© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm N
Kel
_ lgr das^IWMrungsblatt die That-
Gegensatz, day „das Licenzsteuergesetz Gefahr
tslegungen zu begegnen, alö ob dasselbe auch nur ein
sei, auf dessen Annahme die Regierung nicht
„Die Regierung mache ihre Vorlagen niemals,zum
so sei auch das Licenzsteuergesetz ein Glied in der
Reformgedanken, über dessen Werth und Bedeutung
ce^zel hat die besondere Gabe, das Nebensächliche mit
technischer Sorgfalt zu verfolgen, um es bei der Benutzung
aus Gemälde oder Zeichnungen dann doch der Hauptsache
unterzuordnen. Menzel liegen diese Dinge völlig in der
Hand. Und ebenso weit reichen die physiognomischen Stu
dien, die er für seine Aufgabe gemacht hat. Jeder Zug in
den Gesichtern der Grenadiere Friedrichs ist echt. Ihn selbst
scheint er in persönlichem Umgänge von den Jugendjahren
des Königs bis zum gebeugten Alter beobachtet zu haben.
Wo Friedrich erscheint, als Kind, als junger Mann, als Greis,
Soldat, als Flötenbläser, als Tischgenosse seiner brillanten
Tafelrunde, übel oder gut gelaunt, gesund oder krank, im
Hausrock oder im Galaanzuge, keine Situation denkbar, bei
der wir Menzel als unsichtbaren Polizeibeamten der Un
sterblichkeit nicht hinter ihm vermuthen, wie ec jede Bewe
gung des Königs in sein Skizzenbuch einträgt. Ich wähle
Liesen etwas seltsamen Vergleich, weil in Menzel's Studien
manchmal beinahe die Absicht zu liegen scheint, neben dem
Bedeutenden auch das der gewöhnlichen Beobachtung säst sich
entziehende Unbedeutende festzuhalten. Man empfindet, man
hört. man sieht in Momenten Dies oder Jenes, das fatal
ist, das man als nicht vorhanden zu überwinden sucht, das
für den Augenblick aber doch wie einen leichten Schatten
über unsere'Züge legte. Es scheint, als seien Menzel's Blicke
für ein Durchschauen des Menschen in diesen Momenten be
sonders geschärft und er weiß sie mit einer ruanchmal dämo
nischen Deutlichkeit, festzuhalten. Wie sollte, wer so das
Kleinste erkennt, nicht die volle Realität selbst eines nie er
lebten Daseins geistig in uns zu reproduciren im Stande
sein? So ohne Weiteres dürfen wir das aber doch nicht zugeben.
Wie verhält sich der gesammte ausgebreitete Mcnzel'sche
Apparat gegenüber dem ebenso umfassenden Chodowiecki's?
Menzel ist wie jeder, der Historie schreibt, doch nur ein
Romantiker, ein Künstler, der Dinge darstellt, die einzig in
seiner Phantasie Existenz haben. Unsere heutige Anschauung
der Friedericianischen Zeit, wie Menzel sie uns eingepflanzt
hat, ist nicht das reine Abbild der Dinge, sondern der Ab
glanz des Bildes, zu dem sie sich in Menzel's Phantasie zu
sammenstellten. Die Röcke der Soldaten und Generäle konnten
von Menzel doch nur aufgebürstet und aufgebügelt werden:
das glänzt und flimmert im Lichte des 19., nicht in dem des
18. Jahrhunderts, und den Sachen würde auch ihr Bestes
fehlen, wenn es anders wäre. Chodowiecki hat vor Menzel
eben voraus, daß er die Menschen und Dinge mit eignen Augen
gesellen hat und daß ihm jede Verführung fehlte, mehr
aband nur noch aus dem, M>Herr v. Benuigsen heute im
Reichstage aus dessen Werk mmheilte. Die Art, wie nach
dieser Mittheilung Herr Laband zu insinuiren scheint, man
könne den Wortlaut der Verfassung dazu benutzen, um den
in allseitig anerkannter Gültigkeit bestehenden Rechts zu st and
in Frage zu stellen, konnte nur aus allen Seiten den pein
lichsten Eindruck machen. Herr Windthorst ließ in
tz ■ . —
hineinzulegen, als er seiner Zeit eben zu erkennen vermochte.
