© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 28
fünf und zwanzig Gesetzgebungen anheimzustellen. Von
diesem Gedanken geleitet, war die Kommission an ihre Arbeit
gegangen, zwar nicht in der Ueberhebung, daß es ihr bei dem
Mangel alles aktenmäßigen Materials, welches ihr das
negative Verhalten der Regierungen verschloß, möglich
fein werde ein nach allen Seiten ausgestaltetes Ganze zu
geben, wohl aber in dem gwen und berechtigten Glauben,
i)aß die Konsequenzen der Civilprozeßordnung selbst und die
reiche Erfahrung, welche ihr in den eigenen Mitgliedern zu
Gebot stand und von außen her nutzbar zu machen war, in
den Hauptzügen den richtigen Weg weisen würden. Ernst
liche Zweifel an dem Erfolge der Arbeit in diesem Sinne
stnd auch heute nicht laut geworden, nur die Unvollständigkeit
des Ergebnisies ist derselben zum Vorwurf gemacht, aber es
ist schwer abzusehen, warum nicht, wie jetzt die ganze An
waltsordnung vorbehalten werden soll, nicht ein bloßes
Ergänzungsgesetz zu den vorgeschlagenen Grundbestimmungen
in Aussicht bleiben sollte.
Diesen Erwägungen gegenüber stand nun immer wieder
die ablehnende Haltung der'Bundesregierungen. Wir wollen
nicht darauf zurückkommen, wie abenteuerlich es war, einePro-
zeßordnung und Gerichtsverfassung ohne Bestimmungen über
die Anwaltschaft überhaupt vorzulegen. Vor vollen zwei
Jabren ist in der ersten Lesung der'Justizgesetze diese Lücke
aufgedeckt worden, und es war eine im Hause unwidersprochene
Erwartung, daß die Kommission sich die Ausfüllung derselben
werde angelegen sein lassen. Ein volles Jähr später
erst gelangt die Kommission an diesen Theil ihrer Aus
gabe — immer nur sind die Regierungen über das
reine Nichts einig. Dasselbe Schauspiel wiederholt
sich, als die Kommission ihre Arbeit in zweite Lesung
nimmt; und erst ganz zuletzt, als die Beschlüsse dieser Lesung
im Bundesrath zur Berathung stehen, vereinigt man sich „im
Prinzip", daß eine Anwaltsordnung für das Reich ausge
arbeitet werden soll. Wir sind bereit, den Schwierigkeiten der
Verständigung unter fünf und zwanzig Regierungen alle Rech
nung zu tragen: aber ist diese Art des Verhaltens gegenüber
dem gleichberechtigten Faktor der Reichsgesetzgebung eine an
gemessene, ist sie geeignet, den Regierungen beim Reichstage
„etwas mehr Vertrauen" zu erwecken? ' Kann nach diesen
Vorgängen der Reichstag auseinandergehen, ohne daß ihm
über die Grundzüge der von den Regierungen in
Aussicht genommenen Anwaltsordnnug wenigstens die
nothwendigsten Andeutungen gemacht werden? Und welches
Mittel hat derselbe, auf einer solchen Erklärung vom Bun
desrathstische zu bestehen, als daß er, bis ihm dieselbe wird,
an den Beschlüssen seiner Kommission festhält? In einer
Angelegenheit, die, wie diese seit Jahren vor den Augen der
betreffenden Staatsmänner liegt, zu einer Zeit, da dieselben
fast ausnahmslos hier zur Stelle versammelt sind, ist es doch
wahrlich keine unbillige Zumuthung, sich binnen zwei Wochen
über die grundlegenden Bestimmungen so gut, wie jüngst über
die Anwaltsordnüng überhaupt, „im Prinzip" schlüssig zu
machen.
Dies sind die Gründe, welche die Mehrheit von 163
gegen 128 Stimmen bewogen haben, den Titel 9a. der Ge
richtsverfassung in zweiter Lesung anzunehmen, und welche
von dem Abg. Lasker im Eingänge der Diskussion vollständig
und erschöpfend ausgeführt wurden. Die Gegner trennte
nicht der Schein eines sachlichen Gegensatzes, nur ein Mehr
von Rücksicht auf die wenn geschaffene
“ nebe
uder^uhrliche Ausspinner? dev
durch eine ganz aus der Lust gegriffene namentliche Abstrm
mung arg gestprt. Mit einem böstn Anzeichen war schon der
Tag eröffnet, als den polnischen Velleitäten nochmals andert
halb Stunden zum Tummelplatz eingeräumt wurden. Nun
werden die Einführungsgesetze zur Gerichtsverfassung und
Civilprozeßordnung, mit den hochwichtigen Fragen derBeamten-
Verantwortlichkeit und des Rechtsweges gegen Fiskus und
Landesherr» den achten Verhandlungstag fortnehmen, und
erst die frische Woche wird für die Strafprozeßordnung frei.
Zur orientalischen Krisis.
Die englische Politik ist nach dem verunglückten Versuch,
Gladstone's Politik der öffentlichen Meinung zu treiben,
heute mehr wie je Kabinetspolitik. 'Die „Times" dementrrt
' t
heute ein Londoner Gerücht über den beabsichtigten Riicktrit
Lord Beaconsfields. Das Gehen oder Bleiben dcs Staats-,
mannes, der am entschiedensten Aktionsvolitik treibt, bildet
ein ausschlaggebendes Moment für den Verlauf der jetzigen
Krisis. Ein solches Ereigniß herbeizuführen oder zu hindern,
liegt heute im Entschluß ^vielleicht von ein halb Dutzend
Personen. Die öffentliche Meinung in dem freiesten
Lande der Erde, mit den entwickeltsten'Organen selbständigen
Eingreifens versehen, steht thatlos mit gekreuzten Armen,
zum großen Theil beschämt und an sich selbst irre, zur Seite.
Zwei Reihen von Thatsachen treten eben in der englischen
Politik in den Vordergrund. Mit den einen soll auf die
Oeffentlichkeit, mit den andern auf die europäischen Höfe
gewirkt werden. In der ersten Reihe verzeichnen wir die
Depeschen, die im Augenblick veröffentlicht werden. Unter
diesen tritt diejenige am meisten hervor, welche die Aeuße
rungen des russischen Zaren referirt. Der warme Ton, in
welchem Lord Loftus die beruhigenden Versicherungen des
Kaisers Alexander wiedergiebt, zeigt, wie der englische Ge
sandte bestrebt ist, seiner Regierung die Dinge im besten Lichte
zu zeigen. Die schneidende Antwort, welche die englische Regie
rung ertheilt, findet sich nur theilweise in der Tischrede Disraelis.
