aus
: ? , Florenz, 1856, S. 380-382
Canti popolari toscani raccolti e annotati da Giuseppe Tigri. Volume unico.
Firenze, Barbera, Biancln e compagni. 1856. XL und 415 Seiten.
TV er die lieblichen von Tommaseo schon vor sechzehn jähren herausgegebnen
auf den Apenninen gesammelten lieder armer, unschuldiger landleute und hirten
kennt, wird mit wahrer theilname diese neue, vollere samlung empfangen, volks-
gesänge in so rein flieszender spräche, von so inniger dichtung wie sie sind, kann es
sonst nirgends geben, man glaubt einen der italienischen dichter des dreizehnten,
vierzehnten Jahrhunderts zu vernehmen, so leicht und ungehemmt rinnen die worte
der weichsten, süszesten rede und es sind nichts als liebeslieder voll einfacher, an
mutiger, zierlicher gedanken, ohne dasz je ein zweideutiger, schlüpfriger ausdruck,
eine unehrbare anspielung unterliefe, diese natürlichen, glücklichen menschen
bringen ihr stilles leben zu auf den bügeln und gebirgen der landstriche von Pistoia
und Siena und erheitern sich durch gesänge, wie sie ihre leidenschaft einflöszt, in
einer ihnen von alters her überlieferten weise, land und meer, gestirne, blumen und
vögel liefern unerschöpflichen Vorrat der angemessensten bilder und Wendungen,
die meisten lieder sind in den mund der jünglinge, viele auch in den liebender mäd-
chen gelegt, ein theil der männer wandert zur herbstzeit aus über meer nach Elba
oder Sardinien, um sich den winter hindurch in eisenwerken oder als kohlenbrenner
und holzschneider ein verdienst zu schaffen, gegen den sonimer kehren aber alle
zum geliebten boden der heimat zurück und manche aus der fremde erschallende
lieder geben ihre Sehnsucht zu erkennen, wie die nachtigall stets anders und doch
auf dieselbe weise schlägt, enthalten auch diese lieder immer den gleichen gründ,
unter nie ermüdendem Wechsel des Vertrags, in solchem betracht dürfen sie den
provenzalischen gedichten und noch mehr unsern minneliedern verglichen werden,
denen man ungerecht und ohne einsieht eintönigkeit vorgeworfen hat, worin, wer
sie verstehen lernt, gerade ihren grösten reiz findet, wenn auch andere gegenden
Italiens anklänge an die toskanische volkspoesie gewähren, so ist sie doch vor
züglich auf den Apenninen mit einer wunderbaren liederfülle ausgestattet.
Den hauptinhalt der samlung bilden rispetti, 1037 an der zahl, meistenteils
sechs- oder achtzeilig, zuweilen auch länger ausgesponnen, unter rispetto, wie das
in solchem sinn ungewöhnliche wort besagt, versteht man einen gesang, worin der
liebende die geliebte gleichsam ins gesicht fassend und beschauend anredet, nicht
wenige beginnen mit dem zuruf giovanettina oder giovanettino. proben kann man
entnehmen wo man wolle:
242. la prima volta che m’innamorai,
m’innamorai con uno sguardo solo,
m’innamorai di voi, non ci pensai;
feci come la starna al primo volo,
feci come la starna al primo passo,
mi sia cavato il cuor se piü vi lasse.
fior di finocchio.
val piii una parolina in d’un orecchio,
che centomila strizzatine d’occhio.
Den schlusz macht ein poematto rusticale: le disgrazie della mea, in 111 otta
rime. alles was man zur erläuterung der mitgetheilten lieder verlangen kann, h
der herausgeber in kurzen anmerkungen unter dem text gegeben, sie verursach
aber, ihrer einfachheit wegen, geringe Schwierigkeit.
JACOB GRIMM.