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3o. Juni. DEUTSCHE LITTERATURZEITUNG ,888. Nr. 26.
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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 32
sehr ansprechender Weise, wie die Schlachten des
ersten Jahres noch deutlich den Mangel an der durch
Erfahrung gewonnenen Sicherheit der Leitung ver
raten, wogegen schon in der Nervierschlacht des fol
genden Jahres ein grosser Fortschritt, und endlich in
den gewaltigen Kämpfen des Jahres 52 v. Chr. die volle
Meisterschaft hervortritt. III Die Normalstärke der
Legion zur Zeit Cäsars (S. 25—28) wird auf 6000 Mann
festgestellt. IV Die varietas Cäsars in der militärischen
Terminologie und Phraseologie (S. 28—42). Dankens
werte und namentlich durch die Vergleichung mit Li-
vius und Tacitus interessante Zusammenstellung. V Ueber
die Identität des Verfassers des achten Buches de hello
Galileo und des bellum Alexandrinum (S. 42—50).
Nach der Ueberschrift sollte man nicht vermuten, dass
hier auf Grund genauer Beobachtung des Sprachge
brauchs beider Bücher der Nachweis von der Ver
schiedenheit ihrer Verfasser geführt wird. Uebri-
gens sind die nachgewiesenen Abweichungen zum Teil
ganz irrelevant. So klingt es ja ganz plausibel, wenn
es heisst, der Verfasser des b. Gail. VIII kenne nur
obsessio, der des b. Alex. nur obsulio, während Cäsar
beide Wörter promiscue brauche. Wenn man aber
sieht, dass es sich nur um je zwei Beispiele, im b.
Alex. noch dazu aus demselben Kapitel handelt, so
verliert die Beobachtung jede Beweiskraft. Und ähn
lich verhält es sich zwar nicht mit allen von F. ange
führten Differenzen, aber doch mit der grossen Mehr
zahl. — Die Abhandlung von Hitzig über Tansanias
macht einen sehr erfreulichen Eindruck vor allem durch
ihren ruhigen, sachlichen Ton und durch die Unbe
fangenheit der Erwägung und des Urteils. Allerdings
ist sie der Hauptsache nach polemisch gegen das be
kannte Buch von Kalkmann, aber H. erkennt nicht nur
das Verdienstliche dieser Arbeit ohne Rückhalt an,
sondern er ist auch weit entfernt davon, sich dem Ge
wicht der von Wilamowitz und seinen Nachfolgern
beigebrachten Gründe zu entziehen. Vielmehr gesteht
er ausdrücklich zu, dass Pausanias keineswegs alle be
schriebenen Orte selbst besucht, dass er auch über
diejenigen, welche er gesehen, doch Vieles aus älteren
Quellen entnommen und bei der Benutzung derselben
sich manche Versehen und Flüchtigkeiten hat zu
Schulden kommen lassen. Auch die Manier, durch
allerlei Schwindeleien sich interessant zu machen, läug-
net er keineswegs. Die Frage dreht sich also zwischen
ihm und Kalkmann wesentlich nur um ein Mehr oder
Weniger; er glaubt in zahlreichen Fällen Autopsie an
nehmen zu sollen, wo Kalkmann sie in Abrede stellt,
und schätzt demgemäss auch die Glaubwürdigkeit des
Pausanias höher als jener. Und hierin wird man ihm
wenigstens insoweit Recht geben müssen, als er in
einer Reihe von Einzelfällen die Hinfälligkeit der von
Kalkmann beigebrachten Argumente schlagend nach
gewiesen hat. Ich mache besonders aufmerksam auf
die Erörterungen über die Fische im Flusse Aroanios
(S. 61), über das Odeion des Herodes (S. 68. 69), über
den 'A'/illhioq (S. 83), über die Stelle V i5, 1, die
von H. in vortrefflicher Weise kritisch behandelt wird
(S. 72), über den Zustand Arkadiens zu Pausanias’ Zeit
(S. 80). Dass die Städte, die Pausanias als zu seiner
Zeit existierend (nicht als »blühend«, wie Kalkmann
sagt) erwähnt, damals wirklich bestanden haben, er
weist H. Ob der Widerspruch mit Strabo, der sie ver
ödet nennt, durch Widerherstellungen in hadrianischer
Zeit zu lösen ist, kann fraglich sein. Denn dass Strabos
Angabe für dessen eigene Zeit zutreffend ist, steht
keineswegs fest. Hat er doch notorisch vom eigent
lichen Griechenland so gut wie nichts mit eigenen
Augen gesehen, und woher wissen wir, wem er die
Kunde über den damaligen Zustand des abgelegenen
Gebirgslandes Arkadien verdankte? In einigen wesent
lichen Punkten dagegen ist Ref. nicht in der Lage, H.
