Berlin, 30. Dezember.
— Der Handelsmknister Maybach ist gestern Abend
Don Friedrichsruh hierher zurückgekehrt.
— Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für
das Seewesen und für Handel und Verkehr hielten heute
Sitzungen.
— Der Bundesrath hielt heute Nachmittag 1 Uhr
eine Plenarsitzung unter Vorsitz des Staatsminifters Hof-
mann. Das Protokoll des Zoll- und Steuerausschusses wurde
genehmigt. Vorlagen über Beschränkung der Bauthätigkeit
in den neuen Stadttheilen Strasiburgs und über den An
trag der Fürstlich Waldeck'schen Regierung über die Fabrik
arbeiter gingen an die Ausschüsse, und es folgte darauf die
an anderer Stelle bereits mitgetheilte Beschlußfaffung über
das Schreiben des Reichskanzlers bezüglich der Zollfragen.
Außerdem wurden noch einige laufende Geschäfte erledigt.
O Wie man uns schreibt, wird bereits morgen, am
31. Dezember, der Vorsitzende der Tarifkommission Freiherr
eine Art Schmecken manchmal, als sprächen sie innerlich, und
zu Zeiten blickten sie auf und sahen auf die stummen Bücher
hinüber, die an den Wänden in Reihen standen, als fragten
sie bei diesen an und erhielten unmittelbar Antwort. Ich hätte
in meinen Gedanken damals nichtfürmöglich gehalten, daß irgend
eine Macht cs gewagt hätte, diese heilige Stille zu unterbrechen.
Die fast verklungene Erinnerung 'brachte mir Weber's
Erasmus in die Seele zurück. So wie wir ihn hier sehen,
war Eiasmus am meisten er selber. Sein Streiten und
Kämpfen mit der Außenwelt und seine ewige Unruhe ver
schwinden in dem ihn völlig beherrschenden Verkehre mit den
eigenen Gedanken. So sahen Holbein und Dürer selber,
wenn sie ihren Arbeiten mit unablassendem Fleiße den Schim
mer der höchsten Vollendung verliehen. So arbeitete das
Jahrhundert der Reformation überhaupt. Wie langsam reifen
da die Gedanken.
Man muß das Gesicht länger betrachten, wenn man es
verstehen will. Man sehe diese starke und zugleich fein ge
baute Nase: sie scheint sich mit leisem Schnüffeln an der
Kritik zu betheiligen. Den festgeschlossenen Mund. dessen
Lippenzug bei energischen Mundwinkeln in urmcrklicher Be
wegung den Gedankcngang zu begleiten scheint, die Augen
brauen, die zu zucken scheinen, und den auf das Papier m-
senktcn Blick. All das hat Weber dem Gemälde richtig
abgelauscht und in seine Linien übertragen. Was ich an dem
Stiche zumeist bewundere, ist die einfache und meisterhafte
Wiedergabe dieses Haupteindruckes. Ich habe ihn nun schon
seit vielen Wochen an der Wand vor mir und finde, daß er
immer nur noch neues Leben zu gewinnen scheint.
Weihnachten, 1878. > H. Grimm.
ser deutschen Gymnasial-
flnregung gebracht worden,
-nstalten mit dem Kalen-
;en. Dem Vernehmen nach
weisen jetzt in Erörterung
man sich sebr gute Resultate vo
mänen und Forsten unter das Nestor
— Bekanntlich ist von ' Seiten
und Realscknllehrer - Gesellschaft in
das Schuljahr in höheren Lehr
derjahr in Uebereinstimmung zu brin
wird diese Frage in maßgebenden S
gezogen.
ck. Da8 Examen für Lehrer asi der Mittelschule und
für das Rektorat hat unmittelbar vor Weihnachten stattge-
runden. An dem ersteren nahmen 8 Kandidaten Theil, von denen
5 bestanden, während sich an der Rcktoralsprüfung 13 Herren
betbciligten, von denen jedoch nur 5 alls genügend vorbereitet zur
Uebernahme eines Rektorats erachtet wurden.
— Der bereits avisirten Bekanntmachung de8 hiesigen Poli-
zei-Präsidiums wegen der Arbeitsbücher und Arbeitskarten
ist nunmehr auch mittelst Anschlags an den Säulen die weiteste
Verbreitung gegeben. Es heißt duin, daß das Gesetz vom
17. Juli d. I., betreffend die Einführung von Arbeitsbüchern
und Arbeitskarten mit dem 1. k. M. in Kraft tritt. Es bedürfen
Arbeitsbücher die aus der Volksschule — d. h. der gewöhnlichen
oerUnterstellun^oe^^
der Landwirthschaft.
