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ängstigt, „und nicht bloß deßhalb, weil mein Neffe einst !
Byron erben sollte, sondern weil ich einen „gewisser- !
maßen" ritterlichen Geist habe u. s. w."
Ganz von anderem Schlag als diese halb oder
nichts verstehenden Bewunderer und Lobdiener des edeln
Lord ist nun unser Berichterstatter, dem Byron selbst
folgendes Zeugniß gibt: „Hunt ist ein außerordentlicher
Charakter und paßt eigentlich nicht für die gegenwärtige
Zeit. Er erinnert mich mehr an die Zeiten der Pym
und Hampden. Viel Talent, große Unabhängigkeit des
Geistes und ein strenges, doch nicht zurückschreckendes
Aeußere. Fährt er fort, qualis ab incepto, so kenne
ich wenige, die mehr Lob verdienen oder einernten wer
den. Ich muß hin, um ihn nochmals zu sehen —:
er ist ein Mann, den zu kennen der Mühe werth ist;
und obgleich ich, um seiner selbst willen, ihn aus dem
Gefängniß wünschte, so mag ich doch gern Cha
raktere in solchen Lagen beobachten. Er ist unerschüt
terlich geblieben und wird auch dabei beharren. Ich
glaube nicht, daß er mit dem Leben sehr vertraut ist;
er ist ein Bigotter der Tugend und brennt für die
Schönheit des leeren „Namens." Er ist vielleicht ein
wenig für seine Meinung eingenommen, wie alle Men
schen, die der Mittekpunkt von Cirkeln sind, mögen diese
groß oder klein seyn, es werden müssen, im Ganzen
aber ein achtungswerther Mann und weniger eitel, als j
der Erfolg und selbst das Bewußtseyn, das Rechte dem
Vortheilhaften vorgezogen zu haben, es entschuldigen
möchte."
Die im Gefängniß durch Moores Vermittlung ange
knüpfte Bekanntschaft wurde später so genau, daß Byron,
als er sich in Italien aufhielt, Hunt veranlaßte, ihm
aus England nachzukommen und ein Journal, das der
„guten Sache" Vorschub leisten sollte, und dem Byron
selbst den Titel „der Liberale" gab, gemeinschaftlich mit
ihm herauszugeben. Der Liberale schlug fehl, nach
Hunts Behauptung, weil der Lord es nicht über sich
gewinnen konnte, offen und mannhaft zur Sache der
Freiheit zu stehen. Er ließ in dem Magazin einige Sa
chen erscheinen, die sein Toryverleger nicht den Muth
gehabt hatte herauszugeben, die vision of judgment
z. B., welcher keiner von den übrigen Artikeln an die
Seite gestellt werden konnte, und die in Wahrheit das
beste satirische Stück ist, das Lord Byron je lieferte.
Aber schon waren auch die Feinde nicht müßig; nicht nur
seine Torybewunderer richteten seinen Blick auf die ent-
gegengesezte Seite der Frage, sondern auch für seinen
Credit bei denjenigen seiner fashionablen Freunde, bei
denen, obgleich auf der liberalen Seite, Patriotismus
weniger in Gunst stand, als das Geschwätz darüber,
wurde Byron besorgt. Indessen suchte er sich so weit
zu ermuthigen, um einen ernstlichen Strauß mit seinen
Freunden zu wagen, in der Hoffnung eines reichen Ge
winns, „in welchem er den angenehmsten aller Beweise
erblickt hätte, daß sein Ruhm nicht im Abnehmen sey.
Aber das Ausbleiben dieses Gewinns, das nicht kommen
wollen der goldenen Berge, von denen er geträumt
hatte und die er für die eben so soliden als glänzenden
Bürgen dafür angesehen haben würde, daß es ihm ge
lungen sey, eine neue Provinz in dem Lande des Ruhms
sich zu erobern, mit deren Glanz er seine und die Au
gen der Welt zu blenden gedachte — dieß war es, dieß
war die bittere Täuschung, welche ihn bewog, abzufallen,
und welche den legten Ausschlag gab, ihn weiter, ihn bis
nach Griechenland zu treiben, in der Hoffnung, hier
auf einem andern Felde die Ehren, die ihm dort ent
gangen waren, zu gewinnen."
