Full text: Zeitungsausschnitte über Veröffentlichungen von Herman Grimm: Über Personen, ihr Leben und Werk

© Hessisches Staatsarchiv Marburg, Best. 340 
verräther erklärt? Die Offiziösen. Wer hat dre Frechandler 
beschuldigt, mit englischem Gelde erkauft zu fern? Die Kon 
servativen. Und falls die „N. Pr. Ztg." etwa erwidern sollte, 
das sei während der allgemeinen Wahlagitation geschehen, die 
abgeschlossen hinter uns liegt — wie steht es Mit der be 
rühmten -Rede des Herrn v. Rauchhaupt rm hiesigen konser- 
vätwen Centralverein v°r«enMnW°chen? 
Wiederholt ist früher im Reichstag der Wunsch ausge- 
svrochen worden, daß die Regierung authentische Berichte 
Rer die Verhandlungen des Bundesraths veranlagen 
möchte. Die Presse sorgt allerdings selbständig nach Möglich 
keit für solche Mittheilungen; wir z. B. haben.»ncht selten 
die Genugthuung, daß die Regierungsblätter unsere Berichte 
über die Vorgänge im Bundesrathe abdrucken. ~ an eben er 
scheinen jedoch seit längerer Zeit die gewünschten offiziellen 
aber fragt mich nur nicht, wie. Gin wal)r- 
b!rft klassisches Beispiel hierfür findet sich ln dem neuesten 
offiziellen Berich über die Sitzung des Bundesraths vom 
9. b.Jßl-Ifj! Sanieren Geltung des zwischen dem Zöll 
en ^f;rnrv.i’;d'lencnc11 Handelsvertrags vom 31. De- 
*««« -.u^dÄal icn a bgeM N rm en en . Oktober 
Mittheilung zur 
Mpichpn fast durchweg abgefaßt, 
öß 'ÄH™ ^ - . verspricht, daß der Gegen- 
stand der Berhandlung erwaWM.^/ ohne daß das Publi 
kum über das Wesen, den Jnhalj ■ r "‘ V L 
lum'bc, ist unverständlich. 
durfte gespannt darauf sein, wie 
Mischen Mehrheit von 1879sichm!F^ Organe der 
Xerfuuq aller Regiern ne,•£*^rf^ ^ cr sostrigen 
Zöllen abfinden LMge zu, nesten 
abfinden 
stlt sich vorder 
Ztg." beginnt er 
gestrige Aüstimmnn 
rinzipielle Bedeu 
ILM gleich da 
e Regierungs- 
Die Leser der „N. Pr. Zfg." werden hiernach darauf 
verzichten müssen, zu erfahren, ob die Abstimmung prinzipielle 
Bedeutung hatte oder nicht; immerhin erhalten sie ein 
Urtheil über die gestrige Sitzung in dem Stoßseufzer des 
Blattes: 
Was hilft das Bewußtsein, zu einer ziffermäßig nach Mit 
glieder- und Fraktionsliftcn bestehenden Majorität zu gehören, 
wenn im entscheidenden Augenblicke die rührigere Minorität zur 
Majorität wird? 
Die „Germania" war schon heute früh aufrichtiger: 
sie erklärte, das gestrige Resultat sei „der Abwesenheit und 
der Zaghaftigkeit eines Theiles der Mehrheit" zuzuschreiben; 
„Zaghaftigkeit" ist zwar hier ein sehr sanfter Ansdruck, aber 
er deutet das Richtige doch wenigstens an; eine ähnliche An 
deutung macht die ,',Post", indem sie schreibt: 
So sehr aber die Tragweite des Vorganges bei objektiver 
Betrachtung sich mindert (?), so wenig wird ihm die Bedeutung 
eines Zeichens der Zeit abgesvrochcn werden können. Das 
auch die im Ucbrigen schntzzöllnerischen Nationallibcralen in ihrer 
großen Mehrzahl geacn die vorgeschlagenen Zollerhöhungcn 
stimmten, sowie die größere Regsamkeit auf frcihändlcrischer Seite 
zeigen deutlich, daß zur Zeit die Strömung für den Schutz- 
zoll ihren Höhepunkt erreicht hat. 