Wir verweisen unsre Leser auf eine Korrespondenz aus London
in der heutigen Nummer, worin das Spezialorgan Disraelis,
der „Standard" dem russischen Monarchen seine Worte in
bitterer Weise zurückschleudert und damit ein Element per
sönlicher Feindschaft in die Dinge hineinträgt, das uns
Schlimmes zu weissagen scheint. Ein solcher Ton kennzeichnet.
Wir fürchten unwiderrufliche Entschlüffe.
Die andre Thatsache, welche Englands Auftreten eben
charakterisirt ist die vielbesprochene Reise Lord Salisburys.
Ob der Lord viel Neues gehört hat in Paris, Berlin und
jetzt in Wien mag zweifelhaft sein. Jedenfalls ist er beauf
tragt, den leitenden europäischen Staatsmännern Englands
Entschlüsse anzukündigen. Wir haben nicht die Präsumtion
zu wissen, was der englische Spezialgesandte dem leitenden
deutschen Staatsmann mittheilte; das was aus Paris als
das letzte Wort des englischen Diplomaten berichtet wird,
ist aber wenig beruhigend und klingt an den berühmten Spruch
der Pythia an: Wenn Crösus über Hs» Halyö geht, so wird
er ein großes Reich zerstören. Setzen wir statt des Halys
den Pruth, so bewegen wir unsern der modernsten Wirklich
keit und jedenfalls ist es das Reich des europäischen Friedens,
das unter solchen Umständet als bedroht hingestellt wird. Auf
drei Bürgen für die ruhige Abwickelung der Dinge werden
wir verwiesen: die EnthA^amkeit Rußlands, das Vertrauen
Englands und die EntsM^zkraft der Türkei. Wir fürchten,
man wird keinen von dM^x drei als vollwichtig erkennen.
Auf welchem Fuß ml,, die Dinge in der Türkei betreibt,
darüber belehrt uns ein Telegramm aus London von heute
Abend, worin uns folgen! e authentische Mittheilung wird:
Mussuruö Pa Aha notifizirte hier eine' Depesche
seiner Regierung, wor»? die Pforte die Hoffnung aus-
spricht, he Mächte werden bei Berathung des Pariser
Vertrages das Prestig/ der Pforte und die Eigenthüm-
istration des osmanifchcn Reiches
nd die allgemeinen Reformen des
nführung die Lage der infurgirten
essen werden soll, in Betracht ziehen.
:n Derby'schen Bedingungen türki-
lutorität nun noch' aus eignem
lichkeiten der Admi
sich vor Augen Haltens
Reiches, durch deren
Provinzen wesentlich
Die Pforte fügt s
ckegrität'
jglaubli
'nt, mit Edhem Pascht
In der heutigen
Theil bereits im Abendbn
gedehnte Debatte über
Tit. 9 a betreffend die „Rec
Annahme des ganzen Tite^
den ersten Paragraphen '
stimmnng statt, und ergc
Stimmen. Demnächst 1
des Tir. 16 „Gerichts
Mission, die Gerichts^
bis 15. September auszut
an der in Preußen ublichi
wurde nach kurzer Debatt^
Paragraphen. Hiermit
hinzu. Unter diesen
1t Uhr. (Elnführungsgesetze zum Gerichtsverfassungsgesetz,
Civilprozeßordnung und Strafprozeßordnung) Schluß 4 Uhr.
Zur Patentschutzfrage geht uns von betheiligter Seite
nachstehendes Schreiben zu:
„In Nr. 547 Ihrer Zeitung vom 23. d. M. ist die Be
merkung enthalten, es werde nicht besorgt, daß „von Seiten
Preußens auch jetzt noch einem den Anforderungen der Zeit
entsprechenden Reichspatentgesetze Schwierigkeiten sollten be
reitet werden." Diese Bemerkung ist gewiß als richtig an
zuerkennen. Wenn mit derselben aber etwa hat angedeutet
werden sollen, daß die preußische Regierung der Re
form der Patentgesetzgebung gegenüber sich bisher ab
lehnend verhallen habe, so würde eine solche Annahme in
keiner Weise zutreffen. Bereits im Mai 1875 ist
Seitens des preußischen Handelsministeriums unter gleich
zeitiger Mittheilung eines vollständig ausgearbeiteten Frage
bogens die baldige Veranstaltung einer bezüglichen Enqußte
lebhaft befürwortet worden. In Folge dessen hat der Bun
desrats) im Juni v. I. beschlossen, die preußischen Anträge
dem betreffenden Ausschüsse zur Berichterstattung zu über
weisen und auf Grund dieser Anträge ist die Sache weiter
gefördert worden. Danach hat grade die preußische Regie
rung die Initiative Behufs der Reform der Patentgesetz
gebung ergriffen, und die Annahme würde entschieden irrig
sein, daß diese Regierung der Erledigung ihrer eigenen An
träge hinderlich sein werde."
seiner Abretse wen
Paul Veronese die ungeheuren Schleppen seiner Göttinnen
und Heiligen, die mit' den Wolken rivalisiren, über die sie
zuweilen ausgebreitet stnd oder sich hinziehen.
Bis zum Halse, über die Brust hinan, zuletzt freilich nur
mit einem durchsichtigen zart gefältelten Hemdstreifen, ist
unsere Gestalt bekleidet. Sie soll es sein. Die Schultern
verdeckt, die Arme in weitaufgebauschten Aermeln steckend.
Den linken Arm legt sie über ein umfangreiches goldnes
Gefäß, welches auf dem Sarkophage neben ihr steht; sie stützt
sich mit der Achsel darüber hin, als steckten alle Herrlichkeiten
der Welt darin und gälte cs, sie sicher festzuhalten. Die
ändere Hand liegt über ihren Schooß, mit den Fingern einen
Griff voll Blumen bedeckend. Das Kleid wird unter der
Brust von einem breiten Gürtel mit goldenem Schlosse
zusammengehalten, das gelöste, wellige blonde Haar, voller
noch als drüben, fällt ihr auf die Schultern, stößt da
sanft auf und wendtt sich dann erst dem Nacken zu, während
auf der rechten Schulter ein paar lose Strähnen davon vorn
auf die Brust herabgefallen sind. Sie trägt einen Kranz im
Haare. Hinter ihr, weit ab im Grase, sitzen ein paar Ka
ninchen. die Sinnbilder irdischen Familiensegens.