Wir haben im Bisherigen schon die beiden Haupt
punkte berührt, welche bei einer Würdigung der durch
Hunt ausgegebenen Charakteristik in Betracht kommen
müssen. Daß dieser in jeder Beziehung geeignet und be
fähigtwar, den Dichter zu beurtheilen, kann keinem Zweifel
unterliegen, nach dem Zeugniß, das dieser selbst seiner
Unabhängigkeit und Wahrheitsliebe aus stellt, und nach
dem, was über ihre Bekanntschaft und gemeinschaftliche
Autorschaft eben mitgetheilt worden. Die einzige Ein
wendung gegen die Zuverlässigkeit seiner Mittheilungen,
gegen ihre Unparteilichkeit könnte erhoben werden aus
den mißlichen Verhältnissen, in welchen beide bei ihrem
journalistischem Unternehmen einander gegenüber stan
den. Getäuschte Erwartungen von der einen und lästige
Verbindlichkeiten von der andern Seite konnten aller
dings die Unbefangenheit des Blicks trüben und alles
in,einem falschen Lichte erscheinen lassen. Wie weit diese
Umstände auf seine Wahrheitsliebe einwirken konnten,
darüber spricht sich Hunt in der Vorrede zu seinem
Buch, das er bald nach seiner Rückkehr aus Italien
zu schreiben anfing, selbst in aufrichtiger, überzeugender
Weise so aus: „Was ich über den edeln Dichter zu
sagen hatte, war nothwendig mit den peinlichsten Er
innerungen verbunden. Ich konnte mir, als ich das
Manuscrkpt überblickte, nicht verbergen, daß ich, mein
Verhältniß zu ihm in meinen Gedanken reproducirend,
unwillkürlich wieder auf's neue all den Aerger und die
Entrüstung eines Mannes fühlte, der sich schlecht be
handelt glaubt. Das drückt sich auch bis zu einem ge
wissen Grad in meinen Mittheilungen aus. Gewiß
aber ist kein Schatten einer Unwahrheit darin, und ein
gut Theil von dem, was ich berichte, hätte ich uner
wähnt gelassen, wäre ich mir irgendwie einer gehässi
gen, rachsüchtigen Gesinnung bewußt gewesen. Es ist
dieß ein Fehler, den man mir nicht vorwerfen kann.
Wenn ich irgend etwas gegen die mannigfachen Fehler,
die ich haben mag, geltend machen darf, so sind es
die beiden guten Eigenschaften, daß ich nicht rachsüchtig
bin und daß ich die Wahrheit sage. Ich habe nicht
alles gesagt, weil ich kein Recht dazu habe; in dem
vorliegenden Fall wäre es überdieß eine Rücksichtslosig
keit gegen den Todten wie gegen die Lebenden gewe
sen; was ich aber gesagt habe, ist unwidersprechlich.
Wäre ich weniger empfindlich für Lord Byrons Betra
gen gewesen, so hätte ich vielleicht das Unangenehme
desselben weniger oft zu erfahren gehabt; Schmeichelei
möchte viel bei ihm ausgerichtet haben, und es fehlte
mir weder an dem allgemein menschlichen Interesse
für seine Person, noch an der Bewunderung, welche
seine Talente verdienten, um ihm auf's aufrichtigste
alles zu zollen, was die Schmeichelei Süßes haben
kann — wenn es möglich gewesen wäre. Aber nie
mand, als wer es selbst erfahren hat, kann wissen,
wie traurig es ist, wenn mau einen Mann lieben
möchte und sein enthusiastisches Verlangen mehr als
zurückgewiesen sieht. Der Tod meines Freundes Shelley
und mein Mangel an Hülfsmitteln ließ mich diese bit
tere Entdeckung der Summe meiner Erfahrungen hin
zufügen. Sobald Lord Byron mich in Mangel sah,
fing er an mich rücksichtslos zu behandeln. Ich bin
nicht argwöhnisch, und oft schon hat man mir den
Vorwurf gemacht, daß ich Feindseligkeit und schlechte
Behandlung nicht empfindlicher nehme, aber verbindlich
zu seyn im gewöhnlichen Sinn und zu gleicher Zeit
auf's unverbindlichste behandelt zu werden, sich nicht
blos getäuscht zu sehen in seinen billigsten Erwartungen,
sondern verwundet an dem empfindlichsten Fleck seines
ganzen Wesens — daß mußte ich fühlen, wenn ich
auch der Welt nichts davon gesagt hätte. — Trotz
dem trete ich aber von ganzem Herzen der Ansicht
bei, die Hazlitt mit so viel Beredtsamkeit vorgetragen
hat, daß was Gutes und Wahres sich in den Werken
eines Mannes von Genie findet, im strengsten Sinn
sein Eigenthum und ein Theil seines Wesens ist, mag
er sonst auch noch so sehr Theil haben an den gewöhn
lichen menschlichen Schwächen, daß ich nur mit Be
dauern an das Gemälde denke, das ich von den Schwä
chen Lord Byrons, gewöhnlichen oder ungewöhnlichen,
entworfen habe, und die Versicherung nicht zurückhalten kann,
daß ich es mit sträubender Hand that — feci moerens.
