Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Kunstgeschichte, -ausstellungen und -sammlungen

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auf deu Akademien zu kultivrren, wie es jetzt geschieht. Sollte 
nicht, mit Ausnahme der größeren Universitäten, lummitlid) 
derer, welche hervorragendere Kunstsammlungen am Platze haben, 
eine Vcrcin'gung des knnstgeschichtlichen Unterrichts mit einer 
Professur für Geschichte, Philosophie oder Aesthetik (je nach 
der Veranlagung und den Studien der fraglichen Persönlichkeit) 
das richtigere sein? Jedenfalls scheint mir der "Gesichtspunkt, 
unseren Studenten im Allgemeinen Freude an der Kunst und etwas 
Verständniß für dieselbe 'beizubringen, weit wichtiger wie der der 
Erziehung von Kunsthistorikern ans den Universitäten rc." 
Soweit W. Bode. 
Wären diese Ansichten und Vorschläge ebenfalls der .Feder 
eines anonymen Vaterlandsfrenndes entflossen, so würde ich 
sie gewiß ohne Widerspruch lassen. Allein sie tragen bei 
nahe halb amtlichen Charakter, was ihrem Inhalte anderen 
Werth giebt. Die königlichen Museen liegen dicht bei der könig 
lichen Universität. Und so habe ich mich entschlossen, den Be 
hauptungen W. Bode's, die, was die Berliner Universität an 
langt, von völliger Unbekanntschaft mit den betreffenden Ver 
hältnissen zesgen, eine kurze Darstellung der Dinge, wie sie 
thatsächlich liegen, entgegenzusetzen. 
Wie es ans anderen Universitäten gehalten wird, weiß ich 
nickt. Ich spreche nur von der Berliner. Ans dieser gilt die 
Neuere Kunstgeschichte als historische Hnlfswissenschaft. 
Will Jemand in der Neueren Kunstgeschichte den Doktor machen, 
s" muß er sich unter Anderem zugleich in der klassischen Ar 
chäologie examiniren lassen. Dieses Examen ist eine ernste 
Sache. Soviel ich mich erinnere, ist dieser Doktorgrad während 
der zwanzig Jahre, die ich in Berlin lese, nicht mehr als ein 
mal ertheilt worden (doch will ich zugeben, daß mir ein Name 
entfallen sein kann). Dagegen wird Neuere Kunstgeschichte bei 
Doktor-Prüfungen zuweilen als Nebenfach gewählt, so daß ich 
ein- oder zweimal im Seinester zu examinircn habe. In jedem 
Semester weise ich meine Zuhörer darauf hin, daß das wissen^ 
fchaftliche Studium der Neueren Kunstgeschichte und die Ans 
bildung zum Dienste ans den Museen verschiedene Dinge feien. 
Ich sage ihnen auch, daß die Laufbahn des Mufcumöbcamten 
keine Sicherheit für reguläres Avancement gewähre, da alle An 
stellungen vom Zufalle abhingen (wogegen ich nichts einzu 
wenden habe). Dies zu wiederhole»!, bietet sich Gelegenheit, 
wein: jung. Leute mich besuchen und mir ihre Absicht kund 
geben, sich für den Muscumsdienst oder die Universität vorzu 
bereiten, was, hin und wieder vorkommt. Ich kläre sie 
dann auch darüber ans, daß ohne umfassendes philologisches und 
historischer Studium die Dozentencarriere für sie unmöglich 
ser. Weder von mir, noch von meinem Herrn Kollegen (der 
gegenwärtig nicht in Berlin anwesend ist) sind jemals jung. 
Leute zum alleinigen Studium der Neueren Kunstgeschichte auf 
gefordert worden. Meistens wußten sie nicht, um was cs sich 
handelte, und gaben die Absicht auf, sich diesen Studien anö- 
schlleßlich zu widmen. 
Daß diejenigen aber, welche ernstlich Neuere Kunstgeschichte 
stlldrren wollen, auf das gründlichste in diese Wissenschaft ein 
geführt werden, versteht sich von selbst. An viel.n Stellen 
loerden von jüngeren Lehrern die an Schulen verschiedener Art 
thätig sind, ooer die auch Privatunterricht ertheilen, heute Lehr- 
füinbeu und Vorlesungen über Neuere Kunstgeschichte verlangt und 
es bedarf gewisstnhafter Vorbereitung dafür. Philologen, Theo- 
logen Juristen, Historiker od.r auch zukünftige Kunsthändler, 
dre rhr Geschäft ernst und aus höheren Gesichtspunkten betreiben 
wollen, sind meine Zuhörer. Natürlicher Weise dürfen die 
Proscsioren, die diese Vorberatung zu geben haben, nur Männer 
M, die ihr Fach gründlich kennen. Kein Professor der Ge- 
oder der Philosophie kann dergleichen nebenbei betreiben, 
-v. Bode hat eine seltsame Anschauung von den Bedingungen, 
m'ter denen der Staat Proscsioren anstellt und unter denen 
uns unsern Universitäten stndirt wird. Sollen die jungen 
Leute, statt in solider Weise in den Besitz der nöthigen 
Kenntliche zu gelangen, etwa mit oberflächlichen Redens 
arten abgespeist werden, weil sonst „Spezialisten groß 
gezogen werden könnten? Dann wäre gründlicher wisstnschast- 
l.cherUnterrrcht in jedem Fache überhaupt nichts als eine 
Verführung. In jedem Fache kann es vorkommen, daß Leute 
spezmllstlich versimpeln, weil sie nur für Anfsammlung von 
^cotizen, mcht aber zur Gedankenproduktion veranlagt sind. 
Bhnen Ware allerdings wohl»r gewesen, wenn sie sich über- >
	        
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