Wie zwei Schwestern erscheinen beide schöne Gestalten.
Für sich betrachtet, hat die so ganz von weltlicher Kleidung
verhüllte nichts, was trotzdem ihre Formen zu voll erscheinen
ließe. Wie drüben auch hier die reinste Jugendblüthe einer
Frau. Dennoch, sobald wir mit den Blicken von der Einen
zur Andern wechseln, empfängt die bekleidete einen Zusatz
von Schwere, von Festigkeit.' Sie sitzt so sicher an ihrer
Stelle wie ein schöner Palast auf dem Grund
und Boden steht, den er einnimmt, während lene
„Himmlische" an Schwere zu verlieren scheint, wie
ein Vogel, der sich aufschwingen könnte. Indem diese
sich zu ihrer irdischen Genossin hinüberncigt, scheint sie mit
den Augen ihrer Rede einen letzten, stillwirkenden Accent
geben zu wollen. Die andere aber waffnet sich gegen diesen
Angriff. Sie sieht stracks vor sich hin, uns gerade in die
Augen, als wolle sie sich hüten dem gefährlichen Blicke ihrer
Genossin zu begegnen, dessen Macht sie wohl empfindet
Hier liegt das Dramatische der Komposition. Wir fragen
was wird geschehen? Wird die „Irdische" dem Strome der Ueber
redung Stand halten, der von der andern Seite leise, aber
mächtig herüberfiießend, sie mehr und mehr umgiebt und
endlich' überwältigen könnte?
Während sie so zweifelhaft dasitzt und die andere das
Auge fest auf sie gerichtet hält, tritt nun aber zwischen beiden
Gestalten ein neues Element ein, das der Komposition einen rei-
zendenZuwachs an Leben und Lebendigkeit verleiht. Wir erblicken
auf dem Gemälde den Sarkophag und die Frauen in einer sie
reich umgebenden Landschaft. Bäume und Fernsichten bilden den
Hintergrund und Gebüsch drängt sich dicht daran. Es ist als
tände dieser BrnnnensarkoMag an einer Stelle, wo ein kühler,
schattiger Wald licht zu we^W beginnt. Aus dem dunkeln
Hintergründe nun, zwischen beiden Figuren, sehen wir einen
kleinen Amor, der von der anderen Seite her am Marmor
emporgeklettert ist, sich weit über den breiten Rand über
legend mit den Armen im Gewässer herumspieltcn. Was
er bedeuten soll, ist klar. Die letzte marmorne Hülle des
Todten ist zum Behälter des lebendigsten Elementes gemacht
worden und dieses Lebendigste wird nun vom Allerlebendig-
flen' “
in
.)8tagssitzung, über deren ersten
te berichtet ist, endigte die sehr auö-
von der Kommission eingeschalteten
isanwaltschast" mit der unveränderten
I. Die prinzipielle Entscheidung ub.r
| Titels fand durch namentliche Ab
eine Mehrheit von 163 gegen 128
: der Reichstag in die Berathung
tu" ein. Der Antrag der Kom
in auf die Zeit vom 15. Juli
inen, während die Regierungsvorlage
I sechswöchentlichen Ferienzeit festhielt,
rngenommen, ebenso die nächsten drei
tagt sich das Haus bis Sonnabend
Zu § 55 der Strafprozeßordnung, die Eidesformel für^
den Zeugeneid betreffend, ist von dem Abg. Dr. Mar-'
quardsen nachstehender Zusatz beantragt worden: „Erklärt ein
Zeuge, der einer solchen Religionsge'sellschast nicht angehört,
daß ihm seine religiöse Ueberzeugung die Ableistung eines
Eides verbietet, so tritt auch in diesem Falle an die Stelle
des Eides eine feierliche Versichern»». Auf die Verletzung
derselben finden he §§ 154,155,157,158,159.160,161 und 163
des Strafgesetzbuchs entsprechende Anwendung." — Die Frage
der Eidesnorm ist bereits bei der Berathung des Gerichts-
verfaffungsgesetzes zur Sprache gekommen; der Abg. Herz
hatte einen Antrag, zur Civilprozeßordnung, welcher die Hin-
weglassung jeder konfessionellen Bekräftigungsformel bezweckte,
zurückgezogen, um die Lnbloe-Annahm'e dieses Gesetzes nicht
zu hindern. Als der gleiche Antrag gelegentlich der Ver
eidigung der Schöffen wieder erschien, lehnte der Reichstag
denselben ab und die Debatte ließ darüber keinen Zweifel,
daß eine Mehrheit im Reichstage für die prinzipielle Besei
tigung des konfessionellen Eides üserhaupt nicht zu gewinnen
sein würde. Die große Mehrheit des deutschen Volkes wäre
auch in der That'nicht im Stande, eine solche mit den ge
wohnten Anschauungen brechende Neuerung zu verstehen, 'es
müßte deshalb die im Volksvewußtsein wurzelnde Vorstellunng
von der Heiligkeit des Eides in bedenklicher Weise leiden.
