Full text: Rezensionen von Herman Grimm im Literarischen Zentralblatt (1864 - 1870)

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
aus : Literarisches Zentralblatt, Nfc.7 
1870,Feb.5, S. 177-178 
Clement, Ch., Michelangelo, Leonardo, Raffael. Deutsch bear- 
beitet mit Einleitung, Erganzungen u, einem Anhang von C. Cl a uh. 
Mit 40 Holzscbn. u. 2 lithogr. Taft, in qu. Fol. Leipzig, 1870. 
Seemann. (X, 33!) S. gr. 8.) 3 Thlr. 
A. u. d. T. : Becker, A. W., Kunst nnd Knnstlcr des 16., 17. u. 
18. Jahrhunderts. Supplemcntband. 
Ch. Clement hat, 1860 wenn wir nicht irren, in der Revue 
'ckes deux mondes Auszlige gegeben von: Uarford, Life of 
Michelangelo, Passavant, Vie de Raphael, trad, par P. La 
croix, Rio, L’art Chretien, hat diese Essays als Buch erscheinen 
lassen, das 1867 eine vermehrte Auflage erlebte, und das, wie die 
Vorrede des vorliegenden Buches uns belehrt, kurzlich in britter 
(unvercinderter) Auflage herausgekommen ist. Um zn zeigen, wie 
Th. Clement arbeitet, genugen die ersten Morte liber Michelan 
gelo: Michelange naquit le 6 mars 1475, prfis d'Arezzo, dans 
le Valentino. So in alien drei Au flag en! Ein Blick in Vasa 
ri's oder Condivi's Biographic, oder ans die Karte von Tos 
cana wurde fur Valentino Casentino ergeben haben. Es ge- 
wàhrt zugleich leider Einsicht in die Gelehrsamkeit des Ueber- 
setzers, dafi wir bei ihm finden: Michelangelo wnrderc. in dem 
Valentino geboren. Dieser Probe entspricht die gesammte 
beiderseitige Arbeit, nur dafi C. Claufi den Vorzug hat, noch 
weniger von den Dingen zu wissen als C. Clement, und dafi er 
.zuweilen die franzosische Sprache wunderlich auffaht. Hàtte 
Clement z. B. im Leben Raphael's dasjenige Buch, welches er 
doch dabei ausschreibt, Passavant namlich , nur mit minuten- . 
langer Gedankenconcentration ausehen wollen, so wurde er nicht 
von Raphael gesagt haben: Panni ses ancètres se trouvent 
quatre peintres. Denn Passavant sagt liber den apokryphen 
Stammbaum, der, dem apokryphen Portrait eines erfundenen 
Vorfahren Raphael's angeheftet, frliher im Palazzo Albani zu 
finden war: 8nr le tableau généalogique annexe au portrait 
on cite quatre peintres, totalement inconnus, de la famille 
Santi etc. dont on voulut, sur la foi de cefaux document, 
retrouverles ouvrages àUrbin. Ch. Clement hatte das fllichtig' 
angesehn, vier Maler erspàht als Vorfahren Raphael's, einerlei 
ob falsch oder echt, diese vier Maler werden aufgezahlt. C. Claufi 
libersetzt natlirlich: Unter seinen Vorfahren befinden sich vier 
Maler. Er libersetzt aber noch mehr. C. Clement sagt (p. 251 
n. 1): Raphael signe ses lettres et ses tableaux Raphaelo 
ou Raphaello da Urbino. C. Claufi libersetzt: Raffael unter- 
zeichnet seine Briefe und Bilder Raffaelo oder Raffaello da Ur 
bino. So nun freilich hat Raphael niemals unterzeichnet, und 
C. Clans; wahrscheinlich niemals einen seiner Briefe oder eine 
Gemaldesignatnr mit dem Bewufitsein angesehen, dafi Raphaelo 
und Raffaelo unter Umstànden nicht dasselbe find. C. Clanfi 
libersetzt (p. 24): Cette generation venait à peine do s’é- 
teindre (p. 56 Ch. Cl.): Diese Generation ging nur langsam 
wieder von Hinnen; oder (p. 25): Les Florentins — à la veille 
de perdre leur li berte (Ch. Cl. p. 57) Die Fiorenti ner — 
noch iiber ihrer Freiheit wachend; oder (p. 40): Le fragment 
bien insnfllsant grave par Edelinck (Ch. Cl. p. 77): Das 
wohl nngenligend von Edelinck gestochene Fragment, wàhrend 
es heifien mufi: das sehr ungenligende Fragment, welches Edelinck 
gestochen Hat. Mas die versprochenen „Ergànzungen" anlangt, 
so Hat C. Clanh sich bcgniigt (ohne anch nur eine Ahnnng vom 
Umsange des zu benutzenden Materiales, das publiciert und un- 
pnbliciert vorhanden ist, ohne eine Idee serner davon, dafi Clement's 
gesammte Arbeit von Fehlern wimmelt und ganz veraltet ist), 
hier und da aus der deutschen Literatur, welche Michelangelo be- 
trifft, allerlei ausznschreiben und planlos mitzutheilen. Zuweilen 
Hat er dabei segar angemerkt, wo er die Dinge her Hat. 
Es ist zu bedanern, dafi man, stati Blicher wie das vor- 
liegende einsach unerwàhnt lassen zn dlìrsen, sich die Miche geben 
mufi, ihre Jàmmerlichkeit breit darzulegen. Ohne das aber 
wlirden bei der literarischen Behandlung, welche der neuerenKunst- 
geschichte heute leider nur zn osi zu Theil wird, alle Ziigel reifien. 
Durchgreisendes Mittel dagegen ware freilich nur Aufnahme der 
modernen Kunstgeschichte unter die aus Universitàten legitimen 
Lehrgegenstànde. Mie viel ware liber die Meister, deren drei 
Namen die Bucher von Ch. Clement und C. Clanfi aus der 
Stirne tragen, mit echt wissenschaftlicher Arbeit noch zu leisten. 
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