Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Personen, ihr Leben und Werk

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 Grimm Nr. Z 27 
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fcv.ntc die Verhältnisse wie er, keiner hätte so scharf und 
genau darüber zu reden gewagt. Ente Reihe der präcisesten i 
Gedanken bot er der Station dar. Wie ein Verhängniß ' 
kommen diese Mittheilungen. Man fühlte, die Wahrheit 
war es, die hier gesagt, — oder selbst hier noch ver 
schwiegen worden war. 
Humboldt erscheint rücksichtslos, wenn er tadelt sowohl 
als wenn er schmeichelt. Keiner wird es sobald vermö- j 
gen, es ihm hierin gleichzuthun, denn Niemand wird so-! 
bald wieder mit dem Zauber solcher Autorität umgeben! 
dastehen. Er lobte maaßlos. „Interessant, bedeutend, treff- i 
lich, geistreich" waren die geringe Scheidemünze, die er! 
unangesehen beinahe jedem wie einem Bettler in die Hand - 
drückte. Aber meistens doch nur denen, die er für Bett 
ler hielt. Selbst eine Bezeichnung, wie „theurer, werther i 
Freund" gehörte unter Umständen in dieselbe Kategorie, ; 
Er wandte sie an wie die Italiener ihr molto amico mio, 
ottimo amico, was so etwa einen oberfiächlichen Be-! 
kannten bedeutet. Lobeserhebungen von Produkten, die! 
er nie gekannt, scheute er sich nicht, auszusprechen. Es > 
war ihm das zur Gewohnheit geworden, wie daö Ver- j 
leihen von Orden und Titeln zur Gewohnheit werden; 
muß, da es doch menschenunmöglich ist, daß der, von dem i 
diese ausgehn, alle die damit bedachten oft auch nur dem ; 
Namen nach kenne. Humboldt aber hat gewiß neben den j 
wenigen, die er vielleicht übermüthig machte durch seine in 
Worten so verführerisch klingende Anerkennung, sehr vielen 
durch sein Lob genützt und sie sich selbst gegenüber auf 
eine höhere Stufe gehoben. Seinen Worten, und wenn 
es Schmeicheleien waren, zu denen wenig Grund vorlag, 
wohnte die Kraft inne, denen, an die sie gerichtet waren, 
einen edleren Respekt vor sich selbst zu geben und sie an 
zuspornen, das Ideal der eigenen Thätigkeit, das ihnen als 
ein erfülltes beinahe fertig entgegengehalten wurde, nun 
in der That zu erfüllen. Indem er sich dem, der sich 
an ihn wandte, in unmerklicher Herablassung gleich' 
zustellen schien, wußte er ihm ein Gefühl seiner Thätig 
keit einzuflößen, als arbeite er mit ihm zusammen dem 
geistigen großen Ziele der Menschheit entgegen. Man 
suhlte doch, das glänzende Licht in das sein Lob versetzte, 
ging von ihm aus. Er nahm die Menschen in solchen 
Augenblicken als hätten sie Alles schon geleistet, was sie 
im besten Falle einst vielleicht leisten konnten; weil er in 
ihnen die Fähigkeit erkannte, sah er sie als schon ent 
wickelt und gereift an. Möglich wohl, daß bornirte Na 
turen dies Gold für baare Münze nahmen, das sich voll 
wichtig weiter geben ließe; meistens sind es derartige Fälle, 
die öffentlich bekannt geworden sind, Niemand aber kennt 
all' die verborgene, fördernde Wirkung, die ohne Schaden 
der eigenen Bescheidenheit Anderen zu Theil ward, die sich 
von einem einzigen solchen Sonnenblicke des Lobes für 
immer erwärmt und gehoben fühlen. 