Dagegen findet die Forderung in weiten Kreisen Unter
stützung, daß der Wiederholung von Fällen wie der Hoffe-
richter'sche u. A. vorgebeugt werde. Wem der Gebrauch der
konfessionellen Bekräftigungsformel gegen Gewissen und
Ueberzeugung geht, dem mit harten Strafen an Ver
mögen und Freiheit nur deshalb zu Leibe au gehen,
wert er sich einem ihm zugemuthete>: Gewissenszwang
nicht fügen mag, das verstößt gegen unsere Auffassung der
staatsbürgerlichen Rechte des Individuums in dem modernen
Staate, der als solcher konfessionslos ist. DMavorliMmde
die Ableistung eines Eides
vecbteür,^.. derselben zu befreien und anstattdesselbeneinefeier
liche Versicherung abzugeben, wie sie den Mennoniten gegenüber
zugelassen ist. Nach der in Preußen bestehenden Gesetzgebung
dar§ der Richter Abweichungen von der allgemein vorge
schriebenen Eidesformel nicht zulassen, außer wenn Jemand
glaubhaft nachweist, daß er einer Religionsgesellschaft angehört,
welcher eine solche Konzession durch besonderes Gesetz einge
räumt ist. Da andrerseits die Erzwingbarkeit eines Zengen
eides oder einer alle Wirkungen dcs Eides einschließenden
feierlichen Versicherung, ohne unser ganzes gerichtliches
Beweisverfahren in Frage zu stellen, nicht aufgegeben
werden kann, so bleibt der Richter, wenn eine Lösung
des Konflikts nicht stattfindet, in der Zwangslage,
ain Bewegunggebracht. Und jetzt unsere Irdische Liebe! Ganz
Verwirrung bereits durch die Ueberredung ihrer himmlischen
Schwester, trifft ihr Ohr das leise Geräusch, das Amors
kindisches Wühlen im Wasser hervorbringt. Mitten im Nach
denken über das, was ihre Genossin ihr zugeflüstert hat, scheint
ie zugleich auf Amors Plätschern zu hören, und wir stnd
überzeugt, daß cs für ihre Entschlüsse den Ausschlag geben
wird. Damit sei der Versuch geschlossen, zu deuten, was wir
auf Tizian's Gemälde vor Augen haben. Auch über Weber'ö
Stich wäre nichts mehr zu sagen. Aber der Gegenstand lockt
zu einigen weiteren Betrachtungen. .
Noch ein zweiter großer Meister hat Liesen Wtdcrstrert
geistlicher und irdischer Regungen im Herzen einer Frau be
handelt. Seiner Natur nach anders als Tizian: tiefer, ernst
hafter: Lionardo da Vinci. Leider ist das Original seines
Gemäldes nirgends mehr nachzuweisen. Unter der allgemeinen,
nichtssagenden Bezeichnung Uodestiaet Vanitas findet sich eine
Kopie des Werkes in der Galerie des Palastes Sciarra zu Rom.
Einfacher, dramatisch spannender noch als Tizian gethan,
faßt Lionardo die Scene, tragischer, könnte man sagen.
Seine Komposition erscheint wie eine Illustration Dantz'scher
Terzinen, während die Tizian's sich auf ein Dutzend liebens
würdiger Stanzen des Ariost zn beziehen scheint. Während
die Himmlische Liebe bei Tizian nicht allein auf ein blos
geistiges Dasein über dem irdischen, sondern auf ein Reich
über'den Gewölken hinweist, wo, wie ihr eigener Anblick still
schweigend zu verstehen {jiebt, ber Schönheit ihr Recht
widerfahre, (gänzlich im heidnischen Sinne dcs 16. Jahr
hunderts, dem die Heiligen beinahe wie antike Gottheiten und
Gottvater selber als der Donner erschienen) ist bei Lionardo
die Himmlische Liebe eine nonnenhast verhüllte Gestalt, dre
nicht gleich in" die Gewölke, sondern vorerst ins Kloster locken
will. Nur ihr schönes Antlitz ist frei und ihre Hände sind sicht
bar. Sie sucht, fast im Profil darflehend, mit ihren Blicken,
die Augen der anderen Gestalt, dicht vor ihr stehend, so daß
sie sie berühren kann. Wie bei Tizian wendet auch hier die
Irdische Liebe ihre Augen fast bittend dem Betrachtenden
zu» als solle er guten Rath ertheilen. ' Unschlüssig
kett und Widerstreit ! der Gefühle sind aber nicht
blos in ihren Zügen zu lescü, sondern deutlicher, dringender,
tragischer ist ihre'Lage als die jener andern bei Tizian.
Zwei halbe Gestalten, von engem Rahmen um
schlossen, haben wir auf Liouardo's Tafel vor uns.
Links steht die Ueberredende. Das Gesicht ganz indivi
duell gehalten, als sei es ein Portrait: milde, sanft, leidend
beinahe im Ausdrucke, aber von großer Schönheit. Nur die
Züge anders als wir sie bei Lionardo in fast typischer Wieder
kehr gewöhnt sind. Die andere Gestalt dagegen entsptE
den sö bekannten lionardesken Formen in vollem Maße. Dte
Himmlische hat ihr die linke Hand auf den Arm gelegt, als
solle der sanfte Druck die Geste der rechten Hand verstärken,
die sie mit winkendem Finger erhoben ihr entgegenhält.
In diesen Handbewegungen liegt ungemein viel enthalten,
mehr aber noch beinahein denen der Irdischen Liebe. Sie ist reich
geschmückt. Um das en face uns leise entgegengebeugte Haupt
ist eine Flechte gelegt und ein zarter goldner Kranz, fast nur
ein Reif mit einzelnen Rosetten daran. In der Hand, auf
deren Arm die Hand ihrer Genossin gelegt ist, hält sie ein
paar feine weiße Blumen, als wollten sie ihr eben aus den
Fingern fallen und sollte damit gesagt sein, daß sie sich als
überwunden gebe. Die andere, rechte, Hand aber ist fast das
Sprechendste'auf dem Gemälde. Sie hält sie vor die Brust;
aber nicht darauf gelegt, sondern die Finger sind offen und
scheinen sich jeder für sich hin und her zu bewegen und das
Schwanken der Seele auszudrücken. Es ist, als ob sie irgend
wie einen Halt mit diesen suchenden, Fingern ertasten
möchte. Man meint zu fühlen, wie alle Herrlich
keiten des Himmels und der Erde vor ihrer Sttrn
und den zutrauensvollen Blicken vorüberschweben
und wir fürchten mehr als auf dem anderen Gemälde, die
ersteren könnten den Sieg davontragen und die herrliche Ge
stalt der Welt verloren gehen. Während aus Tizian's Kom
position uns ein freudiges, heiteres Element anlächelte,, ein
Triumph des unschuldigen Entzückens am irdischen Dasein,
wirkt Liouardo's Auffassung fast beängstigend, als solle die
Ascetik und Entsagung die stärkere Kraft sein.
