Full text: Zeitungsausschnitte über Werke von Herman Grimm: Leben Michelangelo's

sches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 33 
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Wenige Monate später ließ Julius II, auf Sangallo's Empfehlung, Michel 
angelo mitten aus neubegonnenen Arbeiten heraus zu sich nach Nom ent 
bieten. Hier trug er ihm zunächst ein Grabmonument auf, das er für sich 
selber im St. Peter errichtet sehen wollte. Vom ursprünglichen Project 
dieses Monuments existirt eine Zeichnung in den Ufsizien. Schließlich kam 
es nach einem Decennium und nach Julius' Tod in wesentlich anderer Ge 
stalt als die Krone der modernen Sculptur im Moses zu Stande, wie er 
jetzt in der Kirche S. Pietro in Vincoli, ein Urbild überwältigender Kraft 
und Hoheit, auf seinem Sitz thront. Zur Beschaffung des Marmors wurde 
Michelangelo monatelang nach Carrara geschickt; durch Einflüsterungen 
Bramante's, des Baumeisters an der Peterskirche, erkaltete inzwischen des 
Papstes Eifer; Michelangelo, der bis dahin unangemeldeten Zutritt im 
Vatican hatte, wurde eines Tages nach seiner Rückkehr aus Carrara abge 
wiesen; er schreibt darauf an den Papst: „Heiligster Vater! Diesen Mor 
gen bin ich auf Befehl Ew. Heiligkeit aus dem Palast gejagt; wenn Ihr 
mich zukünftig braucht, könnt Ihr mich anderswo als in Nom suchen," 
und entflieht nach Florenz. Erst in Folge mehrfacher Schreiben des Pap 
stes an die Signorie und nach erlangter Sicherheit für seine Person ent 
schloß er sich zur Rückkehr; er trafJulius II, der mittlerweile seine Kriegs 
züge begonnen hatte, in Bologna, und erhielt dessen Verzeihung, sowie 
den Auftrag ihm in Bologna eine Bronzestatue auf dem Dome San 
Petronio zu errichten. 
Lange nachdem Julius abgezogen war, wurde die Statue fertig und 
aufgestellt; im Jahr 1511 aber stürzten sie die Bolognesen bei der Belage 
rung durch Giovanni Medici herab, und zertrümmerten sie. Wiederum der 
Neid Bologneser Künstler scheint Michelangelo gleich nach Vollendung des 
ebengedachten Werks den Aufenthalt in Bologna verleidet zu haben. Es 
zog ihn zurück nach Florenz: von da berief ihn aber auf Bramante's Rath, 
der ihm eine seine Kräfte übersteigende Aufgabe ersonnen zu haben ver 
meinte, Julius II zur Ausmalung der Sixtinischen Capelle von neuem nach 
Rom (1508). Sein anfänglicher Widerspruch gegen diese Art von Arbeit 
scheiterte an der Hartnäckigkeit des Papstes, und so haben wir dieser die 
wunderbaren Deckengemälde der Sistina zu verdanken, die er in nicht vollen 
zwei Jahren ohne Beihülfe vollendete. 
Grimm theilt interessante Einzelheiten ihrer Entstehungsgeschichte mit, 
gibt auch eine lebendige Schilderung des hauptsächlichsten Inhalts der 
Bilder. Nach Beendigung der Sistina ist Michelangelo vor Julius' Tode 
noch einmal in Florenz gewesen; in diese Zeit setzt Grimm den sterbenden 
Adonis der Uffizien, und nennt ihn dasjenige Werk das ihn am meisten gleich 
gültig lasse. UnsrerAnsicht nach darf man den verschränkten Körper geradezu 
unschön nennen; daß wenigstens Michelangelo auch unschönes schaffen konnte 
beweist uns die PietL unter der Domkuppel zu Florenz. Für Grimm ist 
Michelangelo's Hauptwerk, überhaupt das erste Werk der modernen Sculptur, 
der sterbende Jüngling des Louvre, eine theilweise Ausführung des für 
das Monument Julius' II zuerst entworfenen Projects. Wie Julius'Nach 
folger, Leo X, zu Michelangelo sich stellte, darüber fehlen genauere Nach 
richten; unter ihm blühte Raffael, und dieser stand dem Papst naher als 
Michelangelo; zwischen Michelangelo und Raffael hatte aber der Ehrgeiz 
eine hohe Mauer gezogen. Zudem hielt ein Auftrag Leo's, die Faeade von 
San Lorenzo in Florenz auszubauen, Michelangelo jahrelang von Rom 
fern in den Marmorbrüchen von Carrara und Pietrasante. Raffaels To 
desjahr erst brachte ihm wieder Anlaß zu ruhmreicher Arbeit, indem der 
Cardinal Medici (später Clemens VII) bei ihm das Grabmal seines gemor 
deten Vaters Giuliano und seines Oheims Lorenzo bestellte. Hiermit schließt 
Grimm. 