Chodowiecki's bekannte Portrait-Federzeichnung Friedrichs des
Zweiten enthält etwa vom Blicke des Königs, was alle
Darstellungen Menzel's zu enthalten ^ nicht im Stande
sind, denn glücklicherweise lebt und schafft Menzel noch unter
uns und ist nicht, wie Chodowiecki, länger als 80 Jahre bereits
aus der Welt gegangen. . .. ,
Menzel's Neuschöpsung der Friderrctantschen Welt rst eins
der merkwürdigsten Phänomene ans nationale Dinge gerich
teter Kunst. Wer weiß, wie unsere Männer und Ereignisse
einmal aussehen werden, wenn nach abermals 100 Jahren
die Nachwelt die heutigen Zeiten in genauem Abbild zu
besitzen vermeinen wird, die ein zweiter Menzel (wenn die
Natur einen zweiten zu schaffen im Stande wäre) ihr dann
vorstellt. Ihr würde, was von heutigen Darstellungen etwa
dann noch vorhanden wäre, das Richtige vielleicht nicht ganz
zu treffen scheinen, gerade so wie Chodowiecki's Blätter neben
den lebensprühenden Erfindungen Menzel's heute etwas säst
zu Einfaches für unsere Augen haben. H. Grimm.
Königliche Schauspiele.
Sonnabend, den 9. Dezember: zum ersten Male:
Opfer um Opfer. Schauspiel in 5 Akten von Ernst
von Wildenbruch. In Scene gesetzt vom Direktor-
Deetz.
Das Verlangen, daß der Dramatiker immer neue Kon
flikte erfinden, immer neue originelle Gestalten erschaffen, daß
er niemals ein schon behandeltes Thema ergreifen und in
seinem Sinne darstellen solle, kann im Ernste nicht gestellt
werden. Bei der geringen Anzahl dramatischer Situationen
und tragischer Gegensätze muß es dem Dichter gestattet sein,
Altes, schon ein- oder zwei mal Dagewesenes in seiner
Weise, mit dem Hauche seines Geistes neu zu beseelen.
Wenn mich darum Wildenbruch's Naturforscher und
Asrikareiscnder Wernshausen unwillkürlich an Gustav
Holm in Gntzkow's Schauspiel ■ „Ein weißes Blatt"
erinnert, der ebenfalls ein Natursorsch.er ist, ebenfalls
von längeren Reisen heimgekehrt, und gerade so zwischen der
älteren Beate, mit dem weißen Härchen unter ihren braunen
Haaren, und der jüngeren Eveline hinüber und herüber
schwankt, wie Wernshausen zwischen den Schwestern Hedwig
und Christine; wenn der eine und der andere Zug an Spiel-
hagen's Drama j,Liebe um Liebe" gemahnt, so soll dies nur
den historischen Zusammenhang der Wildenbruch'schen Dich
tung mit der früheren Literatur darthun. Daß zwei Mädchen,
herüber und hinüber, und das Ende wnr, wie gewöhnlich in
Ungarn, eine Forderung. Heute Nachmittag hat das Pistolen
duell zwischen Rohonczy und Hieronymi fuit zweimaligem Kugel
wechsel stattgefunden.Verletztwurdekeincrvonbeiden.DieMagya-
ren rühmen sich in ihrerbekannten Ueberhebung gern ihrer geistigen
Superiorität, welche sie vor allen anderen Nationen aus
zeichnet. . In welchem Lichte erscheint aber diese und gleich-
um den Fall dramatisch zuzuspitzen, zwei Schwestern, einen
Mann lieben, wird bis an das Weltende vorkommen: warum
sollte der Dichter den „alten, ewig neuen" Konflikt nicht anch
immer von Neuem behandeln dürfen?
Ist denn aber der Fall in der That dramatisch? Doch
nur, wenn ihn die Leidenschaft adelt und zur Tragödie erhebt.
Da aber, wo er nur aus der Willensschwäche und der feigen
Rücksicht des Mannes entspringt, der sein Herz der einzig
Geliebten nicht offenbart, um die andere, die Freundin, nicht
zu kränken, giebt es nichts als eine für den Zuschauer pein
liche und unerquickliche Seelenquälerei. Gutzkow, der ein
viel zu grüblerischer Kops war, um die schwachen Seiten
seiner Dichtungen nicht vor allen Andern herauszufühlen,
pichte dies Unbehagliche dadurch zu mildern, daß er Eveline
und Beate nicht zu Schwestern machte und uns in dem
wackeren liebenswerthen Seeburg im Voraus den Mann
ahnen ließ, der nach einigen Wochen des Schmerzes Beate
über den Verlust Gnstav'ö trösten wird; Spielhagen giebt
feinem Herzensdrama die Völkerschlacht bei Leipzig
zum Hintergründe und [befreit seinen Helden, indem
er ihn mit politischer, mit patriotischer Leidenschaft
erfüllt, nach Möglichkeit von dem Vorwurf der Schwäche.
