Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über einzelne Kunstwerke

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 28 
aus : Recensionen und Mittheilungen über bildende 
Kunst,Wien, Nr.44, 1865, Nov.4, S. 350 
Zu Rafaels „Schule von Athen" 
erhalten wir in Folge des Aufsatzes in Nr. 41 d. Bl. 
von dem Unterzeichneten die nachstehende Zuschrift: 
Geehrte Redaktion. 
Hätten sie die Freundlichkeit, folgenden Bemerkungen 
einen Platz in Ihrem Blatte zu gönnen? 
1. Herr Professor Hettner läßt in dem gegen meine 
Auffassung der „Schule von Athen" gerichteten Aufsatze den Stich 
vom Jahre 1524 unerwähnt, welcher den sogenannten Pytha- 
goras bereits als Evangelisten darstellt. 
2. Ich habe ausdrücklich hervorgehoben, daß mir selbst 
die Umdeutung des sogenannten Plato in Paulus bedenklich 
erschien. 
3. Die Inschrift auf dem „Parnaß" bezieht sich doch wohl 
auf die Vollendung der sämmtlichen Malereien des Gemaches. 
Pass avant nimmt an, daß der „Parnaß" zwischen „DiSputa" 
und „Schule von Athen" falle. Daß es jedoch die älteste Kom 
position sei, zeigt der von Marc an ton gestochene erste Ent 
wurf Rafael's. 
4. Die Inschriften der Deckenfiguren brauchten nicht 
speciell erwähnt zu werden, da ich in ganz verständlicher Weise 
anstatt „Philosophie" für Oausarum cognitio „Wissenschaft", 
anstatt „Theologie" für Rerum clivinarum scientia „Offen 
barung" vorschlug. 
5. Meine Erklärung der beiden Gemälde dürfte insofern 
kaum als „Neuerung" zu bezeichnen sein, als sie nichts als ein 
Versuch ist» der Anschauung des 16. und 17. Jahrhunderts 
wieder zu ihrem Rechte zu verhelfen. 
6. Nicht meine, sondern die Ansicht P ass a vant's (um 
sie so zu bezeichnen), für welche Hr. Professor Hettner ein 
tritt, beruht auf sogenannten inneren Gründen, indem Passa- 
vant und seine Anhänger an Stelle des vorhandenen urkund 
lichen Materials nur ihre eigenen, unter sich abweichenden, 
theoretischen Aufstellungen ihren Erklärungen zu Grunde legten, 
deren geistreiche und oft einleuchtende Durchführung ich aner 
kannt habe. 
7. Es ist ausdrücklich von mir erklärt worden, daß mein 
Versuch, Vasari's Deutung der „Schule von Athen" zu retten, 
eben nur ein Versuch sei, bei dem ich mich im Irrthum 
befinden könnte. Ich nahm für diesen Fall nur das Verdienst 
in Anspruch, zu Vasari's Gunsten zusammengestellt zu haben, 
was aufzufinden war und was man bisher nicht gehörig 
gewürdigt zu haben schien. 
Hochachtungsvoll 
H. Grimm. 
Berlin, 1. November 1865.
	        
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