Wäre Liouardo's Original erhalten, so würden wtr tn
diesem Werke vielleicht sein bestes Staffeleibild vor uns
haben, denn was die Komposition anlangt, übertrifft es alle
seine übrigen. Es ist mit solcher Vollendung durchgeführt,
daß ich es in seine letzten Zeiten setze. Für Lionardo war
damals die Freude am Leben schon geknickt, es ent
sprach seiner Gemüthsart, im Gemälde Scenen darzu
stellen, welche das zur Anschauung brächten. Tizian's Arbeit
dagegen scheint in die Zeiten seiner Jugend zu gehören,, als
er noch unter dem Einflüsse Giorgione'S stand. Von Gtorgtone
i waren diese sich breithinziehenden Landschaften aufgebracht
worden, in denen idyllische Scenen sich abspielten. Tizian s
verfahren, tote gegen Hofferichter verfahren wurde. Mußte
man damals anerkennen, daß das so großes Aufsehen und
einen so äußerst peinlichen Eindruck erregende Verfahren
formell gesetzlich gerechtfertigt war, so war 'man andrerseits
auch der Meinung, daß es eine Aufgabe der Reichsjustiz
gesetzgebung fei, die Wiederholung ähnlicher Vorkommnisse Un
möglich zumachen. DerMarquardfen'scheAntrag,''dessenweitere
Konsequenzen für das Gerichtsverfassungsgesetz und die Civil-
prozeßordnung zu ziehen, der Antragsteller sich vorbehalten
hat, sucht dieser Aufgabe gerecht zu werden. Ob der
gewollte Zweck mit einer engern Begrenzung der Ausnahmen,
welche der Antrag uneingeschränkt in das Belieben des
Zeugen stellt, erfüllt werden kann, lassen wir dahingestellt.
Uebelstände werden durch die Abschaffung dcs Zwanges zur
Ableistung eines konfessionellen Eides nicht entstehen; wir
find überzeugt, daß sich Weigerungen gegen Ableistung eines
solchen auch tn Zukunft nur auf Ausnahmefälle beschränken
-werden.
Gegenüber der neuerdings in öffentlichen Blättern auf
gestellten Behanptung, daß der gesammte preußische
Episkopat gegen das Gesetz über die Aufsichtsrechte des
Staats bei der Vermögensverwaltung in den katholischen
Diözesen vom 7. Juni d. I. bei der königlichen Staatsregie
rung Protest erhoben habe und daß sich tiefem Proteste auch
die aus ihrem Amte entlassenen früheren Bischöfe, sowie die
sämmtlichen Domkapitel angeschlossen hätten, weist der
„Reichsayzeiger" darauf hin, daß Seitens eines
Domkapitels der königlichen Staatsregierung ein der
artiger Protest überhaupt nicht zugegangen ist. Ächt von den
Bischöfen rc. der preußischen Monarchie und von den aus
dem Amte . entlassenen ehemaligen Bischöfen rc. haben
Schreiben an die königliche Staatsregierung gerichtet. „Daß
diese Schreiben," heißt es weiter, „in denen gegen ein ver
fassungsmäßig zu Stande gekommenes und gehörig publizirtes
Stratsgesetz Verwahrung eingelegt wird, nicht anders behan
delt werden konnten, als daß sie lediglich zn den Akten ge
nommen wurden versteht sich von selbst. Immerhin aber ist
es nicht ohne Interesse, die Verschiedenartigkeit der Behand
lung zu beobachten, welche die einzelnen Protesterheber der
Sache haben angedeihen lassen." Aus den im„R.-A." mitgetheilten
Schriftstücken ergiebt sich, daß die Bischöfe von Limöurg, von
Ermland, von Köln und von Hildesheim unter Verwahrung
gegen die einseitige Beschränkung der Rechte der Kirche in
mehr oder weniger entgegenkommender Form ihre Mitwir
kung bei her Vollziehung des Gesetzes zusagen, zur Vermei-
dung größerer für den Weigerungsfall angedrohten Schä
digungen der ihnen anvertrauten kirchlichen Fonds. Dex
Bisthumsverweser von Fulda beschränkt sich auf einen kurzen
Protest und die ehemalichen Bischöfe von Paderborn, Münster
And der ehemalige Erzbischof von Gnesen und Posen erklären,
auch wenn sie in der Lage wären, ihre bischöflichen Aemter frei
zu verwalten, zur Ausführung des Gesetzes nicht mitwirken
M können. Daß der Protest des Kardinals Ledochowski nach
Form und Inhalt sich durch Schärfe vor den übrigen aus
zeichnet, darf nicht überraschen. Man ersieht daraus, daß
die Bischöfe im Amte doch, natürlich nicht ohne Billigung
Seitens dcr Kurie, einen Weg gefunden haben, der ihnen die
Vermeidung eines für die Vermögensrechte der Küche ge
fährlichen Konflikts ermöglicht, daß man also, wo materielle
Interessen in Frage kommen, beflissen ist, den Kulturkampf
durch einen erträgliche^ modus vivendi beizulegen
-vesterreichifch-Urrgarische Monarchie.
^ Wien, 23. November. Die für gestern anberaumte
Versammlung der verfassungstreuen Abgeordneten
zur Berathung über die Ausglei'chsfrage hat stattgefunden;
179 Deputirte nahmen an derselben Theil. Die Debatte
drehte sich fast ausschließlich um das neue Bankstatut,
welches mit eintnüthiger Entrüstung als unannehmbar zurück
gewiesen wurde. Schließlich einigte sich die Versammlung
in dem Beschlusse, demnächst eine zweite Konferenz abzuhal
ten, zu derselben die Minister einzuladen und von denselben
Aufklärungen über die Details zu verlangen, die Freiherr
von Pretis vorgestern in seinem Expose verschwiegen hat.
Aus der Debatte ist Folgendes hervorzuheben: Dr. Menger
sprach von „ernstesten Besorgnissen", zu denen die Deröffentlichun-
Gemälde dieser Art wirken episch, oder wie man heute sagen
würde: wie Romankapitel, auch sagt er, wenn er sie nennt
„una poesia‘ k im Gegensatze zu „nun opera divota“. Die
römische florentinische Schule hielt am Dramatischen fest und
Lionardo selber würde sein Werk gewiß als Opera divota
bezeichnet haben.
Und so stnd diese beiden Werke in dem was ihnen ge
meinsam ist wie in der Verschiedenheit der Auffassung, Doku-
mente für die Denkungsart der Meister, von denen sie ge
schaffen sind.
