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© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
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Deutsche Rundschau.
Freund des Wahren, Guten, Schönen, ein
glühender Patriot, selbstlos und charakterfest,
ebensowohl da, wo er für die Aufklärung stritt
und in religiösen Dingen so vorurtheilslos sich
aussprach, daß er wegen Hinneigung zum
Lutherthum in Untersuchung gezogen ward,
wie da, wo er, alt geworden, die Herstellung
des Jesuitenordens für nützlich ansah und seine
Münchener, welche keinen Protestanten als
Bürger zulassen wollten, gegen den Vorwurf
der Unduldsamkeit in Schutz nahm. Wenn hierin
ein gewisser Wechsel unbestreitbar sich ausdrückt,
so war er nicht auf Westenrieder's Person be
schränkt und durch mancherlei, was zwischen
1780 und 1820 geschehen, wohl begründet.
Die französische Revolution und das System
des Ministers Montgelas waren Westenrieder's
bei aller Aufklärung konservativem und religiö
sem Wesen so zuwider, daß er ganz von selbst
einigermaßen in ein anderes Fahrwasser ge
drängt wurde. Wie sich schon aus diesen Än-
deutungen ergibt, ist die Schrift nicht bloß
von Interesse für die, welche Westenrieder (dem
auf dem Promenadenplatz in München ein Denk
mal errichtet ist) persönlich kennen lernen wollen:
Kluckhohn faßt den Mann, wie sich gebührt, im
Rahmen seiner ganzen Zeit und läßt ihn aus
derselben hervorwachsen.
ßX- Benjamin Franklin. By John T.
"Morse, jr. Boston and New-York, Hougli-
ton, Mimin and Company.
Der verdiente Herausgeber der Sammlung
von Biographien der American Statesmen hat
in diesem Bande die wenig dankbare Aufgabe
unternommen, aus den verschiedenen Kreisen
der fruchtreichen Lebensthätigkeit Benjamin
Franklin's einen, seine politische Arbeit,
für sich zu behandeln. Die Schwierigkeit lag
besonders darin, daß bei dem Sonderzweck des
Buches jede genauere Darstellung von Franklin's
Leben und Charakter ausgeschlossen war, indeß
doch seine Haltung als Politiker von den all
gemeinen Eigenheiten und Schicksalen der ganzen
Persönlichkeit bestimmt wurde. So sind denn
auch die einleitenden Partieen und etliche
Zwischenstücke ziemlich dürftig ausgefallen. Da
gegen bietet Morse in den Hauptkapiteln seines
Werkes eine treffende und klare Schilderung
von Franklin's schwieriger Wirksamkeit als
politischer Agent der Kolonien in England und
als amerikanischer Gesandter in Frankreich und
stellt den Mann, welchen wir sonst hauptsächlich
als Popularphilosophen und Erfinder des Blitz
ableiters zu nennen gewohnt sind, auf ganz
anderem Gebiete in seinen bedeutenden Eigen
schaften dar. Dem deutschen Publicum wäre
also zu empfehlen, daß es von diesem werth
vollen Buche Kenntniß nähme.
ßX- The Black Arrow. By Robert Louis
Stevenson. Tauchnitz Edition 2548. —
1888.
Daß Stevenson durch seine vielen, vielen
Bücher — er ist vierzig Jahre alt und
wird von einem schweren körperlichen Leiden
sehr behitldert — seine Gaben der Erfindung
und Erzählung klärlich bewiesen hat, mag Jeder
mann gerne zugeben. In der außerordentlichen
Verbreitung seiner Romane und den bedeuten
den Einnahmen findet er den Lohn dafür. In
wie weit diese Gaben bei geringerer Betrieb
samkeit und größerer Sorgfalt ausgebildet
werden könnten; ob Stevenson nicht, wenn er
weniger schriebe, Besseres schriebe, dem dann
ein bleibender Werth zukäme, das vermögen wir
nicht zu beurtheilen. Jedenfalls ist er der
stärkste Sensationalist unter den lebenden eng
lischen Romanschriftstellern, denn F. I. Fargus
(Hugh Conway) ist todt und H. Rider Haggard
steht gegen diesen wie gegen Stevenson zurück.
„The Black Arrow“ ist wiederum ein Zeugniß
von Talent, roh und grob wie ein Reu-Ruppiner
Schlachtenbild älteren Datums, übereilt und
durcheinander geworfen, mit argen Auswüchsen
und Fehlern behaftet, aber immerhin spannend.
Freilich, wie ungemein ist diese Art historischen
Erzählens von Walter Scott entfernt! Wie
voll und tief sind bei diesem die Hintergründe,
welcher Reichthum freiquillenden Stoffes, welche
Feinheit der Zeichnung, welche Anschaulichkeit!
Was wir an Scott haben und wie sehr Jeder,
der auf den historischen Roman ausgeht, vorerst
und immer wieder Scott studieren müßte, das
sieht man recht an diesen und ähnlichen Büchern
Stevenson's, vielleicht nirgends deutlicher als
in der Erzählung The Master of Ballantrae,
welche „Scribner's Monthly" eben ihrem Ende
zuführt. Aber wer nimmt sich heute Zeit, Scott
zu studieren?
aß/. A Romance of Two Worlds. By
Marie Corelli. Tauchnitz Edition. 2549.
2550. — 1888.
Diewr Roman ist das Evangelium des
„elektris in Glaubens". In die Erzählung ge
spannt u rd eine Theorie vor .etragen, nach welcher
die Seele als eine Eman .tion der göttlichen,
alle Welt schaffenden, erfüllenden und zerstö
renden Elektricität erscheint. Den Gläubigen
in dieser sichtbaren Welt ist der unmittelbare
Verkehr mit den elektrischen Potenzen des Uni
versums möglich. In welcher Weise dieses
Theorie mit der christlichen Religion sich ver
knüpft, wie sie ihre Zeugnisse aus dein neuen
Testament holt, mag man selbst nachlesen. Der
Erfolg des Buches sowie die der neuen Auslage
beigegebenen Briefe beweisen, daß die Verfassen»
Gläubige bereits gefunden hat. Vielleicht ge
lingt es ihr auch in Deutschland. Jedenfalls
würde sie das aber nicht ihrer Erzählungskunst
hauptsächlich zuzuschreiben haben, denn diese
ist trotz aller Phantastik sehr gering.
ca. A Dictionary of Music and Musicians
(A. D. 1450—1889) by eminent writers eng-
lish and foreign. With Illustrations and
Woodcuts. Edited by Sir George Grove,
Director of the Royal College of Music.
London, Macmillan and Co. 1884—1889.
Die ersten achtzehn Lieferungen dieses groß
angelegten Musiklexikons sind bereits bald nach
ihrem Erscheinen in der „Rundschau" angezeigt
worden. Mit dem vorliegenden vierten Bande
ist es abgeschlossen; ein Generalregister soll noch
nachfolgen. Es ist an dieser Stelle unmöglich,
von dem reichen, alle Gebiete der Musikwissen
schaft umfassenden Inhalt dieser Encyklopädie