das idif? P wL tsl0 verwies rm Fortang seiner heutigen Sitzung 
wandte gö^^Etz an eine Kommissto n von 114 Mitgliedern und 
Bcnterknna"^-?^? ber vom Ab g. fäasenclever eingebrachten 
kannMch bat \ r X t"K Mc Verhaft ung dcS Abg. Dietz. Be- 
diÄm 1!y® Bundcsrath dem Beschlusse des Reichstags, 
sehenVt lassen? stt ^ tcriu «st des Verlaufs der Sache zu- 
?ifchcu^ Abgeordneten 'w!?! gegeben. Namens der sozialdemoya- 
für abgeschlossen hl^rdu rch die Angelegenhert nicht 
LstÄdLM. Dich''eiwLL/Abg. Kayler, daß die Wer- 
ein R-ichStä,Sabae°rdn-tcr nm inva»,rk da 
dürfe. ES acwilnie la tbc«XffiiJV iftI > KSl!at 
erlaubt fehl Me, icftWÄH“ 18 °b ei dem R>ch erstand 
Milchen. Wegen die er «K, 1 R-i-taOabge-rdnete vor- 
Redner zm Ordnung gerufen Aeußerung wurde der 
Weymann beantwortete die Beschwert- Ober-Regternngs-Rath 
daß der Beschluß dcS Reichstages i?en des Vorredners dahin, 
Form erledigt worden sei; (Gründe süri der versassungsmaßtgen 
zugeben, seien die Regierungen nicht ve ihre Entschließungen an- 
die würtembefische Regierung dem Apfliästet. Uebrigens habe 
material vollständig zur Verfügung qesteieichskanzler das Akten- 
Gegenstand verlassen. Die kaiserliche Vlt. Danach wurde dieser 
werbmäßige Verkaufen und Feilhalten"'erordnuug über das ge- 
unter Abielmuug eines entgegenstehendetvon Petroleum wurde 
Hermes angenommen. Aus der Tagesordnt Antrages des Abg. 
spruches dcö Abg. vr. Lasker auf'l Uhr der trotz des Ein- 
xm Montag steht außer dem Nacktraasctat dgberanmten Sitzung 
Einführung des Tabakmonopols. s Gesetz betreffend 
der letzteren aufgeklärt 
händlerisch war, in den letzten Tagen im Gespräch rund 
heraus erklärt haben, die zollpolitische Allianz von 1879 reue 
sie und sie hätten keine Lust, weiter für Schieserbruchbesitzer :c. 
die Kastanien aus dem Feuer zu holen. In der Presse der 
bisherigen zollpolitischen Mehrheit beginnen denn auch bereits 
die gegenseitigen Vorwürfe, welche der Anfang vom Ende 
solcher Koalition zu sein pflegen; während die „Post" sagt: 
Im Uebrigen hat die Regierung allen Grund, sich für den 
Ausgang bei Herrn Win dtborst zu bedanken, dessen Wahlpolitik 
dieSchwächnng der schntzzöllnerischen Mehrheit nicht zum Wenigsten 
zuzuschreiben ist — 
schreibt zur gleichen Zeit die „Germania": 
Im Uebrigen'balten wir eS für sehr gut, daß die schwanken, 
den Mehrheitsverhältnisse so drastisch dargelegt sind. Ohne eine 
feste Mehrheit, welche von sanitätlichen Zuständen und sonstigen 
Zufällen des Anacndlickes durchaus unabhängig ist, läßt sich keine 
energische Politik konsequent durchführen. Wir haben zur Her- 
stellung einer solchen das nnsrige redlich gethan; es ist 
Sache der Negierung und der Konservativen, bei den 
nächsten Wahlen die nöthigen Anstrengungen zu machen, um die 
Wiederkehr solcher liberalen Triumphe zu verhindern. 
Vermuthlich hat jeder der beiden Theile Recht in dem, 
was er dem anderen vorwirft. 
In der offiziösen Presse wird bekanntlich alle Augenblicke 
ans dieMblehnung der Samoa vorläge zurückgekommen, um 
anzudeuten, daß dadurch ■ eine deutsche Kolonialpolitik int 
Keime erstickt worden sei. Die „Nat.-Lib. Korr.", deren 
Fraktionsgenosson zum Theil für jene Vorlage gestimmt haben, 
bemerkt heute sehr zutreffend: 
Auch die Gegner der Vorlage verwahrten sich sehr ent 
schieden, als oA sie mit der Ablehnung jeden Kolonisations- 
versnch verurthelUcn wollten: su konnten jedoch mit gutem Grund 
geltend machen» daß diese Inseln viel zu klein, unfruchtbar und 
ungesund seieitä. rT? * deutscher Kolouisationöbodcn irgend in 
Betracht komUjS belangreich y fraß da? Interesse des dMchen 
Handels 'N'd MW.S nicht enM Diesem 
Erde wer 
und darum ist cs ungerecht, aus der Ablehnung jener Vorlage 
den Vorwurf zu erheben, der Reichstag habe für die Kolonial- 
frage kein Interesse. Es sicht fast 'so ans, als ob man in 
dem Scheitern des Samoaprojektcs eine willkommene Ent- 
'chuldignng für die absolute Unthätigkeit in dieser 
ebenso ernsten als schwierigen Frage erblickte. 