Musik.
Das von Herrn und Frau Joachim Sonnabend den
28. Dezember gegebene Konzert, das erste nach der weihnacht
lichen Generalpause, fand die Räume der Singakademie bis
in Die letzten Winkel gefüllt. Das Publikum weiß sehr wohl,
was eS an den beiden hat und versäumt keine Gelegenheit
ihnen zu begegnen. Wenn es sich an ihren Gaben nicht
ersättigen kann, diese immer von Neuem dankbarstes Gehör
bei ihm finden, so dürfen freilich unsere Laran geknüpften
Bemerkungen gewiß nicht auf die gleiche Gunst rechnen.
Statt unzählig oft Gesagtes zu wiederholen, Wollen wir des
halb nur melden, daß der Geiger das Beethovensche Kon
zert und sein eigenes in ungarischer Weise abermals
meisterhaft gespielt. Mit jenem war er vor einem Viertel-
jahrhundert zum erstenmal in unserer Mitte erschie
nen. Täuscht uns die Erinnerung nicht, so hat sich
seitdem seine Auffassung des Werks einigermaßen
gewandelt. Damals vor Allem feurig, schwungvoll, pathetisch,
trägt sie jetzt weit mehr den Charakter ruhigster Milde und
Beschaulichkeit. Wie weich klang der Schluß des ersten Satzes
aus! Der Vortrag des Adagio war ein das Ohr ununter
brochen liebkosender Strom der zartesten rhythmischen und
dynamischen Schattirungen. Auch diesmal kam im Finale
der Humor zu seinem Recht, aber er mied doch alles schärfere
Gewürz des Ausdrucks, zog das lächelnde Behagen dem lauten
Jubel vor. Besondere Freude hatten wir an den beiden
ebenso trefflich gesetzten wie ausgeführten Kadenzen. Sie
wiesen ein sebr verschiedenes Gepräge auf. Jmponirte uns
die eiste durch den breiten Wurf, die thematische Vertiefung,
so streifte die zweite, viel knapper gehaltene, blos in raschem,
neckischem Spiele die Hauptmotive des letzten Satzes, einem
leicht beschwingten Schmetterling gleichend, der naschend von
Blume zu Blume flattert. Das eine wie das andere ent
sprach durchaus dem Wesen der Sache.
Frau Joachim bot uns eine hier noch nicht gehörte Kom
position von Brahms „Rhapsodie für Alt, Männerchor
und Orchester", ferner Beethoven's „Ah, perfid o", um einen
Ton tiefer gerückt. Das letztere, dies Muster einer ttltilalie-
nischen Konzertarie, gab reichste Gelegenheit zur Entfaltung
edelster Klangschönheit und vornehm 'gemessener Auffassung,
während das andere Stück das charakteristische Vermögen der
Stimme in das hellste Licht setzte. An der Sängerin lag
nicht die Schuld, wenn uns die Rhapsodie keineswegs nur
erfreuliche Eindrücke gespendet. Schon der Wahl des der
Goethcschen Haizreise „im Winter" entlehnten Textes können
wir nicht das Wort reden. Um was es sich hier eigentlich
handelt, tritt in dem herausgepftücktcn Bruchstück nicht mit
Klarheit zu Tage. Dabei entzieht sich der Stimmungsgebalt
durch seine Gedankenschwere der musikalischen Deutung. 'Die
erste Halste der Arbeit hat uns blos befremdet und verwirrt,
Nachdem die Männerstimmen eingefallen, geräth die Ton
sprache etwas mehr in Fluß. In einer Heinrich von Kleist
gewidmeten Joachimscken Ouvertüre lernten wir ein for
menfestes, klar entwickeltes, Schumannschen Mustern nach
trachtendes Werk kennen. Die Mitwirkung der königlichen
^mm*
u. s w. zu suchen, sollten ja daheim bleiben, da die großen'
Städte von Arbeitern überfüllt seien und für Neuzuziehende jede
Aussicht auf Erwerb fehle."
