein errichtetes zweites Bataillon (beide ä 6 Com 
pagnien) zu einem Regiment augmentirt worden, 
erhielt dieses im Jahre 1841 noch ein drittes Ba 
taillon, jedoch sollte bei jedem derselben nur eine 
Compagnie durch Eingeborne recrutirt werden. 
Man überzeugte sich davon, dass das Gemisch 
von Eingebornen und Franzosen in einem Truppen- 
theile nachtheilig auf beide Theile einwirkte, und 
so sterben allmählig die Eingebornen bei den Zua 
ven ganz aus, indem diese sich ausschliesslich aus 
französischen Freiwilligen (meist Parisern) ergänz 
ten. Aus den Eingebornen wurden dagegen be 
sondere Infanterie-Regimenter (tirailleuwwdig&nes), 
die bekannten Turcos errichtet. 
1852 wurden die Zuaven auf ihren noch ge 
genwärtigen Bestand vermehrt: 3 Regimenter ä 
3 Bataillone ä 9 Compagnien und ihre Gesammt- 
stärke auf circa 282 Officiere und 8000—9000 
Mann gebracht. 
Unter den ausgezeichnetsten Führern (Lamo- 
riciere, Cavaignac, St. Arnaud, l’AdmirauU, Canro- 
berl), in ihren Reihen selbst die verwegensten 
Elemente zählend und an allen bedeutenden Unter 
nehmungen in Algerien rühmlichen Antheil nehmend, 
erwarben sich die Zuaven bald den Ruf der kriegs 
geübtesten Soldaten der französischen Armee und 
wurden daher schon im Jahre 1837 bei der Er 
stürmung von Constantine als eine wohl verdiente 
Auszeichnung an die Spitze der Sturmcolonnen 
gestellt ; diesen Ruf bewährten sie glänzend in der 
Krim, in Italien, späterhin auch in Mexico, sowohl 
durch ihre Tapferkeit und ihre durch Nichts zu 
erschütternde Kühnheit, als auch durch die Leich 
tigkeit und den frischen Muth, mil welchem sie, 
allezeit zum Kampfe bereit und denselben sehn 
lichst herbei wünschend, die grössten Strapatzen 
zu ertragen wussten. 
Vers., demnächst zur Erzählung seiner eigenen 
Erlebnisse und Wahrnehmungen übergehend, schil 
dert zuerst das Leben und Treiben des 2. Zuaven- 
Regiments in seiner Garnison Oran und giebt so 
dann eine eingehende Charakteristik der Zuaven- 
Officiere, von denen er mit kameradschaftlicher 
Zuvorkommenheit aufgenommen wurde. 
Ein Marsch, den er bald nach seiner Ankunft 
im Monat April mit dem Regiment nach Tlemcen 
mitmachte, giebt ihm Veranlassung die Marsch 
ordnung, Marschgewohnheiten und Art der Ver 
pflegung der Zuaven ausführlich zu erwähnen, so 
wie höchst anziehende Schilderungen über die 
Eigenthümlichkeiten des Landes, welches auf die 
sem Marsche durchschritten wurde, in seine Er 
zählung einzuflechten. 
Der Ausbruch des italienischen Krieges 1859 
rief aber die Zuaven auf einen andern Kampfplatz; 
das 2. Zuaven -Regiment von der marokkanischen 
Grenze am 17. April zurückbeordert, erhielt am 
22sten in Oran den Befehl, sich schleunigst nach 
Italien einzuschiffen. Nach einer 4tägigen Ueber- 
fahrt landete das Regiment am 30. April in Genua 
und wurde dem 2. Armee-Corps (G. Mac Mahon) 
zugewiesen. Das Regiment war circa 2500 Mann 
stark, da die Bataillone nur mit den ersten 6 Com 
pagnien ausgerückt waren und ein jedes derselben 
3 Compagnien in Algerien, theils zur Besetzung 
des Landes, theils zur Ausbildung der Rekruten, 
also gleichsam als Depot, zurückgelassen hatte. 
Wir finden nun, nachdem der Vers., wie durch 
einen Zauberschlag in dem Zeitraume von noch 
nicht 14 Tagen von der äussersten Westgrenze 
Algeriens nach Italien versetzt worden, in seinem 
Buche eine sehr anziehende, lebendige Schilderung 
seiner Erlebnisse und ersten Eindrücke in Italien, 
namentlich auch von dem Wirrwarr, welcher zu 
erst bei dem Ausschiffen und dem ersten Vormarsch 
der Franzosen in Italien geherrscht hat. Auch er 
bestätigt es, dass die französische Armee erst am 
17. Mai organisirt war und eine geregelte Auf 
stellung genommen hatte, bis dahin aber fortwäh 
rend in der grössten Besorgniss schwebte, dass 
die Oesterreicher vorher über sie herfallen würden. 