Cirre deutsche Colonie in Galiläa. 
£] Im Frühjahr des Jahres 1847 hatten auf einer den Anblick des 
Oelbergs gewährenden Terrasse zwei deutsche Jerusalemsfreunde die An 
lage deutscher Colonien in Palästina ernstlich besprochen, und sofort die 
nöthigen Einleitungen zur Realisirung des Gedankens hoffnungsvoll ge 
troffen. Konnten sie ja doch sicher seyn an einer allerhöchsten Stelle reges 
Interesse für ihre Idee zu finden. Als besonders passend zu Niederlassungen 
war ihnen die Gegend bei Cäsarea am Meer, eine Stätte am Karmel bei 
El Jadschur (drei Stunden von Haifa), und die Saron-Ebene erschienen. 
Aber das Sturmjahr 1848 zerknickte in mehr als einer Richtung und auf 
andauernde Weise die Hoffnungen und Bestrebungen der zwei wegen Jeru 
salems zwiefach innig verbundenen Freunde. Um nur eines zu erwähnen, 
so konnte ihnen jetzt das für ihre größere Unternehmung, zur Deckung des 
Rückens, für nöthig erachtete Kriegsschiff nicht zur Verfügung gestellt werden. 
Im Jahr 1849 wurde hierauf von anderer Seite her wirklich der Ver 
such einer Ansiedlung im kleinen in dem gelobten Land gemacht, nämlich 
bei dem Ruinendorfe Artlls (zwischen Bethlehem und den Salomonischen 
Teichen). Das Haupt derselben war der in Jerusalem zum Christenthum 
stbergetretene-und von Engländern protegirte Jude Meschullam, ein Mann 
von unternehmendem Geist und guten Manieren. Das Schicksal dieser 
Colonie, bei welcher eine Zeitlang auch ein deutscher und einige amerika 
nische Sabbathhalter betheiligt waren, war ein sehr wechselvolles. Sie 
besteht aber noch, und ihr Gedeihen scheint nun gesichert. Meschullam und 
sein nun herangewachsener Sohn gelten bei den Arabern nicht wenig. In 
den Gärten dieser Colonie finden sich, neben Birn-, Aepfel-, Kirschen-, 
Aprikosen-, Psirsichbäumen, auch Citronen-, Pomeranzen-, Granatäpfel- 
und Feigenbäume. An Rebstöcken fehlt es auch nicht. In den Gemüse 
gärten werden unter anderm Blumenkohl, rothe und gelbe Rüben und 
Kartoffeln gepflanzt. 
An diese Proselytencolonie schloß sich einige Jahre nachher in dem 
schönen fruchtbaren Gartenland von Jaffa eine jüdische Ackerbaucolonie an, 
unter der Direktion eines Hrn. Herschell und unter den Auspicien des um 
seine Religionsgenossen hochverdienten englischen Bankiers Montefiore. 
Das Schicksal dieser Colonie war ein ganz unglückliches. Ebenso sahen 
sich auch die Rheinländer und Amerikaner welche sich hier anzusiedeln 
suchten — lauter Leute von eigenthümlich religiösen Richtungen, Ameniten 
und dgl. — in ihren Hoffnungen getäuscht. Das Oberhaupt derselben, 
Steinbeck, fiel unter,, wohl gedungenen, Mördershänden. Seine Wittwe 
erhielt vom Sultan eine Gcldentschädigung. 
Es gewährt uns nun die höchste Befriedigung von einer ganz neuen 
deutschen Colonie in Palästina, einer vielversprechenden, Kunde geben zu 
dürfen. Es ist das die durch den Vorstand der neuen protestantischen Ge 
meinde in Nazareth, - Johannes Zeller, einen Württembergischen Theologen, 
angeregte und unterstützte und durch den Württemberger Philipp Hochstetter 
ins Leben gesetzte Colonie von Sinschar in der Nähe Nazareths, in Galiläa. 