Wildenbruch steigert den Konflikt, indem er die ältere
Schwester die jüngere, wenn auch nur mit halben Worten,
zu einer unpassenden Verlobung antreiben läßt, um sich einer
gefährlichen Nebenbuhlerin zu entledigen, bis zum Tragischen.
Aber er hütet sich wohl, das gedrohte Schreckniß nun auch
wirklich herbeizuführen. Mit einem plötzlichen Ruck wirft er
sich, vermittelst eines alten Aberglaubens, in eine Rührselig
keit, um bie ihn Charlotte Birch-Pfeiffer beneidet haben
würde. Statt uns zu erschüttern, zieht er es vor, die Taschen
tücher der Damen in Bewegung zu setzen. Und in welche!
Als Fr!. Meyer (Christine), ganz und gar die verkörperte
Muse der Elegie, hinschmachtend um Mitternacht an ihrem
Brautkleide nähte, in der Hoffnung, sich in den Finger zu
stechen und dann acht Tage nach der Hochzeit zu sterben, und
sich nun in der That in den Finger stach und ein Bluts
tropfen auf das weihe Gewand fiel — wie viel Thränen
flössen da! Iphigenien in Aulis, die als Opfer am
Altar der Artemis sterben soll, find nicht mehr geflossen.
Und alö Paul Kellenbcrg, der Thunichtsgut des Schau
spiels, verwirrt und außer sich über den Tod seines Vaters,
der Bankrutt gemacht und sich selbst das Leben genommen hat,
in das Zimmer stürzte, die sechszigtausend Mark, mit denen
er sich kurz vorher von .Hedwig das Jawort Christinens hatte
1
Millionen weniger
als im November 1881! Das Jahr 1882 dürste im Ganzen
105—110 Millionen plus yalues ergeben; es wäre dies
genau die Hälfte von dem, was das Jahr 1881 an Ueber-
schüssen geliefert hat. Dieser Rückgang der indirekten Steuer
erträge wird sehr bemerkt.
In der Depntirtenkammer entgegnete anläßlich des
Budgets der Ehrenlegion der Minister des Innern unter
abkaufen lasten, und obenein noch den Verlobungsring aus
den Tisch warf und reuezerkuirscht Besserung und ein neues
Leben in der Ferne gelobte — wer hätte sich da nicht über die
Bekehrung des Sünders gefreut! Der berühmte Afrikareisende
Wernshausen konnte zwar im ersten oder im zweiten Akte das
erlösende Wort: Ich liebe dich! für Christine nicht finden, er
niußte sich im dritten Akte, ohne Liebe — man erfährt nicht
warum — mit Hedwig verloben, aber er wird nun doch zum
Schluffe, ohne Verdienst und Würdigkeit, eine Frau für das
Herz und eine Freundin für den Geist haben. „Ich
habe Sie so tief geliebt, daß ich sogar Ihre Freundin
sein kann", sagt ihm Hedwig. Wildenbruch wird dem
Meuschenkenr - ein ironisches Lächeln über diese „Freund
schaft aus Li<w nicht verargen. Si jeunesse savait! Das
Peinliche der Vorgänge: die jüngere Schwester, die sich blind
lings mit einem ungeliebtest Manne verlobt, um der älteren
Schwester den Mann nicht zu rauben, aus dessen Hand diese
hofft; die ältere, die statt diese Verlobung zu hindern, sie be
fördert; ein übermüthiger, nichtsnutziger Geck und Spieler,
der sich beständig als Gentleman ausspielt, die Todesangst
seiner Braut benutzt, sie zu dem Unterschreiben eines Reverses
zu zwingen, in dem sie ihn innerhalb dreier Wochen zu
heirathen verspricht — eines Scheines, mit dem er seine
Gläubiger binhält — und daun diesen Schein für eine Geld
summe verkauft; das Mädchen, das ein solches Papier unter
zeichnet, um ein Duell zwischen ihrem Bräutigam und Werns
hausen, für dessen Leben sie fürchtet, zu hindern; ein Mann,
der einzige Mann.im Stück, Wernshausen, der von den Quellen
des Nil kommt, um im ersten Akte sein Herz zu entdecken, im
