© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 29
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Warum aber, erlauben wir uns zu fragen, steht Makart auf so schlechtem Fuße
mit Füßen und Händen? Am liebsten versteckt er sie ganz. Geht das nicht, so ver
schleiert er sie, oder läßt Wasser oder Dämrnerung darüber fließen, oder dergleichen.
Zeigt er sie aber, wie doch zuweilen nicht zu vermeiden ist, so sind sie etwas rheuma
tisch und die doch so entzückender Bewegung fähigen Finger erscheinen ebenso unbeweg
lich wie das Lächeln, das er oft wie einen falschen Metallglanz über die Antlitze legt.
Es hat etwas von dem contractmüßigen Lächeln Renzischer Heroinen. Dies nebenbei.
Der Saal der Akademie pflegt stets überfüllt zu sein.
In den oberen Räumen der Nationalgalerie finden wir als Fortsetzung jener retro-
spectiven Ausstellungen, welche die gesammtc Thätigkeit einzelner verstorbener Meister
zeigen, viele von Lessing's Gemälden und Zeichnungen vereinigt. Diese lebensvollen
Nekrologe sind bereits eine Forderung bei uns geworden. Lessiug als Figurenmaler tritt
hier zurück, seine hauptsächlichsten Werke fehlen. Zum Theil hat man sie aus den
unteren Räumen desselben Gebäudes nicht herausschaffen wollen. Von seinen Landschaften
aber zeigt sich hier vieles, das uns nicht bekannt war. Lessiug gibt nicht nur die
Formen des deutschen Waldes, sondern seine Seele selber wieder. Als eifriger Jäger
kennt er jeden Athemzug des Waldes vom frühesten morgendlichen Ausschauern bis
zum letzten Dämmerscheine nach Sonnenuntergang. Man empfindet die frische Kälte
seiner Quellen, das feuchte Moos an den Felsen, man glaubt die leisen Selbstgespräche
der Blätter zu vernehmen. Wo eine Lessingfiche Landschaft in einem Haufe ist. wird
sie zum Freunde der Familie. Das sind die Tiefen, in denen Märchen sich ereignen
könnten und die Eichen, unter deren Aesten her die alten deutschen Kaiser zur
Jagd ritten.
Die heutige Landschaft verläßt diese Pfade. Die große Ausstellung zeigte nur
noch wenig in diesem Geiste Gemaltes oder es erweckte keinen Glauben. Die Lessingfi'che
Landschaft ist die des einsamen Wanderers, der mit seinen Gedanken allein querfeldein
feinen Weg fortsetzt, die ntoderne mehr die des Touristen, der sich interessante Aus
sichtspunkte aussuchen läßt. Selbst Achenbach oder Gude, — wenn wir einmal so
undankbar sein wollen an den Werken dieser Meister zu mäkeln, — suchen der Natur
gewifie Effecte abzusehen, die von Anderen unbeachtet blieben und die sowol zu sehen
als wiederzugeben ihnen allein vorbehalten blieb. Die Kunst tritt zu sehr hervor
und die Meister wollen, daß sie hervortrete.
Ein Maler allerdings geht auch in der Landschaft ganz für sich heute, und scheint
in eminentem Sinne nur für sich und für Niemand anders zu schaffen. Böcklin (in
Florenz). Auch er kein Freund der großen Ausstellungen.
Böcklin's öffentlich zugänglichen Hauptgemälde finden sich zumeist bei Schack in Mün
chen und in Bafel. Wir kennen deren in anderweitigen Privatbesitz, di: von großer
Schönheit und von dem eigenthümlichen Reize sind. der als Böcklin's Geheimniß in immer
weiteren Kreisen bewundert wird. Die von der Nationalgaleric angckauite Landschait
genügt nicht, um Böcklin's Eigenthümlichkeit ganz zu zeigen. Wir sahen neulich die
Photographie eines feiner Werke, das aus seinem Atelier heraus gleich direct in die
Hände eines Liebhabers übergegangen und von vielleicht nur ein paar Dutzend Augen
erst gesehen worden ist. Böcklin nennt es „Die Gräberinsel". Aus dem Meere
heraus (in der Nähe einer Küste wol, die wir nicht sehen) erhebt sich die aller
oberste Spitze eines unterseeischen Berges, huseisenartig geformt, in steilen massiven
Felsen. Wir blicken in die so sich formende Bucht hinein, aus der eine Anzahl
dunkler Cypressen in den dämmrigen Himmel aufsteigen. Tiefe Stille scheint hier
ewig zu walten. Nur die im Winde seufzenden Cypressen und die an's Ufer schlagen
den Gewässer hört man hier. Nur Todte wohnen auf dieser Insel, die Eingänge der
Grabkammern sieht man, die in Felsen gehauen sind. Ein kleiner Kahn mit einem
Sarcophagc und einer weißen Gestalt darin gleitet über die wellenlofe Fluth diesem
geheimnißvollen Hasen zu. Böcklin kennt das mittelländische Meer und seine Küsten
als wäre es seine Heimath. Wir begegnen nicht der leisesten realistischen Regung
auf seinen Gemälden und doch weiß er diese traumhaften Tinge so wohl zu geben,
als sei man selbst da vorübergefahren. B. K. F.
(Berliner Kunst-Freunde.)