© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
aus : Deutsche Rundschau, 1881, Aug.
S, 153
ßxif. Statistisches Handbuch für Kunst
und Kunstgewerbe im Deutschen Reich. 1881.
Herausgegeben von Robert Springer.
Berlin, Weidmann'sche Buchhandlung. 1881.
Der in der Vorrede zum ersten Jahrgange
als Mitherausgeber genannte Herausgeber figurirt
diesmal mit Recht als solcher auf dem Titel.
Aus 311 Seiten des ersten Jahrganges sind
diesmal 398 geworden. Es hat sich herausge
stellt, daß das Unternehmen ein nothwendiges
war, und es wird von nun au wol jedes Jahr
oder ein Jahr ums andere sein erneutes Er
scheinen zu registriren sein.
ßxtf. Remvrandt's sämmtliche Radi-
rungen nach den im König!. Kupferstichcabinet
zu München befindlichen Originalen, Facsimile
in Lichtdruck, vervielfältigt von I. B. Ober
netter. SDdit erläuterndem Text von H. E.
v. Berlepsch. Heft I. München, Verlag
von Max Kellerer's Buch- und Kunsthandlung.
Dürer und Rembrandt sind in ihren Kupfer-
platten die Meister, von denen vielleicht an:
meisten zu lernen ist. Jeder Stich von ihrer
Hand ist lebendig, lebensvoll und lebenerweckend.
Unsere kunstbedürftige Zeit sollte diesen beiden
in erster Linie Aufmerksamkeit zuwenden. Und
somit wünschen wir den vorliegenden Blättern
weite Verbreitung und dem Unternehmen Fortgang.
Was aber versteht man hier unter er
läuterndem Text? Z. B. Blatt 3. Das Segel
schiff. Die Erläuterung besagt „Im Vordergründe
links stehen Bauernhäuser', über deren Däcber
kahle Bäume hinausragen. Eine Frau, von
einem Hunde gefolgt, geht zwischen die
Hütten hinein. Welche Hütten? Und, wie
macht man das, wenn man zwischen die
Hütten hineingeht? Sodann weiter: Rechts
im Mittelgrunde sieht man einen Canal, in
welchem ein Segelschiff schwimmt". Ein Schiff
schwimmt auf dem Wasser.
ßy.ff. Un voyage inedit (1’Albert Dürer
par Charles Ephrussi. Paris. 1881.
Herr Ephrussi hat wohl daran gethan,
diesen Aufsatz, welcher bereits in der Gazette
des Beaux-Arts erschienen war, als Broschüre
besonders herauszugeben. Er übertrifft Alles,
was er bisher in Betreff Dürer's herausgegeben
hat. Mit ganz geringem, zum Theil längst be
kanntem Materiale sind durch geistreiche Behand
lung eine Reihe neuer Daten aus Dürer's Leben
gewonnen worden, die wir, obgleich Manches nur
als Vermuthung gegeben wird, gern annehmen.
Eine bisher unbekannte Reise, 1515 von Stutt
gart aus nach dem Elsaß unternommen und
vielleicht bis Basel und Zürich ausgedehnt, liegt
in eigenhändigen Illustrationen Dürer's vor uns.
Hans Baldung Grien erscheint in engerem Ver
hältnisse zu ihm und sogar Erasmuö und H. Hol
bein treten auf diesem Schauplatze glaubwürdig
auf. Ephrussi's Conjecturen einer' Reihe von
Federzeichnungen gegenüber, welche er für Illu
strationen zu Erasmus „Lob der Narrheit"
erklärt, sind überraschend.
Warum haben wir Niemand in Deutsch
land, um desgleichen zu schreiben? Warum
nicht eine Stelle, wo sich auch nur daö Material
für solche Arbeiten zusammenfände? Es ist be
kannt, daß Ephrussi in der Gazette des Beaux-
Arts seit Jahren Dürer bearbeitet und in vor
züglicher Reproduction Handzeichnungen dieses
größten deutschen Künstlers veröffentlicht. Wir
erinnern ferner an Amand Durand'S Helio
gravüren der Dürer'schen Stiche. Frankreich
übertrifft uns hier auf das Entschiedenste und
beschämt uns auf das Empfindlichste.
ßx(f. Wiener Monumental-Bauten. Erster
Band. Hofopernhaus von van der Nüll und
v. Sicardsburg. Justizpalast vonA. von
Wielemans. Erste Lieferung. Wien, Leh
mann & Wentzel.
Wien's'neueste Monumentalbauten sind in
demselben Maße bekannt und berühmt und
bewundert als es die anderer großen Städte
zum Theil nicht sind. Man begegnet in Wien
dem Sinne für großartige Ornamentik im
Ganzen, ungenirter Erfindungskraft und wohl
verwendeten Mitteln.
Wir wollen keine Parallelen ziehen. Ganz
im Allgemeinen nur sei ein Wunsch ausgesprochen:
möchte doch der Hauptstadt eines Reiches, das wir
alle kennen, ein baumeisterliches Genie sich enthüllen,
das, unbekümmert um Antike, Mittelalter und
eignes Jahrhundert, das zu bauen wagte, was
ihm schön und grandios und der Stadt zum
Schmucke gereichend erscheint. Möchte dieses
Genie Anerkennung daselbst finden. Möchte
man ihm Aufgaben stellen, die seiner würdig
sind, und diese loben und preisen, wenn sie
glücklich vollendet werden, Freude daran haben
und sie zur Nachahmung empfehlen. Man hat
in der Stadt, die wir meinen, Museen mancher Art.
Eisenbahnhöfe, Rcgierungsgebäude, Häuser für
Landtag und Herrenhaus, sowie für das Parla
ment zu bauen, hat neue Straßen und Plätze zu
ziehen, Nach allen Seiten hin streckt die Stadt
sich aus und braucht Bedeckung für ihre nackten
Glieder. Soll da immer nur im nächsten besten
Laden eine Elle billige« Zeug gekauft werden,
um ein Stück an Hosen und Aermel anzusetzen?
Die Wiener Monumentalbauten werden das
Ihrige dazu beitragen, in der Welt das Gefühl
für das, was „Monumentalbauten" sind und
sein wollen, wieder aufkommen zu lassen. Die
Stahlstiche sind vorzüglich. Ein erfreuliches
Unternehmen, welches überall nachgeahmt werden
sollte, wo sich der Stoff dazu bietet. Denn die
von den Massen ausgehende Kritik gibt heute
in allem Hohen und'Niedrigen den'Ausschlag
und es gilt sie zu leiten und organischen., Das
Volk muß kennen lernen, was cs besitzt und
die Gebäude vor Augen haben, für die seine
Vertreter Geld bewilligen.