Humboldt hatte den Trieb, die Dinge in brillantem 
Lichte zu sehen. Seine Neigungen wie seine Abneigungen 
haben etwas Ueberschwängllcheö. ^ Sein Styl zeigt das, 
er erkennt cs Varnhagen gegenüber an, er hat etwas 
blühendes, oft zu voll blühendes. Gern giebt er den 
Hauptwortcn ein Geleite stattlicher Adjektiva und den 
Perioden eine volltönende Rundung. Um so kälter, trocke 
ner erscheinen seine Worte dann da, wo sich durchaus 
keine Gelegenheit idealer Anschauung darbietet. Mit weg 
werfender 'Miene spricht er sich aus. Was er aber so 
verurtheilt, find nicht die mangelnden Kräfte bei gutem 
Willen, sondern es ist die Selbstüberhebung, die sich breit 
macht, um Andern das Lickt zu nehmen. Man gehe daö 
Buch durch, beleidigender Tadel ist immer nur ausgegos« 
sen auf die, welche ihre Tendenzen verdüsternd der Welt 
aufzudringen suchen. Humboldt will keine Schranken aner 
kennen, tue der freien Bewegung des Geistes gesetzt wer 
den; Niemand soll auf diesem Gebiete gewaltsam den Weg 
weiser spielen wollen, Niemand seine Faeon als die allein 
seligmachende durchführen dürfen, gleichsam als legitimer 
Unterbeamter der höchsten Weisheit sich gerirend, d'e der 
Welt auch ohne Polizei die rechten Wege zeigt. Wer 
Humboldts Urtheile, auch die bösesten, so betrachtet, muß 
das Gefühl der Freiheit darin empfinden, von dem e 
niemals verlassen wurde und der sein Leben und seine 
Neigungen gewidmet waren. 
Gelegenheit, diese Gedanken auszusprechen, bietet das 
kleine Buch, dessen Titel die Ueberschrift dieses Auf 
satzes bildet. Sein Verfasser nennt sich nicht, deutet sich 
gleichwohl genugsam an, um kraft einiger Erkundigungen 
wohl zu ermitteln zu sein. Doch ist in der That für die 
Schrift wenig daran gelegen, wer er sei; die Angaben ge 
nügen völlig, daß er im Jahre 48 als Student ln Berlin 
lebte und sich heute als Privatmann in England befindet 
Das Buch bringt einige Briefe Humboldt'ö ohne In 
teresse , sein Hauptinhalt besteht in Aufzeichnungen über 
eine kleine Anzahl von Besuchen und Unterhaltungen, die 
auf einen Zeitraum von neun Jahren vertheilt find. 
Humboldt, der im Jahre, seiner eigenen Angabe nach, 
etwa 3000 Briefe schrieb und von Tag zu Tage ganze 
Quantitäten neuer Gesichter kennen lernte, ließe sich slcher- 
lich in einer heute noch ganz unübersehbar reichlichen 
Weise aus den so gebildeten Verhältnissen darstellen. Die 
Welt muß voll sein von Leuten, die Briefe mit ihm ge 
wechselt haben und in mündlichem Verkehre mit ihm stan- 
den. Ohne Zweifel könnte man aus den Beisteuern nur 
Weniger hier in Berlin dicke Bücher zusammenbringen, 
dre bet weitem interessantere Dinge enthielten als bis jetzt 
bekannt geworden sind. Eine sündstuthliche Ueberschwem- 
mung von Briefen unb Erinnerungen wäre denkbar, wenn 
alle Portefeuilles sich öffneten, durch welche die wenige« 
Bogen, von denen hier die Rede ist, durchaus überfluthet 
werden müßten; indessen bis dies geschieht, werden sie immer- 
hin Anspruch machen dürfen, als ein Beitrag zu der Kennt 
niß des großen Mannes eine neue Seite seines Wesens 
zu zeigen, oder, wenn sie schon als bekannt gelten will, 
emtge schöne Beweise über die Art zu bringen, wie sie sich 
entfaltete. 
Wir sehen, wie ein junger Student sich Humboldt nä 
hert, und von ihm herangezogen und festgehalten wird, und 
dleseö Verhältniß gewährt uns das angenehme, den Augen 
der heutigen Zeit fast entschwundene Bild, einer fast nur 
noch in antiken Vorbildern lebendigen Wechselwirkung 
Hier ein Jüngling, voll von idealen Gedanken und von 
Sehnsucht, sie auszusprechen, dort ein Greis, ihn anhörend 
und in fast unschuldiger Hingabe ausführliche Antworten 
ertheilend. Wie Sokrates, wenn er in Xenophon's Dar 
stellung Kindern ernsthaft Rechenschaft auf ihre Fragen 
ablegt, oder bei Plato unter Jünglingen ohne Einbuße 
seiner Würde sich tief bewegenden Gesprächen über die 
höchsten Probleme hingiebt, hören wir Humboldt über die 
Unsterblichkeit und über die Ziele der Menschen reden. 