Am 3. Juni halte das 2. Zuaven-Regiment das 
erste, freilich nur unbedeutende Gefecht mit den 
Oesterreichern am Naviglio grande. Das Regiment, 
am Vormittage gegen den Brückenkopf von San 
Martino vorgesandt, entdeckte, dass dieser von 
den Oesterreichern verlassen, die grosse Ticino 
brücke aber nur unvollständig gesprengt, noch 
passirbar sei. Sofort folgten die Zuaven auf das 
linke Ticino-Ufer und es entwickelte sich mit den 
Oesterreichern in der Nähe des Naviglio ein 
Tirailleurgefecht, was jedoch, der Natur der Sache 
nach, zu keiner Entscheidung führen konnte. Im 
Ganzen befand sich nur eine französische Brigade 
(Gastagny mit 4000 Mann) und zwar ganz isolirt 
auf dem linken Ticino-Ufer, so dass daher ein 
concenlrirter Angriff der Oesterreicher dieser et 
was zu verwegen vorgegangenen kleinen Truppen 
zahl die empfindlichsten Verluste hätte beibringen 
können. Der Vers. tadelt diese Passivität der 
Oesterreicher bitter, wahrscheinlich war es ihm 
nicht bekannt, dass Clam - Gallas selbst nur 4600 
Mann zur Zeit zur Disposition hatte, nachdem 
3500 Mann unter Baron Cordon von ihm gegen 
Turbigo detachirt worden waren. 
Nachmittags wurde das 2. Zuaven-Regiment auf 
das rechte Ticino-Ufer zurückgezogen und rnar- 
schirte nach Turbigo, wo es Abends spät zu dem 
dort bereits über den Ticino gegangenen Gros des 
2. Armee-Corps stiess. 
Am 4. Juni. am Schlachttage von Magenta, 
rückte das 2. Zuaven-Regiment in der linken 
Divisions-Colonne des Generals Espinasse gegen 
Marcallo vor. Vers. schildert ausführlich die 
Schwierigkeiten und die dadurch herbeigeführte 
Langsamkeit dieses Vormarsches; mehrmals musste 
ein längerer Halt gemacht werden, um die durch 
einander gekommenen verschiedenen Truppentheile 
wieder zu ordnen. Erst bei Marcallo kam die 
Division Espinasse ins Gefecht, bis dahin hatte sie 
nur einen Friedensmarsch, freilich mit allen mög 
lichen Vorsichtsmaassregeln, gemacht. 
Ein eigenthümliches Bild entwirft Vers. von 
dem ersten heiligen Gefechte, welches das 2. 
Zuaven-Regiment bei der Ziegelei von Marcallo 
siegreich bestand. Ein ganzes Bataillon war in 
Tirailleurschwärme aufgelöst, als eine österrei 
chische Colonne gegen eine hinter den Tirailleurs 
stehende französische Batterie vorbrach. General 
Espinasse setzte sich sofort an die Spitze der dicht 
dahinter stehenden beiden andern Zuaven-Bataillone, 
und wirft mit dem Bajonet die österreichische 
Colonne mit solcher Vehemenz zurück, dass deren 
Fahnen und 400 Gefangene in den Händen der 
Zuaven bleiben. Es war diese Colonne bekannt 
lich das Grenadier-Bataillon des polnischen Regi 
ments Hartmann (nicht das ganze Regiment, wie 
Vers. angiebl), und wich dies isolirle Bataillon, wie 
die verschiedensten Quellen doeumenliren, erst 
nach dem hartnäckigsten Widerstände der von 
allen Seiten hervorbrechenden Uebermacht. Wenn 
daher Vers. behauptet, dass dies nicht wahr sei, 
dass die Mannschaften des Regiments Hartmann 
augenblicklich jeglichen Widerstand aufgegeben 
hätten und zum Beweise dafür anführt, dass kein 
einziger Zuave bei diesem Angriff einen Bajonel- 
stich erhallen habe, so befindet er sich im ent 
schiedenen Widerspräche mit alten bisher über 
diesen Gefechtsmoment festgestellten Angaben. 
Das in Tirailleurschwärmen aufgelöste Zuaven- 
bataillon wurde übrigens, wie in der Schrift weiter 
erzählt wird, fast gänzlich aufgerieben, indem es, 
während die andern Bataillone in ihre Stellung an 
der Ziegelei zurückkehrten, in blinder Hitze den 
fliehenden Oesterreichern bis Magenta nachstürzte, 
und hier, nach sehr bedeutenden Verlusten, nach 
allen Seiten hin auseinnder gesprengt wurde. 
Abends ^7 Uhr erhielt General Espinasse den 
Befehl, Magenta selbst anzugreifen und sofort 
avancirle die ganze zweite Division. Der General 
setzte sich an die Spitze der auf der grossen 
Strasse gegen den Haupteingang dirigirlcn Colonne, 
aus den 2 Bataillonen des Zuaven- und 1 Bataillon 
des Fremden-Regiments bestehend. Die 3 Ba 
taillone folgten hintereinander in Colonne (in Com 
pagniefront mit halber Distanz zwischen den Com 
pagnien) und halten das Gepäck abgeworfen, wel 
ches sie, wie weiter erzählt wird, erst am folgen 
den Tage zusammensuchen konnten. Etwa 100
	        

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.