477
<a ß. Teutsche Jllnstrirte Volksbücher
won Berthold Auerbach. Mit 400 Bil
dern nach Originalzeichnungen von W. v.
Kanlbach, A. Menzel, P. Meyerheim, L. Richter,
M, v. Schwind, P. Thumann u. A. 3 Bände.
Karlsruhe, A. Bielefelds Hosbuchhandlung.
«Ohne Jahr.)
Äl drei stattlichen Bänden hat Auerbach
eine dänkenswerthe Auslese seiner reichen Er
zählungen aus alter uud neuer Zeit veranstaltet,
welcher (wir die weiteste Verbreitung in unserem
Volke wünschen. Denn wirklich gute „Volks
bücher" sind in Deutschland noch immer selten
und unter den Schriftstellern von Rang, welche
stets und chit größtem Erfolg eine Wirkung auf
breite Schichten der Nation erstrebt haben, steht
Auerbach an erster Stelle. Ueber den poetischen
Werth dieser Dichtungen ist kaum etwas Neues
zu sagen: wie in so vielen Auerbach'schen Wer
ken muß sich auch hier der scharf beobachtende,
realistische ErLhler, der die einfachen Empfindungen
der niederen Stände in aller Treue und ohne
jedes Plus Wiederzugeben strebt, häufig gegen
den klugen, geistreichen Kopf zur Wehre setzen,
der, unvermerkt das eigene Fühlen in seine
Personen hineinträgt, der tausend Reflexionen
an den Mann zN bringen hat, tausend weise und
gute Worte zu sagen weiß, — und der Ausgang
dieses Kampfes ist nicht immer für den Dichter
so günstig, wie beispielsweise in der prächtigen
Geschichte von ^Adam und Eva". Auch eine
gewisse Sentimentalität, die sich insbesondere in
der allzu weichen und empfindungsseligen Charak
teristik der historischen Persönlichkeiten kundgiebt,
in der Charakteristik von Franklin und Joseph
dem Zweiten, von Gellert und Rückert, und eine
ausgesprochene Neigung, alle, auch die kleinsten
Lebensvorgänge, best Händedruck zwischen Gellert
und einem Bauern, den ersten Trunk aus dem
Schulbecher, symbolisch auszudeuten, finden wir
in diesen Erzählungest wieder; aber ebenso finden
wir den warmen Idealismus des Dichters in
ihnen wieder, die mannhaft patriotische Ge
sinnung, seine Begeisterung für Humanität und
wahre Religiosität, was schöne ethische Pathos
im Kampfe gegen Lüste und Heuchelei. Auf alle
Interessen des VolkeMrichtet er sein mildes und
doch so scharfes Augä und unbarmherzig deckt
er die kleinen und die'igroßen Schäden auf, die
er bei seinen Fahrten Durch das Land, im Ge
spräch mit Angehörigem aller Stände, da und
dort und überall gefunden hat. Am liebsten
nehmen seine Mittheilungen den Ton von
Memoiren an: Denkwürdigkeiten eines Familien
vaters, Aufzeichnungen eii«r Mutter oder eines
Abgeordneten, Erinnerungen eines Pfarrers,
Briefe von Officiercn, Turnern und Schützen —
alles das findet sich in demzschönen Buche ver
einigt , und es legt von deut, weiten und freien
Blick seines Autors ein beredtes Zeugniß ab.
oß. Kain von Gustav KWropP. Stutt
gart, Adolf Bonz & Co. 1880.
Gedankenepen von der Art pes vorliegenden
pflegen von Publicum und Kpitik mit einem
gewissen scheuen Respect aufgenommen zu werden,
der sich begnügt, vor dem „Ernste der Arbeit",
dem „hohen Flug der Intentionen" seine
Reverenz zu machen, und über den poetischen
Werth ^bescheiden die Meinung zurückhält. Um
so nöthiger wird es für eine unbefangene Be
trachtungen rücksichtsloses Urtheil auszusprechen,
das heißt ün unserm Falle das Urtheil, daß
ein hölzernes und seelenloses Product, wie dieser
„Kain", fütr die deutsche Literatur ganz und
gar bedeutungslos ist. Jeder gebildete Mann,
der sich täglich etwa von neun bis elf an den
Schreibtisch setzen mag, ist befähigt, allmälig
einen solchen Koloß auf thönernen Füßen zu
errichten. Das Kleinste lyrische Gedicht, die ein
fachste Erzählung.irgend eines beliebigen Autors
kann reicheres Talent beweisen, als dieses Werk
von 376 Seiten, zdas sich mittelst Lesefrüchten
aus Milton und (Byron, aus Geßner und
Klopstock mühselig (genug zusammensetzt und
jeglicher Gestaltungskraft und jeglichen poetischen
Lebens baar ist. Der fromme Abel und die
taubensanfte Ada, die an schäserliche Vorsünd-
fluthlichkeiten erinnern, der gute Adam und
seine Eva, die sich hausmütterlich beschäftigt
„den Staub von jeglichem Geräth zu wischen"
(221), Adonai und Lucifer, und der prometheische
Kain — alle sind ohne Individualität und ohne
Farbe. Ein Zusatz von Richard Wagner
(„wehende Feuerlohe" 181, .„Götterdämmerung"
331, Geschwisterliebe, unklarer Pessimismus,
brennende Sinnlichkeit und . schlaffe Frömmelei)
und von Hamerling'scher Philosophasterei („Ver
suchung bin ich, bin die Stznde, ich bin der
Taumel, bin das Entzücken") vermögen die An
ziehungskraft der reizlosen Muchung nicht zu
erhöhen. Nicht einmal in formeller Beziehung
können wir das Werk gelten lasten, denn aus
Schritt und Tritt begegnen die häßlichsten Wort
stellungen und aus dem getragenen Tone, den
der Dichter anschlägt, fällt er alle Augenblicke
heraus in die reinste Prosa. Daß man im
Jahre 1880 Verse schreiben darf, wie: „Willst
du niemals denn von Kindern sein umgeben"
oder „Nimmer will jemals ich den bösen Mächten
wieder gewähren Einlaß in mein Herz" —
ohne nimmer jemals allgemein zu werden ausge
lacht, ist als Phänomen immerhin bemerkenswerth.
ßyjf'. Bericht über die Verwaltung der könig
lichen Sammlungen für Kunst und Wissen
schaft zu Dresden, in den Jahren 1878 und
1879. Dresden. 1880.
Eine genaue Zusammenstellung aller der
Daten, welche man in einer Publication, die
obigen Titel trägt, irgend zu suchen geneigt wäre.
Die Gebäude, das Personal, das Budget, die
Erwerbungen, die Statistik des Besuches sind
gleichmäßig berücksichtigt. Die neuen Erwerbungen
für die Gemäldegalerie haben 1878 rund 58,000
Mark, 1879 69,000 Mark gekostet, für die Kupfer
stichsammlung wurden 7000 resp. 6000, für die
Gypsabgüsse'2000 resp. 5000 Mk. ausgegeben rc.
Wie in Berlin sind auch in Dresden eine Reihe
von Kupferstichen und Radirungen in Auftrag
gegeben worden. Interessant ist der Besuchs
stundenplan. Die Dresdener Gemäldegalerie
wird Montag gezeigt: an diesem Tage kostet der
Eintritt 1-> Mark. Dienstag freier Eintritt,
Mittwoch 50 Pf., Donnerstag und Freitag frei,
Sonnabend 50 Pf., Sonntag frei. Wir möchten
diese Einrichtung mit dem Zusatze auch für Berlin
empfehlen, daß Mittwoch und Sonnabend
ZU
w