Der Berichterstatter der „Times" meldet von einer Unter 
redung, die er am 8. d. mit den Söhnen Garibaldi's 
Mcnotti und Nicotti hatte. Dieselben erklärten, daß sie 
trotz ihres ernsten Willens, die Anordnungen ihres Vaters 
auszuführen und die Leiche desselben zu verbrennen, sich 
dem gefügt hätten, was ihnen in eindringlichster Weise als der 
Wille der Nation vorgestellt worden sei. Sie hätten die Ab 
sicht aufgegeben, die Verbrennung vorzunehmen. Ein 
Familienrath wurde letzte Nacht gehalten. Signora Fräncesca, 
die Wittwe Garibaldi's, bestand "bis zuletzt darauf, daß der 
Wille ihres verstorbenen Mannes respektirt werden solle, aber die 
Vorstellungen Fazzatis gaben den Ausschlag. Eine Gruft wurde 
in aller Schnelligkeit hergestellt und hier soll dieLeiche bleiben, bis 
das Parlament über den definitiven Bcgräbnißplat; entschieden 
haben wird. Man glaubt, daß die Wahl aus das Kapitol oder 
den Janicnlus fallen wird; der Beisetzung im Pantheon wird 
sich Garibaldi's Familie widersetzen, so 'lange dies Gebäude 
einen religiösen Charakter bewahrt. Den Platz, der für die 
Verbrennung vorbereitet war, hat der Berichterstatter gleich 
falls in Augenschein genommen; cs ist eine Felsenccke von 
gewählt und geschnitten hat. Wie die Familie Garibaldi's 
d.ssen Wege im Leben so oft gekreuzt hat, so ist es noch im 
Tode geschehen. 
Oesterreichisch-Ungarische Monarchie. 
§ Pest, 9. Juni. Das Abgeordnetenhaus war heute 
wieder der Schauplatz eines jener wüsten Skandale, wie 
sie der bekannte Abg. von Jstoczy unter Mißbilligung seiner 
eignen Parteifreunde nun fast täglich zu inscemren pflegt. 
Bei der Fortsetzung der Debatte über die Frage der Ein 
wanderung der russischen Juden hatte der Abg. Wahrmann 
eine Rede gehalten, in welcher er einerseits zugab, daß im 
Interesse des magyarischen Staates jedes Einströmen fremder 
Elemente möglichst verhindert werden müsse, gleichzeitig aber 
darauf hinwies, daß eine nennenswerthe Einwanderung 
russischer Juden überhaupt nicht stattfinde. Er schloß seine 
Bemerkungen, indem er der Hoffnung Ausdruck gab, trotz der 
gemeinen und schmutzigen Wühlereien werde es in Ungarn 
keine Judenfrage geben. Sofort nach dieser Rede interpcllirte 
Jstoczy. im Foyer - des Hauses Wahrmann wegen des letzten 
Passus. Wahrmann erwiderte, er habe keine bestimmte 
Person im Auge gehabt, dessen ungeachtet forderte ihn 
Jstoczy zum Duell. Wahrmann lehnte den Zweikampf 
ab. Wenige Sekunden später trat Jstoczy wieder 
an Wahrmann heran und rief ihm zu: „Ich 
habe Sie provozirt; Sie haben das Duell jedoch nicht an 
genommen. Sie sind ein erbärmlicher Mensch." Wahrmann 
gab die Beleidigung noch verschärft zurück, worauf Jstoczy 
ihn thätlich insnltirte. 'Der Abgeordnete Rohonczy legte sich 
nun/ Andere traten hi'irzr /ennten die 
der übrigens gleich nach dem Vorgänge seinen Austritt aus 
dem liberalen Klub anmeldete, in der schärfsten Weise. Wie 
erzählt wird, hat Wahrmann heute Abend doch noch seine 
Sekundanten geschickt, um Jstoczy auf Pistolen fordern zu 
lassen. Das Duell soll morgen stattfinden. 
Frankreich. 
