Full text: Rezensionen von Herman Grimm aus der Deutschen Litteraturzeitung (1886 - 1900)

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
aus 
vor den Augen und will doch noch einmal in 
Worten vernehmen, was sie sind und bedeuten. 
Hierbei kann dem Leser grosser Genuss bereitet 
werden. 
Wer erinnert sich nicht an das Entzückende 
in den Beschreibungen von Gemälden und Statuen, 
die Philostratos verfasst hat? Malerei in Worten. 
Wie Wenige von den Modernen sind ihm nahe 
oder gar gleich gekommen! Ich bitte den, der 
dies liest, gelegentlich darauf zu achten, wie 
grosse Kunst in dieser scheinbar nebensächlichen 
I I hätigkeit entwickelt werden kann und wie wenig 
[ das Wichtige dieser Reproduktion in Sprache 
meist erkannt wird. Will man recht inne werden, 
wie in dieser Richtung oft das Unerträgliche 
geleistet werde, so vergleiche man die vielfachen 
offiziellen Kataloge mit den Werken selbst, deren 
Inhalt sie in Beschreibung zuzugeben pflegen. 
Welches Talent besass Goethe dafür, und wie 
wusste gerade er Philostratos zu schätzen! Ich 
glaube, Herr Neumann wird darin meiner Ansicht 
sein, dass, wenn er die von ihm gegebenen Be 
schreibungen von Kunstwerken diesen Prinzipien 
zufolge noch eindringlicher behandelt, noch mehr 
malerisch sichtbar gemacht haben würde, dies 
seiner Darstellung zu Gute gekommen wäre. Sogar 
kleine Mängel könnten hier bezeichnet werden. 
Vielleicht entschliesst er sich bei der zweiten 
Auflage der Arbeit diese Bereicherung seines 
Textes eintreten zu lassen. 
Es giebt Bücher, die man erst durchsieht und 
dann noch einmal genauer liest. Hierzu habe 
ich mich bei dem Vorliegenden aufgefordert ge 
fühlt, und einige Leute haben mir gesagt, es sei 
ihnen ebenso gegangen. 
Berlin. Herman Grimm. 
Deutsche Litteraturzeitung, Nr. 13 
1897,,Apr. 3, S. 512-513 
■'Stephan Beissel, S. J., Fra Giovanni Angelico da 
Fiesoie. Sein Leben und seine Werke. Freiburg i. B., 
Herder, 1895. X u. 96 S. gr. 4°. Mit vier Tafeln > 
und 40 Abbildungen im Text. M. 6. 
Der Verf. giebt die von ihm benutzte Litteratur an 
und hat mit ihrer Hülfe und auf Grund eigner Anschau- ^ 
ung eine Arbeit geliefert, welche die Theilnahme jedes 
Lesers hervorrufen wird. Fiesole’s Eigenthiimlichkeit 
steht in so klarem Lichte vor uns, dass Alle, die über 
ihn geschrieben haben, aus gleicher Empfindung gleiches 
Urtheil abgeben. Sein Leben verlief gleichmiissig, seine 
ungemein zahlreichen, meist wohlerhaltenen, unser Gefühl 
auf die freundlichste Art berührenden Gemälde zeigen 
stets dieselbe Stimmung und erwecken in jedem Betrach 
tenden Freude und Wohlwollen. Fiesoie malte, als ob 
die Welt eine grosse Kinderstube sei, deren Wände er 
mit religiösen Darstellungen zu bedecken habe, als ob 
keine Minute seines Lebens bei der Erfüllung dieses Auf 
trages unbenutzt bleiben dürfe und als ob diese unab 
lässige Thätigkeit den Lohn der reinsten innerlichen Be 
friedigung in sich trage. Der Verf. streut hier und da 
kleine Betrachtungen und Erzählungen ein, die ihn selbst 
in liebenswürdigem Lichte erscheinen lassen. Polemik, 
weder offene noch versteckte, tritt nirgends hei v or. ie 
beigegebenen Illustrationen hätten vielleicht frischer sein 
können, erfüllen jedoch ihren Zweck. B- Br.
	        
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