Wir glauben manchen Lesern dieser Blätter einen Dienst zu erweisen wenn 
wir aus einem am 20 Jun. d. I. verfaßten Bericht des genannten I. Zeller 
über diese neue Colonie — einem Bericht der gewiß in weitern Kreisen be 
kannt zu werden verdient — das wichtigste ausziehen. Dieser Bericht 
erstatter läßt sich also vernehmen: „Da die Ernte nun großentheils vorbei 
ist und die meisten Erzeugnisse des Landbaues eingeheimst sind, läßt sich 
über den Erfolg des Ackerbaues in Sinschar etwas sagen... Die Berechnung 
zeigt daß das Unternehmen in pecuniärer Hinsicht kein verfehltes ist, indem 
sich schon im ersten Jahr, trotz aller außerordentlichen Ausgaben welche die 
Begründung eines solchen Unternehmens natürlicherweise mit sich bringt, 
ein nicht unbedeutender Reingewinn herausgestellt hat. Auch die Idee daß 
ein solcher Versuch wegen Mangels an Sicherheit für Person und Eigen 
thum scheitern müsse, ist widerlegt. Vielmehr zeigt schon der schwache Ver 
such in Sinschar welch' großen Einfluß und nachhaltige Bedeutung ein aus 
gedehnteres Unternehmen dieser Art ausüben könnte. Hochstetter hat sich 
durch herzhaftes Auftreten gegen Unrecht und jegliche Schlechtigkeit Respect 
und Liebe erworben. Die Bauern von Sinschar und der Umgegend ver 
sichern, es habe seit Ibrahim Pascha's Zeit noch keine solche Sicherheit in 
dem Ort und um ihn existirt, und schreiben diese glückliche Veränderung 
allein der Anwesenheit Hochstetters zu. Sein Zelt in. der Mitte der 
Ebene hält alle Beduinen ab. 
„Eine Colonie rechter deutscher Männer und ächter Christen hätte 
nichts von Beduinen oder vom Fanatismus der Mohammedaner zu be 
fürchten, denn die ganze ackerbautreibende Bevölkerung der Ebene Jesreel 
würde in ihr den besten, ja allein möglichen Schutz gegen Bedrückung und 
Zcrtretung sehen. Eine solche Colonie würde wohl am meisten dazu bei 
tragen den Mohammedanismus zu brechen, denn sie würde eine sichere 
Freistatt seyn für solche Mohammedaner die dem Christenthum geneigt sind, 
jetzt aber aus Furcht vor Ermordung sich vor christlichem Einfluß scheuen. 
Wenn die Christen zu Hause, aus Liebe zu denen die in Finsterniß und 
Todesschatten sitzen, etwas wagen wollten in der angedeuteten Weise, so 
würde sich der Herr zu ihnen bekennen." 
Hr. Zeller hat sich in seinem Bericht dann noch darüber ausgelassen 
daß die Engländer wenig Lust haben im gelobten Lande die Mission mit 
gehöriger Energie zu treiben, weil sie in ihren Colonien Aufgaben genug 
hätten, und daß Palästina sammt dem ganzen türkischen Reich ein Gebiet 
für eine nationale deutsche Mission wäre; und schließt dann mit der 
Bemerkung: „Das Risico des Versuchs eines solchen Unternehmens hab' 
ich auf mich genommen, das Lehrgeld für Hochstetter ist bezahlt; es wird 
nicht schwer seyn bei der gewonnenen Erfahrung die Sache fortzusetzen." 
Wir haben unsererseits diesem Bericht nur eine Bemerkung und einen 
Wunsch beizufügen. Die Bemerkung ist daß nach unsern eigenen Er 
fahrungen und Wahrnehmungen im Orient die Anschauung unsers Lands 
manns uns als eine ganz richtige, seine Darstellung der Verhältnisse als 
eine vollkommen wahrheitsgetreue erscheint. Unser Wunsch, ein inniaer 
und heißer, ist der daß das von Hochstetter begründete Werk weiter aus 
gedehnt werden möchte, daß man in Deutschland die Vorurtheile aeaen 
arabische Beduinen u. s. f. fallen lassen, daß man hier Deutschlands Auf 
gabe in Betreff des Orients endlich begreifen lernen möchte! Weder Eng-
	        
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