Noch eine Bemerkung, welche weniger den Stecher dieses
Werkes als die Kupferftichknnst iin Allgemeinen betrifft.
Die Platte von Weber's Bella Visconti wurde von einer
Berliner Kunsthandlung angekauft, welche damit gewiß kein
schlechtes Geschäft gemacht hat. Trotzdem sind Weber's spätere
Sachen, so auch die vorliegende, in Wien herausgekommen.
-Warum geschieht dort, wie in Paris Und wie in Italien, soviel für die
-Kupferstichknnst, während man sich bei uns auf einige Unter
stützungen beschränkt, weichegelegentlich abfallen? Wir haben all
jährlich über bedeutende Staatsgelder zu Kunstzwecken zu ver
fügen. Ohne Zweifel muß die Kupferstichkunst in Zukunft
besser bedacht und statt der Unterstützungen müssen Bestel
lungen gegeben werden. Längst hätte einem Manne wie
Weber, anderer hier nicht zu gedenken, der Auftrag zukommen
müssen, von den Gemälden unserer öffentlichen Sammlungen,
von denen viele dafür geeignet sind, eines zu stechen. Denn
darüber kann kein Zweifel sein, daß wtr in einer, sagen und
hoffen wir, Uebergangsperiode stehen, wo ohne energische Un
terstützung von Seiten des Staates gerade die Küpferstich-
knnst Gefahr läuft, zu den sich verlierenden zu gehören.
Berlin, November 1876. Herman Grimm.
Shakespeare-Vorträge von NirdiUph Gense. ,
Im großen Saale des Hotel de Rome eröffnete am Mitt
woch, den 22. November, Rudolph Genee einen auf drei
Abende berechneten Cyclus von Shakespeare-Vorlesungen mit
dem Vortrage der Hauptscenen aus „Julius Cäsar". Das
S ahlretch versammelte Publikunt war auch diesmal von der-
elben wohlwollenden Theilnahme erfüllt, deren sich Genüe
et feinem früheren Auftreten als Interpret klassischer Dich
tungen zu erfreuen hatte, und bewies damit, daß das Interesse
an dramatischen Vorlesungen ein fortdauernd reges geblieben
ist. In der That vermag die Kunst, welche das Ohr zu dem
alleinigen Vermittler der dichterischen Offenbarungen macht,
einen durchaus eigenartigen Genuß zu gewähren. Indem
der Vorleser auf den verwickelten Apparat der Bühne Ver
zicht leistet, gewinnt seine Wiedergabe poetischer Meisterwerke
den Vorgang der Regierung in Äser Frage für „keinen
ehrlichen". Dr. Kopp nannte die Mittheilungen der Regierung
„unheilverkündend"; Dr. Ruß charakterisirt die Politik der Re
gierung. „zu der man kein Vertrauen mehr haben könne, als
eine unsittliche"; Dcemba „hat als Ältökerreicher ein G fühl
der Scham, wenn er sieht, daß ein österreichischer Finanz-
minister seinen Namen unter das Monstrum eines solchen
Bankstatuts gesetzt hat." Abg. Haase „könnte, an dem öster
reichischen Bewußtsein einer österreichischen Regierung zwei'
feln", wenn er diese Abmachungen prüfe. Äbg. Heilsberg
meint, die Regierung werde das' Bankstatut, dieses „aufge
putzte Opferlamm" preisgeben, um in den anderen Ausgleichs
fragen die Verfaffungspartei zu gewinnen. Schließlich er
klärte Skene, nun wären Alle einia. Unter dieser Stimmung
schloß he gestrige Versammlung. Man ist gespannt daraus,
was die Minister in der nächsten Versammlung vorbringen
werden, um die Verfassungspartei zu beschwichtigen.
GroWritaKnieR.
T. London, 22. November. Auffälligerweise hat von
allen heutigen Blättern die „Times" allein nur einen kurzen
Auszug aus der hochwichtigen Depesche gegeben, die den Be
richt über die Audienz des Lord Löstus beim Zaren
enthält. Man sollte fast annehmen, die „Times", die neuer
dings in ihrer Haltung wieder stark schwankt, fürchte, es
würde aus dem Betonen dieser beschwichtigenden Erklärung
des russischer.'. Kaisers eher eine neue Beunruhigung der öffent
lichen Meinung Englands entstehen. Dies ist in der That,
so weit man bis jetzt sehen kann, der Eindruck, den die auf
den besonderen Wunsch des Zaren veröffentlichte Depesche
hervorgebracht hat.
Die heftigste Kritik, und das ist bedentsam, übt an den
Erklärungen des Kaisers Alexander das ministerielle Organ,
der „StandardEs gab eine Zeit während dieser osten*
talischen Verwickelung, und sie ist noch nicht so lange ver-
r " m im Leitartikel mit großer
hi's und meist nur
Tadel ausdrücken
wollte. Jetzt dagegen geht es so schneidig wie nur möglich
zu Werke. Rund heraus erklärt es: diese scheinbar auf
Beruhigung angelegten Versicherungen hätten das Mißtrauen
nur gesteigert; der russische Kaiser sei in den Fehler verfallen,
der „seinem Vater so verderblich wurde". Er habe sich durch
die Sprache der englischen Opposition verleiten lassen und
wandle nun aus demselben Irrwege.
Die Angaben des Zaren wer»n vom „Standard" ein
fach als „kleinlich ausgedachte ZweMltigkeiten", ja als „ab
solute Verdrehungen" hingestellt, yM sie sich dcr leidenschaft
lichste Gegner des autokratischen iRegierungssystems nicht
besser zur Rechtfertigung feiner ÄnsiLt wünschen könne. Dann
kömmt der Satz: „Wir glauben Rn des Kaisers Wort
so wenig wie wir es vor JahtDn thaten. Wir wollen
ihm nicht die Ungerechtigkeit antMn, ihm eine Ehrlichkeit
zuzuschreiben, die seine ganze Laufbahn nicht bezeichnet hat."
Hier hält das ministerielle Organ! dem Zaren die feierliche
Zusicherung entgegen, die er der cA glischen Regierung durch
den Grafen Schuwaloff wegen Ks
zwar in seinem eigenen kaiserlicheii
heißt es weiter, „im Angesicht sol
absolute Monarch auch nur die
zu halten."
