Full text: Rezensionen von Herman Grimm in der Deutschen Rundschau (1881-1890)

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30 
aus :: Deutsche Rundschau 
Hans Holbein's Madonna von Solothurn und der Stifter Nicolaus Conrad, der Held von 
Dorneck und Novarra, von I. Amiet, gewef. eidgenöss. Staatsanwalt. Solothurn, Jent 
und Gaßmann. 1879. 
Das Gemälde, von dem hier die Rede ist, verleiht Solothurn seinen Rang unter 
den Schweizer Städten, die man bedeutender Kunstwerke wegen zu besuchen Pflegt. 
Localpatriotismus ist eine schöne Sache und die in Herrn Amiets Schrift gegebenen 
Untersuchungen, soweit sie Nicolaus Conrad betreffen, beruhen ohne Zweifel aus 
gründlicher Kenntniß der Solothurner Archive, was er dagegen über Holbein's 
Madonnenbild selbst sagt, zeugt mehr von gutem Willen als besonderer Fähigkeit, 
dergleichen zu behandeln. Seite 3, wo die Restauration des Gemäldes im Atelier 
Eigner's zu Augsburg besprochen wird, lesen wir: „Es ist gerichtlich constatirt, daß 
eine Uebermalung des Bildes nicht stattgefunden, was (sie) überhaupt niemals in 
Eigner's Atelier stattzufinden pflegte." Nun, dann muß Eigner hinter dem Rücken 
der Gerichte und außerhalb seines Ateliers die Uebermalungen ausgeführt haben, deren 
er sich leider schuldig gemacht hat. Was die Madonna von Solothurn anlangt, so 
sei aus Woltmann, II, 151 verwiesen, wo zu lesen steht: „Restaurirt 1867 von 
Eigner, nach starken Beschädigungen; das Bild hatte zur Scheibe für Bolzen ge 
dient. — Der Madonnenkops stark übermalt, sehr verweichlicht. — Auch das rosige 
Roth am Unterkleide der Maria kaum ganz echt." Wir ziehen nur aus, was Wolt 
mann über die Gestalt der Madonna sagt. Wie stimmt das zu dem, was Herrn 
Amiet zufolge die Augsburger Gerichte constatirt haben sollen? 
Aeltere Kunstsreunde werden sich erinnern, wie nach dem Tode des Galerie- 
directors Eigner eine aus einem Tafelbilde des ihm untergebenen Museums befind 
liche Inschrift, deren Echtheit er und die Seinigen auf das hartnäckigste vertheidigt 
hatten, leicht mit Spiritus abgewaschen wurde und wie damit der ganze Mythus 
von der Augsburger Jugendthätigkeit Hans Holbcin des Jüngeren sich in Nichts 
auflöste. Eigner, ein Fanatiker in Sachen Holbein, hatte ohne jedes eigennützige 
Interesse und nur um den Ruhm Augsburgs und seiner Galerie zu vermehren, diese 
Fälschung ausgeführt. Etwas ähnliches hat er sich bei der Madonna von Solothurn 
zu Schulden kommen lassen. 
Unter den Zeichnungen „unbekannter Meister" befindet sich im Louvre ein Blatt, 
welches von Herrn Dr. His-Häusler zu Basel als Arbeit Holbein's. und zwar als 
Porträt seiner Frau erkannt wurde, wie diese in jüngeren Jahren etwa ausgesehen 
haben könnte. Diese Zeichnung und die Solothurner Madonna stellen in solchem 
Maße dieselbe Person dar, daß damit die Echtheit und Herkunft des Blattes aus das 
unwiderleglichste bezeugt zu sein schien. 
Wenn nun aber die Zeichnung trotzdem nicht von Holbein wäre, wie Mancher 
annimmt? Und wenn Eigner sie, die längst durch Photographien vervielfältigt war, 
ehe man an die Solothurner Madonna auch nur dachte, dazu benutzt hätte, das 
Solothurner Madonnenantlitz einfach neu zu erfinden? 
In Solothurn erzählte man Jemandem, der vor Jahren bereits das damals 
frisch aus Eigner's Atelier in Solothurn wieder angelangte Gemälde sah, ganz un 
schuldig, wie dasselbe der Länge lang in der Mitte zerbrochen und von der Madonna 
soviel wie nichts übrig gewesen sei, woraus Eigner die Gestalt dann so herrlich 
wiederhergestellt habe. Eine Photographie der Tafel machen zu lasten, ehe sie nach 
Augsburg gesandt wurde, fügte man hinzu, sei leider versäumt worden. 
Der Kopf der Madonna, wie er heute dasteht, ist durchaus neu, er paßt nicht 
zu der übrigen Gestalt: man gehe mit etwas Spiritus darüber und es werden wahr 
scheinlich die dürftigen Reste eines ganz anders beschaffenen Kopfes zum Vorschein 
kommen. Die Louvrezeichnung dagegen, nach der Eigner arbeitete, ist ein so wenig 
die charakteristischen Merkmale Holbeins zeigendes Blatt, daß die Angabe „unbe 
kannter deutscher Meister" ohne Zweifel die richtige ist.
	        

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