zweiten Herz, Kops und Lebensart zu verlieren und sie endlich
im vierten mühsam mit Hilfe der Andern wiederzufinden — all'
dies Peinliche läßt in dem Zuhörer weder eine fröhlich er
hobene, noch eine tragisch bewegte Stimmung entstehen. Die
Elemente, die, bei den französischen Dramatikern etwa, solche
Vorfälle und Figuren anziehend und sympathisch machen: eine
seine, tiefgehende Motiviruug, eine verwickelte Handlung, fehlen
dem Wildenbruch'schen Schauspiel. Wie in seinen historischen
Dramen begnügt er sich auch hier mit einer leichten
Slizzirung der 'Charaktere. Wir müssen es ihm glauben,
daß aus dem muthwilligen und dann wieder ver
schämten, dem heiteren und lebenslustigen Backfisch Christine
des ersten Aktes, hinter den Coulissen, aus einem
Spazierritt, eine ernsthafte Heroine wird; ihm glauben, daß
der Tod seines Vaters den leichtfertigen und halbwegs bos
haften Paul Kettenberg in einen bußfertigen Sünder ver-
bürg und Mülheim erbotenvaMDDnßerdem hat die Gesellschaft
nach Bekanntwerden der Größerer Katastrophe telegraphisch der
Kaiserin 10,000 Portionen Carne pura-Suppen und die für die
Ausstellung für Hygiene konstrnirten Notbstandsherde kostenlos
zur Verfügung gestellt. Herr Dr. Me inert ist nach dem Rhein
lgereist und hat die meistbedrängten Ortschaften besucht. Der
Vaterländische Frauenverein hat, um durchgreifend zn helfen,
außerdem mit der städtischen Armen-Verwaltung in Neuwied eine
Verbindung dahin angeknüpft, daß diese für die sonstigen Be
wandest. In einer Novelle würde es eine schöne Seite geben,
wenn wir Wernshausen in der Nacht vor einem Zweikampf
seinen kostbarsten Schatz, sein Reisetagebuch, durchblättern und
überall darin eine Erinnerung, einen Brief, ein Zeichen von
Hedwig finden sähen. Wie würden wir dann, alö Leser, mit
ihm mehr und mehr zu dem Glauben geleitet werden, daß
es ein Glück für ihn sein müsse, mit dieser Frau zu leben.
Auf der Bühne läßt uns seine Erzählung dieser Nacht völlig
kalt. Wir glauben ihm einfach nicht. Wildenbruch's Kunst
reicht eben nicht aus, uns diese Menschen, ihre Stimmungs-
wechsel, ihr Hin und Her ohne festes Ziel, ohne überschäu
mende Leidenschaft glaubhaft erscheinen zu lassen. Die
tragisch angehauchten bleiben Schatten, die komi
schen, Wernshausen's Diener Windeband und Hcdwig's
Dienerin Rieke, Masken. Die zwei Figuren, in denen
Wildenbruch's Talent sich am bedeutsamsten offenbart, Paul
und Hedwig, kommen viel zu kurz bei ihm weg, sie allein
hätten ein Drama ausgefüllt. Wie immer, prägt sich auch
hier das Unklare der Handlung und der Charakteristik in dem
Schemenhaften der Aeußerlichkeitcn aus. Wernshausen wohnt
mit den beiden jungen Schwestern in demselben Hause, sie
unten, er oben. Sie schmücken harmlos, als ob es ihres
Bruders Stube wäre, sein Arbeitszimmer mit Eichenkränzen,
fein Bild mit Lorbern bei seiner Heimkehr, harmlos empfangen
sie darin Besuche. Er seinerseits geht um Mitternacht durch
ihre Zimmer, um in seine Wohnung zu gelangen. Zornig
fragt er: war denn niemand da, Christine vor der Verlobung
mit Kellenberg zu warnen? Ja freilich, fragen wir mit ihm,
wo war der Vormund der Achtzehnjährigen? Wenn Wilden
bruch's Gestalten in sich und durch sich allein lebten, wäre
ich der Letzte, so prosaische Fragen auszuwerfen, aber sie
wollen ja Abbilder des modernen Lebens sein und da muß
man sie leider nach dem Moser und Wohin fragen.
