© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 28
A2
aus
1866, Feb. 20
Erklärung.
Die Spenerfche Zeitung vom 14. Februar enthält in der
zweiten Beilage eine Besprechung des in Besitz des Herrn
Egli-Wegmann zu Basel befindlichen Christus am Kreuze,
eines in Lindenholz geschnitzten lebensgroßen Werkes von
der höchsten Schönheit, möglicherweise eine Arbeit. A.
Dürer's.
Es kann meine Absicht nicht sein, auf die, sowohl was
den Inhalt als was die äußere Fassung anlangt, völlig
unpassenden Worte dieser Besprechung einzugehen. Derar
tige Sätze mögen, so gut wie sich Leute finden welche sie
schreiben, auch Leute antreffen welche sie vielleicht zu einer
Antwort auffordern könnten; was mich anlangt, so nehme
ich das Vorrecht in Anspruch, mich ihnen gegenüber schwei
gend verhalten zu dürfen.
Allein es handelt sich hier nicht allein um mich. Das
I Publikum müßte mit diesem Crucifixe, einem Kunstwerke
ersten Ranges, das ich hier mit Ausdrücken wie „Pracht-
stück Virtuosenhafter Scheußlichkeit" und ähnlichen
verunglimpft sehe, bekannt werden.
Leider existirt ein Abguß desselben nicht, auch ist die von
mir in den Blättern über „Künstler und Kunstwerke" mit
getheilte Photographie sehr klein. Ich habe deshalb eine
in meinem Besitze befindliche große Photographie den Her
ren Amsler und Ruthardt, Behrenstraße, übergeben, "bei
welchen sie zur Ansicht anstiegt.
Dies freilich bemerke ich ausdrücklich, daß diese Photo
graphie, so sehr sie die Erhabenheit des Werkes ahnen
läßt, sie dennoch nur in geringem Maaße wiedergiebt, und
daß es, um ein vollkommenes Urtheil zu erlangen, des
Anblickes und Studiums des Originales bedürfte. Ich
habe dasselbe bei zweimaligem Aufenthalte in Basel, oft
und auf das Ruhigste in jedem Lichte betrachtet und einen
sich steigernden Eindruck empfangen; wie ihn nur die Ar
beit eines großen Meisters zu geben vermag. Das zu lei
sten, ist, wie gesagt, eine Photographie zu schwach. Den
noch hat das vorliegende Blatt, das ich vielen Personen
und darunter bedeutenden Künstlern gezeigt habe, niemals
ein anderes Gefühl, als das des Staunens und der Be
wunderung hervorgerufen: und ich zweifle nicht, sein An
blick wird genügen, um den Aufsatz der Spener'schen Zei
tung und ihren Verfasser beide als das erscheinen zu las
sen, was sie sind. Berlin, den 20. Februar 1866.
Herman Grimm.