Fr. Eine auS Damen und Herren bestehende, ziemlickßzahlreich
besuchte Vmsammlung Zwecks Gründung eines „Berliner
Schulvereins für Fortbildung von Mädchen der arbei
tenden Klassen" fand am vergangenen Sonnabend Abend in
der Aula der Friedrich-Werderschen Gewerbeschule (Niederwall-
sttaße 12) statt. Man bemerkte Frau Schepeler Lette, Frau
Obertribunalsratb Henschke, Fräulein Jenny Hirsch, Stadt-
schulrath vr. Bertram, Stadtsyndikus Dr. Eberty, Justizrath
Masower. Abg.Dr.Hammacher, der der Versammlung mäsidirtc,
bemerkte einleitend: Auf Anregung der Gesellschaft für Verbreitung
von Volksbildung seien im Laufe der letzten Jahre mehrere Fort
bildungsschulen für Mädchen der arbeitenden Klaffen in Berlin
eingerichtet worden, in denen den Schülerinnen Gelegenheit
geboten werde, das in der Volksschule Erlernte festzudalten und
*u vertiefen und für das vraktische Leben werthvolle Fertigkeiten
sich anzueignen. Daß diese Anstalten einem wirklichen Bedürf
nisse entsprechen, erhelle aus der Thatsache, daß der Andrang zur
Theilnahme an dem Unterricht bei diesen Schulen fortwährend
Kapelle kam dem ganzen Konzert auf's nachdrücklichste zu
Statten. —t.
Königliche Schauspiele.
Sonnabend, den 28. Dezember, setzte in Schiller's
Schauspiel „Wilhelm Tell" Herr Hellmuth-Bräm vom
herzoglichen Hoftheater in Meiningen fein Gastspiel in
der Rolle des Werner Stausfachcr fort. Die Figur sagt dem
Naturell und dem Talent des Künstlers in jeder Hinsicht
trefflich zu: eine gedrungene, fest in sich und auf sich beru
hende Gestalt, beredtsam, ohne jemals aus dem Ton und der
Art eines Volksredners in die akademische Weise eines kunst-
geübten Rhetors zu verfallen, ansprechend und gemüthvoll.
Weniger befriedigte Herr Hacker vom Stadttheater zu Bre
men, der als Gast in der Rolle des Melchthal auftrat.
Seine Bewegungen wie seine Haltung entbehren der Fein
heit und der anmuthigcn Freiheit, sie gerathen in
der Hast und der Leidenschaft des Darstellers noch zu oft in
das Harte und> Unschöne; seine Dition ist nicht ohne Wärme,
aber sie übeistürzt sich häufig und zerhackt die Verse zuweilen
auf das Grausamste. Ein cnwiffe Verve ist dem jungen
Künstler nicht abzusprechen. Von den Unsrigen hatte Herr
Kahle den Aitinahausen übernommen: die letzte Rolle, die
Theodor Döring gespielt. Er hat mir im Ausdruck und
Haltung sehr gut gefallen, r ist würdig in seinem Alter, von
schöner Begeisterung erglühend, wenn er das Lob der Hei-
math unv seines Volkes verkündigt. Herrn Klein's Gehler
steckt noch zu sehr im Theaterbösewicht; die Figur ist äußerlich
nicht unrichtig erfaßt, aber sie entbehrt der rechten Eigen
art und erscheint noch nicht voll und rund genug
herausgearbeitet. Als Stauffacher's Frau ist Frl. Haverlandt
bester und glücklicher an ihrem Platz, als neulich in der Rolle
der Grillparzer'schen Gülnare; die Holzschnittmanier der
Künstlerin bringt hier die beste Wirkung hervor. Herrn
Krause's Walther Fürst ist mir nicht großväterlich genug.
Tausche ich mich, oder hat Schiller in den drei Bauernführer
zugleich die Jugend (Melchthal), das Manncsalter (Stauffacher)
nnd das Greisenthum (Walther Fürst) charaktettsiren wollend
Herr Krause ist mir zu kräftig, zu veiolut, wo er gelassen, wo
er bedächtig sein sollte. Herrn Berndal's Wilhelm Test ist
bekannt, er hat die Schlußscene des dritten Aktes lebenswahr,
in echter Ergriffenheit und Schlichtheit, ohne pathetische Zu
thaten. gespielt. Die Gäste und die übrigen Hauptdarsteller
sind wiederholt gerufen worden. K. Fr,