Wie verwirrt ist das gemeine Leben des TageS, wie 
vergehen wir, welche einfachen, alle Lebensalter gleich be- 
regenden Fragen uns dennoch nur im tiefsten Herzen er 
greifen, wie rührt es uns, wo wir auch diesem Anblicke 
begegnen, wenn das die Welt verlassende erfahrungssatte 
Alter der hoffenden Jugend seine milden Gedanken vertraut. 
Das liegt auch als die schönste Anziehungskraft in Ecker- 
mann's Gesprächen mit Goethe. Goethe's Tod und der 
Humboldt'ö bilden hier wie dort den natürlichen Schluß 
des Buches. Wie wenigen, deren Alter von Ruhm be 
schattet war, wurde das Glück zu Theil, sich so in be 
haglicher Ruhe der Jugend gegenüber aussprecken zu 
dürfen; wre wenigen, die jung sich danach sehnten, in dieser 
Weise dem Alter zu begegnen, wurde dies gegeben, und 
damit für daö ganze folgende Leben das unverwüstliche 
Gefühl höheren Daseins, das die Frucht eines solchen 
Verkehres ist. 
Diejenigen aber, welche diese Lehren vom Alter empfan 
gn haben, kann die Erinnerung daran nie schwinden. Alles 
Verdienst des kleinen BucheS liegt in der Darstellung 
Humboldt s von dieser Seite, und säst zum Erstaunen ist 
eö, daß sein Verfasser, nachdem er sosehr den idealen Kern 
seiner Arbeit erkannt und hervorgehoben hat, einige, wenn 
auch nur wenige Urtheile Humboldt'ö über in Berlin jetzt 
noch lebende Männer mit einschließen konnte. 
Es giebt eine Grenze in solchen Mittheilungen. Goethe 
wollte, daß zwanzig Jahre nach seinem Tode verstrichen, 
ehe die Lücken in sein und Schiller's Briefwechsel ausge 
füllt würden. Und als Goethe selbst starb, war dieser 
Briefwechsel schon weit über zwanzig Jahre alt. Mag 
dieses Zartgefühl ein zu weitgetriebenes sein, keinenfalls 
aber wird der, welcher sich zur Gesellschaft gebildeter Män 
ner rechnen will. und darauf macht doch wohl jeder An 
spruch, der überhaupt weiß, was diese Gesellschaft bedeu 
tet, sich erlauben dürfen, tadelnde Aeußerungen über Mit 
lebende, die mündlich gegen ihn geschehen, drucken zu lassen. 
Humboldt's Tod ändert darall nichts. Und gerade, nach 
dem durch das Buch, von dem oben gesprochen worden ist, 
ein so eklatanter Verstoß gegen die Sitte geschah, hätte der 
Verfasser doppelt vorsichtig unter dem wählen müssen, waS er 
sagte und was er fortließ. Dasselbe gilt vielleicht von der 
Stelle, wo er sein an Humboldt gerichtetes Gedickt diesem 
vorliest und berichtet, er sei von ihm „zu wiederholten 
Malen mit Ausdrücken des Lobes unterbrochen" worden. 
Ich gestatte mir diesen Tadel, da ich einer anonymen Per 
sönlichkeit gegenüberstehe. 
In einer Beziehung jedoch nehme ich das ebengesagte 
zurück. Wo es sich um Männer wie Goethe und Hum 
boldt handelt, erscheint es fast als eine Unmöglichkeit, daß 
irgend eine ihrer Aeußerungen, die irgendwo rm Gedächt 
nisse des Menschen oder auf dem Papiere haften blieb, 
zurückgehalten werden könne. Was Goethe in den flüch 
tigsten Momenten geäußert, ist aufbewahrt und gedruckt 
worden, fast als wäre es ein Naturprozeß, der hier ar 
beitete. Man kann daher den Einzelnen, durch die es 
S 'chah, Vorwürfe machen, nicht aber daö Geschehene an 
als etwas zu Verhinderndes ansehen. Peinliche Ge 
le bringt es für Viele mit sich, aber waö nützt eS, sich 
darüber zu beschweren, wo eine Art von Nothwendigkeit 
zu walten scheint? Es sollte so sein, daß solch ein Mann, 
der Alles sah, Alles hörte, abwog und ein deutliches Ur. 
theil darüber aussprach, unser Zeitalter durchwandelte. 