gegen Kalkmann Recht geben zu können, so in Betreff
der Schiffshäuser im Peiraieus (S. 65). Dass Hadrian
eines oder das andere derselben wideraufgebaut habe,
mag nicht undenkbar sein. Aber nicht dies sagt Tan
sanias, sondern dass sie bis zu seiner Zeit (xul lg l/ul)
fortbestanden hätten. Wichtiger ist, was über die
Chronologie der von Tansanias erwähnten olympischen
Denkmäler S. 67 f. gesagt wird. Hier scheint mir der
Schluss aus dem Fehlen der nach der Mitte des 2. Jhs.
v. Chr. entstandenen Werke auf die Benutzung einer
aus jener Zeit stammenden Quelle durch Hs. Einwen
dungen in keiner Weise entkräftet. Denn dass Tansa
nias nicht weiter habe herabgehen wollen, würde an
sich begreiflich sein. Dass er aber im Stande gewesen
wäre, aus der bunten Fülle der Denkmäler richtig die
vor jene Zeitgrenze fallenden herauszufinden, muss
man entschieden in Abrede stellen. Denn dass ihm
Untersuchungen, wie sie uns zur mehr oder weniger
genauen chronologischen Fixierung nicht direct datierter
Denkmäler befähigen, ganz fern gelegen haben, wird
auch sein enthusiastischster Bewunderer nicht läugnen.
Halle a. S. W. Dittenberger.
Wilhelm Grimm, Kleinere Schriften. Herausg. von Gustav
Hinrichs. IV Bd. Gütersloh, Bertelsmann, 1887. VII 11. 700 S.
gr. 8°. M. 14.
Der Schlussband von Wilhelm Grimms Kleineren
Schriften enthält Arbeiten aus den vierziger und fünf
ziger Jahren, nur die drei Berichte über politische Vor
gänge in Hessen reichen in die dreissiger zurück. Ob
diese drei Artikel von W. G. herrühren, daran zweifelt
Edw. Schröder im Vorwort, und man darf seine Be
denken nicht bei Seite schieben, wenngleich — was
sich hier nicht im einzelnen dartun lässt — der Stil so
sehr an den Gschen erinnert, dass zum mindesten die
redactionelle Tätigkeit an Hupfeldschen Aufsätzen,
welche Schröder annimmt, eine recht weitgehende ge
wesen sein müste. Vielleicht lieferte Hupfeid lediglich
Material. S. 1 — 124 bringen die Freidank-Untersuchungen,
denen im Vorwort eine Empfehlung Scherers beige
geben ist. Für die S. 41 ff. zusammengestellten Ueber
einstimmungen in Gedanken und Ausdrücken bei
Walther und Freidank möchte ich sie nicht ohne Ein
schränkung gelten lassen, denn eine ganze Reihe der
angezogenen Wendungen ist so allgemein im Brauche,
dass sie nichts für Identität beweisen kann. Der Ge
schichte des Reims (S. 125—341) sind vier Briefe von
R. v. Raumer, Franz Pfeiffer, Wackernagel und Holland
angefügt. Es folgen Stücke zur Märchen- und Sagen
forschung: die Himmelsstürmer, albanesische und
spanische Märchen mit berichtigenden Zusätzen von
Reinhold Köhler, der Swinegel, zwei Tiermärchen,
Tierfabeln bei dert Meistersängern, über eine Tierfabel
des Babrius, Holzschnitt zu einer Fabel, die mythische