Wo die Kritik so manchen Schatten zu erkennen meint,
wird gewiß, sagt sich der Leser, auch viel Licht sein. Und
er irrt sich nicht. Das große Talent Wildenbruch's in der
Führung einer dramatischen Handlung hat gerade für den,
der ein wenig von den Kunstgriffen des Dichters versteht,
etwas Erstaunliches. Wie weiß er diese dürftige Fabel
zu theatralischen Wirkungen zu steigern, wie dicje in sich
selbst blutlosen Figuren, Wernshausen und Christine, mit
der Gewalt seiner eigenthümlich in Leidenschaft erzitternden
Sprache zn beseelen! So abgerissen, unzusammenhängend
Alles an Paul Kellenberg ist, wie lebendig steht er trotzdem
vbr uns da! Die ersten beiden und der vierte Akt sind nach
e a j i'.än!
Hofe, Gras v o n B bürg, ist nach
zurückgekehrt und hat dortigen Mission wieder
übernommen. o y- *
— Das im Druck erstWuslie amtliche Verzeichniß dcS Per
sonals und der Stndirenden hiesiger Universität für daö Winter-
Semester 1882/83 ist crschrencn und im Bureau der Universität
käuflich zu haben.
Fortsetzung im ersten Beiblatt.
derSeite derTcchnikhinvortrefflich;bliebe das komische,'störende
Intermezzo aus dem vierten Akte fort, würde ich demselben
als technischer Leistung einen ersten Preis zusprechen. So
großer Begabung gegenüber giebt es keine wohlwollende, sondern
nur eine aufrichtige Kritik. Wildenbruch sollte, wie mich
dünkt, das Gebiet des historischen Drama's noch nicht ver
lassen, noch nicht Shakespeare gegen Augier umtauschen. Die
grandiose, aber flüchtige Malerei, die ihm eigen ist, paßt
nicht für die Darstellung der modernen Gesellschaft. Während
er dort in den Geleisen Schiller's wandelt, droht er hier in
die Alltäglichkeit und Sentimentalität der Birch - Pfeiffer
zu sinken.
Der Erfolg des Stückes ist wesentlich von der Darstelle
rin abhängig. Der „interessante Mädchencharakter" muß
wieder einmal die Sympathien der Zuschauer erobern. Frl.
Meyer ist, wie ich schon andeutete, für den zweiten Theil
der Rolle trefflich geeignet; das stille Dulden, das sauste
Weinen, die herzhafte Bezwingung ihres Seelenleidens, um
der Schwester em fröhliches Antlitz zu zeigen, bringt sie zu
wahrem und rührendem Ausdruck, in dem ersten Akte dagegen
hatte ihre Naivetät etwas Gezwungenes. Oder fühlte die
Künstlerin die Unmöglichkeit heraus, aus diesen zwei so ver
schiedenen Wesen eins zu machen? Die säuerliche Hedwig spielte
mir Fr. Kahle-Keßler zu herbe in Haltung und Ausdruck.
Während sie das Harsche und Bittere der Gestalt zu sehr be
tont, .würde ich mehr das milde gereifte Wesen, die hohe
Geistesbildung des älteren Mädchens 'hervortreten lassen und
nur hier und dort dem Unmuth und der Verstimmung der Zurück
gesetzten einen,Laut verleihen. Wernshausen'sNeigungmuß doch
eine Art Grundlage haben. Angemessen fand sich Herr Ludwig
mit seinem Wernshausen gb, Relief ist diesem Schattenmanne
ja nicht zu geben. Hr. Kehler spielte den „Gentlenian"
Paul Kellenberg mit einer Wahrheit und einem Feuer, die
mich überraschten: cs ist die beste Leistung des Künstlers, die
ich kenne. So aus einem Gusse, daß ich ihm nicht einmal
rathen möchte, seine Heftigkeit im fünften Akte, die hart an
die Grenze des Möglichen auf der Bühne streift, zu mäßigen,
es ist ein 'Wagniß, aber ein charakteristisches. Ihre humo
ristische Tantcnrolle hat Fr. Frieb-Blumauer (Ulrike) mit
ihrer sicheren und nie versagenden Meisterschaft gespielt.
Frl. Bergmann (Rieke) und Hr. Vollmer (Windcband)
bemühten sich nach Kräften, die trockenen Späße des Dichters
saftig zu machen. Die Darsteller und der Dichter, dem nach
dem fünften Akte ein Lorberkranz zu Theil wurde, sind
wiederholt gerufen worden. K. Fr.