Es war diesen Urtheilen die Kraft verliehen, im Gedächt. 
mß der Menschen zu beharren und einst hervorzubrechen; 
und in die Menschheit wiederum war die Neugier gelegt 
worden, mit der ein jeder begierig danach greift und 
durch die immer mehr wahrscheinlich von dieser versteckten 
Waare ans Tageslicht gelockt werden wird. Und welch ein 
Gewinn! Fünfzig bis seckszig Jahre der Epoche la 
gern so in Humboldt's Mittheilungen und geben der 
Zukunft ein Bild der Dinge, die an ihm vorübergingen. 
Nimmt man dazu waS vor und mit ihm Goethe durch- 
lebt und in ähnlich allumfassender Weise mit schriftlichen 
Randglossen seines Geistes versehen hat, so sehen wir fast ein 
Jahrhundert in den Aeußerungen der beiden großen Gei. 
ster abgespiegelt. Auch andere Nationen haben ihre Me- 
moirenschreiber, keine aber Zeugnisse, die von solcher Höhe 
herab ausgefertigt wären. Beide im Verkehr mit den 
hervorragendsten Männern der Welt, beide im persönlichen 
Auftreten sich scheinbar unterordnend oft den Forderungen 
einer Etiquette, die sie sogar vielleicht bedurften, weil sie 
in langen Jahren an deren äußerliche Formen gewöhnt 
waren, dennoch im Herzen der fortschreitenden Freiheit zu- 
gethan und von Verachtung erfüllt gegen die, welche sie zu 
läugnen, zu umgehen oder zu verringern strebten. 
Diese Liebe zur Freiheit, oder, um einen prosaischeren 
Ausdruck zu brauchen, die Forderung geistiger Unbefan. 
genheit in allen Fragen ist es, die die Deutschen über 
haupt vor anderen Nationen auszeichnet, kein Wunder also, 
wenn sie sich als Charaktergrundzug unserer großen Männer 
kundgiebt. Sie macht eö uns möglich, daS Fremde aufzuneh 
men, ohne unsere eigene Natur zu ändern, in allen Ländern zu 
wohnen und unser Vaterland mit dahin zutragen, jenen wahr 
haft christlichen Patriotismus zu hegen, endlich (ich nehme 
christlich hier nicht im kirchlichen sondern im ethischen 
Sinne), der nicht im Hasse gegen andre Völker sondern 
in der Liebe zu ihnen besteht. Geläugnet soll nicht wer 
den, daß für das politische Leben, wie eö sich in unseren 
Tagen gerade für Deutschland gestaltet hat, eine Erwie 
derung des Hasses, den die Dänen gegen uns hegen, einer 
Abneifiung, der die Russen beseelt, eines Hochmuthes, mit 
dem Franzosen und Engländer uns betrachten, den Deut 
schen wohl anstünde. Werden wir aber nicht in'.mcr un 
natürlich, wo wir so Gleiches mit Gleichem zu vergeltet? 
versuchen? „Der gute alte Goethe träumte in seinem Al 
ter von einer Weltlitteratur", lautete lange Zeit das Ur 
theil der Kritik über ihn: er träumte nicht bloß, man 
verstand ihn nickt, er sah sie voraus! In Humboldt ward 
diese von Deutschland ausgehende Weltlitteratur deutlicher 
in die Wirklichkeit geschafft. Das kleine Buch, von dem 
hier die Rede ist, liefert einen neuen Beweis dafür, wie 
wenig er sich mit seinen Gedanken innerhalb der politischen 
Grenzen von Deutschland hielt. 
Der junge Mann, dem die Lage der Dinge in Preußen nicht 
zusagte, faßte den Entschluß, nack Nordamerika überzusiedeln. 