, Die Aeußerung des russisch
er seinen Offizieren die Erlaubt
gehen, nur kaltes Wasser aus d'
gießen wollen, giebt dem „Standm
laß: ob man auch Feuer durch Di
blendung, die hiesige öffentliche
stellungen beruhigen zu wollen.
England sich bewußt. Alles verß
vermeiden. Hier bricht der Artike
— nämlich als ministerielles ÖRan —, wenn man eine
Macht der äußersten FeindseligkevMn Verdachte hat und den
Fehdehandschuh aufzunehmen goZ
Das ist auch, glaube ich, hT
vergeblich, sich darüber einer fej
englische Regierung ist gewiß w
wünschen. Sie bestrebt sich nc^.
a's ertheilt hatte, und
f aen. „Wir bezweifeln",
Thatsachen, daß dieser
dt, sein eigenes Wort
%
.flrs. e^DM'indckn
. h, nach Serbien 'zu
ewegnng in Rußland
zu der Bemerkung An-
^ösche? Es sei eine Ver
neinung mit derlei Dar-
'omme der Krieg, so fei
t zu haben, um ihn zu
ab. So spricht man nur
tzreii ist
rkliche Lage und es wäre
'chung hinzugeben. Die
entfernt, den Krieg zu
rüsten, innerhalb ihrer
den Charakter einer eigenthümlWn Idealität. Das Wort
wird znm Alleinherrscher in der Welt des Dichters gemacht
und vermag in dieser Souverainität ungleich mächtiger als
von der Buhne herab zu wirken, die ihre Erfolge dem In
einandergreifen verschiedener Elemente verdankt. Rötscher's
Theorie und Tieck's praktische Ausführungen haben
der dramatischen Vorlesung das ästhetische Bürgerrecht er
obert, zugleich aber auch die Grenzen festgesetzt, welche diese
Kunst nicht überschreiten sollte. Wenigstens scheinen uns
die freien Recitationen, mit denen sich Türschmann
eines so großen Beifalls zu erfreuen hatte, kein ersprießlicher
Fortschritt, sondern im günstigsten Falle nur ein virtuos
durchgeführtes Experiment zu sein. Indem Genee in die
Fußtapfen Tiecks, sowie seines berufensten Nachfolger Holtei
tritt, bekennt er sich zu jener Wahrheit und Natürlichkeit,
welcher man auf diesem Gebiete nicht genug das Wort reden
kann. Frei von jedem falschen Ehrgeize, sucht Geuse immer
neue Anhänger für das Evangelium der Schönheit zu ge
winnen, und wie seine literarhistorischen Schriften keine neuen
Entdeckungen über den Britendichter verheißen, sondern daö
Bild desselben in großen Zügen entwerfen, so wollen auch
seine Vorträge nickt mit der Kunst der Bühne wetteifern,
sondern ein liebevolles Verständniß des Dichters in den
weitesten Kreisen verbreiten.
Die erste Vorlesung bot mit „Julius Cäsar" eine der
reifsten Gaben Shakespeares, dessen Genius hier im vollen
Bewußtsein der Kraft seine besten Schätze austheilt. Doch
nicht allein der Stempel der Meisterschaft, welcher diesem
Stücke ausgedrückt ist, sondern auch das Verhältniß, in wel
chem es zu der Leistungsfähigkeit des männlichen Stimm-
organs steht, läßt die Wahl desselben als eine glückliche er
scheinen. Fast gänzlich ist der Vorleser seines größten
Kummers, der in der Wiedergabe der weiblichen Figuren
liegt, enthoben, während andrerseits die gewaltigen rhetorischen
Stellen die willkommenste Gelegenheit zur Entfaltung dekla
matorischer Fertigkeiten bieten. Fast durchweg stand Genee
auf der Höhe seiner schwierigen Aufgabe. Das erste Auf
treten Cäsars beim Lupercalienfefte gelang vorzüglich und auch
die ferneren zum Zweck der Exposition ausgewählten Scenen
wurden in charakteristischer Weise wiedergegeben. Fast ohne
Kürzung vernahmen wir den dritten Akt mit der Ermordung
Cäsars auf dem Capitol und den Rechtfertigungsreden der
Verschworenen auf dem Forum. Von eigenthümlicher Vir
tuosität ist Geuse, sobald er verschiedene Volksstimmen durch
einandersprechen läßt, obwohl en gerade hier hart an der
Grenze feiner Kunst stehen und vor^ einer allzugrellen Farben
gebung nicht freigesprochen werden durfte. Die Scene auf
dem Forum fand den Vorleser mijt deklamatorischer Meister
flu- v-ii/uuvn. vmv-i/ VIL L'viU
Salisbury mitgegebenen Instruktionen beweisen dies. Ader
jeder Schritt, den Rußland in der Richtung einer „zcitweisen
Besetzung" türkischen Gebietes versuchen wollte, wird auf den
gewaffneten Widerstand Englands stoßen.
Auch die „Daily News" gesteht, es herrsche in
Engläud „ein weitverbreitetes Mißtrauen irr die- Absichten
des Zaren." Mit dieser Depesche, auf deren Veröffentlichung
Kaiser Alexander selbst drang, ist dem Misstrauen nur neue
Nahrung gegeben, da der Zar die ihm zugeschriebenen weit
gehenden Pläne blos ablehnt, um dadurch fein Anrecht auf
zeitweise Besetzung türkischer Provinzen zu statuiren und er
dabei des Drei-Kaiserbünbniffes nicht einmal mehr erwähnt,
vielmehr einseitiges Vorgehen unter gewissen Umständen in
Aussicht stellt. Diese Auffassung wird'in einigen Taqen all
gemein durchgreifen. Auch diejenigen, die es nicht öffentlich
zeigen, werden von ihr innerlich bewegt sein. Man thut in
England manchmal, als glaube man einer Zusicherung; cs
sind sogar die Engländer, wenn sie es für nützlich halten,
Meister in der äußerlich scheinbar naiven Aufnahme solcher
nicht geglaubten Zusicherungen. Der „Standard" hat die
Anwendung dieser Kunst diesmal für nutzlos oder sogar
schädlich erachtet; und sollten Andere das Gegentheil thun,
so ziehe man in Rußland daraus doch ja nicht einen falschen
Schluß.