He Paris, 9. Juni. Ans dem Banket, welches anläßlich 
der landwirthschaftlichen Ausstellung in Saint-Quentin ver 
anstaltet wurde, hat der Finanzminister eine Rede gehal 
ten, welche von der Presse vielfach kommentirt wird. Leon 
Say sprach sich im Allgemeinen gegen weitere Steuer 
herabsetzungen aus. Da nun dieser Hinweis von der 
Oppositionspresse als im Widersprüche mit dem ursprünglichen 
Regierungsprogramme stehend bezeichnet wird, sieht sich das 
„Journal! des Debats" zu einer authentischen Interpretation 
jener Rede veranlaßt. Das Organ des Finanzminifters führt 
aus, daß Steuerherabsetzungen nur dann gestattet sind, wenn 
sie sich als Konsequenzen 'bestimmter thatsächlicher Derhält- 
nisie ergeben. Man könne wohl bezüglich des Budgets von 
einer Politik des Gleichgewichts sprechen, die Steuererlasse 
ermögliche, nicht aber schlechthin von einer „politigns äs 
äexrevement." Die erstere Politik führe zu Steuerentlastun 
gen, weil sie den Steuerpflichtigen alle diejenigen Hülfsmittel 
überlasse, welche nicht nothwendig seien, um eben jenes Gleich 
gewicht zu schaffen. Mit Beziehung auf die Landwirthschaft 
führte der Finanzminister aus, daß die in Aussicht stehende 
gute Ernte verhindern werde, daß das Kapital im nächsten 
Jahre ins Ausland ginge, so daß es industriellen Unterneh 
mungen zugesührt werden könnte. Hieraus schöpft Leon Say 
die Hoffnung, daß eine Herabsetzung des Zinsfußes erfolgen 
werde, welche neue Arrangements bezüglich der öffentlichen 
Schuld und Erleichterungen herbeizuführen vermöchte, die 
zum Nutzen des Landes dienen sollen. Inzwischen erweist 
sich die Finanzlage Frankreichs gegenwärtig keineswegs als 
eine besonders günstige. 
Die indirekten Steuern haben für den Monat Mai 
einen Ueberschuß von 7,141,000 Frcs. ergeben, was ein im 
Verhältniß mit den früheren Monaten unbefriedigendes Re 
sultat zu nennen ist, da die ersten vier Monate des Jahres 
1882 ein Mehrerträgniß von 40,527,000 Frcs. geliefert haben. 
Insbesondere sind in dem letzten Monate die Zölle auf Zucker, 
Wein und die Steuer anst Enregistrement, die letztere um die 
beträchtliche Summe von 1,700,000 Frcs. hinter den Vor 
anschlägen zurückgeblieben. Nimmt man die vier ersten 
Monate als Grundlage, was jetzt schon etwas gewagt er 
scheinen muß, so würde das ganze Jahr einen Ueberschuß von 
PO Millionen abwerfen; dieser Gewinn ist aber bereits mehr 
als erschöpft, indem man schon bisher zu dem Finanzjahr 
1881 Nachtragskredite in: Gesammtbetrage von 127 Millionen 
bewilligt hat. Angesichts dieser unerfreulichen Lage wird die 
Kammer nicht umhin können, dem Wunsche des Herrn Löon 
Say gemäß ihrer Freigebigkeit Einhalt zu thun. 
Mit Beziehung auf die bevorstehende Abberufung des 
sC 1 n t Thrmprtt hpv SttfhlVs/'. hslts 
Generationen vereinigt finden, und daß cs dem Urgroßvater an 
dem Abend eines thatenvollcn und ruhmreichen Lehens ermöglicht 
ist, an die Seite des herangereiften Sohnes und des in das Man 
nesalter eingetretenen Enkels den Urenkel über die Taufe zu 
halten. Unter den Gaben, welche das Alter unserem 
Kaiser mit so reicher Hand bescheert bat, nimmt die Ge 
burt dieses Urenkels, welcher berufen ist, der Erbe deS 
Thrones in der vierten Generation zu sein, sicherlich nicht den 
letzten Platz ein. Die fürstlichen Verwandten und die Mitglieder 
befreundeter Herrscherhäuser haben sich zahlreich eingefunden und 
den jungen Prinzen umstehen eine Reihe erlauchter Pathen. 
