© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 30
aus : ?
/t
ß/o. Madame de Stal'l et PltaMe avec une-
Bibliographie de llnfluenze fran^aise en Ita
lic de-1786 ä 1814 par Ch. Dejob, Charge-
die Conferences ä la Faculte ,des Lettr.es a.
Paris. Armand, Colin et Cie. Editeurs. 1890.
Wir geben eine Uebertragung des Inhalts
verzeichnisses. Erstes Capitel. Wie im 18. Jahr
hundert Franzosen, Engländer und Deutsche,,
jede Nation in ihrer Weise, über Italien ge
dacht haben. — Wie Frau von Stael in ihrem
Buche über die Literatur im Hinblicke auf
die allgemeinen gesellschaftlichen Zustände der.
Völker Italien beurtheilte. Cap. II. Wie Frau,
von Stael dahin kam, den Geist der Italiener
in der Folge besser zu würdigen. — Was man
der Schilderung. Italiens in Frau von Stael'L
Corinne vielleicht zum. Vorwurfe machen könnte.
— Carinne's Charakter. Cap. III. Mit wie?
durchdringender Voraussicht Frau von Stael im
Charakter Corinne's beinahe das hingestellt hat,
was als eine Prophezeiung des heutigen Zu
standes gelten dürfte. Cap. IV. Wie Frau
von Stael den Geist der romantischen Schule,
in Italien erweckte. — Wie die Italiener üben
sie urtheilen. Cap. V. In welchem Sinne ein-
Volk die Literaturen anderer Völker studiren
müsse. Das Schlußcapitel dürfte den deutschen
Leser am meisten interessiren. Der Verfpsspn
spricht hier ein vernünftiges und gerechtes Uv-
theil über die französischen Romantiker aus.
Es ist nicht eigentlich ein Buch, das wir
vor uns haben,, sondern eine in Capitel getheilte
Masse literarhistorischer Confessionen eines öffent
lichen Lehrers der Literaturgeschichte. Ch. Dejob
denkt und fühlt sehr patriotisch, huldigt aber
der Anschauung, daß Frankreich sich mit den
andern Nationen vertragen und ihre Literaturen,
studiren solle. Er spricht sich kurz und in ele
ganter Sprache aus und nöthigt uns, nichts zu
überschlagen.
ßxg. Wolfgang von Goethe. (Ermanno e
Dorotca.) Yersio"e metrica di Lnigi
Virbio. Genova, 1889.
Ein auf sehr schönes Papier splendid ge
druckter Band. Auf dem Titel das Motto:
Mto/ÄrjasTctC tis [iciMov rj /ui/urjairai. Auf
der ersten Seite die Widmung: A mio fratello
Federico dell’ originale profondo conoscitore
questa versione D. Unter dem Schmutztitel:
Holpricht ist der Hexameter zwar; doch wird
das Gedicht stets
Bleiben der Stolz Deutschlands, bleiben die
Perle der Kunst. A. von Platen.
Und am Schlüsse unter dem Datum des 31. Oc-
tober 1888: «l'pjjtx« - fytre. xQfvme. Aristo
teles. Alledem entnehmen wir, daß der Ver
fasser ein Verehrer und Kenner der Deutschen
Poesie sei, daß sein Bruder diese Neigung theile
und daß er mit seiner Uebertragung etwas ge
leistet zu haben glaubt, das das öffentliche Ur
theil nicht zu scheuen brauche, daß die Arbeit
für ihn eine Herzenssache- war. Sie gewinnt
dadurch Anspruch auf besonderen Dank. Denn
stehen wir auch mit unserer Literatur der
Welt nicht so gegenüber, daß Uebersctzungen
deutscher Werke ins Italienische Seltenheiten
wären, so gehört es doch immer zu den erfreu
lichsten Begegnungen, Jemand zu treffen, der
als Ausländer sich in einen unserer großen
Dichter eingelebt hat und sich bemüht, ihn mit
aller aufgewandten Mühe in seilten Schönheiten
dem eignen Volke zugänglich zu machen.
Uebersetzt wurde das Gedicht zum letzten
Male vom verstorbenen Marchese Guerrieri in
ottave rime. Bei dieser Umdichtung mußte eS
natürlich manche Veränderung erleiden. Die
vorliegende Uebertragung ist in Hexametern
hergestellt und scheint Mort für Dort mit mög
lichster Treue gemacht zu sein. Italienische
Hexameter hat man schon im Cinquecento zu
bauen gesucht. Wir vermögen nicht zu beur
theilen, wieweit Herr Virbio gelangt sei. Wir
setzen einige der letzten Bersedes Gedichtes her:
Tanto piü saldo sia, Dorotea, or il vincolo
nostro
nel generale crollo! Esser forte vogliamo (
tenaci,
Saldi tenerci e saldi possedere i nmabili beni
Poichfe l’uotn che in tempo vaccillante ue l’alnii
vacilla,
desso peggiora il male e di parte essende lo u
parte;
ma chi ö costante e saldo nell’ animo, ci do
mina il mondo.