Griechenland.
A Athen, 12. November. Am Dienstag Nachmittag
— 7. November — ist der König Georg mit seiner gesammten
Familie nach sechsmonatlicher Abwesenheit in seine Haupt
stadt zurückgekehrt. Kaum jemals haben die Bewohner von
Athen und dem Piräus einen ähnlichen Tag gesehen: der
Enthusiasmus und die Freud? des gcsammten'Äolkes waren
unbeschreiblich. Schon in Kotinth und Kalamak! von dem
Ministerpräsidenten und dem Marineminister, von Behörden
und dem zusainmengeströmten Volke' aufs Herzlichste begrüßt,
gestaltete sich der Empfang der königlichen Familie imPiräus
und in Athen geradezu zu einem' Freudentaumel und zu
einem Ausbruch des Volksenthustasmus, wie wir ihn kaum bei
der ersten Ankunft des Königs in Griechenland erlebt haben.
Der ganze Piräus, ganz Athen waren auf den Beinen.
Und was uns ganz besonders erfreut: das gesammte Volsk
war es, welches fernem heimkehrenden Könige diesen freudig
erhebenden Empfang bereitete. Da war nichts Gemachtes,
nichts Besteütes^zu merken. Das Herz des Volkes sprach
sich klar und deutlich in dieser Huldigung aus. Wir lassen
die Anreden der Behörden und Vereine, wir Mergehen
die Antworten des Königs — aus den Augen des .Volkes
sprach die begeisterte Freude, den König wieder in seiner
Mitte zu sehen; aus den Augen dcs Königs freudige Be
geisterung, sich wieder in der Mitte seines Polkes zu wissen.
Der Festjubel verrauscht, die Festtage stnd vorüber — die in
diesen Tagen offenbar gewordene Einigkeit und Liebe zwischen
Fürst und Volk aber giebt uns, den Freunden des griechischen
Volkes, eine starke Bürgschaft, daß König und Volk auch in
den schwierigen Zeiten, die Griechenland bevorstehen, ein
heitlich zusammenstehen, gemeinsam arbeiten und kämpfen
werden. Nur dann wird Griechenland siegen und die ge
waltigen Schwierigkeiten überwindey, welche die gegenwärtige
Lage des Orients der freien Entfaltung der WM des ge
sammten Griechenlandentgegensteltt> . -
Die politische Debatte'über die Rüstun'gSvörschläge dcs
Ministerii hat in hp Kammer ihren Anfang gdhominen.
Die Häupter)der Opposition Deligeorgis und -Trik^p^-habeu
in stundenlangen Reden ihren Herzen Luft gemacht, seknndirt
von mehreen Männern zweiter Ordnung, und das Ministerium
ob seiner Politik in Vergangenheit und Gegenwart scharf
angegriffen. , Allein das Mimsterium hat einen trefflichen
begründet nicht sind, dasMinisteriu m siegreich aus der Debatte her
vorgehen und ein Vertrauensvotum Seitens der Volksver
tretung erhalten wird. Dann aber wird es Sache des Mi
nisterii sein, zu zeigen, daß ,es ihm heiliger Ernst mit seinen
Vorlagen über Anleihen und Kriegseorbereitnngen des Volkes
gewesen ist — es wird mit Energie und Ausdauer zu mrbei-
Fortsevung im ersten'Beiblatt.
Tragödie, so auch bei dem Vortrage, einen tiefergreifenden
Höhepunkt. Den übrigen Theil der Dichtung faßte Genöe
kurz zusammen und verweilte nur bei einzelnen charakteristischen
Stellen, wie dem Streite der beiden Feldherren Cassius und
Brutus, sowiö dem Tode des letzteren. Die m den Vortrag
zahlreich eingestreuten ästhetischen Bemerkungen waren von
überzeugender Richtigkeit und mußten, da sie dem Dichter
keine fremdartigen Gedanken unterlegten, sondern ihn für sich
selbst reden ließen, das beste Zutrauen zu der Führerschaft
des Vorlesers erwecken, welcher von dem Auditorium wieder
holt durch Beifall ausgezeichnet wurde.
Eugen Zabel.
Königliche Schauspiele. ' ;
Mittwoch, den 23. November wurde das seit vielen
Jahren bekannte französische Lustspiel in zwei Akten „Der
<31 t rft 0 J t & lt^ tn Söv rtz-tvAstt-fnv*,* türm Cs i O. it a
schuft gerüstet, und des Antonius
geblieben, hätte es ihr auch jetzt erspart bleiben sollen. „$
kleine Richelieu" ist eine Hosenrolle für junge, munt
'*'“**'* esn gilt einen föiilr*
Der
... .. ^ muntere,
schlanke Schauspielerinnen; es gilt einen fünfzehnjährigen
Knaben darzustellen, der sich zum Jüngling auswächst. Das
Fräulein Friederike Gossmann nnd, wenn mich mein Gedächt
niß nicht täuscht, auch das Fräulein Hedwig Raabe wußten
solche Bürschchen in einer Art Pagenkostüm allerliebst und
neckisch zu spielen; es erschien so natürlich, daß die jungen
Mädchen sich einmal in Uniform steckten und mit dem Schwerte
raffelten. Warum Frau Niemann dieselbe Neigung hat,
ist meinem Geschumck und meinem Gefühl unerfindlich. Däum
ling war bekanntlich ein großer Held, aber doch nur im Mär
chen, nicht auf der Bühne. Auf den Brettern ist ein junger
Richelieu, der einen Kopf kleiner ist als sämmtliche Damen,
mit denen er kokettirt, der aussieht wie eine Frau und der
mit seinem unruhigen Hin- und Hertrippeln den Zuschauer
beständig an das fehlende Schleppkleid erinnert, eine Possen
figur, eine zierliche Puppe für eine Bonbonniere. Außer Frau
Ntemann waren in dieser Komödie für alte Kinder die
Damen Fr. Frieb-Blumauer (Herzogin von Noailles).
Frl. Hofmeister (Herzogin von Richelieu), Frl. Reichardt
(Fräulein von Noce), Fr. Haase (BaroninBellechasse) und
die Herren Göritz (Matignon), Oberländer (Baron
Bellechasse) und Vollmer (Friseur) beschäftigt.
K. Fr.
Rede bildete, wie in der