Prinz Wilhelm hat ganz besonders den Wunsch gehegt, daß 
unter den Zeugen des Taufaktes diejenigen Fürsten vertreten sein 
möchten, welche auch am Tage seiner Vermählung hier anwesend 
waren, und so fehlen auch diesmal nicht der König von Sachsen, 
der Herzog von Aosta, der Herzog Christian von Schleswig- 
Holstein, der Großherzog von Sachsen und der Herzog von 
Sachsen-Coburg. Vom österreichischen Kaiserhause ist der 
Kronprinz Rudolf erschienen, der ja mit dem Prinzen 
Wilhelm schon von der Zeit der.Wiener Weltausstellung her 
besonders eng befreundet ist. Der zarte Gesundheitsheitsznstand 
der Kronprinzessin Stephanie hat ihr verbot' n, den Gemahl zu 
diesem Besuche an unserem Kaiserhof zu begleiten und damit den 
Besuch zu erwidern, den daö junge prinzliche Paar seinerzeit in 
Wien bei Gelegenheit der dortigen Hochzeitsfeierlichkeiten abge 
stattet batte. Von dem russischen Käiserhofe ist der jüngste Bruder 
des Kaisers, Großfürst ScrgkuS, entsandt worden, und von den 
übrigen europäischen und deutschen Höfen sind entweder besondere 
Spezialgesandte eingetroffen oder die betreffenden Chefs der 
hiesigen'Missionen mit der Stellvertretung beauftragt worden, so 
daß sich morgen in den schönen Festräumen des Neuen Palais 
eine außerordentlich glänzende Versammlung zu diesem fast einzig 
in seiner Art dastehenden Feste vereinigt. 
Potsdam prangt im freundlichsten Frühlingsschmuck, überall 
grünt und blüht cs und die königlichen Gärten wollen uns kaum je so 
frisch und üppig erschienen sein, als in diesem Jahre. Der weiterunde 
Platz vor dem Neuen Palais ist geschmackvoll mit Teppichbceten 
und'Gruppen kostbarer blühender'Blumen verziert worden, die 
sich von dem Rasenteppich wirkungsvoll abheben und deren 
Farbenpracht noch erhöht wird durch den dunkeln Hintergrund 
des dichten Laubwaldes, welcher das Rondel aus allen Seiten 
einrahmt. Seitdem die kronprinzlichcn Herrschaften alljährlich in 
dem Neuen Palais ihre Sommerresidcnz aufgeschlagen haben, ist 
viel für die Ausschmückung und Verschönerung der Anlagen ge 
schehen. Da, wo sonst stehende Sümpfe weite Flächen bedeckten, sind 
jetzt schöne Rasenplätze mit farbigen Blnmenbceten und künstleri- 
scheu Gruppen geschmückt entstanden, reizende Fernsichtcn sind in das 
Dickicht eröffnet und überall zeigt sich auch hier die anordnende 
Hand der Frau Kronprinzessin welche unablässig bemüht gewesen 
ist, diesen früher etwas' vernachlässigten Theil dcS Parkes von 
Sanssouci in wahrhaft künstlerischer Weise umzugestalten. Von 
den großen Prachtsälen, dem zu ebener Erde liegenden Muschel 
saale und den angrenzenden Galerien bietet sich dem Auge ein 
erfreulicher Anblick, und für daS Fest, das morgen gefeiert werden 
soll, konnte kaum ein besserer Platz ausgewählt werden. Zum 
Taufakt selbst ist die rechts neben dem Muschelsaal liegende 
Jaspisgalerie ausersehcn, in welcher der Altar von Blumen und 
Blattpflanzen umgeben, hergerichtet ist. Ein arteg Herkommen 
setzt für die Tauffeierlichkeiten fest, daß über den Altar ein 
carmoisinrother Sammet-Baldachin sich wölbt, dcssen»Rückwand mit 
dem aus Seide gesticktenBilde Correggios „das dorne^Mkrönte Antlitz 
Christi" geschmückt ist. Aus dem Tauftisch ist dasH^^MH placirt, 
welches auf Anordnung des Königs Fricdriä^L^^Miii. von dem 
Hosgoidschmicd Hossauer aus scbiVfi ligt ist und 
erneu Mal ranch ge 
nommcn foinm 
als Stellvertreter erschienenen Prinzen und hochgestellten Personen 
sind noch Einladungen an die Chefs derjenigen am hiesigen Hofe 
tccrcditirten Missionen ergangen, aus deren Ländern ein Ri'it- 