Non e tedesco propagare un terribilc e tale
commovimento e di qua e di lä ripiegaie ce
dendo.
Die beiden letzten Verse würden wir aus dieser
Uebertragung prosaisch etwa so zurück übersetzen:
Nicht ist es Deutsche Art, eine fürchterliche
und derartige
Bewegung fortzupflanzen und nachgebend sich
dahin und dorthin zu beugen.
Goethe dagegen sagt:
Nicht geziemt es dem Deutschen, die fürchter
liche Bewegung
Fortzuleiten und auch zu wanken hierhin und
dorthin.
Die Frage wäre, ob die Verse Virbio's das
Pathetische, Jnschriftartige, Klangvolle, Breite,
Tönende, das in Goethe's beiden Hexametern
liegt, in sich aufgenommen uild wiedergegeben
haben. Bei Guerrieri heißt es:
Al Tedesco convien serbar l’antica
Usanza e non seguir l’or.da novella.
Questo e il nostro dovei! Lascia ch’ il dica!
Wir sehen, wie in dieser sanft fließenden,
wohlklingenden Paraphrase der Eoethe'schen
Verse nur im Allgemeinen die Gedanken fest
gehalten worden sind, ja, nicht einmal so viel,
denn „die fürchterliche Bewegung nicht fortleiten"
und „die alte gute Art bewahren und nicht von
jeder neuen Strömung sich forttragen zu lassen",
deckt sich in keiner Weise. Da ist der neueUeber-
setzer gewissenhafter.
Möchte Luigi Virbio doch einmal eines von
den prosaischen Werken Goethe's mit der gleichen
Sorgfalt in seine Sprache übertragen.
I Goethe. Hermano and Dorothea. Texte
allemand avec une Introduction et des Notes
par A. Girot, Agrögd de l’Universitd Pro-
fesseur d’allemand au Lycee du Havre. Pa
ris. Delagrave 1890.
Der Verfasser verweist, was die bei der
Herausgabe befolgten Principien anlangt, auf
seine Vorrede zu Minna von Barnhelm, welche
er 1887 in ähnlicher Weise bearbeitet hat. Die
Einleitung besteht erstens aus einem Aufsatze
über das Gedicht, welchen M. Alfred Meziöres,
Mitglied der französischen Akademie, bereits
1874 veröffentlicht hatte und das durchaus ge
eignet ist, den französischen Leser in das Ver
ständniß Goethe's einzuführen. Es folgt darauf
ein dem Goethe-Jahrbuche von 1889 entnomme
ner Aufsatz von H. Schreyer, welcher, neu über
tragen, dem Schüler Gelegenheit zur Lectüre
deutscher Prosa gewährt. Girot's eigne Arbeit
bestand darin, das Gedicht mit zahlreichen und
ausführlichen Noten zu versehen, welche ihn als
einen mit Goethe's Werken völlig vertrauten
Gelehrten erscheinen lassen und die dem fran
zösischen Schüler das Verständniß des Werkes
in lehrreicher und anregender Art vermitteln.
Die Art, in der sowohl M. Meziöres als M.
Girot von deutscher Literatur und deutschem
Wesen sprechen, erinnert so sehr an die guten
alten Zeiten, in denen Frankreich und Deutsch
land in gelehrten Dingen einig und eng be
freundet waren, daß man die Hoffnung hegen
darf, diese Tage könnten endlich nun wieder
kehren.
to/.. Souvenirs d’un Komme de lettres. Par
Alphonse Daudet. Paris, Maupon et
Flammarion.
Daudet schildert in seinen „Erinnerungen"'
vor Allem eine Auswahl hervorragender Jugend
bekanntschaften; malt uns ihre Charaktere irr
seiner ureigensten Manier: mit tüpfelndem
Pinsel ein Farbenton neben den andern gesetzt^
bis der Eindruck vollkommener Plastik entsteht;■
denn — für colorirte Umrisse haben wir Mo
dernen — zumeist aber die Franzosen! — nutt
einmal den Geschmack verloren.
Wir begegnen an erster Stelle Ollivier»
dem „Minister mit dem leichten Herzen". Daudet
wurde ihm — noch als schüchterner, glückseliger
Student — im Salon eines alten Pariser Poeten
vorgestellt und begeisterte sich für ihn — wie
damals Jedermann! Der werdende Politiker
muß in der That für seine freiheitlichen Ideale
sehr warm empfunden und sein Empfinden sehr-
beredt ausgedrückt haben. Daß der Verfasser
von „Numa Roumestan“ viel Gewicht auf die
proven^alische Herkunft Ollivier's legt,, ist na
türlich ; wer dessen melodische Stimme hört,
muß an die Pinien des südlichen Seeufers
denken, deren Aeste und Nadeln im Hauch ita
lienischer Winde musikalisch flüstern! — Aus