Laßt es auf mich selbst zurückfallen, wenn es seyn muß!"
Diese Versicherung wird jeder als aufrichtig ge
meint gelten lassen müssen, der das Buch liest, in
welchem allerdings die Entrüstung eines Mannes nicht
zu verkennen ist, der sich schlecht behandelt glaubt, in
welchem aber auch das selbstsüchtige, nur nach Effekt
haschende Wesen Byrons geschildert ist, mit beständiger
Rücksicht darauf, welchen Schaden solche Grundsätze oder
„Halbgrundsätze" der Gesellschaft bringen könnten, wenn
sie durch den Schein des Genialen sich verleiten ließe,
diese Affektation nachzuahmen und Laune und Willkür
gleicherweise zu ihrer einzigen Richtschnur zu machen.
Hunt und Shelley gingen von der Ansicht aus,
daß bei Byron alles angefressen sey vom »cancer of
aristocracy ,cc von der Vornehmheit, nicht im conventio-
nellen, sondern im moralischen Sinn, welche unab
hängig ist von jeder politischen Stellung und darin be
steht, daß das Subjekt auf sich selbst zurückgeworfen ist,
statt sich der Allgemeinheit hingebend auszuschließen.
Was also Hunt von diesem Gesichtspunkt aus mittheilt,
ist nicht geschrieben, um eine müßige Neugierde mit ei
nigen Anekdoten zu kitzeln, die wir auch, wenn sie noch
so pikant wären, nicht für der Mühe werth halten
würden wieder zu geben, sondern um eine allge
meine Sinnesweise zu schildern, welche überall im Wi
derspruch mit dem wahren Vortheil der Gesellschaft steht.
Darin liegt der bleibende Werth dieser Mittheilungen,
welche also als Schlüssel zu dem Wesen aller gleichge
arteter Männer gelten können, deren es nur zu viele gibt.
In den Auszügen, welche wir geben, wollen wir
nun derselben gemischten Zeit- und Sachordnung folgen,
welche Hunt einhält, indem er seine erste Bekanntschaft
mit Byron, die er im Gefängniß machte, und sodann
die Geschichte ihres Zusammenlebens in Italien erzählt,
dabei aber bald da bald dort die eine oder andere Seite
von Byrons Charakter beleuchtet und einzelne Anekdoten
einfügt.
—
Hunt erzählt uns zuerst von seiner früheren Be
kanntschaft mit Byron, daß er anfangs nichts an ihm
bemerkt habe, als ausgezeichnete und angenehme Eigen
schaften. „Meine Frau aber, mit dem schnellen Auge
ihres Geschlechts, war geneigt daran zu zweifeln." Zum
Beweis, wie leicht man sich in Byron habe täuschen
können, wie sehr aber auch im Grunde von An
fang an jene Selbstsucht in ihm lag, die später nur
unverhüllter hervor trat, führt er folgenden Vorgang an:
„Als er mich eines Tags besuchte, während einer mei
ner Freunde bei mir war, schien ihm dieß unbequem,
und er fragte ohne Umstände, wann er mich allein
finden werde. Mein Freund, ein Mann von Geist und
Takt, und der lezte, der seine Bekanntschaft irgend je
mand aufgedrungen hätte, hatte keine Verpflichtung weg
zugehen, weil ein weiterer Besucher gekommen war;
überdieß war ihm natürlich sehr daran gelegen, einen
so interessanten Gast zu sehen, was für den lezteren
nur ein Compliment seyn konnte. Allein der Wille