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aus : Erste Beilage zu den Berlinischen Nach
richten von Staats-und gelehrten Sachen,
Nr. 122, 1872, Mai 29 * 8. 4 _
alle Versuche, absichtlich Steues zu schaffen, haben in der
Baukunst noch stets zum Albernen geführt. Man kann
plötzlich als großer Dichter auftreten, nicht aber zugleich
eine neue Sprache für feine Gedanken erfinden. Zeder
große Architekt hat mit Formen gewirthschaftet dre er
vorfand.
Bedenklicher ist der Vorwurf des Mangels der Groß
artigkeit. Allein auch er ist erklärbar. In unterer Zeit
Ukgl kerne Sehnsucht nach dem, was rn der uns historrich
betannlen Archilekturentwickelung alö „Großartig" dasteht.
Wir bewundern die Peierstirche, die Pyramiden, das
Brandenburger Thor und die Synagoge in der Oranien-
burgerstraße, würden jedoch, gälte es die Neuernch-
tung solcher Baulichkeiten, uns kaum einer mäßi
gen Besteuerung gern unterziehen. Niemand würde
religiöses Gefühl als Lurch Kn cher,Pracht erhöht an
nehmen, noch Jemand Leutichland fester vereinigt sehen
durch ein „monumentales Reichstagsgebäude" »m bis
herigen architektonischen Sinne. Ob die Vertreter des
Reiches unter gothischen Bogen oder antiken Balkenlagen
tagen, wäre für Ehnsten-, Jesuiten-- und Juden-Universi-
tälkn — wo es steh etwa um deren Gründung handelte —
ganz gleichgültig, und eine vonhetlhafte Anleihe könnte
auch im Etsenbaynwaggon verhandelt werden. Dagegen
verlangt man Licht, Bequemlichkeit, Möglichkeit, zu hören,
Luft zu athmen und Raum, zueinander zu gelangen.
Einerlei jedoch, in welcher Form all das servlrt wird.
Und trotzdem begehn man ein würdiges monumentales
„Haus für bas Deutsche Volk", und fände sich emö, das
fo recht graziös dastänve, so würbe Niemand erwaö da
gegen haben, auch gern das Geld bewilligen.
Wo nun steckt die Lösung dieses Gegensatzes?
Glaubt man etwa, die alten Aegypter hätten ihre Py
ramiden, Obelisken, Pylonen re. Mit beiselden historischen
Bewunderung angefthen, mit der der heutige Gelehrte
diese letzten steinernen Ueberreste bewunden? Zn den
Aegyptern lebte ein Trieb: aufzuthürmen, der wie v»e
Naturkraft wirkte, welche die Bienen fünfeckige Zellest
bauen lehrt. Diesen Trieb gewahren wir öfter im Laufe
der Geschichte. In den deutschen Städten erwachte er
im dreizehnten Jahrhundert. Das waren keine katholi
schen (oder evangelischen) Kirchenjuristen, welche die da
maligen Bürgerschaften mit ästhetischen Geschichtsbildern
beschwatzten, gothisch zu bauen, weil es unserem Herrgott
besonders wohlgefällig sei, sondern dieses plötzlich auf
kommende Bürgervolk der Städte suchte Formen für sei
nen Stolz unv seinen Reichthum.
Wir dagegen empfinden heute Nichts von solchem Triebe.
Wir verlangen ein Parlamentöhaus, weil wir im Grunde
denken: doppelt genäht hält bester! Es kann nichts scha
den. Auch ist es ja schön und hübsch und großartig, un
seren Vertretern ein ordentliches Ding von Gebäude hin
zustellen, von rem die späte Nachwelt dann auch erzählen
wird unv das die zurersenden Fremden sehen unv das den
Engländern und Amerikanern rmponirt. Allerdings aber:
dis auf eine gewisse Summe gehen wir unter allen Um
ständen nur!
Da steckt es eben. Generationen, die wirklich den echten,
großartigen, architektonischen Schaffensdrang fühlen, haben
niemals nach dcm Gelde gefragt. Sie wollten ihre Lust
büßen, Steine immer höher einen über den andern zu legen
und wenn eö Gut und Leben kostete, wie es oftmals ge
than hat. Man stubire nur ein wenig über die Summen,
die in die Peterskirche verbaut worben sind.
Aber nein, da steckt es doch nicht!
)ie i» LtzL Akademie ausgestellten Pläne
rmen dapirt sämmtlich überein l^von einzelnen tollen
Ausnahmen kann hier abstrahirt werden) day sie weder
Nkue^Ftgtnelle Gedanken, noch überhaupt ein großartiges
darbieten. Neuheit und Originalität zevoch wolle
fian von einem Bauwerke nicht fordern. Niemand ist ab-
Hnn A»/tohoni>n SYl.JiiiV.rM i-i IA h.i* S)l rsiittsF, unk