Full text: Rezensionen von Herman Grimm aus der Deutschen Litteraturzeitung (1886 - 1900)

aus : ßeutsche Litteraturzeitung, Nr. 33 
1804,Aug.18, S. 1044-1045 
© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
F\j*0fTBojanowski, Karl August als Chef des 
•**o. .Treuss. Kürassier-Regiments 1787 — 1794. 
• Mit einer Silhouette des Herzogs. Weimar, Hermann 
Böhlau, 1894. 147 S. 8°. 
Ein vortrefflich geschriebenes, wenig umfang 
reiches, aber inhaltvolles kleines Buch, das über 
Karl Augusts Stellung iin Leben in hohem Grade 
aufklärt. Lorenz’ Bemühungen, den Herzog als 
Politiker darzustellen, führten uns dem Punkte, 
von dem aus er historisch zu betrachten ist, 
schon näher, Bojanowskis Darstellung aber erst 
stellt uns ganz auf den richtigen Fleck. Sie um 
fasst nur wenige Jahre, in der kurzen, aber 
gehaltreichen Einleitung giebt der Verf. selbst 
an, in welchen viel weiteren Grenzen seine Arbeit 
sich hätte bewegen können. Wir hoffen, dass 
er sie unverzüglich beginnen wird. 
Der Herzog, sagt er, war durch und durch 
Soldat. Längst war dies aus seiner Lebens 
führung klar, Karl Augusts Verhältniss zu Goethe 
trat bisher jedoch in so bedeutender Weise in 
den Vordergrund, dass es uns den Fürsten vor 
zugsweise als Beschützer litterarischer Bestrebun 
gen kennen lehrte. Das Uebrige schien nur 
nebenherzulaufen. Allmählich wendet sich nun 
das Blatt und zeigt sich von der anderen Seite: 
erst wenn wir beide in Betrachtung ziehen, kommt 
der ganze Mann in richtiger Gestalt und Be 
leuchtung uns zu Gesichte. Erst jetzt empfinden 
wir, wie die Handlungen und die Aussprüche des 
Herzogs weniger einer Bildung, die er sich an 
eignete, als Lebenserfahrungen entsprangen, die j 
er allein selbst gewonnen hat. Gleich auf der 
zweiten Seite begegnet uns ein frappanter Beweis j 
dafür. Nicht lange vor dem Tode Friedrichs 
des Grossen (Ende Dezember 1785) schrieb der 
Herzog: »Das zusammengeschmolzene Licht fängt 
an, seinen Leuchter glühend zu machen; einzelne 1 
aufschlagende Strahlen und eine grosse Schnuppe 
kündigen die nahe Verlöschung an. « Wie 
lebendig gesagt! (Für das Neue Deutsche Wörter 
buch ein für 6 Worte brauchbares Citat!) Ich 
hätte nach den bisherigen Erfahrungen glauben 
können, es mache sich bei diesem Vergleiche 
nur eine gewisse Neigung geltend, dichterisch geist 
reich zu sprechen wie die litterarische Hofgesell 
schaft zu Weimar zu thun pflegte: je näher wir 
Karl August aber treten, um so mehr erkennen 
wir nun, welche unmittelbare Anschauung der 
Dinge ihm eigen war und dass poetische Bilder 
wie dies seinem Charakter entsprangen. Einer 
von den Shakespeareschen Königen hätte das 
sagen können. Das bedeutendste schriftliche 
Denkmal, welches v. B. aus der Feder des 
Herzogs mittheilt, ist, am Schlüsse des Bändchens, 
das Memoire über die kgl. Preuss. Kabinets-Ordre 
vom 7. März 1803 betreffend das Avancement 
im Passe-droit. Wie unbefangen, kraftvoll, männ 
lich und fürstlich sind diese Sätze ausgesprochen 
und niedergeschrieben worden. 
Auf den eigentlichen Inhalt des Buches ein 
zugehen, liegt ausserhalb meiner Fachkenntnisse. 
Es bedarf solcher jedoch nicht, um es in den 
Theilen anzuerkennen, die von mir hervorgehoben 
worden sind. Seine Bestimmung ist nicht, nur 
militärisch geschulten Lesern zur Lektüre zu 
dienen. In glücklicher Weise wird immer das 
Allgemeinmenschliche zum Ausgangspunkt der 
Erzählung gemacht. Zu Goethes Schrift über 
die Campagne von 1792 gewährt es reichliche 
Erläuterungen. 
Sei zugleich der Wunsch hier ausgesprochen, 
Lorenz möge seinen Bestrebungen, den Herzog 
als Politiker darzustellen, bald weitere Folge 
geben. Es nähert sich die Zeit, wo Karl August 
und Goethe der blossen Litteraturgeschichte ent 
wachsen und in Ottokar Lorenz* Sinne das 
Weimaraner Dasein als Theil der allgemeinen 
europäischen Entwicklung anders aufgefasst werden 
muss als bisher. 
Berlin. Herman Grimm.
	        
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