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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 33
Mi litair-Literatur- Zeitung.
Gegründet von C. v. Decker und L. Blesson.
Expedition : Buchhand •
lung von E. S. Mittler
u. Sohn in Berlin. Preis
eines Jahrgangs von 12 Bes
ten 4 Thlr. En den ersten Ta
gen eines jeden Monats wird
ein Best incl. Bücher-Anzei
gen ausgegeben : am Schluss
des Jahres ein Sachregister
nebst Jahres-Titel.
1865
ieclisnndvier/Jgster Jahrgang.
3tes Heft. — März.
Bestellungen
(durch Postämter und Buch-
handlungenj nur auf einen
ganzen Jahrgang. Xu be
urtheilende Werke sind auf
dem Buchhändlerwege an die
Bedaction einzu
senden.
Redacteure:
15 o r b s 1 a e d t. Pochhammer.
Expedition: E. 8. Mittler <fc Sohn, Kochstrasse 69.
fichelangelo’s von Hermann Grimm.
\eite durchgearbeitete Auflage. Hannover;
lümpler. 1864. (Preis 5 Thlr.)
In Gedanken sehen wir schon manche der ver
ehrten Leser unserer M.-L.-Z. über den anschei
nend allzu kecken und anmaasslichen Referenten
unmuthig den Kopf schütteln, unwillig die Nase
rümpfen, weil er wohl gar Michelangelo unter die
bewährten Kriegsmänner des sechszehnten Jahr
hunderts versetzen, seine Leistungen und Thaten
denen Jener anreihen und vergleichen möchte.
Ganz so arg ist es nun wohl nicht, aber allerdings
haben wir a priori erst zu beweisen, dass diesem
gewaltigen Helden in der Kunst von Gott und
Rechtswegen auch sein Platz in der des Krieges
gebührt, dass sein Dichten und Trachten, sein
Wirken und Walten in diesem Gebiete wohl ver
dient, vor die Schranken unseres grünen Blattes
gezogen, besprochen, beurtheilt und belobt zu
werden.
Wir berufen uns hierin auf das grosse Ver
dienst Hermann Grimm s seines neusten Historio
graphen, dem es vorbehalten war, ihn zuerst und
weit über Vasari und Winkelmann hinaus in seinen
vielseitigen Leistungen und Beziehungen beachtet
und betrachtet und also auch in seinen militairi-
schen dem ungewissen Schimmer entzogen und ins
richtige Licht gestellt zu haben. Das sechszehnte
Jahrhundert war in allen seinen Erscheinungen,
MiL-Lit-Zeit. 3tes lieft. 1865.
Meinungen, Zwecken, Zielen und Gefühlen ein sich
bewusstes, grosses, ganzes, entschiedenes, jeder
Halbheit widerstrebendes, geeignet Charaktere zu
bilden und zu entwickeln. In Grimm’s hier mei
sterhaft gezeichneten Zeitbilde ist ein wichtiges
Stück Staats-, Kriegs- und Weltgeschichte enthal
ten, die lebendigste und verständlichste Charakte
ristik der Personen und Zustände Italiens in der
Gährung, Ab- und Aufklärung der damaligen Zeit
mit allen ihren Ein- und Rückwirkungen, An- und
Rückschlägen des gesammten Europa's. Alle irgend
bedeutsame Männer und Frauen jenes Jahrhunderts,
berühmte und berüchtigte, verehrte und verkehrte,
erkannte und verkannte, im Feuer der Schlachten
oder der Scheiterhaufen gestählte oder verbrannte,
Alle müssen eine haarscharfe Heerschau passiren
und schon eine kleine Auswahl der hier meister
haft gegebenen kurzen Biographien, eines verruch
ten Alexander VI., eines krieg- und blutschnau
benden Julius II., die der kunst- aber auch herrsch
süchtigen Mediceer, eines begeisterten Savonarola,
einer so an Geistes- wie an Körperschönheit alle
ihres Gleichen überstrahlende Vittoria Colonna,
sind eben so viel Beläge für unsern Ausspruch.
Doch ist dies Alles eigentlich nicht das, was
wir zum Lobe des Werkes, des Vers. und seines
Helden sagen und für seine volle Kriegsberechti
gung anführen wollten. Dürfen wir auch anneh
men, dass vielen unserer Leser die innern Zu
stände und Fehden Italiens jener Zeit, die Ge-
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