Humboldt denkt nicht daran, ihm abzureden. Der offene Brief 
in französischer Sprache, den er ihm an alle Amerikaner 
als Empfehlungsschreiben mitgiebt, ist ein großartiger Beweis 
der Macht, deren er sich bewußt war. Wie ein Fürst 
schriebe: „Wir, von Gottes Gnaden, thun kund und zw 
wissen allen denen, denen dies zu Gesicht kommt rc.", be 
ginnt Humboldt: „Alle diejenigen, welche in den Vereinig, 
ten Staaten und in den übrigen Ländern Amerika's mei 
nem Narnen und meinen, Amerika betreffenden, Arbeiten 
eine wohlwollende Kenntniß gewidmet haben, sind gebeten 
Hrn. Dr. . . ., personne distingue par ses talents et la 
noblesse de son charactere, mit Gute aufzunehmen, K* 
Welcher Fürst wäre im Stande einen solchen über die ganze 
Erde gültigen Paß auszufertigen? Ich denke, Jemand 
der aus sich selbst allein, ohne daß ein Mensch ihm die 
Wege wies, solche Macht über die Geister der ganzen 
Welt sich zusammeneroberte, darf wohl mit den Dingen 
und Personen, die seine Umgebung bilden, auch etwas alS 
rand Seigneur umgehen und mit leichtem Scherze ne- 
enbei bemerken, dass der König Ernst August von Han. 
nover ihn gewiß gern aufhängen würde, wenn er es könnte. 
„Alle Briefe an mich werden erbrochen", schreibt er dem 
jungen Manne zu gelegentlicher Warnung, ganz in dem. 
selben Tone als sagte er: Nehmen Sie sich draußen iw 
Acht beim Treppenaufsteigen, eö sind da ein Paar Stufen 
von faulem Holze, bei denen Sie durchbrechen könnten, 
wenn Sie darauf treten. Ebenso spöttisch deutet er ein 
anderesmal die Ueberwachung an, welche ihm die Berliner 
Polizei angedeihen ließ. Humboldt fühlt sich ganz als den 
Bewohner eines Planeten, dessen Natur er besser kennt als 
irgend einer, den er innerlich und äußerlich durchforscht 
hat, und indem er an die Jahrtausende denkt, in denen 
die Weltveränderungen sich gestalten, an die Millionen 
Meilen, nach denen da die Entfernungen gemessen werden, 
fühlt er die ganze Erde als sein Vaterland und sieht iro. 
nisch lächelnd dem Spiel eines unbequemen, aber vergäng 
lichen Despotismus zu, ohne nur daran zu denken, daß 
dergleichen zu bekämpfen sei. Er wartet eö ruhig ab, er 
weiß aus Erfahrung, welch ein Ende eS zu nehmen pflegt. 
Und statt mit alten Leuten über die Vergänglichkeit der 
Dinge zu jammern, behandelt er sein eigenes Alter und 
seinen Tod leichthin und bestärkt die aufwachsende Jugend 
festzuhalten am Unvergänglichen, und das Vergängliche alS 
großer Herr zu betrachten und zu behandeln, wie er selber 
zu thun pflegte. Das Unvergängliche aber ist die geistige 
Arbeit. 
Möge ein günstiges Geschick walten, daß, wo Alexander 
von Humboldt stand, ein Anderer auftrete, der gleich ihm 
an höchster Stelle die Würde der Kunst und Wissenschaft 
verfechte, daö Richtige, Förderliche vermittle und daö Un 
fruchtbare zu verhindern wisse. Der, wie er, allen Empor 
strebenden in unermüdlicher Dienstbarkeit gefällig, mit 
Rath und That zu helfen strebe und wenn verdüsternde 
Zeitell kommen sie gleich ihm, als vergängliche Wolken 
verspotte, dennoch aber auch sie zum Dienste'des Fortschrit 
tes, wenn irgend möglich auszubeuten verstehe. Mag dann 
auf zehn, die es in Wahrheit verdieilten, einer, oder sogar 
ein zweiter dazu, mit durchschlüpfen, dem seine Fürsprache 
«nverdientermaßen zu Theil ward: zeigen würde sich der 
hohe Stutzen eines solchen Mannes "ebenso glänzend, als 
sick empfindlich heute schon der Mangel fühlbar macht, der 
durch seinen urlersetzlichen Verlust entstanden ist. 
7. Dez. 1860. Her man Grimm.
	        
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