zlied des regierenden Hauses anwesend ist, sowie an alle Bot- 
chafter mit ihren Gemahlinnen. Ein Ertrazng wird die ein 
geladenen Gäste Mittags 1 Uhr von Berlin nach der Wildpark- 
station bringen, wo Wagen bereit stehen, um sie durch die schöne 
Allee an den festlich geschmückten Kommuns vorüber nach dem 
Neuen Palais zu führen. Von dem stattlichen Vestibül aus, das 
ebenfalls reich mit Blumen geschmückt ist, und in welchem die 
Mannschaften der Schloßgarde-Kompagnie die Ehrenwache bilden, 
begeben sich die Gäste nach dem links von dem Muschel» 
saalc bclegenen Tamerlansaale, um hier daö Zeichen 
für den Eintritt in die Tauskapelle zu erwarten. In 
derselben ist neben dem Altar ein Sitz für die Frau 
Prinzessin Wilhelm bergerichtct worden, tun dort den Eintritt 
der Taufzengen, der Gäste und des Taufzugcs zu erwarten. So 
bald die Gäste versammelt und alle Vorbereitungen beendet sein 
werden, wird um 2 Uhr dem Kaiser die entsprechende Meldung 
gemacht und tritt dann der Kaiser und die Kaiserin mit den 
übrigen fürstlichen Oäästen, gefolgt von ihrem Ehrendienst, in die 
Jaspis-Galerie ein. Der Kaffer, als vornehmster Pathe, stellt 
sich rechts vom Altar auf und neben ihm folgen die übrigen 
Fürstlichkeiten ihrem Range gemäße während das Gefolge sich 
hinter denselben rangirt. Der übrige Raum wird von den 
anderen Gästen ausgefüllt. Sobald -die einzelnen Paare ihren 
Platz an dem Altar eingenommen haben, nimmt der Taufzng 
seinen Eintritt in die Taufkapclle auS den an die Jaspis-Galerie 
angrenzenden Gemächern. Dem Zuge voran schreitet der Haupt- 
mäun von Liebcnau als fungirendcr Hofmarschall deS Prinzen 
Wilhelm. Der Täufling, dem man übrigens gute Gesundheit und 
ein freundliches liebes Kindergesicht nachrühmt, wird von der 
Obcrhosmeisterin Gräfin Brockdorff bis an die Schwelle der Taus- 
Kapelle getragen, wobei die Hofdamen Gräfin Keller und Fräu 
lein v Gersdorf die Schleppe des TaufkleideS tragen. Die Leih- 
pagcn dcS Prinzen Wilhelm und der Prinzeß Victoria fungircn 
ebenfalls in dem Zuge, den sie mit dem Kammerherrn schließen. 
An der Thür der Tauskapelle übergiebt die Oberhofmeisterin den 
Täufling ebenfalls einem alten Herkommen gemäß einer nnver- 
heiratheten Prinzessin dcS königlichen Hauses, diesmal der Prin 
zessin Victoria, welche sich dann mit ihrem Neffen dem kaiser 
lichen Großvater nähert und denselben in die Hände des Kaisers 
legt. Der Kaiser hält seinen Urenkel während des ganzen Tauf 
aktes, den der Hosprcdiger vr. Kögel vollziehen wird, und nachdem 
derAkt vorüber ist, wird der Täufling wieder von der Prinzessin 
Victoria dem Kaiser abgenommen, um nutl in die Arme" der 
Mutter gelegt zu werden, über welche dann zusammen mit dem 
Kinde der Segen gesprochen wird. Nach Beendigung dieser 
Feierlichkeit wird der Täufling in ganz gleicher Weise wieder ans 
der Taufkapelle zurückgebracht und in eine Paradewiege gelegt, 
welche in dem an die Jaspisgalerie anstoßenden Gemach auf 
gestellt ist. Dorthin bcgiebt sich nunmehr auch die Prinzef? 
Wilhelm, um jetzt die Gratulation der fürstlichen Gäste tut** 
Cour der übrigen Geladenen entgegen zu nehmen, wo>' 
Täufling ibr zur Seite in der Päradewiege liegt. An ~ 
wird sich dann eine Galatafel in den schönen i)'' 
Muschelsaales anschließen. ' 
Aus dern Neich und den 
2p Dresden, 10. Juni. Heute Vorm 
Saxe" Hierselbst die Generalversam'" 
deutscher Papierfabrikanten statj 
Rücksicht auf die Wichtigkeit einzelner 's &-§ 
auck die Vorstände der versckstedet^»^ to 
Vereine cinaclcidcn wa ^ ^ 
Qt Jr Sf *** tat 
&
	        
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